• Keine Ergebnisse gefunden

Oligometastatischen Nicht-Kleinzelligen Bronchialkarzinom

Im Dokument Lungenkrebs 02 (Seite 25-29)

Martin Früh1, Christoph Jakob Ackermann1

1 Klinik für Onkologie und Hämatologie Kantonsspital St. Gallen

KONTROVERSES THEMA: LUNGENKREBS

Für alle anderen Patienten, welche unter dem Begriff «oli-gometastasisch» zusammengefasst werden, können keine entsprechende Empfehlungen abgegeben werden. Allg-mein basiert die Empfehlung einer aggressiven lokalen Behandlung dieser Patienten auf Behandlungsresultaten von mehrheitlich retrospektiven und wenigen prospekti-ven Kohorten sowie Fallserien selektionierter Patienten mit solitären Metastasen in Organen wie Hirn, Neben-niere oder Knochen [9, 11, 17-21]. Retrospektive Studien haben viele Limitationen. Insbesondere besteht ein Selek-tionsbias mit der Auswahl von prognostisch günstigeren, meist jüngeren Patienten in besserem Allgemeinzustand verglichen mit Patienten, welche möglicherweise nicht genug fit waren und gar nicht lange genug gelebt ha-ben, um eine aggressive lokale Behandlung erhalten zu können. Zudem fließen jeweils nicht alle prognostischen Faktoren in die Überlebensanalysen ein. Faktoren, welche über eine aggressive lokale Therapie entscheiden, hängen nicht nur von der Krankheitsprogression ab, sondern auch davon, ob der Patient Chemotherapie toleriert, Komorbi-ditäten aufweist aber auch von logistischen Faktoren und Präferenzen des Patienten bzw. des behandelnden Arztes.

Der in retrospektiven Serien beobachtete Überlebensvor-teil der lokal aggressiv behandelten Patienten könnte also eher die Folge von einer indolent verlaufenden, weniger aggressiven Erkrankung sein, als ein eigentlicher Behand-lungserfolg. Eine bessere Prognose heisst nicht zwangs-läufig, dass eine aggressivere Therapie zwingend von Nut-zen ist. So zeigte beispielsweise eine ältere retrospektive Studie von Luketich et al. bei 14 Patienten eine 10-Jahres Überlebensrate von 85%, was am ehesten im Rahmen der hochselektionierten Patientengruppe zu werten ist [22].

Retrospektive Studien können uns nur Hinweise geben,

bei welchen Patienten allenfalls eine aggressivere lokale Therapie Sinn macht, beispielsweise bei Patienten mit ge-ringer Tumorlast, metachroner Metastasierung, Abwesen-heit eines mediastinalen Befalls oder gutem Allgemeinzu-stand. Definitive Antworten für einen klinischen Benefit von Lokalmassnahmen in der oligometastasierten Situati-on geben jedoch ausschliesslich prospektive Studien. Ob-wohl chirurgisch als auch insbesondere radioonkologisch in den letzten Jahren immer bessere minimalinvasivere bzw. das umliegende Gewebe besser schonende Techniken entwickelt wurden, birgt jede Intervention auch das Ri-siko von Komplikationen. Was relativ einfach machbar ist, rechtfertigt dementsprechend noch nicht, dass man es auch machen soll, ganz abgesehen von den zuätzlich ent-stehenden Kosten einer lokalen Behandlung.

Die neue TNM Klassifikation der Lungentumoren (8.

Version) nimmt erstmals den Begriff «oligometastasierte Erkrankung» auf und trägt somit der Tatsache Rechnung, dass diese Patienten eine andere Prognose aufweisen [23]. In der neuen Klassifikation wurden Fernmetastasen aufgrund der unterschiedlichen Prognosen in zwei Kategorien eingeteilt: M1b entspricht einer Metastase in einem Organ [(a) Hirn, (b) Leber, (c) Knochen, (d) entfernt gelegener Lymphknoten/Haut/Peritoneum und (e) Nebenniere] versus M1c, was multiplen Metastasen in einem oder mehreren Organen entspricht. M1a bleiben weiterhin die Patienten mit Metastasen, welche auf den Thorax beschränkt sind.

Diese Einteilung basiert erstmals auf prospektiven Studien bei Patienten mit oligometastasierter Erkrankung [8, 11].

Eine neue Stagingklassifikation impliziert jedoch nicht automatisch, wie diese Patienten behandelt werden müssen.

De Ruysscher et al. berichtet in einer der ersten prospek-tiven Studien über 39 Patienten mit 1 bis maximal 5 Oli-Abbildung 1.

Bild a-c: Solitäre Metastase eines ALK (Anaplastische Lymphomkinase) positiven nichtkleinzelligen Bronchuskarzinoms vor stereotaktischer Bestrahlung (a), 4 Monate nach stereotaktischer Bestrahlung mit Strahlenpneumonitis (b) und 3 Jahre und 10 Monate nach stereotaktischer Bestrahlung als bindegewebige Narbe (c).

a b c

KONTROVERSES THEMA: LUNGENKREBS

gometastasen. Die Patienten wurden operativ oder radi-otherapeutisch behandelt, wobei das mittlere Überleben lediglich 13.6 Monate betrug [8]! Nur sechs Patienten waren nach 2 Jahren progressionsfrei. Diese Studie zeigt ganz offensichtlich, dass die Patientenselektion, d.h. die Identifikation der Patienten, welche von einer radikalen lokalen Therapie profitieren, vollständig unklar ist. Ob eine agressive lokale Therapie das Überleben im Vergleich zu reiner Systemtherapie oder Observation beeinflusst, bleibt völlig unklar. Die Schwierigkeit besteht in einer adäquaten Einschätzung der Prognose von Patienten mit Oligometastasierung. Bis anhin fehlen uns diesbezüglich etablierte, prognostische Scores. Neben klinischen Cha-rakteristika werden hier auch molekulare prognostische Parameter wie z.B. zirkulierende microRNAs oder zirku-lierende Tumorzellen diskutiert. Molekulare mikroRNAs (kleine Ribonukleinsäuren aus 19-22 Nukleotiden) schei-nen via Regulation der Genexpression eischei-nen Einfluss auf das metastatische Ausbreitungspotential eines Tumors zu haben, indem sie Proliferationsmechanismen entweder aktivieren oder inhibieren. Untersuchungen zeigen, dass sich mikroRNA-Expressionsmuster in oligometastasie-renden Tumoren im Vergleich zu polymetastasieoligometastasie-renden deutlich unterscheiden [24, 25]. Allenfalls kann in Zu-kunft die mikroRNA-Sequenzierung helfen, das Meta-stasierungsmuster von Tumoren zu antizipieren. Weitere tumorbiologische Faktoren wie die Histologie oder zirku-lierende Tumorzellen müssten in einen zukünftigen Score einbezogen und prospektiv evaluiert werden [26-28].

Um indolente Erkrankungen mit besserer Prognose ver-sus dem Nutzen einer radikalen lokalen Behandlung diskriminieren zu können, sind randomisierte Studien unabdingbar. Eine kürzlich publizierte randomisierte multizentrische amerikanische Phase 2 Studie untersuchte Patienten mit NSCLC mit weniger als vier Metastasen, die nach einer Erstlinientherapie bestehend aus einer Chemotherapie oder einem EGFR- oder ALK –Inhibitor nicht progredient waren. Die Patienten wurden entweder in den investigativen Arm mit lokaler Konsolidations-behandlung (Operation oder RT) plus oder minus Erhal-tungstherapie (sofern zugelassen) oder den Kontrollarm mit alleiniger systemischer Erhaltungstherapie (sofern zugelassen) randomisiert [29]. Die Studie wurde nach 49 behandelten Patienten, bei geplanten 74 Patienten, vor-zeitig beendet bei deutlichem Vorteil des medianen pro-gressionsfreien Überlebens von 11.9 versus 3.9 Monaten zugunsten der Gruppe mit lokaler Konsolidationstherapie bei insgesamt guter Verträglichkeit und ohne Auftreten von Grad 4 oder 5 Toxizitäten. Eine interessante, wenn auch explorative Beobachtung war, dass die Zeit bis zum Auftreten neuer Metastasen in der Gruppe mit der lokalen Therapie signifikant länger war (11.9 Monate vs. 5.7 Mo-nate, p=0.049), was ein Hinweis dafür sein könnte, dass Metastasen aus Metastasen originieren könnten oder eine

lokale Behandlung eine antineoplastische Immunantwort hervorrufen könnte (Abscopal Effekt). Aufgrund dieser Studie erscheint das Konzept einer konsolidierenden lo-kalen Behandlung bei diesen Patienten interessant. Die Autoren kommen jedoch selbst korrekterweise in ihren Konklusionen zum Schluss, dass es sich um einen Thera-pieansatz handelt, welcher weiter in einer randomisierten Phase 3 Studie geprüft werden muss, um ihn in Zukunft allenfalls als Standard deklarieren zu können. Insbeson-dere wurde in dieser Studie der individuelle Nutzen be-züglich Lebensqualität bzw. Symptomkontrolle durch die lokale Behandlung nicht geprüft. Entsprechend bleibt unklar, ob mit der frühen aggressiven Lokalbehandlung lediglich klinisch unbedeutende radiologische Befunde therapiert wurden, von denen die Patienten weder symp- tomatisch waren noch es möglicherweise je geworden wären. Aktuell laufende prospektive Studien wie die ran-domisierte «Stereotactic Ablative Radiotherapy for Com-prehensive Treatment of Oligometastatic Tumors»-Studie (SABR-COMET, NCT01446744), die einarmige «Stereo-tactic Body Radiation Therapy in Treating Patients With Metastatic Breast Cancer, Non-small Cell Lung Cancer, or Prostate Cancer»-Studie (NCT02206334) und die einar-mige «Stereotactic Body Radiation Therapy in Treating Patients with Stage IV Oncogene-Driven Non-small Cell Lung Cancer Receiving Selected Targeted Therapy»-Stu-die (NCT02314364) werden hoffentlich weitere Informa-tionen liefern.

Zusammenfassend erscheint eine aggressive lokale Thera-pie in selektierten Patienten mit solitären Hirn-, Lungen oder Nebennierenmetastasen sinnvoll. Ferner scheint eine Lokaltherapie bei Patienten mit onkogen-abhängigen Tu-moren und Oligoprogression unter TKI zu einer Verlän-gerung der Behandlungsdauer mit dem ensprechenden TKI und somit zu einer Postponierung künftiger The-rapielinen zu führen. In allen anderen klinischen Situa-tionen, insbesondere beim Vorliegen von mehr als einer Metastase, ist der Einschluss in eine prospektive, wenn möglich randomisierte Studie prioritär. Außerhalb eines Studiensettings sollte beim NSCLC eine Systemtherapie einer aggressiven lokalen Therapie vorgezogen werden.

Der Nachweis einer bedeutsamen Verbesserung des krebs-spezifischen Überlebens durch aggressive lokale Behand-lungen in der Situation einer Oligometastasierung beim NSCLC steht aus.

Referenzen:

1. Cancer Facts and Figures 2016. American Cancer Society, Atlanta, USA, 2016.

2. Badakhshi H. Oligometastases in solid tumors. Tumordiagnosis and Therapy 33: 73-75, 2012.

3. Weichselbaum RR and Hellman S. Oligometastases revisited.

Nat Rev Clin Oncol 8: 378-382, 2011.

KONTROVERSES THEMA: LUNGENKREBS

4. Hellman S and Weichselbaum RR. Oligometastases. J Clin Oncol 13: 8-10, 1995.

5. Palma DA, Salama JK, Lo SS, et al. The oligometastatic state - separating truth from wishful thinking. Nat Rev Clin Oncol 11:

549-57, 2014.

6. Parikh RB, Cronin AM, Kozono DE, et al. Definitive primary therapy in patients presenting with oligometastatic non-small cell lung cancer. Int J Radiat Oncol Biol Phys 89: 880-887, 2014.

7. Alt AL, Boorjian SA, Lohse CM, et al. Survival after complete sur-gical resection of multiple metastases from renal cell carcinoma.

Cancer 117: 2873-2882, 2011.

8. De Ruysscher D, Wanders R, van Baardwijk A, et al. Radical treatment of non-small-cell lung cancer patients with synchro-nous oligometastases: long-term results of a prospective phase II trial (Nct01282450). J Thorac Oncol 7: 1547-1555, 2012.

9. Griffioen GH, Toguri D, Dahele M, et al. Radical treatment of synchronous oligometastatic non-small cell lung carcinoma (NSCLC): patient outcomes and prognostic factors. Lung Cancer 82: 95-102, 2013.

10. Putora PM, Ess S, Panje C, et al. Prognostic significance of histol-ogy after resection of brain metastases and whole brain radiother-apy in non-small cell lung cancer (NSCLC). Clin Exp Metastasis 32: 143-149, 2015.

11. Tanvetyanon T, Robinson LA, Schell MJ, et al. Outcomes of adre-nalectomy for isolated synchronous versus metachronous adrenal metastases in non-small-cell lung cancer: a systematic review and pooled analysis. J Clin Oncol 26: 1142-1147, 2008.

12. Ettinger DS, Wood DE, Akerley W, et al. NCCN Guidelines Insights: Non-Small Cell Lung Cancer, Version 4.2016. J Natl Compr Canc Netw 14: 255-264, 2016.

13. Gainor JF, Shaw AT, Sequist LV, et al. EGFR Mutations and ALK Rearrangements Are Associated with Low Response Rates to PD-1 Pathway Blockade in Non-Small Cell Lung Cancer: A Ret-rospective Analysis. Clin Cancer Res 22: 4585-4593, 2016.

14. Kostenko A, Michels SYF, and Jana Fassunke J. Survival follow-ing implementation of next-generation sequencfollow-ing in routine diagnostics of advanced lung cancer: Results of the German Net-work Genomic Medicine. J Clin Oncol; Suppl: abstr 9085, 2016.

15. Gan GN, Weickhardt AJ, Scheier B, et al. Stereotactic radia-tion therapy can safely and durably control sites of extra-central nervous system oligoprogressive disease in anaplastic lymphoma kinase-positive lung cancer patients receiving crizotinib. Int J Ra-diat Oncol Biol Phys 88: 892-898, 2014.

16. Weickhardt AJ, Scheier B, Burke JM, et al. Local ablative therapy of oligoprogressive disease prolongs disease control by tyrosine ki-nase inhibitors in oncogene-addicted non-small-cell lung cancer. J Thorac Oncol 7: 1807-1814, 2012.

17. Bonnette P, Puyo P, Gabriel C, et al. Surgical management of non-small cell lung cancer with synchronous brain metastases. Chest 119: 1469-1475, 2001.

18. Congedo MT, Cesario A, Lococo F, et al. Surgery for oligometa-static non-small cell lung cancer: long-term results from a single center experience. J Thorac Cardiovasc Surg 144: 444-452, 2012.

19. Gray PJ, Mak RH, Yeap BY, et al. Aggressive therapy for patients with non-small cell lung carcinoma and synchronous brain-only oligometastatic disease is associated with long-term survival.

Lung Cancer 85: 239-244, 2014.

20. Tonnies M, Pfannschmidt J, Bauer TT, et al. Metastasectomy for synchronous solitary non-small cell lung cancer metastases. Ann Thorac Surg 98: 249-256, 2014.

21. Downey RJ, Ng KK, Kris MG, et al. A phase II trial of chemo-therapy and surgery for non-small cell lung cancer patients with a synchronous solitary metastasis. Lung Cancer 38: 193-197, 2002.

22. Luketich JD, Martini N, Ginsberg RJ, et al. Successful treatment of solitary extracranial metastases from non-small cell lung cancer.

Ann Thorac Surg 60: 1609-1611, 1995.

23. Eberhardt WE, Mitchell A, Crowley J, Kondo H, Kim YT, Tur-risi A, 3rd, Goldstraw P, Rami-Porta R, International Association for Study of Lung Cancer S, Prognostic Factors Committee ABM, and Participating I. The IASLC Lung Cancer Staging Project:

Proposals for the Revision of the M Descriptors in the Forthcom-ing Eighth Edition of the TNM Classification of Lung Cancer. J Thorac Oncol 10: 1515-1522, 2015.

24. Uppal A, Ferguson MK, Posner MC, et al. Towards a molecular basis of oligometastatic disease: potential role of micro-RNAs.

Clin Exp Metastasis 31: 735-748, 2014.

25. Lussier YA, Xing HR, Salama JK, et al. MicroRNA expression characterizes oligometastasis(es). PLoS One 6: e28650, 2011.

26. Milano MT, Katz AW, Zhang H, and Okunieff P. Oligometastases treated with stereotactic body radiotherapy: long-term follow-up of prospective study. Int J Radiat Oncol Biol Phys 83: 878-886, 2012.

27. Salama JK, Hasselle MD, Chmura SJ, et al. Stereotactic body ra-diotherapy for multisite extracranial oligometastases: final report of a dose escalation trial in patients with 1 to 5 sites of metastatic disease. Cancer 118: 2962-2970, 2012.

28. Salama JK and Chmura SJ. The role of surgery and ablative radio-therapy in oligometastatic breast cancer. Semin Oncol 41: 790-797, 2014.

29. Gomez DR, Blumenschein GR, Jr., Lee JJ, et al. Local consolida-tive therapy versus maintenance therapy or observation for pa-tients with oligometastatic non-small-cell lung cancer without progression after first-line systemic therapy: a multicentre, ran-domised, controlled, phase 2 study. Lancet Oncol 17: 1672-1682, 2016.

KONTROVERSES THEMA: LUNGENKREBS

Korrespondenz:

PD Dr. Martin Früh

Klinik für Onkologie und Hämatologie Kantonsspital St. Gallen 

Rorschacherstrasse 95 CH-9007 St. Gallen martin.frueh@kssg.ch 

Im Dokument Lungenkrebs 02 (Seite 25-29)