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2.   MATERIAL  UND  METHODEN

2.18   O FFENFELDTEST

Nach einer 48-stündigen Testpause folgte im Baseline-Testablauf der Offenfeldtest.

Dieser Verhaltenstest stellt eine häufig genutzte Möglichkeit dar, das Erkundungsver-halten und die generelle Aktivität von Labortieren qualitativ und quantitativ zu erfassen.

Eine erste Beschreibung eines solchen Tests mit Ratten erfolgte bereits 1934 durch Hall (Hall, 1934). Er bildet auch heute einen der populärsten und häufig verwendeten Ver-haltenstests in der Forschung (Prut und Belzung, 2003). Die Gründe hierfür liegen in seiner einfachen Durchführbarkeit, der breiten Anwendbarkeit und der Möglichkeit, große Datenmengen einfach zu generieren (Geerse et al., 2006).

Das Grundprinzip des Tests besteht darin, ein Tier in einer ihm unbekannten Umgebung auszusetzen, aus welcher es nicht entkommen kann. Die Testarena bildet hierbei eine frei definierbarere Fläche, die seitlich durch Wände abgeschirmt und nach oben offen ist (Walsh und Cummins, 1976). Das Verhalten des Tieres in diesem Raum wird beobach-tet, aufgezeichnet und ausgewertet. Der Offenfeldtest macht eine Aussage über die un-konditionierte lokomotorische Aktivität in einer für die Maus primär unbekannten, neut-ralen Umgebung. Diese induziert in der testnaiven Maus einen Konflikt zwischen

Ex-plorations- und Vermeidungsverhalten (Montgomery und Monkman, 1955; Stam et al., 1997).

Typische beim OFT erhobene Messgrößen sind Bewegungsparameter, wie zurückgeleg-te Distanz, Anzurückgeleg-teil von aktiver Bewegung, vertikale Aktivität (auch als Rearing bezeich-net), ortsabhängige Variablen (Eintritte, Zeit und Distanz im Zentrum bzw. der Periphe-rie einer Arena) und durch das vegetative Nervensystem stimulierte Messgrößen, wie die Anzahl der Fäkalboli und die Häufigkeit des Urinierens (Hall, 1934; Ivinskis, 1970;

Archer, 1973; Walsh und Cummins, 1976; Prut und Belzung, 2003; Gould et al., 2007).

Da die vegetativen Parameter stark von anderen Faktoren (Ess- und Trinkverhalten, Zeitpunkt der Messung) abhängig sind (Fonseca et al., 1976), wurden sie in der vorlie-genden Untersuchung nicht erhoben.

Häufig wird der Offenfeldtest auch als Kontrollexperiment eingesetzt, um die Ergebnis-se anderer Tests besErgebnis-ser bewerten zu können (Stanford, 2006; Blizard et al., 2007; Gould et al., 2007). Andere Einsatzmöglichkeiten sind die Ermittlung von sedativen, toxischen oder stimulierenden Effekten von Substanzen (Gould et al., 2007). Der Offenfeldtest wurde auch zur Differenzierung des Verhaltens zwischen genotypisch unterschiedlichen Tieren benutzt (Ramos und Mormède, 1998).

Prinzipiell besteht der Aufbau des OFT aus einer kreisförmigen, rechteckigen oder quadratischen Fläche mit umgebender Begrenzung, die eine Flucht unmöglich macht.

Üblicherweise wird das Versuchstier durch den Experimentator in die Testarena gesetzt und so zwangsweise mit der Testsituation konfrontiert. Die traditionelle Testlänge be-trägt zwischen 2 und 10 Minuten. Solch eine relativ kurze Testzeit erfasst die stressbe-dingte Reaktion auf die neue Umgebung und die ermittelte motorische Aktivität kann in Zusammenhang mit angstassoziiertem Verhalten gebracht werden. Durch neuere, auto-matisierte Aufzeichnungsmöglichkeiten findet eine Tendenz zu längeren Monitoring-Intervallen statt, die Aussagen über die generelle lokomotorische Aktivität der Tiere liefern können (Blizard et al., 2007; Gould et al., 2007).

Der motorische Output, der Erkundungstrieb, die Angst von Mäusen vor Neuem und Unbekanntem (Neophobie) oder anderes angstassoziiertes Verhalten, Krankheit, Umge-bungsvariablen (Beleuchtungsverhältnisse), der circadiane Rhythmus, genetische Mani-pulationen und Pharmaka beeinflussen das Testergebnis (Gould et al., 2007). Die ge-wählte geringe Beleuchtungsstärke (3 Lux) generiert bei den nachtaktiven Testtieren eine große motorische Aktivität.

Der Offenfeldtest liefert ferner valide Messgrößen für die Beurteilung einer Anxiolyse, da nach niedriger Dosis von klassischen Anxiolytika (Benzodiazepine) die lokomotori-sche Aktivität ansteigt. Tiere mit einer höheren Ängstlichkeit vermeiden außerdem den inneren Bereich der Testarena und halten sich wohl durch Thigmotaxis hauptsächlich an deren Rand auf (Ramos und Mormède, 1998; Prut und Belzung, 2003).

Mit Emotionalität assoziierte Parameter sind die Defäkationen, die verbrachte Zeit im Zentrum der Arena sowie die Aktivität des Testtieres innerhalb der ersten fünf Minuten.

Durch den Separationsstress und die ausgelöste Agoraphobie in einer im Vergleich zum Käfig relativ großen und ungeschützten Arena kann die frühe Aktivität als valider Pa-rameter für die Ängstlichkeit herangezogen werden (Katz et al., 1981; Gershenfeld und Paul, 1997; Carola et al., 2002). Der typische Aufbau eines OFT kontrastiert die natürli-che Lebensweise von Mäusen im geschützten Bau und in sozialer Gemeinschaft.

Die Aussagekraft über die Ängstlichkeit des Tieres als Komorbiditätsfaktor sowie die Ähnlichkeit zur depressionsassoziierten motorischen Antriebslosigkeit machen ihn auch zu einem geeigneten Test zur Überprüfung depressionsähnlichen Verhaltens. Auch An-tidepressiva sind im Offenfeldtest wirksam und bewirken eine Steigerung der lokomoto-rischen Aktivität (Kulkarni und Dandiya, 1973; Kalueff und Tuohimaa, 2004; Popa et al., 2010). Darüber hinaus kann der Offenfeldtest auch die Habituation eines Testtieres überprüfen. Nach wiederholter Darbietung eines gleichen Testfeldes sinkt normaler-weise die Explorationsaktivität (Dixan und Defries, 1968; Bolivar et al., 2000; Schildein et al., 2002).

Im Offenfeldtest erfolgt die Messung der horizontalen Wegstrecke entlang der x- und y- Koordinaten. Die vertikale Strecke wird nach der z-Koordinate gemessen. Die vertikale Wegstrecke bestimmt das Aufrichtverhalten der Mäuse, das sogenannte „rearing“. Die Auswertung dieses Verhaltens erlaubt einen Schluss auf die Emotionalität der Tiere, wobei das Rearing mit der horizontalen Aktivität korrelieren kann (Thiel et al., 1999;

Pawlak und Schwarting, 2002).

Für das Erfassen der Aktivität im Offenfeldtest gibt es unterschiedliche Methoden. Eine historische Methode ist das Zählen der Überquerungen auf dem Boden befindlicher ho-rizontaler Linien durch einen Beobachter. Eine weitere Methode ist die automatische Erfassung der Unterbrechungen von Infrarotlichtschranken durch das Versuchstier (Koob et al., 2006). Eine aktuelle Methode beinhaltet das Aufzeichnen der Bewegungen

des Testtieres durch eine Videokamera und deren digitale Analyse durch eine Compu-tersoftware (Schwarz et al., 2002).

Die Anwendung des Offenfeldtests bei STAT1F77A-Mäusen erfolgte hauptsächlich zur Kontrolle des Einflusses der Mutation auf das lokomotorische und angstbezogene Ver-halten. Die im Verhaltenslabor des BMFZ installierte Anlage (Hersteller Peter Muth-Feinmechanik; siehe Abbildung 6) besteht aus jeweils zwei Testapparaten, die beide aus einer Grundplatte mit vier quadratischen Boxen bestehen. Die Boxen sind durch eine silberfarbene, metallische Bodenplatte (50x50 cm) und seitlich durch herausnehmbare weiße Plastikplatten (40 cm) begrenzt. Um das Aufrichtverhalten der Testiere zu detek-tieren, sind in ca. 8 cm Höhe seitlich an jeweils zwei gegenüberliegenden Seiten Licht-schrankeneinheiten (Light Lines, 50 cm lang, 5 cm breit, Fa. Biobserve) angebracht.

Oberhalb des Testfeldes ist eine Beleuchtungsanlage installiert, welche über eine Streu-lichtscheibe und jeweils vier darüber liegende Lampen eine indirekte Beleuchtung des Testfeldes ermöglicht. In der Mitte der Streulichtscheibe befindet sich das Kamerasys-tem, wobei der Abstand der Kamera vom Testplattenboden ca. 1,5 m beträgt. Unterhalb jeder Arena befinden sich zusätzlich Stehlampen, welche eine weitere indirekte Be-leuchtungsquelle darstellen. Die automatisierte Tracking-Software Viewer der Firma Biobserve ermöglicht über das Kamerasystem eine sehr genaue Aufzeichnung des mo-torischen Verhaltens der Testtiere. Das angstassoziierte Verhalten wurde mittels des Programms ausgewertet, indem eine virtuelle zentrale Zone von 25% der Gesamtfläche in die Arenen gelegt wurde.

In der Durchführung des Offenfeldtests wurden die Versuchstiere initial zur Akklimati-sierung in den Testraum gebracht. Vor Beginn wurden die Arenen mit einprozentiger Essigsäure gereinigt und die Lichtverhältnisse eingestellt. Außerdem wurden alle nöti-gen Voreinstellunnöti-gen im Programm-Viewer durchgeführt. Auf der Arbeitsfläche waren die bereits beschriebenen Plexiglasboxen aufgestellt. Zunächst wurden die Mäuse ge-wogen und anschließend in die Boxen platziert. Vor dem Teststart wurden die Parame-ter im CompuParame-terprogramm nochmals überprüft und danach der Testversuch durch zügi-ges Platzieren der Mäuse in die Mitte der Arenen begonnen. Sobald sich alle Mäuse in den Arenen befanden, wurde die Aufnahme am PC gestartet. Nach Ablauf der Testzeit von 30 Minuten beendete die Software automatisch die Aufzeichnung. Hierauf wurden die Mäuse aus den Testarenen entfernt und in ihren Käfigen platziert.

Als Parameter der motorische Aktivität im Offenfeldtests über die gesamte 30-minütige Testzeit wurden die zurückgelegte Distanz, die prozentuale Aktivität und die Anzahl an Beschleunigungsvorgängen der Versuchstiere ausgewertet. Darüberhinaus wurden die Anzahl der Rearings sowie die mittlere Rearing-Dauer in die Analyse eingeschlossen.

In der angstassoziierten Analyse des Baseline-Offenfeldtests kamen die motorischen Parameter der zurückgelegten Distanz und prozentualen Aktivität innerhalb der ersten 5 Testminuten zur Auswertung. Daneben wurden die Eintritte in die äußere und innere Zone der Testarena sowie die Gesamtdistanz und Aufenthaltsdauer der Testtiere in der inneren Zone analysiert.

Abb. 6 Aufbau der Offenfeldtest-Anlage. Offenfeldtest-Anlage mit Blick von oben (links) und von vorne (rechts). Die Aufnahmen aus dem Marburger Verhaltenslabor stammen von Marlen Lunow.