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2. Literaturübersicht

2.2. Peroxyessigsäure (PES)

2.2.1. Historie

Die keimtötende Wirkung der PES wurde zuerst 1902 von Freer und Novy beschrieben. Sie verglichen in einem In-vitro-Versuch die Wirkung von PES mit Wasserstoffperoxid und stellten fest, dass bereits nach drei Minuten sämtliche getesteten Keime inklusive Sporen von Bacillus anthracis abgetötet waren.

Wasserstoffperoxid führte hingegen auch nach 60 Minuten nicht zu einer vollständigen Abtötung der meisten verwendeten Keimarten (FREER u. NOVY 1902). D´Ans und Frey stellten 1912 fest, dass die Reinsubstanz äußerst explosiv ist. Damit wurde die weitere Anwendung und Forschung erst einmal gebremst (BÜTZER 2012). Zwischen

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1950 und 1960 erschienen schließlich mehrere Arbeiten über die mikrobiozide Wirkung von PES (SCHREINER 2008). Es bildeten sich zwei Arbeitskreise, die zunächst unabhängig voneinander forschten, später aber in regem Austausch standen (SCHREINER 2008). In der damaligen DDR erhielt PES im Jahr 1972 die Zulassung als Arzneimittel für Haut- und Händedesinfektion und wurde unter dem Handelsnamen Wofasteril vertrieben (SCHREINER 2008). Die heutigen Anwendungsbereiche sind vielfältig. Neben dem Einsatz zur Flächen- und Hautdesinfektion wird PES auch häufig in Aquakulturen zur Desinfektion und Bekämpfung von Ektoparasiten bei Fischen verwendet (STRAUS et al. 2018). Auf Grund der oxidativen Wirkung kann PES außerdem als Bleichmittel für Papier (YANG et al. 2018) und Textilien (ABDEL-HALIM u. AL-DEYAB 2011) eingesetzt werden. Des Weiteren findet PES als Reagenz oder Katalysator in chemischen Reaktionen Anwendung zum Beispiel bei Polymerisationen oder der Epoxidierung von Alkenen (BÜTZER 2012).

2.2.2. Eigenschaften und Wirkmechanismus

Da PES in reiner Form hochexplosiv ist, werden meist 15- oder 40-prozentige Lösungen vertrieben (BÜTZER 2012). Es liegt stets ein Gleichgewicht zwischen den Ausgangsstoffen Essigsäure und Wasserstoffperoxid (WPO) und den Reaktionsprodukten PES und Wasser vor (Abb. 1).

Abbildung 1: Bildungsreaktion von Peroxyessigsäure (PES) (SCHREINER 2008)

15 Diese Lösungen sind durch spezielle Herstellungsverfahren oder zugegebene Stabilisatoren über einen längeren Zeitraum stabil. Verdünnt man sie jedoch mit Wasser, kehrt sich die Reaktion um und die PES-Moleküle zerfallen. Je höher die Temperatur, desto rascher zersetzt sich die Lösung (MÜCKE 1970).

Gebrauchslösungen sollten daher kühl aufbewahrt und zügig aufgebraucht werden.

PES ist als antimikrobielle Substanz sehr gut geeignet, da sie ein breites Wirkspektrum und eine hohe Wirkungsgeschwindigkeit besitzt und auch bei niedrigen Temperaturen wirksam ist (MORADI et al. 2009; SELLA et al. 2012). Beim Einsatz in Gegenwart von organischem Material zerfällt sie schnell in die ungefährlichen Produkte Wasser und Essigsäure und stellt somit keine Gefahr für die Gesundheit und die Umwelt dar (EFSA 2014). Ein Nachteil der PES besteht darin, dass sie auf Eisen und einige andere Metalle eine stark korrosive Wirkung hat. Dem entgegengewirkt werden kann mit einer Alkalisierung der Gebrauchslösung (SCHREINER 2008). Dadurch ist kein Wirkverlust zu erwarten, da der schwach saure pH für die antimikrobielle Wirkung unerheblich ist, wie der Vergleich zu Essigsäure oder Salzsäure mit gleichem pH zeigen (MÜCKE 1970). Ab einem pH von 9 zerfällt die Lösung jedoch sehr schnell und sollte innerhalb von zwei Stunden verbraucht werden (SCHREINER 2008). Der Wirkmechanismus von PES ist komplex. Durch nicht spezifische Oxidation werden vor allem die C-C- Doppelbindungen sowie SH-Gruppen angegriffen, was zur Zerstörung der Zellen führt (WESSELS u. INGMER 2013). Außerdem werden freie Radikale gebildet, die ebenfalls an verschiedenen Stellen angreifen. Der Unterschied zwischen der Wirksamkeit von Wasserstoffperoxid und Peroxyessigsäure besteht zum einen darin, dass WPO durch das Enzym Katalase zu Wasser und Sauerstoff gespalten wird und somit seine oxidierende Wirkung verliert, während das beim PES-Molekül nicht der Fall ist. Zum anderen kann PES durch den lipophilen Rest die Lipidschicht der Membran durchdringen und der Aktivsauerstoff im Inneren seine Wirkung entfalten (Abb. 2).

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Abbildung 2: Vergleich der Wirkung von Wasserstoffperoxid (WPO) und Peroxyessigsäure (hier als Acetylhydroperoxid (AHP) bezeichnet) auf Bakterienzellen (SCHREINER 2008)

2.2.3. Rechtlicher Hintergrund

Während PES in den USA schon seit mehreren Jahren zur chemischen Dekontamination von Geflügelschlachtkörpern eingesetzt wird, gibt es dafür bislang in der EU keine Zulassung. Zur Dekontamination ist bisher nur Trinkwasser in der EU erlaubt. Die EU zieht jedoch eine Behandlung mit PES in Betracht und hat daher den Auftrag an die EFSA gegeben, die Sicherheit und Effektivität von PES zu überprüfen.

Die EFSA stuft einen Zusatz von bis zu 230 ppm PES in Kühltanks und eine Konzentration bis zu 2000 ppm als Sprüh- oder Tauchbehandlung von nicht länger als drei Minuten als sicher ein (EFSA 2014).

17 2.2.4. Anwendung auf Fleisch

Es existieren zahlreiche Studien zur Wirksamkeit von PES auf Fleisch zur Reduktion verschiedener Keimarten, die Ergebnisse unterscheiden sich je nach Applikationsart, eingesetzter Konzentration und den getesteten Mikroorganismen. Durch den Zusatz von 200 ppm PES ins Kühlwasser konnte nach 1 h eine Reduktion von 1,5 log10-Stufen KbE von C. jejuni auf Hähnchenkarkassen im Vergleich mit dem Zusatz von 30 ppm Chlor erreicht werden. Der Keimgehalt an Salmonella (S.) Typhimurium konnte bereits bei einer Konzentration von 25 ppm PES signifikant gesenkt werden (BAUERMEISTER et al. 2008). Bei MEREDITH et al. (2013) führte jedoch weder der Einsatz von 200 ppm PES als Dip, noch als Spray bei einer Anwendungszeit von 15 s zu einer signifikanten Reduktion der Belastung mit Campylobacter spp. Eine höhere Konzentration von 1000 ppm PES in einem 20 s Dip zeigte allerdings eine Reduktion von 2,0 log10-Stufen KbE von C. jejuni und S. Typhimurium auf Hähnchenkarkassen im Vergleich zu der unbehandelten Kontrolle (NAGEL et al. 2013). In einer weiteren Studie wurde der Effekt von 400 ppm PES, appliziert als Spray für 30 s, auf natürlich vorkommende Campylobacter spp. auf Hähnchenschlachtkörpern untersucht. Der Keimgehalt auf der Haut konnte um ca. 1 log10-Stufe KbE des Erregers reduziert werden. Dieser Effekt war jedoch nicht statistisch signifikant, allerdings wurde auch ein hohes Signifikanzniveau von (P<0,01) gewählt. Die Zugabe von 20 ppm PES (+T-128 als Stabilisator) zum Kühlwasser bewirkte eine signifikante Reduktion der Gesamtkeimzahl (GKZ), von Escherichia (E.) coli und der Gesamtheit an coliformen Bakterien (STEININGER et al. 2018). Abweichungen in der Sensorik nach der Behandlung traten bei manchen Studien auf, wurden jedoch als nicht gravierend beurteilt (BAUERMEISTER 2008; ZHANG 2018). Ähnliche Ergebnisse zeigten sich auch bei der Anwendung auf Rindfleisch. KING et al. (2005) testeten verschiedene Konzentrationen an PES auf Rindfleischkarkassen. Während die Sprühbehandlung der gekühlten Karkassen mit 200 ppm PES keinen Effekt auf die Anzahl KbE von E.

coli und S. Typhimurium zeigte, führte sie auf der heißen Karkassenoberfläche hingegen zu einer Reduktion von 0,7 log10 KbE/cm2 beider Keime. Bei ELLEBRACHT et al. (2005) führte die Anwendung von 200 ppm PES als Dip zu einer Reduktion KbE von E. coli und S. Typhymurium um etwa 1 log10-Stufe. Höhere Konzentrationen bis

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zu 1000 ppm PES brachten keine zusätzliche Reduktion. Die Behandlung mit PES führte zu niedrigeren pH-Werten des behandelten Fleisches. In einer weiteren Studie konnten (VISVALINGAM u. HOLLEY 2018) nachweisen, dass eine Dip-Behandlung des Hackfleisches mit 400 ppm PES zu einer Reduktion von E. coli um 0,8 log10 KbE/g in Rindfleischfrikadellen führt. Die Frikadellen wiesen einen niedrigeren Rotwert auf als die Kontrolle.