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UNGELÖSTE PROBLEME UND AUSWIRKUNGEN DER PATENTIERUNG GENETISCHER

Im Dokument Genetische Ressourcen (Seite 48-0)

4 DAS SPANNUNGSFELD „GENETISCHE RESSOURCEN

4.5 UNGELÖSTE PROBLEME UND AUSWIRKUNGEN DER PATENTIERUNG GENETISCHER

Die Patentierung genetischer Ressourcen ist durch die Ausdehnung der Rechte des geisti-gen Eigeisti-gentums auf den Bereich des Lebendigeisti-gen aufgrund der Biotechnologie möglich ge-worden. Die Biodiversitätskonvention, der multilaterale Umweltvertrag, und das TRIPS-Abkommen, der multilaterale Wirtschaftsvertrag, welche damit verbundene Konflikte auf-heben sollten, lassen bestimmte Fragen offen. Insbesondere das Übereinkommen über TRIPS, so scheint es, trägt zu einer Verschärfung des Konfliktes über Besitzansprüche und Verwendungs- und Verwertungsrechte genetischer Ressourcen bei, während die Biodiver-sitätskonvention erste wichtige Lösungsansätze bietet.

Wenn im Folgenden das Spannungsfeld der genetischen Ressourcen unter dem Aspekt der von der CBD ungelösten Probleme und der Auswirkungen des TRIPS-Abkommens darge-stellt wird, so entstehen gewisse Überschneidungen mit dem bereits zuvor angesprochenem Zusammenhängen.

Das Spannungsfeld „genetische Ressourcen" 40 4.5.1 Probleme, die nicht durch die Biodiversitätskonvention gelöst werden

Ein Problem der Biodiversitätskonvention ist, dass sie bisher keine weltweite Gültigkeit hat. Die USA sind noch immer kein Vertragsstaat der Konvention. Somit sind Nutzer netischer Ressourcen aus den USA nicht an die Regelungen der CBD gebunden; doch ge-rade US-Unternehmen sind besonders häufig in Konflikte um genetische Ressourcen ver-wickelt.

Genetische Ressourcen, zu denen der Zugang bereits vor Inkrafttreten der Biodiversi-tätskonvention erfolgte, werden von deren Regelungen nicht erfasst. Diese Ressourcen können folglich, wenn sie in ex situ-Sammlungen aufgenommen wurden, weiterhin ohne die Erlaubnis ihrer ursprünglichen Bereitsteller und ohne deren Entschädigung oder Vor-teilsbeteiligung genutzt werden, wie Art. 15 Abs. 3 CBD dies eigentlich vorschreibt.

Im Zuge der Unterzeichnung der Biodiversitätskonvention seit Juni 1992 war unter ande-rem beschlossen worden, dass ungeklärte Fragen wie die Behandlung von ex situ-Sammlungen, die vor Inkrafttreten der Konvention angelegt wurden, im Folgeprozess in internationaler Zusammenarbeit gelöst werden sollten (Henne 1998, S. 134f.). Mit dieser Thematik beschäftigt sich vor allem die Food and Agriculture Organization (FAO).59

Die Wirkungsweise der CBD wird dadurch eingeschränkt, dass der Zugang zu genetischen Ressourcen und der entsprechende Vorteilsausgleich von vorherigen Absprachen und ge-genseitigem Einverständnis der Beteiligten abhängen (Art. 15 Abs. 4f. CBD). Hierfür Sor-ge zu traSor-gen obliegt den einzelnen Vertragsstaaten aufgrund ihrer Verpflichtung, die ReSor-ge- Rege-lungen der Konvention national umzusetzen. Die Umsetzung der Zugangs- und Vorteils-ausgleichsregelungen und der Regelungen in Bezug auf indigene Völker und indigenes Wissen bereitet währenddessen vielen Vertragsstaaten Schwierigkeiten. Die Qualität sol-cher Vereinbarungen wird schließlich vom jeweiligen Verhandlungsgeschick der Beteilig-ten bestimmt. Es bleibt daher offen, in welcher Weise sie zur Erfüllung der Ziele der Bio-diversitätskonvention beitragen und ob sie die Konflikte um genetische Ressourcen wirk-lich lösen können.

59 Die FAO ist eine selbständige Organisation innerhalb des UN-Systems. Sie hat 181 Mitglieder und ihre Ziele sind die Bekämpfung von Armut und Hunger. Um diese zu erreichen, setzt sie sich für landwirtschaftliche Entwicklung, Ernährungsverbesserung und Nahrungsmittelsicherheit ein (Centre for European Agricultural Studies 2000, S. 18). Informationen zur FAO unter http://www.fao.org.

Das Spannungsfeld „genetische Ressourcen" 41 Die Vertragsstaaten der CBD haben das Recht, Maßnahmen zu ergreifen, die den privaten Sektor veranlassen, den Zugang zu Technologien zu erleichtern (Art. 16 Abs. 3 f. CBD). In diesem Zusammenhang sind die Vertragsstaaten dazu aufgefordert, auch auf dem Gebiet der Rechte geistigen Eigentums zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass diese Rechte nicht im Sinne der CBD kontraproduktiv sind (Art. 16 Abs. 5 CBD). Ob und inwiefern der Folgeprozess die oben dargestellten Rechte und Verpflichtungen der Vertragsstaaten konkretisiert und für die Schwierigkeiten, die bei der Umsetzung auftreten, Lösungen bie-tet, wird unter 6.1 dargestellt.

4.5.2 Auswirkungen des Übereinkommens über TRIPS

Nach dem TRIPS-Abkommen sind Patente auf genetische Ressourcen erlaubt (Art. 27 TRIPS). Das Abkommen sieht aber keine Beteiligung der Bereitsteller genetischer Res-sourcen an den aus der Nutzung entstehenden Vorteilen vor. Gleiches gilt in Bezug auf das Wissen indigener Völker. Das Übereinkommen über TRIPS bietet daher keinen Schutz für indigenes Wissen, da dieses in der Regel nicht neu oder aber Gemeinschaftswissen ist (Ni-jar 1998, S. 13).

Bislang wurden genetische Ressourcen mit Ursprung in den Entwicklungsländern von Un-ternehmen aus Industrieländern hauptsächlich in Europa, Japan und den USA patentiert.

Dies hat zur Folge, dass Entwicklungsländer die durch Patente geschützten Produkte nicht (mehr) in diese Länder exportieren dürfen. Durch das Übereinkommen über TRIPS haben sich Entwicklungsländer verpflichtet, Patentgesetze bzw. Systeme sui generis oder Kom-binationen bereitzustellen, die Patente bzw. ähnliche Schutzrechte auf genetische Ressour-cen ermöglichen. Sobald ein Entwicklungsland die entsprechenden Regelungen des TRIPS-Abkommens umgesetzt hat, können Unternehmen aus Industrieländern auch in Entwicklungsländern Patente auf genetische Ressourcen mit Ursprung in den Entwick-lungsländern erhalten (ebenso in Bezug auf Systeme sui generis und Kombinationen). Je nach Schutzumfang wären die Entwicklungsländer dann bei der Nutzung ihrer eigenen genetischen Ressourcen beispielsweise zu Lizenzzahlungen verpflichtet oder dürften diese Ressourcen gar nicht mehr selbst nutzen (Duran/Michalopoulos 1999, S. 867).

Das Übereinkommen über TRIPS wirft aufgrund der dargestellten Umstände im Hinblick auf den Konflikt um genetische Ressourcen für Entwicklungsländer also zahlreiche

Prob-Das Spannungsfeld „genetische Ressourcen" 42 lerne auf. Die Bedeutung genetischer Ressourcen im TRIPS-Abkommen ist eine andere als die in der CBD: Während die Biodiversitätskonvention die Erhaltung genetischer Ressour-cen fördert und daher deren Bereitsteller und Bewahrer zu schützen sucht, schützt das Übereinkommen über TRIPS diejenigen, die genetische Ressourcen kommerziell nutzen - ohne jedoch Bereitsteller und Bewahrer genetischer Ressourcen an den Vorteilen, die sich aus der Nutzung ergeben, zu beteiligen.

Dennoch wird im TRIPS-Abkommen den besonderen Bedürfnissen von Entwicklungslän-dern in gewisser Weise Rechnung getragen (Art. 65-67 TRIPS). Ob und inwiefern daher oder auch aus anderen Gründen - eventuell im Rahmen der vorgesehenen Überprüfungen des TRIPS-Abkommens - innerhalb der WTO versucht wird, die Konflikte um genetische Ressourcen zu beseitigen, wird unter 6.2 geschildert.

Interessen und Forderungen im Konflikt um genetische Ressourcen 43

5 Interessen und Forderungen im Konflikt um genetische Ressourcen

5.1 Vorgehensweise und Eingrenzung

Verwertungsansprüche auf genetische Ressourcen in Form von Rechten des geistigen Ei-gentums werden bisher vorwiegend von multinationalen Unternehmen aus Industrieländern aufgestellt. Diese Ansprüche kollidieren häufig mit der Forderung der Bereitsteller und Bewahrer genetischer Ressourcen, hauptsächlich aus Entwicklungsländern, nach einer an-gemessenen Vorteilsbeteiligung. Der daraus entstandene Konflikt hat sich auch auf die politische Ebene ausgeweitet.

Da dieser Konflikt in diesem Papier auf der rechtlichen Grundlage der Biodiversitätskon-vention einerseits und des Übereinkommens über TRIPS andererseits untersucht werden sollen, wird die bei den jeweiligen Vertragsverhandlungen übliche Teilung in Ent-wicklungs- und Industrieländer im Folgenden beibehalten, obwohl es sich dabei nicht nur um einen reinen Nord-Süd-Konflikt handelt; innerhalb der beiden Staatengruppen auftre-tende Interessengegensätze komplizieren das Spannungsfeld noch zusätzlich.

Zur Analyse der Kontroverse ist daher auch die Auseinandersetzung mit den unterschiedli-chen Haltungen der verschiedenen Akteure, multinationale Unternehme, bestimmte Indust-riezweige, Bauern und indigene Völker, nötig, wobei darauf eingegangen werden muss, welche Bedeutung die einzelnen Interessengruppen für die politische Entscheidungsfin-dung einnehmen. Nicht durchgängig, jedoch häufig werden wegen ihrer führenden Rolle auf der Nord- bzw. Südseite dabei immer wieder die Positionen Indiens einerseits und der USA andererseits hervorgehoben.

Eine weitere wichtige Interessengruppe, die nicht in Nord-Süd-Einteilung eingeordnet werden kann, sind Nichtregierungsorganisationen (NRO). Während zu diesen genau ge-nommen auch Unternehmens- und Industrieverbände gehören, sollen von der Bezeichnung themenspezifisch in diesem Papier nur jene NRO, die im Umweltschutz bzw. für die

Erhal-Interessen und Forderungen im Konflikt um genetische Ressourcen 44 tung der Biodiversität und für den Schutz der Rechte von Kleinbauern und indigenen Völ-kern arbeiten berücksichtigt werden.

Wegen des Ausschlusses humangenetischer Ressourcen von den Regelungen der CBD und der relativ geringen Relevanz tiergenetischer Ressourcen im vorliegenden Spannungsfeld erfolgt keine gesonderte Betrachtung der ethischen Aspekte von Lebewesen. Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass sich große Teile der Bevölkerung auch in Industrieländern gegen diese Erweiterung des diesbezüglichen Anwendungsbereichs von Patenten ausspre-chen.

5.2 Zur Haltung der Entwicklungsländer

5.2.1 Konkurrierende Interessen

Um als Wirtschaftsstandort attraktiver für ausländische Investoren zu werden, bemühen sich immer mehr Entwicklungsländer darum, vorhandene Handels- und Investitionshemm-nisse abzubauen. Diese Öffnung nach außen, zu der auch die Einführung der Rechte des geistigen Eigentums gehört, findet ihre Befürworter vor allem im Bereich der Industrie.

Eine besondere Rolle spielt in Indien z. B. die Softwarebranche, welche bereits eine recht gute Position auf dem Weltmarkt innehat. Deswegen und aufgrund der hohen Forschungs- und Entwicklungskosten und der relativ leichten Imitierbarkeit der Produkte dieser Bran-che ist sie auf den Schutz geistigen Eigentums in hohem Maße angewiesen (Mossinghoff 1996, S. 46). Auch die Pharmaindustrie ist ein bedeutender Wirtschaftszweig Indiens. Ohne nationalen Patentschutz für ihre Produkte hatte sich ihre Tätigkeit bisher vor allem auf die Produktion und den Absatz von sogenannten Generika beschränkt. Konkret heißt dies, dass indische Pharmaunternehmen in der Regel abwarten, bis im Ausland eine neues Produkt entwickelt und erfolgreich getestet worden ist. Dieses können sie dann relativ billig imitieren und in Indien und auf ausländischen Märkten, an denen für das Produkt kein Pa-tentschutz besteht, absetzen. Auf diese Weise sicherten sie in der Vergangenheit nicht nur die Versorgung der indischen Bevölkerung mit preiswerten Medikamenten, sondern konn-ten durch hohe Exportquokonn-ten auch große Gewinne erzielen. Durch das TRIPS-Abkommen kamen auf die indische Pharmaindustrie folglich erhebliche Veränderungen zu: Indien, das bisher keinen Patentschutz für pharmazeutische Produkte bereitstellte, musste ab dem 1.

Interessen und Forderungen im Konflikt um genetische Ressourcen 45 Januar 1995 exklusive Vermarktungsrechte (und muss ab 2005 für solche Produkte auch Patentschutz) gewähren. Dies stellt die bisherige Strategie der indischen Pharmaindustrie ganz wesentlich in Frage. Die neuen geistigen Eigentumsrechte werden den Handel mit Generika erschweren bzw. zumindest von Lizenzzahlungen abhängig machen. Gleichzeitig wird jedoch auch der Einstieg in Forschung und Entwicklung tendenziell rentabel oder vielmehr sogar notwendig, um am Markt konkurrenzfähig zu sein. Letzteres führt zu Aus-gaben für Patentanmeldungen, die sich nicht alle indischen Unternehmen leisten können.60 Diese Unsicherheiten haben die indische Pharmaindustrie in zwei Lager geteilt:61 Nieder-lassungen multinationaler Konzerne treten für stärkere Patentgesetze ein; da sie über genü-gend ausländisches Kapital verfügen, sehen sie im Eintritt in Forschung und Entwicklung und den damit verbundenen Patentanmeldungen eine große Gewinnchance. Für andere indische Firmen dagegen bedeuteten Patente für pharmazeutische Produkte potenziell den Verlust von Einnahmen, die bisher durch den Verkauf von Generika erzielt wurden (Tan-cer 1999, S. 171-173 und 183).62

Die Biotechnologie eröffnet für die indische Pharmaindustrie allerdings eine neue Mög-lichkeit, auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu bleiben. Die Erfolgsaussichten hierfür sind nicht zuletzt wegen des Vorhandenseins vergleichsweise billiger, aber qualifizierter Arbeitskräfte gut. Da viele Entwicklungsländer wie Indien in der Biotechnologie eine Chance für ihre gesamtwirtschaftliche Entwicklung sehen, bemühen sie sich Patentrechte zu entwickeln, die den Anforderungen moderner Technologien gerecht werden, ohne ihre übrigen Staatsziele zu beeinträchtigen (so auch Heim 1997, S. 146f., und Perrin 1999, S.

227f). Zu diesen übrigen Staatszielen zählt unter anderem die sozial- und gesundheitspoli-tische Notwendigkeit, die Preise für Medikamente gering zu halten, um die

Mindestversor-60 Statistiken belegen, dass nur fünf Prozent der Patente, die 1994/95 von allen Patentämtern weltweit an Angehörige ihres jeweiligen Staates vergeben wurden, an Patentanmelder aus Entwicklungsländern erteilt worden sind (Braga/Fink 1998, S. 544).

61 1997 hatte das größte Pharmaunternehmen, Glaxo Wellcome, ein britischer multinationaler Konzern, am indischen Markt einen Marktanteil von knapp sieben Prozent. An zweiter und dritter Stelle standen zwei indische Unternehmen mit jeweils ca. vier Prozent Marktanteil. Diese Zahlen verdeutlichen, dass der indische

Pharmamarkt weder von multinationalen noch von indischen Unternehmen dominiert war; auch wenn haupt sächlich wegen protektionistischer Maßnahmen von Seiten der indischen Regierung die Gesamtquote auslän discher Marktteilnehmer nur etwas mehr als 30 Prozent betrug.

62 Dieser Verlust wurde bei angenommener Geltung aller US-Patente auf pharmazeutische Produkte in Indien auf jährlich fünf Mrd. US$ geschätzt (Gerster 1998, S. 613).

Interessen und Forderungen im Konflikt um genetische Ressourcen 46 gung der überwiegend armen Bevölkerung sicherzustellen (Tancer 1999, S. 177).

Eine relativ große Herausforderung stellt auch die angemessene Berücksichtigung der Inte-ressen von Bauern und indigenen Völkern dar. Ein großer Teil der Bevölkerung in Ent-wicklungsländern ist auf die Erträge und das Einkommen aus der privaten Landwirtschaft angewiesen; durchschnittlich erzielen mehr als 52 Prozent ihr Einkommen aus der Land-wirtschaft (Poth 2000, S. 22). Den großen Betrieben, die teilweise wie die Industrie an höheren Standards der Rechte des geistigen Eigentums Interesse zeigen und Druck auf die Regierungen ausüben,63 stehen viele Kleinbauern gegenüber, die ihre Nutzpflanzen über viele Generationen hinweg gezüchtet und weiterentwickelt haben. Das genetische Material ist daher im allgemeinen besonders wertvoll. Wichtige Grundlage für die Züchtung ist der freie Austausch von Pflanzenmaterial unter den Bauern. Für arme Bauern ist es wichtig, dass sie, da sie sich kein teures Saatgut leisten können, einen Teil ihrer Ernte einbehalten und als nächste Aussaat verwenden. Patente auf Pflanzensorten würden sowohl den freien Austausch von Züchtungsmaterial als auch die Verwendung von Ernte- als Saatgut behin-dern. Für Bauern aus Entwicklungsländern sind Patente unpraktikabel, da ihre Sorten Er-gebnis eines langen Züchtungsprozesses sind und nicht wie biotechnologische Neuerungen echte Erfindungen darstellen; letztendlich haben die Bauern auch gar kein Geld für Patent-anmeldungen. Kaufen sie patentiertes Saatgut, begeben sie sich durch vielfach verlangte vertragliche Bindungen zwangsläufig in eine Abhängigkeit von den Saatgutfirmen, und diese können aufgrund des Trends zu Zusammenschlüssen von Saatgut-, Düngemittel- und Pestizidunternehmen die Preise für ihre Produkte immer höher treiben (Braga/Fink 1998, S. 550).

Indigene Völker sind oft noch stärker als die traditionellen Kleinbauern von genetischen Ressourcen abhängig. Nahezu alles, was sie zum Leben benötigen, nehmen sie aus der Natur. Mit deren Ressourcen gehen sie seit jeher in einer Art und Weise um, die wir heute nachhaltig nennen. Ihr Wissen über die Natur und deren Bestandteile überliefern sie von Generation zu Generation (Nijar 1998, S. 3 und 13); es erfüllt nicht die für eine Erfindung notwendigen Kriterien und ist daher auch nicht patentierbar. Aus den traditionellen An-wendungen genetischer Ressourcen müssten zuerst marktfähige Produkte entwickelt

wer-63 Die Agrarforschung ist heute auch in den Entwicklungsländern bereits stark privatisiert. Als Folge sind vor allem Großbauern positiv gegenüber starken Sortenschutzrechten eingestellt (Braga/Fink 1998, S. 540).

Interessen und Forderungen im Konflikt um genetische Ressourcen 47 den, die als neu deklariert werden können. Hier bietet die Biotechnologie zwar generell zahlreiche Möglichkeiten, doch fehlen indigenen Völkern dazu, aber genauso wie zur Pa-tentanmeldung, die finanziellen Mittel (Shiva 1997, S. 7). Experten schätzen die Summe, die multinationale Nahrungsmittel-, Saatgut- und Pharmakonzerne für die Anwendung indigenen Wissens zahlen müssten, wenn dieses rechtlich geschützt wäre, auf jährlich 5,4 Mrd. US$ (Raustiala/Victor 1996, S. 37).

5.2.2 Gemeinsame Forderungen

Vor dem Hintergrund dieser konkurrierenden Interessen stellen Vertreter der Regierungen der Entwicklungsländer im Folgeprozess der Biodiversitätskonvention und des Überein-kommens über TRIPS spezielle Forderungen, die allerdings in ihrer Ausprägung aufgrund der komplexen Zusammenhänge im Konflikt um genetische Ressourcen und wegen der unterschiedlichen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Strukturen in den einzelnen Ländern durchaus variieren. Vom Ansatz her zeichnen sich jedoch einige elementare For-derungen ab, die im gemeinsamen Interesse aller Entwicklungsländer liegen:

Entwicklungsländer fordern, ganz im Sinne der CBD, einen ausgewogenen und gerechten Ausgleich für die Bereitstellung genetischer Ressourcen mit natürlichem Ursprung in ihren Territorien. Diese Forderung schließt auch die genetischen Ressourcen, die vor dem In-krafttreten der Biodiversitätskonvention in ex situ-Sammlungen aufgenommen wurden, ein.64 Um ihren eigenen Verpflichtungen gemäß der CBD nachkommen zu können, fordern sie den freien Zugang zu Technologien, die den Erhalt der genetischen Ressourcen fördern.

Gleichzeitig fordern die Entwicklungsländer die USA auf, der Konvention beizutreten oder zumindest nach deren Vorschriften zu handeln. (Braga/Fink 1998, S. 550, und Prakash 2000, S. 158).

Da noch nicht alle Entwicklungsländer ihre Umsetzungspflichten in Bezug auf das Über-einkommen über TRIPS wahrnehmen mussten bzw. wahrgenommen haben,65 lautet eine immer noch aktuelle Forderung, die diesbezüglichen Fristen zu verlängern und flexibler zu gestalten. Die Entwicklungsländer mahnen in ihrer Absicht, für ihre Bedürfnisse passende

64 Zur Begründung: Z. B. beträgt der jährliche Exportwert von Basmati für Indien 227 Mio. US$ (Prakash 2000, S. 163). Wie bereits unter 4.2.2 erwähnt, gefährdet die Firma RiceTec diesen Markt.

65 Vgl. hierzu WTO-Dokument: IP/C/19 (Annual report (1999) of the Council for TRIPS), S. 1. Der Bericht von 2000 lag zum Zeitpunkt der Erstellung der Arbeit noch nicht vor.

Interessen und Forderungen im Konflikt um genetische Ressourcen 48 Schutzrechte zu entwickeln, die Unterstützung der Industrieländer, der WTO und der WIPO an (Perrin 1999, S. 227f.). Im Hinblick auf die im TRIPS-Abkommen integrierte Agenda fordern sie insbesondere:

• eine Änderung des Art. 27 TRIPS, um wichtige pharmazeutische Produkte von der Patentierung ausschließen zu können,

• eine weitere Änderung des Art. 27 TRIPS im Hinblick auf Abs. 3 b), durch die für Pflanzensorten kein Schutz bereitgestellt werden muss, und

• eine generelle Lockerung der Bedingungen für Zwangslizenzen.66

Nicht alle Entwicklungsländer fordern die Angleichung des Schutzes für geographische Angaben bei allen agrarwirtschaftlichen Produkten an die für Wein und Spirituosen gel-tenden Standards (Art. 22-24 TRIPS). Die Haltung ist hier nicht einheitlich, da diese An-gleichung negative Preiseffekte für solche Entwicklungsländer haben würde, die agrarwirt-schaftliche Produkte importieren (Otten 1998, S. 531 f.).

5.3 Zur Haltung der Industrieländer

5.3.1 Nahezu einheitliche Interessenlage

Unter den Industrieländern plädieren die USA seit den Vorverhandlungen der Uruguay-Runde der GATT-Verhandlungen aus einer Vorreiterrolle heraus für eine weltweite Har-monisierung und Anhebung der geistigen Eigentumsrechte. Sie wollen hierdurch die Stabi-lisierung und den Ausbau ihrer Position in Wirtschaft und Technologie auf dem Weltmarkt sichern. In der Umsetzung und Einhaltung der Vorschriften des Übereinkommens über TRIPS sehen sie, genau wie die EU und Japan, eine Voraussetzung dafür, den Entwick-lungsländern Zugang zu neuen Technologien zu gewähren (Gallon 1998, S. 43-52, und Prakash 2000, S. 158-160).

Besonderes Interesse an pflanzengenetischen Ressourcen hat die Biotechnologie-Industrie, insbesondere Nahrungsmittel-, Pharma-, Saatgut- und Düngemittelunternehmen. Für diese

66 In Anlehnung an Duran/Michalopoulos 1999, S. 865-870.

Interessen und Forderungen im Konflikt um genetische Ressourcen 49 Branchen gelten ähnliche Marktbedingungen, deren Entwicklung hier an Daten der Phar-maindustrie erläutert werden soll.

Der Weltmarkt für pharmazeutische Produkte allein ist von 1992 bis 1995 um rund 20 Pro-zent gewachsen. Gleichzeitig ist er von großem Wettbewerb geprägt: Der Anteil der zehn größten Anbieter am weltweiten Umsatz betrug 1995 fast 36 Prozent. Jüngste Konsolidie-rungen dürften diesen Anteil noch erhöht haben. Ein wichtiges Kennzeichen der Pharma-industrie ist ihre hohe Abhängigkeit von einer geringen Anzahl profitabler Produkte; sie hat hohe Ausgaben für Forschung und Entwicklung: Im Durchschnitt bestimmen die drei marktführenden Produkte 50 Prozent des Umsatzes; nur ein Bruchteil von Forschungsvor-haben kann jedoch tatsächlich in ein absatzfähiges Produkt umgesetzt werden.67 Aufgrund der relativ leichten Imitierbarkeit pharmazeutischer Produkte und der hohen technologie-bedingten Forschungs- und Entwicklungskosten ist ihr Erfolg in besonderem Maße von der Qualität geistiger Eigentumsrechte abhängig. Die US-Pharmaindustrie kann als eifrigster Verfechter der Patentidee angesehen werden. In jüngster Zeit bemühen sich namhafte mul-tinationale Pharmakonzerne, ihre US-Patente auf besonders lukrative Arzneimittel zu ver-längern.68

Der Markt für pharmazeutische Produkte, die mit Hilfe des Wissens indigener Völker ent-deckt und entwickelt wurden, wurde 1995 auf ca. 43 Mrd. US$ geschätzt. Wegen der

Der Markt für pharmazeutische Produkte, die mit Hilfe des Wissens indigener Völker ent-deckt und entwickelt wurden, wurde 1995 auf ca. 43 Mrd. US$ geschätzt. Wegen der

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