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SEN Stahl

7.1 P 17 P O-Messung als Marker für Clogging

Das in dem vorherigen Kapitel beschriebene Dreikomponentenmodell wurde auf Basis von konventioneller Sauerstoffisotopenanalytik und Massenbilanzierungen aufgestellt. Durch Messung des dritten stabilen Sauerstoffisotops P17PO kann die Modellvorstellung überprüft wer-den. P17PO-Messungen an refraktären Phasen wie Tonerde sind sowohl die Präparation der Pro-ben als auch die Messung im Massenspektrometer betreffend aufwendig und schwierig, aber in Göttingen möglich. Das Hauptproblem sind Stickstoff-Fluor-Verbindungen, die auf dem Verhältnis von Masse/Ladung des Isotopologs P17POP16PO interferieren. Dies stellt hohe Rein-heitsansprüche an das eingesetzte Fluorgas und erfordert eine weitestgehende Reinigung des Sauerstoffs. Darüber hinaus sind Korrekturrechnungen der interferierenden Schmutzgase notwendig. PACK et al. (2007) haben ein Verfahren entwickelt, mit dem fehlerhafte P17P O-Messungen auch ohne Abtrennung überlagernder Schmutzgase korrigiert werden können (sie-he Kapitel 459H459HX459H13X).

Die Fraktionierung des P17PO/P16PO-Verhältnisses ist etwa halb so groß wie die des P18PO/P16P O-Verhältnisses (PACK et al. 2007, SHARP 2007). Dieser Zusammenhang wird als massenabhän-gige Fraktionierung bezeichnet und lässt alle irdischen Gesteine im Dreiisotopendiagramm des Sauerstoffs (δP17PO gegen δP18PO) entlang einer Geraden mit der Steigung β ≈ 0,52 liegen. In

460H460HX460H

Abbildung 96X ist δ'P17PO gegen δ'P18PO von terrestrischen Gesteinen und relativ dazu die Lage von Mondgesteinen und Meteoriten dargestellt. Der Mond ist genetisch betrachtet ein Teil der Erde und hat deswegen die gleiche Lage wie die Gesteine. δ'-Werte sind linearisierte Formen der δ-Notation (siehe hierzu MILLER 2002) und berechnen sich nach:

SMOW SMOW

Mit dieser Form wird ein vollständig linearer Zusammenhang zwischen δ'P17PO und δ'P18PO her-gestellt, wodurch experimentelle Daten linear gefittet werden können. Die rote Gerade in

461H461HX461H

Abbildung 96X wird als terrestrische Fraktionierungslinie (TFL) bezeichnet und illustriert Va-riationen von P17PO/P16PO als Funktion von P18PO/P16PO. Dieser Zusammenhang ist die Konsequenz massenabhängiger Fraktionierung zwischen Mineralen, Wasser und Magmen während chemi-scher Reaktionen (RUMBLE et al. 2006). Die Steigung der TFL hängt mit dem relativen Ver-hältnis der Differenzen der Isotopenmassen zusammen:

( )

= 0,50 mit m für die Masse der jeweiligen Isotope

m m

Alle feuerfesten Erzeugnisse wie z. B. der Schiebersand liegen auf der TFL, da sie alle „von der Erde abstammen“.

Abbildung 96: Dreiisotopendiagramm von irdischen Gesteinen (rote Linie) und relativ dazu die Lage von Mondgesteinen und Meteoriten (verändert nach WIECHERT et al. 2004).

Die Steigung der TFL varriert zwischen 0.5240 und 0.5266 (RUMBLE et al. 2007). Nach MILLER (2002) beträgt sie 0,5247, PACK et al. (2007) geben eine von 0,5237 an. Die Steigung stellt eine Mischung aus kinetischer und Gleichgewichtsfraktionierung dar, wobei letztere im Falle von Gesteinen und Mineralen überwiegt. Alle Materialien, die von dieser Geraden ab-weichen, werden als isotopisch anomal bezeichnet. Eine O-Isotopenanomalie kann durch so-genannte massenunabhängige Fraktionierung (CLAYTON et al. 1973, THIEMENS and H EIDEN-REICH 1983) oder durch massenabhängige, kinetische Fraktionierung entstehen, deren Frakti-onierungslinie eine etwas flachere Steigung als die TFL hat (YOUNG et al. 2002). Die Größe der O-Isotopenanomalie wird als Δ'P17POBTFLB angegeben mit:

Δ'P17POB TFLB = δ'P17POBSMOWB – βBTFLB * δ'P18POBSMOWB

Luftsauerstoff hat einen weltweit konstanten δP18PO von +23,5‰ (DOLE et al. 1954). YOUNG et al. (2002) schreiben, dass Meerwasser im Gleichgewicht mit Luft-OB2B einen δP18POBSMOWB von annähernd null haben müsste. Nach UREY (1947) liegt der δP18PO von Meerwasser bei 25°C bei +6‰. Die Erhöhung des δ18O von troposphärischem O gegenüber Meerwasser (δ18O =

von Land- und Meerpflanzen und der Respiration, d. h. OB2B-Aufnahme. Bei der Photosynthese wird OB2B mit einem δP18PO-Wert von 0‰ bis +4‰ produziert. Der Gasaustausch findet bei Pflanzen über deren Stomata statt. Das sind kleine Spaltöffnungen, die von zwei bohnenför-migen Schließzellen gebildet werden. Bei der Respiration wird der Sauerstoff kinetisch frak-tioniert und es werden bevorzugt P16PO-haltige Moleküle von den Pflanzen aufgenommen, was zu einer Verschiebung im δP18PO von rd. 20‰ gegenüber dem des Luft-OB2B führt. Der residuale Sauerstoff wird dabei an P18PO angereichert. Dieser Prozess wird als Dole-Effekt bezeichnet (DOLE 1935).

Es ist nun beobachtet worden, dass Luft-OB2B eine Isotopenanomalie von Δ'P17PO = –0,344‰ hat (PACK et al. 2007). YOUNG et al. (2002) führen diese Isotopenanomalie allein auf kinetische Fraktionierung während der Respiration zurück. LUZ et al. (1999) dagegen schreiben, dass isotopisch anomaler Sauerstoff aus der Stratosphäre in die Troposphäre gelangt, wo er sich mit isotopisch normalem OB2B mischt. Auch ANGERT et al. (2003) sehen den Grund für den ne-gativen Δ'P17POB TFLB von Luft-OB2B in der Zumischung von stratosphärischem OB2B (siehe 462H462HX462HAbbildung 97X).

Abbildung 97: Schematisches Dreiisotopendiagramm zur Illustration der Anomalie von Luft-OB2B. Tro-posphärisches OB2B entsteht bei der Photosynthese und wird massenabhängig bei der Respiration und massenunabhängig durch photochemische Reaktionen in der Stratosphäre fraktioniert. Die Balance zwischen beiden Prozessen bestimmt die Dreiisotopenzusammensetzung (ANGERT et al. 2003).

MILLER (2002) und PACK et al. (2007) sagen, dass der negative Δ'P17PO von Luft-OB2B eine Mi-schung aus kinetisch fraktioniertem Sauerstoff (durch die Respiration) und dem Eintrag von isotopisch anomalem stratosphärischem OB2B ist (siehe 463H463HX463HAbbildung 98X).

Abbildung 98: δ'P17PO gegen δ'P18PO von Luft-OB2B als Produkt von kinetischer Fraktionierung während der Respiration und Eintrag von anomalem stratosphärischem OB2B (MILLER 2002).

Angewandt auf die Stahlherstellung würde das bedeuten, dass nichtmetallische Präzipitate im Tauchrohr, die zu 100% durch Oxidation mittels Luft-OB2B gebildet wurden und bei deren Bil-dung kinetische Fraktionierung keine Rolle spielt, den gleichen Δ'P17POBTFLB wie troposphärisches OB2B besitzen. Damit müsste das Δ'P17POBTFLB ein effizientes Werkzeug zur Identifizierung und Quantifizierung atmosphärischer O-Quellen sein.

An dieser Stelle soll die Bildung von Clogging allein durch kinetisch fraktionierten Luft- oder Prozess-OB2B diskutiert werden. Die Betrachtung bezieht sich hierbei auf die kinetische Fraktio-nierung des Verhältnisses von P17PO zu P16PO zum Verhältnis von P18PO zu P16PO. Jene zwischen P18PO und P16PO wurde in Kapitel 464H464HX464H2.3.4X besprochen. Nach YOUNG et al. (2002) und SHAHEEN (2005) ist bei massenabhängiger Fraktionierung der Fraktionierungsfaktor α für zwei Isotopenver-hältnisse:

17O / O16 18O / O16

α = αβ . Für kinetische Fraktionierung ist

1 2 1 3

ln(M / M ) / ln(M / M )

= β

mit MBiB für atomare oder molekulare Spezies. Danach errechnet sich im Dreiisotopendiagramm für atomaren Sauerstoff eine Gerade mit der Steigung β = 0,5147 und für molekularen Sauer-stoff eine Gerade mit β = 0,5076 (siehe 465H465HX465HAbbildung 99X). Die Geraden sind so dargestellt, dass sie durch den δ'P17PO und δ'P18PO von Luft-OB2B verlaufen.

-10 -8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30

kinetische Fraktionierungslinie mit β = 0,5147 beginnend bei Luft-O2 für atomaren O

kinetische Fraktionierungslinie mit β = 0,5076 beginnend bei Luft-O2 für molekularen O

δ'18O [‰]

δ'17O [‰]

TFL β = 0,5240

Abbildung 99: δ'P17PO gegen δ'P18PO von irdischen Gesteinen mit β = 0,5240 (schwarze Gerade = TFL).

Die rote Gerade ist die theoretisch berechnete kinetische Fraktionierungslinie für atomaren Sauerstoff (β = 0,5147), die grüne Gerade ist jene für molekularen Sauerstoff (β = 0,5076).

Trägt man Δ'P17PO gegen δ'P18PO auf, wird der Unterschied zwischen der TFL und den kinetischen Fraktionierungslinien deutlicher (siehe 466H466HX466HAbbildung 100X).

δ'18O [‰]

Abbildung 100: Δ'P17PO gegen δ'P18PO von Luft-OB2B (blauer Punkt) und davon ausgehend zwei theoretisch berechnete kinetische Fraktionierungslinien für atomaren und molekularen Sauerstoff. Die schwarzen

Die Analyse dreier Cloggingproben ergab im Mittel ein Δ'P17PO von –0,13‰. Einzelanalysen haben einen Fehler im Δ'P17PO von ±0.06‰. Damit liegt Clogging geringfügig oberhalb der theoretisch berechneten kinetischen Fraktionierungslinie für atomaren und etwas unterhalb der für molekularen Sauerstoff (siehe 467H467HX467HAbbildung 100X). Die Proben liegen im Fehler der Mes-sung auf beiden Fraktionierungslinien. Bezogen auf Prozess-OB2B erscheint die Fraktionierungs-linie für atomaren Sauerstoff von größerer Relevanz, da der Prozess-OB2B in atomarer Form (OP0P) im Stahl gelöst ist (TURKDOGAN 1996). Für Luft-OB2B muss möglicherweise auch die Fraktio-nierungslinie für molekularen Sauerstoff betrachtet werden, wenn Luft-OB2B den Stahl direkt oxidiert, ohne vorher gelöst zu werden. Es müssen mehr Messungen durchgeführt werden, um den Messfehler zu verkleinern und die Lage von Clogging im Dreiisotopendiagramm eindeu-tiger darstellen zu können. Dadurch könnte die Bildung von Clogging durch kinetische Frak-tionierung von Prozess- oder Luft-OB2B überprüft werden.

In 468H468HX468HAbbildung 101X ist δ'P17PO gegen δ'P18PO terrestrischer Gesteine dargestellt und relativ dazu die

Lage des Prozess-OB2B. Zwölf Prozess-OB2B-Proben (N = 19) ergaben im Mittel eine Anomalie im Δ'P17POB TFLB von –0,36 ±0,02‰. Der Prozess-OB2B liegt entlang einer parallel zur TFL verlaufenden Linie. Dies zeigt an, dass beim Lindeverfahren auch bei einer sehr großen Fraktionierung zwi-schen P18PO und P16PO von >20‰ keine Fraktionierung im Δ'P17POB TFL B auftritt, und ermöglicht

Abbildung 101: Dreiisotopendiagramm von irdischen Gesteinen (rote Linie) und relativ dazu die Lage

Wie in Kapitel 469H469HX469H3.4.3X dargestellt, haben Rückstandsisolate aus dem Konverter die Isotopie von Prozess-OB2B. Daher müssten Rückstandsisolate aus dem Konverter, vorausgesetzt, dass keine Fraktionierung auftritt, die gleiche Anomalie wie Prozess-OB2B besitzen. Bisher wurden an zwei Rückstandsisolaten P17PO-Messungen durchgeführt, die mit Δ'P17POBTFLB = –0,21‰ und –0,43‰, im Mittel mit –0,32‰ die gleiche Anomalie wie Luft-OB2B haben. Das heißt, dass beim Frischen im Konverter und Desoxidieren in der Pfanne keine Fraktionierung im Δ'P17POBTFLB auftritt.

In 470H470HX470HAbbildung 102X ist der Δ'P17POBTFL Bvon drei Chromiten aus dem Schiebersand, drei

Clog-gingproben und der von Prozess-OB2B dargestellt. Der Chromit liegt bei Δ'P17POBTFLB = 0‰ auf der Geraden, auf der alle terrestrischen Gesteine liegen (horizontale schwarze Linie). Der Pro-zess-OB2B liegt auf einer horizontalen Linie bei Δ'P17POBTFLB ≈ –0,36‰. Clogging liegt zwischen diesen beiden horizontalen Linien bei Δ'P17POBTFLB ≈ –0,13‰. Danach hat Clogging einen Anteil von rd. 36% Prozess-OB2B und rd. 64% Chromit. Der 64%ige terrestrische Anteil lässt sich auch entlang der schräg verlaufenden Mischungslinie (gestrichelte Linie) ablesen (siehe 471H471HX471HAbbildung 102X).

Das zeigt, dass durch P17PMessungen direkt Aussagen über die Anteile von verschiedenen O-Quellen gemacht werden können. Damit sind diese Messungen konventioneller

O-Iso-topenanalytik überlegen, bei der lediglich einzelne Isotopien miteinander verglichen werden

können. Bei der Anwendung von Δ'P17POBTFLB als Marker muss ein potentieller Anteil kinetischer Fraktionierung bei der Bildung von Clogging stets berücksichtigt werden.

Mit P17PO-Messungen kann der Werkzeugkasten zur Klärung der Herkunft nichtmetallischer Ausscheidungen beim Stranggießen von Stahl um ein bedeutendes Tool erweitert werden.

Das Δ'P17POBTFLB ermöglicht direkt qualitative und quantitative Aussagen über den Anteil at-mosphärischer wie terrestrischer O-Quellen.

Um die aufgestellte Modellvorstellung zu überprüfen, müssen Rückstandsisolate aus dem Tundish genommen werden. Ihr δP18PO und Δ'P17POBTFLB können Aufschluss darüber geben, ob der Restsauerstoff im Stahl nach dem Desoxidieren kinetisch fraktioniert wird und dadurch nied-rige δP18PO-Werte von Clogging erzeugt werden können. Falls dies nicht der Fall sein sollte, könnte kinetische Fraktionierung möglicherweise ausgeschlossen und das Modell bestätigt werden.