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Partikelabreicherung während der Fließbettchromatographie

3 Ergebnisse und Diskussion

3.3 Aufreinigung des humanen Wachstumshormons

3.3.3 Variante 2: Kationenaustauschchromatographie

3.3.3.6 Partikelabreicherung während der Fließbettchromatographie

Die Partikelabtrennung ist neben der Produktbindung eine zentrale Aufgabe der Fließbettch-romatographie. Aufgrund auftretender Biomasse-Matrix-Interaktionen kann sich das Gelmate-rial mit Zellen und Debris beladen. In dieser Arbeit wurden Zell-Matrix-Interaktionen unter Ausbildung von Aggregaten aus einem speziellen Grund nicht beobachtet: Bei den Perfusi-onsprozessen waren die Zelldichten im Perfundat sehr gering. Aus den Messwerten des Cedex wurde für den Prozess M3 eine durchschnittliche Gesamtzelldichte im Perfundat von 1,29·105 Zellen/mL bei einer Viabilität von 34,8 % und einem mittleren Durchmesser von 11,1 µm bestimmt. Mit dem CASY®, Modell TCC konnten die Partikelkonzentrationen im Perfundat und den Chromatographiefraktionen bestimmt werden.

0,0E+00 2,0E+05 4,0E+05 6,0E+05 8,0E+05 1,0E+06 1,2E+06

2 4 5 7 9 11 12 14 16

Partikeldurchmesser [µm]

Partikelanzahl [-]

Perfundat pH 7,00 Perfundat pH 4,00 Waschen Elution nicht messbar Debris tote Zellen lebende Zellen

Abbildung 65: Partikelgrößenverteilung von Fraktionen einer Fließbettchromatographie (Versuch CIEX II). Die Partikelzahl im Eluat war sehr gering.

Für das im Versuch CIEX II eingesetzte Perfundat aus dem Perfusionsprozess M3 betrug die mit dem Cedex gemessene Gesamtzelldichte nur 1,1·104 Zellen/mL. Wie in Tabelle 19 zu erkennen ist, entsprach diese Konzentration weniger als 0,1 % der mit dem CASY® bestimm-ten Partikelkonzentration. Aus diesen Grund ist in Abbildung 65 im Bereich über 10 µm we-der ein distinkter Lebendzellpeak zu erkennen, noch zwischen 6 und 10 µm Partikeldurch-messer ein Totzellpeak (Glauner, 1991). Mit der eingesetzten Messkapillare konnten nur Par-tikel ab etwa 3,4 µm Durchmesser vermessen werden, die vermutlich den Hauptanteil der Partikelfracht ausmachten. Bemerkenswert war das Abflachen der Partikelgrößenverteilung durch Aggregation der kleineren Partikel und die Zunahme der Partikelkonzentration nach Einstellen des pH-Werts auf 4,00. Ursächlich war neben dem pH-Wert vermutlich das Rühren der Probe mit einem Magnetrührer. Am Ende des Waschens waren kaum mehr Partikel vor-handen und im Eluat war die Partikelkonzentration kaum noch messbar, wie Abbildung 65 zeigt. Nach Berechnung der Partikelanzahlen in den einzelnen Fraktionen konnte eine Bilan-zierung der Partikelabreicherung durchgeführt werden, wonach 99,986 % der Partikel des Perfundats bei pH 4,00 im Eluat abgetrennt wurden (Tabelle 19). Vor der Weiterverarbeitung oder Lagerung musste es dennoch filtriert werden.

Tabelle 19: Partikelabreicherung während der Fließbettchromatographie (Versuch CIEX II). Zur Be-rechnung der Abreicherung wurde die auf den pH-Wert von 4,00 eingestellte Ausgangslösung zu Grunde gelegt.

Partikelkonzentration Volumen Partikelanzahl [Partikel/mL] [mL] [Partikel]

Perfundat pH 7,00 1,70E+07 3326 5,66E+10 Perfundat pH 4,00 1,90E+07 3326 6,31E+10 Ende des Waschens 4,13E+05 1000 4,13E+08

Eluat 4,60E+04 187 8,61E+06

Partikelabreicherung [%] 99,986

Diskussion: Multimodaler Ligand zur Kationenaustauschchromatographie Der zweite Ansatz zur Primäraufreinigung mit dem multimodalen HST-Material war dessen vom Hersteller empfohlene Nutzung als salztoleranter Kationenaustauscher. Als zu optimie-rende Parameter für die Kationenaustauschchromatographie erwiesen sich bei den Vorversu-chen im Festbett das Puffersystem und der pH-Wert bei der Bindung (Kapitel 3.3.3.1). Eine Erniedrigung der Salzkonzentration des Perfundats war nicht erforderlich – es musste ledig-lich der pH-Wert eingestellt werden. Hierbei zeigte sich, dass die Ausbeute bei pH 4,00 am höchsten war. Dennoch erlaubten die bei pH 5,40 und pH 5,60 vorliegenden positiven Partial-ladungen eine Bindung des humanen Wachstumshormons oberhalb des Isoelektrischen Punk-ts.

Beim Versuch die dynamische Kapazität bei pH 4,00 zu bestimmen, trat kein Durchbruch auf, aber der Elutionspeak zeigte ein starkes Tailing über mehrere Säulenvolumen. Dies zeigte die Grenzen der Übertragbarkeit vom Festbett auf das Fließbett auf. Die Größenverteilung des Streamline™ Direct HST-Materials, mit Durchmessern von 80 bis 200 µm, führte durch die resultierende inhomogene Packung über die Eddy-Diffusion zu dem beobachteten Tailing (Lottspeich und Zorbas, 1998).

Auch in der Fließbettchromatographie konnte das Perfundat nach Einstellung des pH-Werts bei physiologischen Salzkonzentrationen direkt auf die Streamline-Säule appliziert werden.

Die Adsorption erfolgte quantitativ und bei der Elution konnten Ausbeuten über 80 % erzielt werden. Dabei zeigte sich, dass die dynamische Kapazität bei pH 4,00 mit mindestens 15,5 mg rhGH/mL Gelmaterial am höchsten war. Bei pH 5,00 lag die dynamische Kapazität noch bei 8 mg rhGH/mL Gelmaterial. Ungünstigerweise kam es bei diesen pH-Werten zu Produktveränderungen im Sinne einer Erzeugung von rhGH-Fragmenten, die zunächst für Restverunreinigungen durch kleinere Proteine gehalten wurden. Erst durch eine mas-senspektrometrische Analyse konnten sie als N-terminale rhGH-Fragmente identifiziert wer-den.

Abildgaard et al. konnten 1992 mittels Kernmagnetischer Resonanz zeigen, dass bei sauren pH-Werten die globuläre Tertiärstruktur von Proteinen nur minimalen Änderungen unterliegt.

Das Wachstumshormon ist bei pH 4,00 jedoch gegenüber einem proteolytischen Angriff unter Bildung eines 17 kDa-Fragments unter Abspaltung des Aminoterminus empfindlich (Spolaore, 2004). Eine nicht-biologische Ursache der Fragmentierung könnte in einer Auffaltung der hydrophoben Kernstruktur des Proteins durch die Phenylreste des HST-Liganden in Kombi-nation mit dem geringen pH-Wert von 4,00 bei der Bindung liegen (Wicar et al. 1994). Kon-ventionelle Kationenaustauscher vermitteln keine hydrophoben Interaktionen, so dass die car-boxyterminale Fragmentierung bei niedrigen pH-Werten während der Aufreinigung von rhGH nicht beschrieben ist.

Aufgrund der Produktfragmentierung wurde untersucht, ob bei pH-Werten oberhalb des Isoe-lektrischen Punkts ebenfalls eine Bindung möglich war. Tatsächlich konnte das humane Wachstumshormon auch bei pH 5,60 gebunden werden, wobei die Produktbindung nicht quantitativ erfolgte und Ausbeuten bis zu 71,1 % erreicht werden konnten. Die dynamische Kapazität war mit einem mittleren Wert von 3 mg rhGH/mL Gelmaterial relativ gering. Den-noch wurde dieser pH-Wert in der Folge bei der Primäraufreinigung eingesetzt. Eine Selekti-vität der Primäraufreinigung für eine der rhGH-Varianten bei diesem pH-Wert aufgrund der unterschiedlichen Isoelektrischen Punkte der 22 kDa-Variante gegenüber der 20 kDa-Variante wurde nicht detektiert.

Für ein Zwei-Komponentensystem aus bovinem Serumalbumin und Myoglobin wurden bei pH 5,00 dynamische Kapazitäten von 28,5 beziehungsweise 5,65 mg/ mL HST-Material ge-funden (Li et al., 2006). Die Elution erfolgte im Gegensatz zu den oben gezeigten Experimen-ten unter Hochsalzbedingungen. Dabei lag der pI von Myoglobin mit 7,4 noch deutlicher über dem pH-Wert bei der Bindung, so dass Partialladungen keine Rolle für die Bindung gespielt haben dürften. Dies zeigt, dass das Adsorptions- und Desorptionsverhalten eines multimoda-len Liganden deutlich schlechter zu interpretieren ist, als bei konventionelmultimoda-len Liganden.

Zur Untersuchung der Reproduzierbarkeit der Primäraufreinigung wurden eine Reihe von Fließbettchromatographien bei pH 5,60 unter identischen Bedingungen durchgeführt. Wie die Abbildung 61 zeigt, war selbst bei diesen reproduktiven Läufen die Standardabweichung der Bindung mit 23,6 % sehr hoch, wohingegen die Standardabweichung der prozentualen Wie-derfindung nur 6,2 und der Ausbeute 7,7 % betrug. Dies ist ein Hinweis auf zu optimierende Adsorptionsbedingungen, könnte aber auch auf ungünstige hydrodynamische Bedingungen während der Beladung hinweisen. Die Differenz der Leitfähigkeit der Äquilibrierungspuffer

zu den Proben und deren absolute Werte korrelierten nicht mit der prozentualen Bindung (Da-ten nicht gezeigt).

Das Ziel der Primäraufreinigung war eine Abtrennung von Debris und Zellen, eine Volumen-reduktion für die nachfolgenden Chromatographieschritte und die Eliminierung von Verun-reinigungen bei hohen Ausbeuten. Die Partikelanzahl des Eluats konnte ausgehend vom Per-fundat um 99,986 % reduziert werden (Kapitel 3.3.3.6). Die Wirkung der Zellrückhaltung durch Sedimentation ist an der Partikelgrößenverteilung gut zu erkennen: Im Perfundat waren kaum lebende Zellen enthalten und die Debriskonzentration war hoch. Der Reinigungserfolg wurde außerdem in Form eines SDS-Gels und der vollständigen Abreicherung von Amino-säuren gezeigt. In der Gesamtbilanzierung der Aufreinigungssequenz wird die Abreicherung von DNA und Wirtszellprotein diskutiert (Kapitel 3.3.7).

Da die Fließbettchromatographie ein die Zellabtrennung integrierendes Verfahren ist, unter-liegt sie besonderen Anforderungen an die Reinigung, zumal die physiologischen Salzkon-zentrationen eine Zell-Matrix-Interaktion durch Abschirmung der elektrostatischen Ladung nicht vollständig unterbinden konnten (Hubbuch et al., 2005). Zur Ausbildung von makrosko-pischen Zell-Matrix-Aggregaten kam es jedoch nicht. In den 15 Experimenten waren die Pro-duktbindeeigenschaften des Materials unverändert und die expandierten Betthöhen während der Äquilibrierungen konstant. Daraus kann ein erster Rückschluss auf die Robustheit des Materials gezogen werden.

Ein bemerkenswerter Aspekt war die Elution, die, wie bei den anderen Versuchen mit dem HST-Material, über eine pH-Verschiebung in den neutralen Bereich mit einen Phosphatpuffer (0,025 M, pH 7,00) erfolgen konnte. Somit hätte aufgrund der geringen Leitfähigkeit im An-schluss eine Anionenaustauschchromatographie durchgeführt werden können.