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2 LITERATURÜBERSICHT

2.3 Pathogenese von S. aureus-Mastitiden

Nach der Besiedelung der Zitzenspitze durch S. aureus folgt, insbesondere bei Vorschädigung der Zitze durch z.B. fehlerhafte Melktechnik (ANDERSON 1982), die Penetration des Zitzenkanals (BERGONIER et al. 2003), die durch Ausbreitung der Kolonien von der Zitzenspitze aus aktiv erfolgen kann (HOEDEMAKER 2001) und schließlich die Anheftung der Bakterien an die Epithelzellen der Zitzen- und Drüsenzisterne (FROST 1975; FROST et al. 1977). Bei dieser Anheftung kann beispielsweise die Pseudokapsel („Schleim“), die die meisten an Mastitisgeschehen beteiligten S. aureus-Stämme ausbilden, fördernd wirken (AGUILAR et al. 2001).

Bestimmte Zellwand-Adhäsine scheinen an der Anlagerung beteiligt zu sein, denn AGUILAR und ITURRALDE (2001) konnten sie außer bei bovinen auch bei sieben von acht ovinen S. aureus-Mastitis-Isolaten nachweisen. Außerdem kann die Anlagerung an Epithelzellen nach Schädigung dieser durch von S. aureus produzierte Toxine erleichtert sein (BASELGA et al. 1994). Nachdem der enge Kontakt zwischen S. aureus und den Epithelzellen hergestellt ist, können letztere Pseudopodien-artige Fortsätze ausbilden, die zur Internalisierung der Bakterien führen (ALMEIDA et al. 1996). Am Eindringen in die Epithelzellen ist auf der Seite von S. aureus hauptsächlich Fibronektin Bindungsprotein (FnBp) beteiligt, das die schnelle Ausbreitung von S. aureus im Euter fördert (BROUILLETTE u. MALOUIN 2005; ZECCONI et al. 2005). Nach der Aufnahme in die Epithelzelle kann S. aureus

aus dem Endosom ins Cytoplasma „flüchten“, indem die Endosomen-Membran vermutlich mit Hilfe von Hämolysinen aufgelöst wird. Dies kann zur Apoptose der nicht-professionellen Phagozyten führen (BAYLES et al. 1998). Im Anschluss an die Ausbreitung in Zitzen- und Drüsenzisterne steigen die Bakterien in das Milchkanalsystem auf und bilden tiefe Infektionstaschen im Alveolargewebe, die zu Abszessen und der Bildung von Narbengewebswällen führen, welche S. aureus im Gewebe einschließen (NICKERSON 1993a).

Durch S. aureus geschädigtes Drüsengewebe stellt die Milchproduktion ein (ZHAO u.

LACASSE 2008) oder nimmt sie, im Falle einer Infektion während der Lactogenese, gar nicht erst auf. SORDILLO et al. (1989) fanden in entsprechend geschädigten Epithelzellen weniger raues endoplasmatisches Retikulum als in gesunden Zellen, was zu eingeschränkter Sekretion führte. Außerdem werden Milchgänge durch degenerierte und abgeschilferte Epithelzellen sowie Leukozyten verstopft, so dass es zur Involution der blockierten Bereiche und zu einem Absinken der Milchleistung kommt. Zusätzlich kann der blockierte Milchfluss zu einer Akkumulation von Toxinen und damit zu einer stärkeren Gewebeschädigung führen (NICKERSON u. OWENS 1993). Öffnen sich die verstopften Milchgänge wieder, können andere Bereiche der Milchdrüse infiziert werden (FROST 1975; NICKERSON u. OWENS 1993).

Die Ausprägung der klinischen Symptome bei einer intramammären Infektion (IMI) mit S. aureus ist mannigfaltig. Sie reicht von perakuter (gangränöser) Mastitis bis hin zu subklinischen Formen (ANDERSON 1982). Bei der gangränösen Mastitis sorgen Toxine wie das α- und β-Toxin (GUINANE et al. 2008), toxic shock syndrome toxin-1 (TSST-1) und auch das Enterotoxin C (MATSUNAGA et al. 1993; TOLLERSRUD et al. 2000) mit gefäßverengender Wirkung für eine Ischämie mit nachfolgender Nekrose der tubulären Gewebebezirke, so dass das Euter kalt, zyanotisch und ödematös wird. Durch Thrombenbildung in großen Venen kommt es zu einem feuchten Gangrän. Das Sekret ist serumartig bis blutig. Betroffene Tiere zeigen meist Intoxikationserscheinungen und verlieren bestenfalls das betroffene Viertel bzw. die betroffene Hälfte, häufig kommt es aber auch zum Tod des Tieres (NEUMEISTER 1984; BEZEK u. HULL 1995; CONTRERAS et al. 2003).

Oftmals entwickelt sich eine klinische oder subklinische chronische Infektion mit S. aureus. Hierbei stellen sich große Bereiche der Milchdrüse unauffällig dar, jedoch kommt es zu der oben beschriebenen Formierung von (Mikro-) Abszessen (ANDERSON 1982). Da der Grund für die chronische Infektion die Ineffektivität bei der Elimination der Bakterien ist, kommt es zu einem verlängerten Einstrom an neutrophilen Granulozyten (SLADEK et al. 2005). SHOSHANI et al. (2000) stellten fest, dass die Phagozytose-Kapazität der Granulozyten mit der Zeit abnimmt, was die Elimination der chronischen Infektion zusätzlich erschwert. S. aureus sorgt mit Hilfe zahlreicher Virulenzfaktoren dafür, dass die Wirtsabwehr ineffektiv bleibt. So konnten z.B. Protein A, welches an den Fc-Teil von Antikörpern bindet und diese somit unschädlich macht (FOSTER u. MCDEVITT 1994) sowie der Clumping Faktor, der Fibrinogen aus dem Plasma bindet, gehäuft bei chronischen S. aureus-Mastitiden nachgewiesen werden (MATSUNAGA et al. 1993). Auch die Koagulase führt zu einer

„Verklumpung“ von Plasma durch die konformative Aktivierung von Prothrombin (PANIZZI et al. 2004).

Die bereits bei der Anlagerung an Epithelzellen erwähnte Pseudokapsel kann zusätzlich die Opsonisierung durch Antikörper und Komplement verhindern und somit die Phagozytose inhibieren (KARAKAWA u. YOUNG 1979; WILKINSON et al.

1979). Außerdem kommt es bei S. aureus-Isolaten aus Mastitismilch häufiger als bei Hautisolaten zu einer so genannten Biofilmbildung, wobei eine Schleimhülle um mehrere Zellschichten die Wirtsabwehr zusätzlich beeinträchtigt (FOX et al. 2005).

Auch die Kapsel stellt ein Phagozytose-Hindernis dar, obwohl VERBRUGH et al.

(1982) feststellten, dass der Komplementfaktor C3 auch unterhalb der Kapsel an S. aureus binden kann.

Einen weiteren wichtigen Virulenzfaktor stellen die Leukozidine dar. Hierbei handelt es sich um Exotoxine, die Granulozyten und Monozyten durch Porenbildung in deren Membranen töten. Leukozidine konnten bei S. aureus aus Mastitismilch von Wiederkäuern fast immer nachgewiesen werden, so dass die Vermutung nahe liegt, dass sie für die Pathogenese der Mastitis essentiell sind (HAVERI et al. 2007).

Allerdings ergaben sich tierartspezifische Unterschiede bezüglich des Leukozidin-Typs (RAINARD et al. 2003).

Die epidermiolytischen exfoliativen Toxine ETA und ETB konnten von HAVERI et al.

(2007) bei keinem der von ihnen untersuchten S. aureus-Isolate aus bovinen intramammären Infektionen (IMI) nachgewiesen werden, so dass sie für die Pathogenese der Mastitis möglicherweise zu vernachlässigen sind.

Ob die Form der Mastitis, die sich aus einer intramammären Infektion mit S. aureus entwickelt, allerdings tatsächlich von den Virulenzfaktoren des jeweiligen S. aureus-Stammes abhängt, ist noch nicht abschließend geklärt. Verschiedene Virulenzfaktoren der unterschiedlichen Stämme scheinen das klinische Bild der Mastitis beeinflussen zu können (JONSSON 1985; ZECCONI et al. 2005). Im Gegensatz dazu stellten MIDDLETON et al. (2002) mittels PFGE allerdings fest, dass die gleiche Menge eines identischen S. aureus-Stammes bei einigen Kühen zu einer klinischen Mastitis führte, während sich bei anderen Tieren gar keine IMI entwickelte. Hieraus schlossen sie, dass andere Faktoren als der Stamm und somit auch als das Repertoire an Virulenzfaktoren den jeweiligen Schweregrad der Mastitis bestimmen.