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5. Einfluss entzündlicher Erkrankungen auf die Thrombozytenfunktion

5.2. Pathogenese entzündlich bedingter Thrombozytendysfunktionen

5.2.1. Thrombozytopenie als Ursache der verminderten Aggregation

Viele entzündliche Erkrankungen sind mit einer Thrombozytopenie assoziiert (HAUPTMAN et al. 1997; VALLADARES et al. 1998; SCHETTERS et al. 2009). Diese kann das Resultat eines erhöhten Verbrauchs, einer beeinträchtigten Produktion oder einer gestörten Verteilung sein (FELDMAN et al. 1988). Darüber hinaus kann das Auftreten von Anti-Plättchen Antikörpern (s. Kap. 5.2.3.) eine Thrombozytopenie verursachen (TERRAZZANO et al. 2006). Eine Studie von GRINDEM et al. (1991) fand heraus, dass die Thrombozytopenie von 987 Hunden in 23% der Fälle entzündlich bzw. infektiös bedingt war.

Eine mögliche Thrombozytopenie ist außerdem von Interesse bei der Auswertung der Aggregationsmessungen. So konnte gezeigt werden, dass Thrombozytenzahlen unter 100 x103/µL zu einer deutlichen Abnahme der turbidimetrisch erfassten Aggregation führen (RAND et al. 2003; ZHOU u. SCHMAIER 2005). Im Fall der Impedanzaggregometrie haben bereits Thrombozytenzahlen von unter 150 x103/µL einen negativen Einfluss auf die Messergebnisse (MENGISTU et al. 2009).

Eine Thrombozyopenie ist sicherlich in vielen Fällen maßgeblich an einer verminderten Thrombozytenaggregation beteiligt (VALLADARES et al. 1998; YILMAZ et al. 2005), doch haben verschiedene Studien immer wieder gezeigt, dass auch in Fällen mit Thrombozytenzahlen im Normalbereich eine Hemmung der Plättchenfunktion auftritt (MORENO et al. 1998; MORITZ et al. 2005). Aus diesem Grund müssen weitere Mechanismen existieren, die eine gestörte Thrombozytenfunktion verursachen.

5.2.2. Thrombozytenfunktions“erschöpfung“

MORITZ et al. (2005) vermuten aufgrund des Nachweises einer erhöhten P-Selektin-Expression auf der Thrombozytenoberfläche, dass Hunde mit entzündlichen Erkrankungen vermehrt zirkulierende, aktivierte Thrombozyten aufweisen. Diese können in vitro teilweise hypofunktional erscheinen, da sie durch die vorangegangene Aktivierung in vivo refraktär gegenüber einer weiteren Aktivierung sind. Ähnliches konnte bei Menschen mit Morbus Crohn (COLLINS et al. 1994) und Sepsis (GAWAZ et al. 1995) beobachtet werden.

PEERSCHKE (1985) fand heraus, dass diese Refraktärphase mit einer gehemmten

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25 intrathrombozytären Ca2+-Mobilisation und dem Unvermögen, Fibrinogen zu binden einhergeht. Dies würde letztendlich in einer verminderten Aggregationsfähigkeit resultieren.

Andere Autoren bezeichnen dieses Phänomen als „Erschöpfung“ der Thrombozytenfunktion, die auch im Rahmen der caninen Ehrlichiose (BRANDAO et al. 2006) und bei Hunden mit akuter Pankreatitis (JACOBS et al. 1986) beobachtet wurde. Diese Thrombozyten zirkulieren weiterhin im Blut und beeinflussen somit mögliche Messungen in vitro (J. R. O'BRIEN 1978).

5.2.3. Anti-Plättchen Antikörper

Im Serum von an Ehrlichiose oder Leishmaniose erkrankten Hunden konnten Anti-Plättchen Antikörper nachgewiesen werden. Im Fall der Leishmaniose besteht ein Zusammenhang zwischen klinischem Stadium der Erkrankungen, der Thrombozytenzahl und dem Auftreten von Antikörpern (TERRAZZANO et al. 2006), während im Fall einer Ehrlichiose Anti-Plättchen Antikörper insbesondere in der akuten Phase vorhanden sind (HARRUS et al. 1996b). Die Eliminierung durch die Antikörper führt zu einer Thrombozytopenie, während eine Bindung der Antikörper an die Thrombozytenoberfläche, v.a. wenn diese an Rezeptoren erfolgt, eine Thrombozytendysfunktion hervorrufen kann. In einer weiteren Studie von HARRUS et al. (1996a) kam es aber auch dann zu einer Hemmung der Thrombozytenaggregation, wenn keine Antikörper mehr vorhanden waren. Diese Beobachtung spricht dafür, dass es weitere Faktoren geben muss, die zu einer Thrombozytenfunktionstörung führen.

5.2.4. Einfluss von Endotoxinen/Lipopolysacchariden (LPS) auf die Thrombozytenfunktion

Studien konnten zeigen, dass Endotoxine bzw. LPS über verschiedene Mechanismen Einfluss auf die Thrombozytenfunktion nehmen können (SABA et al. 1984; YAGUCHI et al.

2004; WOTH et al. 2011). So konnte gezeigt werden, dass Endotoxine in der Lage sind, direkt an Thrombozyten zu binden und auf diese Weise die Thrombozytenfunktion zu beeinträchtigen (SALDEN u. BAS 1994). Darüber hinaus können LPS das Endothel der Gefäßwand schädigen (HARLAN et al. 1983) und zu einer gesteigerten Expression von Adhäsionsmolekülen auf dem Endothel führen (JILMA et al. 1999) und im Speziellen die

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vermehrte Freisetzung von vWF induzieren (GRALNICK et al. 1989). Dies resultiert in einen erhöhten Verbrauch an Blutplättchen, was eine Thrombozytopenie zur Konsequenz hat. Ein weiterer Mechanismus wird von NYSTROM et al. (1994) beschrieben, die eine herabgesetzte Reaktionsfähigkeit der Thrombozyten von Patienten mit Endotoxämie gegenüber dem Agonisten Epinephrin feststellen konnten und dies auf einen Mangel an Adrenorezeptoren auf der Thrombozytenoberfläche zurückführten. Ähnliches konnte in einer Studie von SABA et al. (1984) für den Agonisten bzw. Metaboliten TxA2 beobachtet werden. Das stark reduzierte Ansprechen der Thrombozyten auf TxA2 scheint das Resultat einer Hemmung der Plättchendegranulation und einer Beeinträchtigung des Calciumtransports zu sein.

5.2.5. Aggregationsinduktion durch zirkulierende Immunkomplexe

Immunkomplexe sind in der Lage, über einen thrombozytären IgG-Rezeptor, den FcγIIA-Rezeptor, eine Agglutination der Plättchen zu induzieren (CLARK et al. 1982).

Antikörper des Immunkomplexes binden an den auf der Thrombozytenoberfläche exprimierten FcγIIA-Rezeptor und führen dadurch zu einer Agglutination der Thrombozyten (SJOBRING et al. 2002; JANCAR u. SANCHEZ CRESPO 2005). Zirkulierende Immunkomplexe wurden bereits im Rahmen der caninen Leishmaniose nachgewiesen (PUMAROLA et al. 1991; LOPEZ et al. 1996).

5.2.6. Microbial surface components reacting with adhesive matrix molecules (MSCRAMMs)

Auf der Oberfläche grampositiver Bakterien (insbesondere Staphylokokken) konnte eine Gruppe von Oberflächenadhesinen, sogenannte „microbial surface components reacting with adhesive matrix molecules“ (MSCRAMMs) identifiziert werden, die u.a. die Adhäsion an und Aktivierung von Thrombozyten bewirken können (PATTI et al. 1994). Zu diesen MSCRAMMs zählt auch der clotting factor A (ClF A), an den sowohl Fibrinogen als auch spezifische Antikörper binden können. Das gebundene Fibrinogen kann, da es aufgrund der Immobilisation eine Konformationsänderung erfährt, an den inaktiven GPIIa/IIIb-Rezeptor auf der Thrombozytenoberfläche binden und somit über Brückenbildung eine Vernetzung der Thrombozyten induzieren (PATTI et al. 1994). Des Weiteren führt der an den ClF A gebundene Antikörper über Bindung an den thrombozytären FcγIIA-Rezeptor zur Aktivierung

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27 des Thrombozyten (LOUGHMAN et al. 2005). Eine Studie von KERRIGAN et al. (2008) zeigte außerdem, dass die alleinige Bindung des Fibrinogen-ClF A-Komplexes an den Thrombozyten nicht ausreicht, um eine vollständige Aggregation zu induzieren. Erst die simultane Bindung von Fibrinogen und Antikörpern an den ClF A ermöglicht dies. Dieser Pathomechanismus kann somit letztendlich die Anzahl der refraktären Thrombozyten erhöhen und somit eine gehemmte in vitro Aggregation hervorrufen.

III Material, Tiere und Methoden

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III Material, Tiere und Methoden