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Oberkleidung Die zentrale Gruppe der weiblichen Kleidung

Im Dokument und er (Seite 54-95)

menner klagen

II. Dokumentation Kleidung

1. Oberkleidung Die zentrale Gruppe der weiblichen Kleidung

bil-dete eine mehrteilige, jedoch nicht notwendiger-weise vollständig getragene Oberkleidung. Zu ihr zählten Kleider, zweiteilige Oberteil-Rock-Kom-binationen, Schürzen, das der sichtbar getragenen Bluse entsprechende »Hemd« sowie jene kragen-oder jackenartigen Kleidungsstücke, die überwie-gend als »Goller« bezeichnet, den Oberkörper über- und unterhalb der Brust endend umschlos-sen. Die Darstellung der einzelnen Kleidungs-stücke erfolgt nach Sachgruppen geordnet anhand der in den Kleiderverzeichnissen überlie-ferten zeitgenössischen Terminologie.

r.r. Den Körper ober- und unterhalb der Taille materialgleich bedeckende Kleiders

r.r.r. Rock-Ärmelrock

Neben zahlreichen differenzierenden Varianten war »Rock« die allgemein verbreitete Bezeich-nung für das einteilige Frauenkleid. Erst im letz-ten Drittel des 16.] ahrhunderts setzte sich dafür im Zuge einer kostümgeschichtlich weitreichen-den Bedeutungsveränderung die Bezeichnung ))Schaube« durch, nachdem das ursprünglich da-mit gemeinte Kleidungsstück von der Modeent-wicklung abgelöst worden war und)) Rock« gleich-zeitig auf den Halbrock zweiteiliger Kleider über-ging.

Die Bedeutung des Rockes für die Nürnberger Frauenkleidung spiegelt eine Vielzahl von Bild-und Schriftbelegen. Bildnisse lassen den langär-meligen Frauenrock bis ins späte 16.] ahrhundert · als ))Porträtkleidung« der Nürnbergerin schlecht-hin erkennen. Bisweilen unterscheidet die Be-zeichnung ))Erbelrock/Ermelrock« das langärme-lige Kleidungsstück gegenüber ärmellosen Aus-führungen 6.

Der tiefe, breit zu den Schultern verlaufende Halsausschnitt des Rockes war bereits im 15.]ahr-hundert Gegenstand der Kleidergesetzgebung.

Eine auch noch im Untersuchungszeitraum gülti-ge Verordnung von 490 verbot für ))Frauen Röck und Klayder« tiefere Ausschnitte, als ))so sie auff-recht steen, ains zween finger prait undter irem Knörrlein am hals reichend«, es sei denn, es wurde ein hochgeschlossenes Hemd oder ein Brusttuch und ein ))zugethan goller aneinander« darunter ge-tragen. Um eine unangemessene Entblößung des weiblichen Körpers zu verhindern, durften weiter ))die Röck und ander Kleidungen der W eibspild ob der Gürtel nit offenstehen«, sondern mußten ))mit Gesperren und sonst ganz zugethan wer-den«7. Eine Frau, die mit rotem Brusttuch, einem mit Häkchen ))zugethan« Goller und ))Gesperr«-Kettchen all diesen Vorschriften Genüge zu lei-sten scheint, zeigt Hans von Kulmbachs Bildnis einer unbekannten 24jährigen von 1515 (Abb. 33)8.

Daß dies jedoch nicht notwendigerweise so war, macht ein Ratsverlaß aus dem] ahr 1508 deutlich, der zu Verstößen gegen die Kleiderordnung in ko-stümkundlicher Gattungsname. Im Untersuchungszeitraum bezeichnete Kleid/Kleider in erster Linie die Gesamtheit der männlichen und weiblichen Kleidungsstücke, aber auch nicht näher spezifizierte einzelne Kleidungsstücke. In der Männerkleidung des frühen !7· Jahrhunderts steht »klaidt«

auch für einen »Anzug« aus Wams und Hose (vgl. S. 202).

6 Zubringung Katharina Praunsperger, Iß6 (StaN, LI 2, fol.

I7V-I8v): »I schwarzen Frauenermelrock,3 .«. - Inventar Contz Reck, I547 (StaN, LI 4, fol. I69 r-I7Ir): »I schwarzen Erbeil Rock mit 5 Paar silbere vergulten Gesperren und schwarz Sam-mat verbrämt, 24-6.«. - Inventar Helena Baumgartner, I567 (GNM, Reichsstadt Nbg. XVIII, Geschlechter Paumgärtnen):

»I braunen Ermelrock mit rotem Samat verbremt, 3 .«.

7 StaaN, Rep. 52 b, Nr.235: »HochfartAlt und new ordnung allerlei claydung<< (Abschrifti558). Enthält Verordnungen zwi-schen I465 und I529 sowie undatierte Erlässe.

8 Dublin, National Gallery of Ireland. - David Oldfield:

German Paintings in the National Gallery oflreland. Dublin I987, S. j6-37, Nr. 371.

9 StaaN, RV I58o, Nr. 497, fol. 12 v.

Die Kleiderordnungen des r6. Jahrhunderts sa-hen für Frauenröcke ausschließlich Woll- und Leinengewebe vor, seit r6r8 für die Oberschichten auch Seidenstoffe wie »gewässerter Schamlott, Ta-bin oder Daffet«. In den Kleiderverzeichnissen überwiegen Wollröcke von hochwertigem Tuch bis zum einheimischen Kemler. Daneben sind Schamlott, Arlas, türkischer Macheier, Barchent und Leinen nachzuweisen, doch beschränkten sich die Materialangaben bei der Mehrzahl der Belege auf ein nicht näher bestimmtes »wullen« 1o.

Der nur selten erkennbare Materialverbrauch schwankte für einen Frauenrock am Anfang des r6. Jahrhunderts zwischen fünf und sechs Ellen 11.

Bei den seltenen Angaben zu etwaigen Rockfut-tern handelte es sich um Pelzfutter.

Dekorativ und ständisch signifikant zugleich waren die Verbrämungen der Frauenröcke. In de-taillierten Abstufungen regelten Kleiderordnun-gen Material, Breite und Farben der für die j eweili-gen Gesellschaftsschichten zugelassenen Besätze, während eine Vielzahl überlieferter Verstöße und deren Ahndung erkennen lassen, daß gerade die-ser Art der ständischen Kennzeichnung der Klei-dung auch in der Praxis herausragende Bedeutung zukam 12. Anders als für die Röcke selbst waren von Anfang an hochwertige Materialien zur Ver-brämung »oberhalb der gürtel umb den Leib unnd die Ermel« sowie »vornen herab« zugelas-sen. Die Ordnung von 1536 gestattete den Ober-schichten Samt, Atlas oder andere Seiden ohne Farbbeschränkung, während den Frauen sonst bis ins q. Jahrhundert nur schwarze oder

»negelfar-10 Inventar Ursula Imhoff, geb. Nützel, I520 (GNM, I-A, Fasz. I9, Nr. I9): »I roter schariaeher rock IO ., I alter groer Kemler Rock - .6.-«. Inventar Ursula Spengler, I529 (StaN, LI 4, fol. I66 r- I75 r): »I leberfarben wullin Rock mit einem alten Marderkehlenfutter, I schwarzen einfachen wullen Rock mit Sammat verbremt, I groer purpianischer einfacher Rock«.

Inventar Kunigund Glaser, I529 (StaN, LI I, fol. 29v-3ov):

»I kemlein einfachen Rock 2.« Inventar Margarete Rieter, geb.

Kress, I548 (GNM, K- A XXVI, 8 a): »I alten grünen arlasen Rock mit weißem Krapfen Futter - .5.-«. Inventar Katharina Tucher, I574 (Anm. I 69) : »I schwarzen Schamlottinen Rockh mit einer schwarzen Puben Sammaten Umbleg 4., I Grünen Rock von türckischem Macheier 2.«.

n z.B. Haushaltsbuch Anton Tueher I507-I5I7

r:w.

Loose,

Anm. I I4): »Item adi 28 novembris czalt per Virgili dem Hans

33· Hans von Kulmbach:24jährige Frau mit Leinengoller und Brusttuch. I515.

be«, also dunkelbraune, Samtverbrämungen zu-standen 13. Der Rock der 24j ährigen Barbara Straub, geb. Pirckheimer, auf Hans Plattners Bild-nis repräsentiert demnach mit roten Samtverbrä-mungen um den Ausschnitt und entlang der Yar-deröffnung sowie roten Damaststulpen an den Ärmeln einen der Patriziertochter angemessenen Standard (Abb. 34)14.

Staiber fur 6 eln grab parcket und 1 drittelen attles dem Chor-clelen meinem eniclen czu einem rocklen 8 CU 20 (S. 75).

»ltem adi 7 jener der Tucherin meiner sehn ur czum newen jar 6 eln perpianisch tuch czu einem welischen rock pro 6 fl.«

(S. 76). »ltem adi 21 dito vereret die Lochnerin umb ir tegliche mue pei mir mit 5 eln Ieberfarb tu eh czu einem rock, a 3 ort«

(S. 96). - Haushaltsbuch Michel Behaim G. Kamann r886, Anm. I 15): »ltem I489 . .. zalt ich meinem weib fur 5 ellen swartz tuchs zu einem rock ir, dem Furleger, facit 7 guld. rein«

(S. 67). >>Item 1510, am freytag nach Dionisy, zaltich funo eilen grabß tuchs, meinem weib und meiner tochter Lucia zu zwayen rocken, facit summa 9 fl. rein« (S. 102).

12 Vgl. dazu StaaN, RV I500-I520, Stichwort »Prem«.

13 StaaN, Rep. 52 b, Nr. 235, S. 78.

4 GNM, Gm 18o.

34- Hans Plattner: Barbara Straub, geb. Pirckheimer (1501-1560 ). 1525.

In der Praxis waren Material und Ausstattung der Frauenröcke beständiger Gegenstand von Hoffartsrügen. 1500 wurde ein weibliches Mit-glied der Patrizierfamilie Haller »einß sametts premß halb, das zu preyt sein sol« 15 vor den Rat zi-tiert. Zwei Jahre später wurde einer anderen Nürn-bergerin für einen verbotenermaßen um den Saum herum mit Pelz verbrämten Rock ein Buß-geld in der Höhe eines Guldens abverlangt16. Be-reits 1504 war, wiederum bei einer Hallerin, eine goldene Verbrämung zu beanstanden 17. In den genehmigten Besatzbreiten wurden an die Schnei-der amtlich geprüfte Messing- oSchnei-der Blechmaße ausgegeben, »mit warnung der frawen claid den-selben und auch eins rats gesetz gemeß halten«1s.

Bei Übertretungen ist die Auflage belegt, die beanstandeten Verbrämungen schmäler machen zu lassen 19. Zum eigentlich umkämpften Standes-attribut wurden die Besätze der Frauenröcke je-doch erst in der zweiten Hälfte des 16. ]

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derts. Verstöße gegen Farbe und Besatzbreite der-nun »Schauben« (s. dort)- sind aus dieser Zeit vor allem seitens der nachdrängenden Mittel- und Unterschichten überliefert, während in den Ober-schichten die traditionelle Standeskleidung mehr und mehr gegen zeitmodische Kleidungsstücke verteidigt werden mußte.

1.1.2. Flügelrock

Der »Flügelrock« stellt sich anhand der Überliefe-rung als das führende weltliche Festkleid der Nürnberger Patrizierinnen dar, das herausragen-den gesellschaftlichen Ereignissen, allen voran dem Geschlechtertanz auf dem Rathaus, vorbe-halten war. Dürers Zeichnung einer Nürnbergerin im Tanzkleid (Abb. 6), dessen Bestimmung als

»Flügelkleid« bereits Helene Dihle gelang20, re-präsentiert somit ein ausschließlich den ersten Fa-milien der Stadt zukommendes Kostüm, dem die als »Flügel« bezeichneten, pelzgefütterten Hän-geärmel eben diese ständische Signifikanz verlie-hen. Sie fügten dem zeitmodischen Kleid, dessen tailliertes, mit einem dekorativen »Gesperr« ver-sehenes Oberteil ebenso wie das goldverzierte Hemd, Kette und Haube von Dürers wenig zuvor entstandenen Bildnissen Elsbeth und Felicitas Tu-chers (Kassel, Weimar) her vertraut sind (Abb. 59,

15 StaaN, RV 1500, Nr. 388, fol. 16b.

16 StaaN, RV 1502, Nr. 408, fol. 16b: »Der horneckin ist ein Rug halb Eins brems das Rauch gewesen ist umb Ein wullen Rock und untten verbr~fubtt 1 gulden nemen«.

17 StaaN, RV 1504, Nr. 434, fol. 14: >>Karell Hallerin soll von dem gulden prem die Rug geben ... «.

18 StaaN, RV 1514, Nr. 577, fol. 23 v: >>Von der praite der erlaubten frawen prem soll man newe meß von messing oder plech lassen mahen und allen schneidern derselben ains ge-ben, mit der warnung der frawen claid denselben und auch ains rats gesetz gemeß halten oderainrat werd verursacht der-halben ain gesetz und pen auff sy zestellen. dergleichen soll man mit den kürschnern der rauhen prem halben auch thun und Inen desselben auch meß geben<<.

19 StaaN, RV 1515, Nr. 585: >>Sigmund Tetzlin von wegen Irer Rug mit dem verpremten klaid uber daßgesetzein gülden Ne-men und daß sy daß prem an der schawbn schmeler mach<<.

20 Helene Dihle: Herkunft und Entstehung des Flügelklei-des. In: Zs. f. hist. Waffen- und Kostümkunde NF 9, 1921, S. 213-216.

90 ), ein exklusiv patrizisches Standesattribut hin-zu, dessen Bewahrung Gesetzgeber und Betroffe-nen gleichermaßen am Herzen lag. Ein Erlaß von 1546, das »Führen der Frauen und Jungfrauen zum Tanz auf das Rathaus« betreffend, unterstrich die Stellung der zum Tragen des Flügelrockes berech-tigten Frauen an der Spitze der gesellschaftlichen Hierarchie, indem er bestimmte, daß »allein die frauen mit flügel Röck und hefftlin gefürt wer-den und dj andern frawn one fürer,Je 2 und 2 mit-einander geen«21.

Erwartungsgemäß stammen die zwischen 1522 und 1554 nachzuweisenden Inventarbelege für Flügelröcke ausschließlich von jenen ältesten Familien des Nürnberger Patriziats, die seit dem sog. Tanzstatut von 1521 die erste Gruppe der zum Tanz auf dem Rathaus Berechtigten bildeten 22.

ZurAussteuer der Anna Kress bei ihrer Heirat mit Joachim Haller 1522 zählten ein brauner und

ein-wie aufDürers Kostümblatt- grüner »geflügelter«

Rock, letzterer neu gefertigt aus 9 Ellen grünem

» Rossentuch«. Im Nachlaßinventar der bereits nach sechs Ehejahren Verstorbenen ist nur noch der braune Flügelrock mit einem Schätzwert von 19 fl. verzeichnet23. 1537 hinterließ Hedwig Löffel-holz einen »roten Schwanzrock samt den Flügeln«

zu 12 fl.24, Ursula Holzschuher 1546 einen »brau-nen Rock, samt den Flügeln« zu 8 fl.2s. Dorothea Kress schließlich besaß bei ihrem Tod 1555 einen

»braunen Flügelrock mit weissem Lossat« zu 12 fl., der sechs Jahre später beim Tod des Witwers mit weiteren Kleidern der Mutter an die mittlerweile 15jährige Tochter Helena überging26.

Bilddarstellungen von Flügelkleidern lassen bis ins 18. Jahrhundert die Verwandtschaft mit dem von Dürer vorgestelltem Festkleid erkennen. Um

2I StaaN, RV I546, Nr. 992, fol. 34 v.

22 Theodor Aign: Die Ketzel. Ein Nürnberger Handels-herrn- und J erusalempilgergeschlecht. Freie Schriftenfolge der Ges. f. Familienforschung in Franken I2. Neustadt/ Aisch I96I, S. wo-n8: Exkurs: Der Tanz auf dem Nürnberger Rat-haus insbesondere Das Tanzstatut des Jahres I52I.

23 Aussteuer Anna Kress (I503-I528), I522 (GNM, K-A XXXII, D 6): »I praun geflugeltn rockvon guten tuch ... , I grun geflugeltn rockvon guten rosen tuch«. Inventar Anna Haller, geb. Kress, I528 (GNM, K-A XXXII, D 8): »ltem

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35· Erhard Schön: Kronbraut im Flügelrock aus einem Hoch-zeitszug. Um Iß2.

1532 trägt die patrizische Braut in Erhard Schöns Hochzeitszug den durch pelzgefütterte Hängeär-mel ausgewiesenen Flügelrock (Abb. 35)27. In Hans W eigels Trachtenbuch von 1577 erscheint er mit nun zu schmalen Pelzstreifen reduzierten

»Flügeln« erneut als Braut- und Tanzkleidung der Nürnberger Patrizierin, in beiden Funktionen durch die beigegebenen Verse von Hans Sachs anschaulich beschrieben (Abb. 36, 37, 40):

I Braun flügl Rock umb I9 fl.«.

24 GNM, L-A, A I, Nr.

64-25 GNM, I-A, Fasz.56,Nr.n: Inventar Ursula Holzschuher, geb. Imhoff (I599-I546), I546.

26 GNM, K-A XXVI, n: Teilzettel über den Nachlaß der Dorothea Kress, geb. Haller (I52ohi-I553), I555: Des Herrn Kressen sei. Kinder aus erster Ehe mütterliches Erbe.

27 M. Geisberg (Anm. I 79), Nr. n69.

28 H. Weigel (Anm. I q), BI. XII, XIII.

S P 0 N S A P A· T R. I C 1 A' Normhlll'gcnriS.

X,

ffiu \l11lrmbagertfd)e Q;cfd)Icd)tcr~tattt.

{\1-jnrttd)e~rattt/i'onpc~cmiStant~/ .

&~c~ctba~'rtnfold>cm~itlant'lt/ ·

~u IJ?Ilrmv,rs tn ~<utfd)(lllhm~ • .

36. Jost Amman: Patrizische Braut mit Perlenkrone und Flügelrock 1577.

»Zu Nürmberg/die Geschlechter Breut/

Gehn in eim Braun Gflügeltem Kleidt.

Wann ein Tantz ist auff dem Rathauß/

Zu nachts wann man tantzt sonst im Hauß.

Haben sie Rot flügel Röck an/

Auff dem Haupt von Perlin ein Kron«.

»Die Geschlechter Weibr sind also ziert/

Wann mans zum Tantz auffs Rathauß führt.

Am rechten arm tragn sie zuhandt/

Den Flügel von dem braunen Gwandt«.2s

Die Nürnberger Kronbraut eines Trachtenbuches aus den zoer Jahren des I8.Jahrhunderts mag auf den ersten Blick durch vermeintlich vier Arme verwirren, die sich jedoch bei näherem Hinsehen als Eigenart der barocke Volantärmel und

traditio-ltATft.lC:IAR.VM OR.NATVS mchorzAs.

XIII.

gtcr~tr~c6fcc6tcr~ctbcr/ ~annman ftc ;umtanQ P\~ct.

~3c ~cfd)lc~tcr'IDdbr finD e1tfo !{crt/

~. ~attn mau11 ~um 'laut; aitffs~a~aug (d~lt ..

Umrtd>ttnarmtragn(ic &u~anlltf ·

~cn lfllscf &~on ~cm ~Muncn <8ttlan~t. :1>

37· Jost Amman: Nürnberger Patrizierin mit Flügelrock und Haube (Köpflein) zum Tanz auf dem Rathaus gekleidet. 1577.

nelle Hängeärmel verbindenden »Brautschaube«

zu erkennen geben (Abb. 38)29.

1.1.3. Schwanzrock

In dem ebenfalls festlichen Anlässen vorbehalte-nen »Schwanzrock« lebte das spätmittelalterliche Schleppkleid weiter, wie es noch wenige Jahre zu-vor ein bezu-vorzugtes Ziel der geistlichen Modekri-tik darstellte (Abb. 39)30. Einen »Schwanzrock«

29 Johann Christoph Weigel : Nürnberger Trachten. ca.1725.

Dazu Bernward Deneke: Hochzeit. Bibliothek des Germa-nischen Nationalmuseums Nürnberg zur deutschen Kunst-und Kulturgeschichte 31. München 1971, S. 85.

30 Der selen wurtzgart. Ulm : Konrad Dinckmut 1483, Kap.

21: Ein exempel von einer burgerin von mentz. - Albert

S P 0 N S JE PA TRI c !JE 0 R,. V l R GIN I S I L LA .\1 natUJ, qu~ndo ad chon-~s du,untur, 'omito~nt.i.> orn•f~s,

38. Johann Christoph Weigel: Nürnberger Kronbraut mit Brautschaube und Hochzeitskrone. Um 1720.

39· Spottbild auf die spätmittelalterliche Schleppenmode.

483.

40. Jost Amman: Kronbraut mit Tischjungfrau im Schlepp-kleid (Schwanzrock). 1577.

41. Jakob Seisenegger: Erzherzogin Anna von Österreich im Faltenrock. Um I545·

trüge demnach zu Beginn des Untersuchungszeit-raums Dürers zum Tanz gekleidete Jungfrau31, während 1577 Hans Weigels Nürnberger Ge-schlechterbraut im »geflügelten Kleid« von einer Tischjungfrau im Schleppkleid begleitet wird (Abb. 40).

Der oben zitierte »rote Schwanzrock samt den Flügeln« aus dem Nachlaß Hedwig Löffelholz32 läßt vermuten, daß sich der ebenfalls mehr als

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denlange Flügelrock nur durch die Hängeärmel vom Schwanzrock unterschied. Alle Frauen, in deren Nachlaßinventaren Flügelröcke verzeich-net waren, besaßen auch Schwanzröcke. Diese wa-ren überwiegend rot und schwarz, daneben braun und Ieibfarben 33. Schriftliche Belege finden sich bis ins späte 16. Jahrhundert. Sabina Scheurl erbte 1570 nach dem Tod ihrer Mutter deren roten Schwanzrock Für die eigene Tochter stellte ein Schneider 1596 in Rechnung: »adi I2 feberary der Junckfrau ein roten Schwantz rock körzer

gema-chet und wieder I enger gemachtt und in die fallten gestochen, 50 Pfg.«34.

Schramm: Der Bilderschmuck der Frühdrucke 6. Leipzigi923, S. 5 und Taf. I9, Abb. 102. -]. Zander-Seidel (Anm. I 84), S. 49·

3I W. 227. Basel, Öffentl. Kunstsammlung, Kupferstichkabi-nett.

32 Anm.24.

33 Aussteuer Anna Kress, I522 (Anm. 23): >>ein schon rotn lan-gen schwanz rock auf das pest von newen gemacht mit rotm samet verpremt, ein schon swarzn langen schwanzreck von newen gemacht mit swarzm samet verpremt«.

Erbteilung Katharina Imhoff, geb. Muffel, Iß6 (GNM, I-A, Fasz. 40, Nr. 7):

>>I praun schwannz Rock mit samat verpremt 8.

I Roter wullener Schwannz Rock mit samat verpremt 6.

I Leibfarbenn Schwannz Rock one prem und ermel3 .«

Inventar Hedwig Löffelholz, I537 (Anm. 24):

>>I rotten Schwanntzrock sampt den Flügeln I 2.

I schwartzen Schwantzrock mit schwartzem

Sammat verprembt 8.«

Inventar Ursula Holzschuher, I546 (Anm 25):

>>I Rotten Schwannzrock«

Inventar Dorothea Kress, I555 (Anm. 26):

>>I Rotten schwannz Rock IO.«

34 Teilzettel Sabina Scheurl, geb. Geuder, I570 (Scheurl-Archiv, VII, K I): >>Ein Rotter Schwantz rockh«. - Ebda., VII K 3: Rechnung des Schneiders Hans Fischer für Sabina Scheurl und deren Tochter, I+ n. I596.

r.r.4. Faltenrock- Wappenrock

Faltenröcke sind für die Frauenkleidung des 16.

] ahrhunderts in erster Linie von ganzfigurigen Adelsporträts vertraut. Über die Malerei Lucas Cranachs bestimmen voluminöse Rollfalten unsere Vorstellungvon der zeitgenössischen säch-sischen Hofkleidung. Erzherzogin Anna von Österreich erscheint um 1545 auf Jakob Seisen-eggers Porträt in einem materialreichen Falten-rock, dessen scharfe Grate sich aufgrund der ÜberlängeamBoden stauchen (Abb. 41)3s.

In den Nürnberger Kleiderverzeichnissen kon-zentrieren sich die wenigen Belege für Faltenrök-ke, die analog zum männlichen Falt-, Palt- oder Wappenrock auch als »Wappenröcke« bezeichnet werden, auf die Nachlaßinventare wohlhabender Frauen. Anna Haller hinterließ 1528 einen grünen und einen rosinfarbenen Wappenrock zu 7 bzw.

8 Gulden 36. Der außergewöhnlich reichhaltige Kleiderbestand der aus Lauingen zugezogenen Margaretha Hess, geb. Weyhenmayer, enthielt 1530 einen »guten schwarzen fallten oder wappen-rock mit schwarzem Samat verprembt« zu fünf Gulden37 • Die Frau des 1537 verstorbenen Perga-rneuters Gregor Spengler besaß zwei schwarze und einen braunen »faltenrock«Js, der Sache nach wohl materialreichere Kleider bezeichnend, deren Röcke in Falten gelegt waren.

1.1.5.Schaubenrock

Die Bezeichnung »Schaubenrock« ist zwischen 1529 und 1543 in einigen Handwerkerinventaren anstelle des sonst üblichen »Rock« oder »Ärmel-rock« nachzuweisen 39, Nachdem in den Mittel-und Unterschichten naturgemäß weniger Spezial-kleidungsstücke vorhanden waren, wäre sie als Be-nennung eines Kleidungsstückes denkbar, das in seiner Funktion Schaube und Rock gleicher-maßen genügen mußte. Möglicherweise handelte es sich dabei um eine sprachliche Mischform, in der sich schon der später vollzogene terminolo-gische Wandel von »Rock« zu »Schaube« ankün-digt.

1.1.6. Schaube

Bereits Paul Post verwies in seinem Beitrag zu

»Herkunft und Wesen der Schaube«, in welchem er die Schaube der Reformationszeit mit dem spätmittelalterlichen Tappert und dem kniekur-zen Männerrock des 16.] ahrhunderts in einen ko-stümgeschichtlichen Zusammenhang stellte, auf die eigenständige Entwicklung der Frauenschau-be40. Wie die Männerschaube war sie aus dem bo-denlangen pelzgefütterten Mantelrock des 15.

] ahrhunderts hervorgegangen. Wie dort waren ei-ne ei-neuartige Vorderöffnung, der lose, mantelarti-ge Fall, Pelzfutter, sowie ein breiter Kramantelarti-genum- Kragenum-schlag zunächst die kennzeichnenden Merkmale.

Gleichfalls analog dem männlichen Pendant war die Frauenschaube nie ausschließlich wärmende Überkleidung, sondern stets auch repräsentatives, ständisch signifikantes Obergewand.

35 Vgl. dazu Kat.Ausst.. Die Falte. Hochschule für auge-wandte Kunst in Wien I987, S. 42-46.

36 Inventar Anna Haller (Anm. 23).

37 StaN, LI I, fol. I93r-I95V·

38 StaN, LI 2, fol. 74r-77Y·

39 Inventar Endres und Brigitta Weiß, Schleifer, I529 (StaN, LI I, fol. 4v-6v) :

»I blauen Schauben Rock I .«

Inventar Valentin Bosel beim Tod der Ehefrau, Glaser, I529 (StaN, LI I, fol. 72r- 73v):

»I Ieberfarben Schaubenrock - . 6. 9.«

Inventar Sebastitan und Anna Lindenast, Kupferschmied, I529 (StaN, LI I, fol. 79r-8zr):

»I schwarzen Schaubenrock mit 5 silbern

vergoldten Knopfen 3. 2. 3 .«

Inventar Margarethe und Sebastian Müller, Pfragner, I530 (StaN, LI I, fol. 126V- 129v):

»I schwarzen Schaubenrock I . 4· 6.«

Inventar Contz und Anna Liebhart, I530 (StaN, LI I, fol. I84r-I85f):

»I rosinfarben Schaubenrock I. 4- 6.«

Inventar J örg und Margareth N egelein, Färber, I537 (StaN, LI 2, fol. 7Iv-73v):

»I kemler Schaubenrock 5

Zubringung Kunigund Müllner, 2. Frau des Kompaßmachers Hans Müllner, I538 (StaN, LI 2, fol. r64r- r64v):

))I mechlischer groer Schaubenrock 3

Inventar Agnes Müllner, I543 (StaN, LI 3, fol. 33v-34v):

))I alt Schaubenrock -. 5. - «.

40 Paul Post: Herkunft und Wesen der Schaube. In: Zs. f.

hist. Waffen- und Kostümkunde NF I, I923, S. 42-47, bes.

S.47.

42· Hans Schäufelein: Betende Stifterin mit Schaube und Bündlein. Um 1520.

Kostümgeschichtlich noch kaum gewürdigt wurde dagegen der bedeutungsmäßige Wandel, den die Bezeichnung »Schaube« im Laufe des 16.

Jahrhunderts erlebte. Vom mantelartigen, meist pelzgefütterten Übergewand, das die darunter getragene Oberkleidung erkennen ließ, ging diese in der zweiten Jahrhunderthälfte auf das bislang als »Rock« bezeichnete einteilige Frauenkleid über, nachdem die ursprüngliche »Schaube« von der Modeentwicklung abgelöst worden war.

Jahrhunderts erlebte. Vom mantelartigen, meist pelzgefütterten Übergewand, das die darunter getragene Oberkleidung erkennen ließ, ging diese in der zweiten Jahrhunderthälfte auf das bislang als »Rock« bezeichnete einteilige Frauenkleid über, nachdem die ursprüngliche »Schaube« von der Modeentwicklung abgelöst worden war.

Im Dokument und er (Seite 54-95)