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9. Operative Therapie

9.2. Operatives Vorgehen

Hysterektomie ebenso signifikant überlegen:99,0 % vs. 93,8 % (Hazard Ratio (HR): 6,00;

95 % KI, 1,77 bis 20,30).

Dem gegenüber stehen die aktuellen Zahlen der 8. Onkologischen Qualitätskonferenz 2020. Dafür wurden zwischen 2000-2018 die Zahlen der Tumorzentren von 43.091 Patientinnen aus 11 Bundesländern retrospektiv ausgewertet. Eine der ausgewerteten Punkte war die operative Therapie: minimal invasiv vs. offen chirurgisch. Die minimal invasiven Operationen haben über die Zeit unabhängig von Alter und Stadium zugenommen. Mit fast 60 % der Fälle stellte die vaginale Hysterektomie den Hauptzugangsweg dar. Im Gegensatz zu den international publizierten prospektiven Daten konnte in dieser Auswertung die Überlegenheit der minimalinvasiven OP-techniken in Bezug auf das Gesamtüberleben unabhängig vom Stadium der Erkrankung gezeigt werden (HR 1,494 KI 1,334 – 1,673; p < 0.0001) [24]. Aufgrund der deutlich höhren Aussagekraft beruft sich die Leitliniengruppe auf den RCT.

9.2. Operatives Vorgehen

Die klassische Operationstechnik ist die radikale Hysterektomie. Diese wird stadienabhängig in der Klassifikation nach Piver-Ruthledge et al. 1974 [274] in Anlehnung an die Empfehlungen von Wertheim, Meigs, Latzko, Okabayashi und anderen durchgeführt (siehe Abbildung 6 und Klassifikation der radikalen Hysterektomie).

Die Grundprinzipien der Operation bestehen bei der abdominellen Radikaloperation aus folgenden Schritten. Das Vorgehen bei den laparoskopischen oder Roboter-unterstützten Verfahren verläuft analog.

• Eröffnung der Bauchhöhle, systematische Inspektion

• Belassung der Ovarien möglich bei prämenopausalen Frauen

• Eröffnung der paravesikalen Grube. Bei Verdacht auf Befall des vesikouterinen Übergangs erfolgt eine Schnellschnittuntersuchung. Bei Tumorbefall erfolgt der Abbruch der Operation. Weitere Optionen sind die Blasenteilresektion oder die Durchführung einer Exenteration

• Inzision des Douglas-Peritoneums und Eröffnung der pararektalen Grube;

Entfernung des Binde- und Fettgewebes mit den Lymphbahnen und -knoten (siehe Kapitel 8.1.1.3)

• Darstellung und Absetzen der Parametrien stadienabhängig mit ausreichendem Sicherheitsabstand zum Tumor (siehe Klassifikation der radikalen Hysterektomie)

• Mobilisierung des Rektums und Absetzen der Ligg. sacrouterina

• komplette Präparation des Ureters aus den Parametrien

• Mobilisierung des Ureters nach Präparation des Blasenpfeilers

• Absetzen von Parakolpium und Vagina in Abhängigkeit von der Größe des Primärtumors und Befall der Vagina; anzustreben ist ein ausreichender vaginaler Sicherheitsabstand

• Verschluss der Bauchdecken

9.2 Operatives Vorgehen 136

Die Klassifikation nach Piver et al. unterscheidet fünf Grade der Radikalität der Hysterektomie [274]:

Klassifikation der radikalen Hysterektomie (Geprüft 2021)

• Piver I: extrafasziale Hysterektomie (keine nennenswerte Mobilisierung der Ureteren).

• Piver II: (modifiziert-radikale Hysterektomie): Absetzen der A. uterina an der Überkreuzung des

Ureters. Absetzen der Ligg. uterosacralia und cardinalia auf halben Weg zum Kreuzbein bzw. zur Beckenwand. Resektion des oberen Vaginaldrittels.

Präparation der Ureteren ohne Herauslösen aus dem Lig. pubovesicale. Letztlich handelt es sich um eine extrafasziale Hysterektomie mit Resektion der Parametrien medial der Ureteren.

• Piver III: („klassische“ radikale Hysterektomie: Absetzen der A. uterina am Ursprung (A.

iliaca

interna o. A. vesicalis sup.). Absetzen der Ligg. uterosacralia und cardinalia nahe an ihren Ursprüngen (Os sacrum, Beckenwand). Resektion des oberen Vaginaldrittels (bis Vaginalhälfte). Präparation der Ureteren bis zur Einmündung in die Blase unter Schonung eines kleinen lateralen Anteils des Lig. pubovesicale.

• Piver IV: (erweiterte radikale Hysterektomie): Wie Piver III, jedoch mit kompletter Herauslösung

der Ureteren aus dem Lig. pubovesicale, Resektion der A. vesicalis superior, Resektion von bis zu ¾ der Vagina.

• Piver IV: Resektion von Teilen der Blase und des distalen Ureters mit Ureterneuimplantation

9.1. Konsensbasierte Empfehlung Geprüft 2021

EK

In der Postmenopause sollte bei makroinvasivem Karzinom eine beidseitige Adnexektomie im Rahmen einer Hysterektomie durchgeführt werden.

Starker Konsens

Eine Entfernung der Eileiter scheint keinen negativen Folgen für die ovarielle Funktion zu haben [313, 314], vermag aber potentiell das Risiko für die Entstehung eines Ovarial- oder Tubenkarzinoms zu reduzieren [315] Falconer H et al, 2015. Schätzungen zufolge könnte die Rate an High-Grade serösen Ovarialkarzinomen in den nächsten 20 Jahren um 40 % reduziert werden, wenn im Rahmen einer Hysterektomie beide Eileiter mit entfernt würden [316]. Zudem scheint diese Prozedur nicht mit einer erhöhten Morbidität für die Patientin einherzugehen [317]. Von daher sollte diese zusätzliche Maßnahme bzw. deren potentieller Benefit mit der Patientin individuell diskutiert werden.

Beim Plattenepithelkarzinom der Zervix liegt die Inzidenz ovarieller Metastasen in der größten diese Thematik behandelnden Studie (n = 3.471) stadienabhängig bei 0,22 % (Ib), 0,75 % (IIa) bzw. bei 2,2 % (IIb). Beim Adenokarzinom lag die Rate bei 3,72 % (Ib), 5,26 % (IIa) bzw. 9,85 % (IIb). Insgesamt sind Ovarialmetastasen beim Adenokarzinom im Vergleich zum Plattenepithelkarzinom deutlich häufiger zu finden: 5,31 % vs. 0,79 % [318]. Daher empfiehlt die Leitliniengruppe die Adnexektomie für alle postmenopausalen Patientinnen ab Stadium IB1 und bei prämenopausale Patientinnen

9.2 Operatives Vorgehen 137

mit einem Adenokarzinom im Stadium IB2, IIA2 und IIB (siehe Empfehlungen 8.14 und 8.15.).

9.2 Evidenzbasierte Empfehlung Neu 2021

Empfehlungsgrad

B

Die offene radikale Hysterektomie sollte den Patientinnen bis FIGO IB1 angeboten werden.

Eine Entfernung in einer großen multizentrischen Phase III Studie publiziert im Jahr 2018 wurden 631 Patientinnen mit Zervixkarzinom FIGO IA1 bis FIGO IB1 entweder in den Arm einer laparoskopischen radikalen Hysterektomie (inklusive robotic surgery) oder einer abdominalen offenen radikalen Hysterektomie randomisiert. Die primäre Zielgröße war das Krankheitsfreie-Überleben nach 4,5 Jahren und die nicht Unterlegenheit der Minimalinvasiven Gruppe. Als sekundäre Zielgrößen wurden die Rezidivrate und das Gesamtüberleben nach 3 Jahren bestimmt. Es konnte keine Nicht-Unterlegenheit der mikrochirurgischen vs. Offenen Chirurgie bzgl. des krankheitsfreien Überlebens gezeigt werden: 96,5 % vs. 86,0 % (95 % Konfidenz Intervall −16,4 bis −4,7; P = 0,87 für Nichtunterlegenheit). In Bezug auf das Gesamtüberleben nach 3 Jahren war die offene Hysterektomie der laparoskopischen Hysterektomie ebenso signifikant überlegen:99,0

% vs. 93,8 % (Hazard Ratio (HR): 6,00; 95 % KI, 1,77 bis 20,30). Die Rate an intra- und postoperativen Komplikationen war in beiden Armen gleich hoch. Für die Subgruppen der niedrig-Risiko Tumore < 2 cm, ohne Lymphgefäßinvasion, mit einer Invasionstiefe von <10 mm bzw. negativen Lymphknoten konnte keine Aussage getroffen werden [319]. Die Kommission Uterus der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) und die Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Endoskopie (AGE) der Deutschen Gesellschaft und Geburtshilfe (DGGG) stellen fest, dass Patientinnen mit Zervixkarzinom FIGO IA1 mit Lymphgefäßinvasion, IA2, bzw. IB1 vor einer Entscheidung über den geplanten Zugangsweg bei indizierter radikaler Hysterektomie über die Ergebnisse der o.g. Studie zu informieren sind [320].

In einer ebenso 2018 publizierten Kohortenstudie aus den USA wurden 1225 Patientinnen (FIGO IA2-IB1), welche per Laparoskopie operiert worden waren, mit 1236 Patientinnen verglichen, welche per Bauchschnitt operiert worden waren. Nach einem medianen Follow-Up von 45 Monaten konnte gezeigt werden, dass die 4-Jahresmortalitäts-Rate 9,1 % nach laparoskopischer Hysterektomie und lediglich 5,3 % nach offener Hysterektomie betrug (Hazard Ratio, 1,65; 95 % Konfidenzintervall [KI], 1,22 - 2,22; P=0,002 log-rank test). Gemäß einer longitudinalen Analyse sei seit Einführung der laparoskopischen Hysterektomie in 2006 die 4-Jahresüberlebensrate um 0,8 % (95 % KI, 0,3 – 1,4) pro Jahr gesunken (p=0,01) [321].

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine weitere Kohortenstudie an 958 Patientinnen (475 offen abdominal operiert bzw. 483 minimal-invasiv – 90 % laparoskopisch bzw. 10 % robotisch) [322]. Nach Adjustierung ergab sich für die Anwendung eines minimal-invasiven Verfahrens ein signifikant höheres Risiko zu versterben (Hazard Ratio [HR],

9.2 Operatives Vorgehen 138

2,20; 95 % Konfidenz Intervall [KI], 1.15-4.19) bzw. ein Rezidiv zu erleiden (HR, 1.97; 95

% KI, 1,10-3,50) im Vergleich zu einem offenen abdominalen Vorgehen für das Tumorstadium FIGO IB – nicht allerdings im Tumorstadium FIGO IA (n = 244; Tod HR, 0,73; 95 % KI, 0,13-4,01; Rezidiv HR, 0,34; 95 % KI, 0,10-1,10).

Dieser Unterschied im Ergebnis in Abhängigkeit der Tumorgröße wird auch durch eine weitere Kohortenstudie bestätigt, welche allerdings lediglich als Abstract vorliegt [323].

In dieser Studie wurden insgesamt 721 Patientinnen mit Zervixkarzinom FIGO IB1 eingeschlossen und die unterschiedlichen Zugangswege (offen vs. minimal-invasiv) bzw.

Techniken (mit bzw. ohne Uterus-Manipulator) retrospektiv miteinander verglichen.

Hierbei konnte gezeigt werden, dass lediglich für Tumore >2 cm der offene Zugang bzgl.

krankheitsfreiem Überleben dem minimal-invasiven Zugang signifikant überlegen war.

Darüber hinaus war dieser Vorteil gegenüber der Subgruppe, welche ohne uterinen Manipulator operiert worden war nicht nachweisbar.

Bzgl. dieser spezifischen Fragestellung, ob eine radikale Hysterektomie offen abdominal oder minimal-invasiv laparoskopisch bzw. robotisch durchgeführt werden sollte, existieren darüber hinaus 3 Metaanalysen [324-326].

In der Publikation von Jin et al, 2018 werden 229 Patientinnen mit einer robotisch radikalen Hysterektomie mit 913 laparoskopisch bzw. 948 offenen Hysterektomien verglichen. Es wird hier lediglich ein geringerer Blutverlust, weniger postoperative Komplikationen bzw. kürzere Krankenhaus-Aufenthaltsdauer bei Anwendung eines minimal-invasiven Verfahrens berichtet. Daten zum Gesamtüberleben oder krankheitsfreien Überleben werden in dieser Arbeit nicht berichtet [324] .

Zu vergleichbaren Ergebnissen kommt die Arbeitsgruppe von Park et al. bereits 2016, welche in Ihrer Analyse allerdings deutlich mehr Patientinnen mit einer robotisch radikalen Hysterektomie einschlossen (n=821) [325].

Über den reinen Vergleich Laparoskopie versus offener Operation wurde schließlich in der Metaanalyse von Wang et al 2015 berichtet. Auch diese Arbeit bestätigt den Benefit des minimal-invasiven Zugangs bzgl. geringerem Blutverlust, weniger postoperativen Komplikationen bzw. kürzerer Krankenhaus-Aufenthaltsdauer bei jedoch signifikant längerer Operations-Zeit [326].

In einer deutschen Kohortenstudie wurden entsprechend den LACC-Studienkriterien insgesamt 389 Patientinnen eingeschlossen, die - im Gegensatz zur laparoskopischen/robotischen Technik der LACC-Studie - mittels eines kombinierten transvaginal-laparoskopischen Ansatzes ohne Uterusmanipulator operiert wurden [327].

Nach einem medianen Follow-up von 99 (1 – 288) Monaten betrugen die 3, 4,5 und 10-jährigen krankheitsfreien Überlebensraten 96,8 %, 95,8 %, und 93,1 % und das Gesamtüberleben 98,5 %, 97,8 % bzw. 95,8 %. Dieses sehr gute onkologische Ergebnis auf Basis retrospektiver Daten unterstreicht die Hypothese einer notwendigen operativen Tumorhygiene und sollte in weiteren randomisierten Studien validiert werden.

Der Stellenwert einer reinen robotischen Operation bzgl. des onkologischen Outcomes ist unklar. Hier fehlen große randomisierte Studien um die Wertigkeit dieses minimal-invasiven Verfahrens beurteilen zu können. Allerdings erscheint der generelle Einsatz minimal-invasiver Techniken vor dem Hintergrund der von Ramirez et al veröffentlichten Phase III Studie nicht empfehlenswert. Die Leitliniengruppe empfiehlt daher die Patientinnen mit einem Zervixkarzinom < FIGO IIB über die Datenlage zu informieren und eine offene abdominale radikale bis zum Stadium FIGO IIA zu empfehlen. Die Lymphonodektomie ist ein diagnostisches Verfahren. Der optimale Zugang zur