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1 Einleitung

1.1 Nierentransplantation im Kindesalter

Jährlich werden zwei Kinder pro eine Millionen Einwohner in Mitteleuropa terminal niereneninsuffizient. Die Ursachen hierfür unterscheiden sich von denen der Erwachsenenpopulation. Während bei Erwachsenen Diabetes mellitus und vaskuläre Nephropathien vorherrschen, sind es bei Kindern zu zwei Drittel angeborene Anomalien der Nieren und Harnwege, die eine Nierenersatztherapie notwendig machen (1).

In den 1960er Jahren wurde erstmals über pädiatrische Nierentransplantation (NTx) berichtet (2). Seitdem hat sich diese zu einem Routineeingriff und der bevorzugte Behandlungsmethode bei Kindern mit terminaler Niereninsuffizienz entwickelt. Das Patientenüberleben ist deutlich besser als unter Langzeitdialysetherapie (3). Um den Patienten Dialyse und damit verbundene Einschränkungen und Komplikationen zu ersparen, werden vermehrt präemptive Transplantationen, d.h. Transplantationen vor Erreichen der Dialysepflichtigkeit, durchgeführt (4). Selbstverständlich setzt eine präemptive Transplantation die Verfügbarkeit eines entsprechenden Spenderorgans voraus. Es kann eine präemptive Listung bei Eurotransplant zum Empfang einer Kadaverspende erfolgen, bevorzugt wird wird jedoch eine Lebendspende durchgeführt.

Die mit einer Nierentransplantation im Kindesalter verbundenen Risiken und Komplikationen unterscheiden sich nicht wesentlich von denen Erwachsener. Infektionen, Abstoßungen und Bluthochdruck stehen im Vordergrund. Auch für Kleinkinder hat sich die Nierentransplantation zum Routineeingriff ohne übermäßiges Risiko für Gefäßkomplikationen mittels retroperitonealen Zugangs entwickelt (5). Von den meisten Transplantationszentren wird nach wie vor ein Mindeskörpergewicht von 10kg gefordert, dieses kann jedoch in Einzelfällen unterschritten werden (6). Die lebenslange Einnahme von immunsuppressiven Medikamenten ist notwendig, um die Abstoßung des Transplantates zu verhindern. Im Langzeitverlauf nach pädiatrischer Nierentransplantation stellt insbesondere die chronischen Transplantatnephropathie eine therapeutische Herausforderung dar.

7 1.2 Immunsuppression im Kindesalter

Kinder weisen gegenüber Erwachsenen pharmakokinetische und pharmakodynamische Besonderheiten auf. Eine besondere Herausforderung der immunsuppressiven Therapie im Kindesalter besteht daher darin, für Medikamente, welche sich bei Erwachsenen als effektiv erwiesen haben, pädiatrische Dosierungsregime zu etablieren. Die klassische akute Abstoßungsreaktion ist T-Zell-vermittelt. Daher haben die meisten in der soliden Organtransplantation angewandten Immunsuppressiva die Unterdrückung der Aktivierung bzw. Proliferation von T-Lymphozyten als Wirkmechanismen gemein.

Die im Folgenden genannten Medikamente sind bereits zur Prophylaxe von Nierentransplantatabstoßungen im Kindes– und Jugendlichenalter zugelassen.

1.2.1 Glukokortikoide Prednison und Prednisolon

Glukokortikoide beeinflußen verschiedene Phasen der Immunreaktion und unterschiedlichste der beteiligten Zellen (Monozyten, Makrophagen, Lymphozyten). Sie haben sowohl immunsuppressive als auch antientzündliche Effekte. Neben metabolischen Nebenwirkungen und Hypertonie hat die Langzeitanwendung die Einschränkung des Körperwachstums zur Folge. Gerade im Kindesalter werden daher häufiger Glukokortikoid-freie Regime diskutiert (7, 8). Noch haben sie jedoch ihren festen Platz in der ersten Phase nach Transplantation und bei der Therapie akuter Abstoßungen.

1.2.2 Azathioprin (AZA)

AZA ist ein pro-drug (engl. Vorstufenmedikament) von 6-Mercaptopurin, welches in vivo langsam freigesetzt wird und über eine Hemmung der de-novo Purinsynthese und Mitosehemmung seinen antiproliferative Wirkung auf Zellen, insbesondere T-Zellen, ausübt.

Es wurde in den 60er Jahren eingeführt und stellte in Kombination mit Steroiden das erste immunsuppressive Protokoll dar (9). Als Nebenwirkungen treten aufgrund der unspezifischen Proliferationsinhibition von Zellen insbesondere Leukopenien und Anämien auf.

1.2.3 Cyclosporin A (CsA)

CsA bindet an das ubiquitär exprimierte Cyclophilin. In T-Zellen wird durch den Cyclosporin/Cyclophilin-Komplex die intrazelluläre Phosphatase Calcineurin inhibiert.

Dies hat die Hemmung der Interleukin-2 (Il-2) Transkription zur Folge und reduziert somit Proliferation und Neuentstehung von zytotoxischen T-Lymphozyten.

Die Einführung des 1976 erstmals beschriebenen Cyclosporin A (10) stellte eine Revolution der immunsuppressiven Therapie dar, da es die Rate akuter Abstoßungen nach Transplantation deutlich senkte und so das Transplantat- und Patientenüberleben erheblich verbesserte. Zusammen mit Steroiden und AZA wurde es bei Erwachsenen ab 1978 als Dreifachkombination verabreicht, die bis heute zum Einsatz kommt (11). 1983 wurde es zur Anwendung in der Nierentransplantation für Erwachsene und nachfolgend auch für Kinder zugelassen. CsA hat einen engen therapeutischen Bereich, daher sollten im Rahmen von therapeutischem Drug Monitoring (TDM) regelmäßige Blutspiegelmessungen erfolgen um eine ausreichende Immunsuppression zu garantieren und Nebenwirkungen wie insbesondere Nierenfunktionseinschränkung und Hypertonus zu vermeiden. Die Halbwertszeit von Cyclosporin wird von Sarwal et al bei Kindern mit 9,3h im Vergleich zu 16-27h bei Erwachsenen angegeben (8). Als ursächlich für die bei Kindern kürzere Halbwertszeit wird vor allem die schnellere Metabolisierung von CsA diskutiert.

1.2.4 Tacrolimus (Tac)

Tac bindet an das intrazelluläre FK-bindende Protein. Die immunsuppressive Wirkung beruht, wie auch bei CsA, auf der Hemmung der Interleukin-2-Produktion der Lymphozyten über Calcineurininhibition.

1985 wurde Tacrolimus (FK-506) erstmals als Basisimmunsuppression erprobt und ab 1989 routinemäßig eingesetzt (12). Es ist für Kinder >2 Jahre zugelassen und wird als primäres Immunsuppressivum oder nach akuter Abstoßung als Alternative zu Cyclosporin verwendet. Bei den bekannten Nebenwirkungen stehen Nierenfunktionsstörungen, Hypertonus und Diabetes im Vordergrund, es sollte ebenfalls therapeutisches Drug Monitoring erfolgen. (13)

1.2.5 Mycophenolat Mofetil (MMF)

MMF ist ebenfalls ein Vorstufenmedikament, das nach oraler Gabe schnell in seinen aktiven Metaboliten Mycophenolsäure (MPA) umgewandelt wird. Diese hemmt reversibel die Inosinmonophosphat-Dehydrogenase (IMPDH), das Schlüsselenzym der Purinsynthese, und somit die de-novo Synthese von Guanosin-Nukleotiden, die als Bausteine der DNA und RNA in Lymphozyten notwendig sind (14). Es kommt zu einer selektiven Proliferationshemmung von B- und T- Lymphozyten sowie Inhibition der

9 Zytokinproduktion. MMF ist für Kinder >2 Jahre zugelassen. Als Nebenwirkungen sind insbesondere gastrointestinale Beschwerden und Myelosuppression bekannt.

1.2.6 Basiliximab und Daclizumab

Basiliximab ist ein chimerisierter (Mensch-Maus) Antikörper, wohingegen beim humanisierten Daclizumab lediglich noch die hypervariable Bindungsregion aus den ursprünglichen Maus-Aminosäuren aufgebaut ist. Die monoklonalen Antikörper binden spezifisch und reversibel an die Alpha-Kette des Il-2 Rezeptors auf aktivierten T-Zellen und verhindern so die Bindung von Il-2 an den Il-2 Rezeptor. Il-2 abhängige Proliferation der T-Zellen und Bildung zytotoxischer Zellen wird über mehrere Wochen selektiv unterbunden. Il-2 Rezeptorblocker werden zur Induktionstherapie in der intialen Phase der Transplantation verwandt. Basiliximab ist seit 2003 für Kinder >1 Jahr und Daclizumab seit 1999 ohne Altersbeschränkung zugelassen (15). Außer Überempfindlichkeitsreaktionen sind keine spezifischen Nebenwirkungen bekannt

Durch die Anwendung dieser immunsuppressiven Substanzen in verschiedensten Kombinationen konnte in den letzten Jahrzehnten das Kurzzeittransplantattüberleben nach NTx wesentlich verbessert werden. Dies ist insbesondere auf seltener auftretenden akute Abstoßungen zurückzuführen. Die Dreifach-Immunsuppression aus Calcineurininhibitor, Steroid und AZA oder MMF hat sich weltweit durchgesetzt. So ist die Inzidenz für akute Nierentransplantabstoßungen bei Kindern im 1. Jahr nach NTx von einem Verstorbenenspender von 40 – 70% in den Jahren vor 1996 auf ca. 30% unter Cyclosporin A, MMF und Prednison gesunken (16). In vielen Zentren werden heutzutage mehr als 90%

Transplantatüberleben im ersten Jahr post transplantationem erreicht. Die 5-Jahres Transplantatüberlebenswahrscheinlichkeit beträgt laut Analyse der European Dialysis and Transplant Association (EDTA) bei Kinder und Jugendlichen mit einem Alter unter 20 Jahren zum Zeipunkt der Transplantation 74% für Empfänger von Lebendspenden, bzw. 60% für Kadaverspendeempfänger (17).

Das Langzeittransplantatüberleben konnte bisher nicht in gleichem Masse verbessert werden.

Es wird wesentlich von der Entwicklung der chronischen Transplantatnephropathie bestimmt, welche die Abnahme der GFR bis hin zur Dialysepflichtigkeit zur Folge haben kann. Häufig geht sie mit Entwicklung von Proteinurie einher. Die chronische Transplantatnephropathie zeigt deutliche Ähnlichkeiten mit den physiologischen Alterungsprozessen in der Niere (18).

Histologisch stehen die fortschreitende tubuläre Atrophie, interstitielle Fibrose sowie die Verdickung und Fibrosierung der Intima in den Arterien im Vordergrund. Die histologische

Klassifizierung erfolgt entsprechend den Kriterien der Banff-Klassifikation (19). Ursächlich spielen für die chronische Transplantatnephropathie vor allem das frühe und wiederholte Auftreten akuter Abstossungen eine entscheidende Rolle. Als nicht-immunologische Risikofaktoren konnten eine lange kalte Ischämiezeit, ein hohes Spenderalter und mangelnde Compliance (engl.: Folgsamkeit), Calcineurininhibitortoxizität und Hyperlipidämie, Bluthochdruck, Infektionen sowie Proteinurie identifiziert werden (20).

Die Prävalenz der chronischen Transplantatnephropathie wird mit bis zu 60-70% in 2-Jahres Protokollbiopsien nach NTx bei Erwachsenen angegeben (21). Auch bei pädiatrischen Transplantatempfängern wird sie mit 30-40% Häufigkeit als Hauptursache für Transplantatverlust angesehen und erhält angesichts der höheren Lebenserwartung der Patienten eine besondere Bedeutung für ihre Langzeitbetreuung (22). Eine Retransplantation kann schon vor Transfer des Patienten in die Erwachsenenmedizin notwendig werden. Bisher gibt es keine spezifische Therapie der chronischen Transplantatnephropathie.

1.3 Nebenwirkungen der immunsuppressiven Therapie

Neben den wirkstoffspezifischen Nebenwirkungen hat eine immunsuppressive Therapie nach Organtransplantation die Beeinträchtigung der natürlichen Abwehrleistung des Körpers zur Folge. Es besteht ein erhöhtes Risiko für Infektionen, im Kindesalter insbesondere für Erstinfektionen mit Cytomegalievirus (CMV) und Epstein-Barr-Virus (EBV). Infolge der Immunsuppression kann es ebenfalls zu einer gestörten Erkennung entarteter Zellen kommen, so daß Organtransplantierte überdurchschnittlich häufig Malignome, wie lymphoproliferave Erkrankungen, Melanome, Sarkome oder Karzinome entwickeln. In der pädiatrischen Population ist die häufigste maligne Erkrankung nach Nierentransplantation die PTLD (Post Transplantations Lymphoproliferative Disease). Das Risiko wird mit 1-10%

angegeben und ist somit höher als in der Erwachsenenpopulation. Die Inzidenz ist angesichts intensivierter Immunsuppression zunehmend (23). Die meisten PTLD-Fälle im Kindesalter sind EBV-assoziiert und entstehen infolge polyklonaler oder seltener monoklonaler B-Zell-Proliferation. Es wird deutschlandweit die standardisierte Diagnostik und Therapie der PTLD nach Organtransplantation im Kindesalter im Rahmen der prospektiv multizentrischen Therapiestudie Ped-PTLD Pilot 2005 angestrebt (Studienzentrale MHH). Man geht davon aus, daß Überimmunsuppression zu einer reduzierten Bildung EBV-spezifischer T-Zellen und somit gestörter Infektabwehr führt. Daher stellt neben der B-Zelldepletion mit dem anti-CD20 Antikörper Rituximab die Reduktion der Immunsuppression, insbesondere der

11 Calcineurininhibitoren, einen entscheidenden Schritt in der Behandlung der PTLD dar.

Hierdurch kann wiederum ein erhöhtes Risiko für Transplantatabstoßung entstehen.

1.4 Rescuetherapie

Rescue kommt aus dem englischen und bedeutet ‚Rettung’. Somit soll die Rescuetherapie in das Transplantat bedrohenden Situationen, wie z.B. therapierefraktärer akuter Abstossung, chronischer Transplantatnephropathie und PTLD, die rettende Therapie sein. Es werden angesichts dieser besonderen Umstände auch im Kindesalter bisher nicht zugelassene Medikamente eingesetzt.

So finden bei akuten steroidresistenten Abstossungskrisen traditionsgemäss die Anti-T-Zell-Immunseren ATG (Anti-Thymocytenglobulin) und ALG (Anti-Lymphocytenglobulin), sowie CD3-Rezeptor-Blocker wie OKT3 Anwendung. Bei humoraler Abstoßung kommen auch Plasmapheresen und Immunglobuline zur Anwendung (24). Da es sich bei dieser Form der Abstossung um einen z.T. B-Zell vermittelten Prozess handel, gibt es erste positive Berichte zur Anwendung des B-Zell-Antikörpers Rituximab (25). Rituximab ist ein human-murin chimerer monoklonaler Antikörper, der gegen CD-20 gerichtet ist. CD 20 ist ein Oberflächenmarker, der sich auf B-Lymphozyten aller Entwicklungsstufen befindet und die Zellzyklusinitiation reguliert. Über Aktivierung sowohl der Komplement- als auch der Antikörper-vermittelten Zytotoxizität kommt es nach Bindung von Rituximab zu einer Zerstörung der B-Zellen. Rituxmab wird erfolgreich in der Lymphomtherapie angewendet. Zu den Nebenwirkungen gehört akut Kopfschmerz und Fieber, im Langzeitverlauf stehen Leukopenien und Immunglobulinmangel im Vordergrund.

Zur Rescuetherapie chronischer Transplantatnephropathie stehen bisher keine spezifischen Medikamente zur Verfügung. Die mTOR-Inhibitoren Sirolimus und Everolimus scheinen diesbezüglich vielversprechend. Sie haben einen antiproliferativen Effekt und ermöglichen den Entzug der nephrotoxischen Calcineurininhibitoren. Seit März 2003 ist Sirolimus in Europa zur Prophylaxe der Organabstossung nach Nierentransplantation bei Erwachsenen zugelassen. Die Anwendungserfahrungen bei Kindern und Jugendlichen sind beschränkt (26, 27).

1.5 Sirolimus (SRL)

Sirolimus ist ein vom Strahlenpilz Streptomyces hygroscopicus produziertes makrozyklisches Lakton, welches erstmals 1975 aus einer Bodenprobe von der Insel Rapa Nui, (Osterinsel) isoliert wurde (28). Initial wurde es Rapamycin genannt (Etymologie: RAPA (Rapa-Nui) - mycin), nachfolgend wurde die generische Substanz als Sirolimus bezeichnet. Zunächst als antibiotische Substanz isoliert, zeigten nachfolgende Studien Antitumor- und immunsuppressive Aktivität. Die strukturelle Analyse von SRL wurde 1981 abgeschlossen.

1.5.1 Pharmakodynamik und Pharmakokinetik von Sirolimus

Strukturell ist Sirolimus dem Calcineurininhibitor Tacrolimus sehr ähnlich. Der Wirkmechanismus unterscheidet sich jedoch deutlich von dem der Calcineurininhibitoren.

Zwar bindet Sirolimus ebenso wie Tacrolimus intrazellulär an Immunophiline, genannt FKBPs (FK-bindendes Protein), die Sirolimus:FKBP-Komplexe hemmen jedoch nicht Calcineurin sondern binden an m-TOR („mammalian Target Of Rapamycin“), einen ubiquitär exprimierten Regulator des Zellzyklus. Nachfolgend kommt es zum Arrest des Zellzyklus in der G1 Phase in verschiedenen Zelltypen wie Lymphozyten und Endothelzellen (29) . Die Interleukin-gesteuerte T-Zell-Proliferation wird unterdrückt. In einer 10-100 fach höheren Dosis kann SRL darüber hinaus die NK (Natural-killer) Zellen hemmen und in gewissem Umfang auch die antigen- und zytokingesteuerte B-Zellproliferation aufhalten (30) .

Die Regulation der intestinalen Aufnahme erfolgt durch p-Glykoproteine. Sirolimus ist zu etwa 92% an Plasmaproteine gebunden. Der Abbau geschieht über das CytochromP450IIIA4-System in der Leber. Die klinische Bedeutung der entstehenden Metabolite ist noch ungeklärt (31). Bei Erwachsenen wird die SRL-Halbwertszeit nach einmal täglicher Gabe in verschieden Studien mit 62 +/- 16h bzw 43,8 bis 86,5h und im Mittel 56,9h (32, 33) angegeben. Es gibt erste Hinweise darauf, daß bei pädiatrischen Patienten die Halbwertszeit von Sirolimus deutlich kürzer ist (34).

Es sind Interaktionen mit anderen Medikamenten und veränderte Resorption nach hochfetten Mahlzeiten bekannt. Bei einer simultanen Einnahme von Cyclosporin A steigt die Bioverfügbarkeit von Sirolimus um 240 %, bei zeitversetzter Einnahme um 4 Stunden nur noch um 80 % (32, 35). Die Ausscheidung erfolgt im Wesentlichen über den enteralen Weg.

Therapeutisches Drug Monitoring ist zur Steuerung der Therapie indiziert. Als

13 Nachweismethode wurde ein HPLC-Verfahren aus Vollblut etabliert (36).

1.5.2 Wirkung und Nebenwirkung von Sirolimus

Im Tiermodell verlängerte Sirolimus das Transplantatüberleben indem es akute Abstoßungen verhindert und chronische Transplantatveränderungen verbessert. Es konnte kein negativer Einfluss auf die Nierenfunktion beobachtet werden (37).

In klinischen Studien bei Erwachsenen hat sich Sirolimus insbesondere in Kombination mit CsA effektiv in der Reduzierung der Inzidenz akuter Abstossungen nach Nierentransplantation gezeigt. Erste Daten zeigen, daß wenn Sirolimus in das immunsuppressive Regime aufgenommen wird, Calcineurininhibitor eingespart oder sogar ganz beendet und somit Nephrotoxizität gemindert werden kann (38). Eine Kombinationstherapie von SRL mit Azathioprin oder MMF zeigte hierbei vergleichbare Effektiviät bezüglich der Unterdrückung von akuter Abstossung (39). Zu den am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen von Sirolimus gehören Wundheilungsstörung, Anämie, Thrombozytopenie und gastrointestinale Beschwerden.

1.6 Zielsetzung der Arbeit

In dieser retrospektiven Untersuchung werden die in der Kinderklink der Medizinischen Hochschule Hannover gesammelten Erfahrung in der Anwendung von SRL zusammengefasst. Die nierentransplantierten Kinder und Jugendlichen wurden angesichts besonderer Bedrohung ihres Transplantates infolge chronischer Transplantatnephropathie oder vorangegangener PTLD der SRL-Rescuetherapie zugeführt. Hierbei war es Ziel, ohne Gefährdung der Patienten die Transplantatfunktion zu stabilisieren.

Es soll im Folgenden die Effektivität und die Sicherheit der Sirolimus-Rescuetherapie bei Kindern und Jugendlichen beurteilt und die Unterschiede in der Anwendung bei Patienten mit chronischer Transplantatnephropathie und nach PTLD-Therapie beleuchtet werden.

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2 Material und Methoden

2.1 Patienten

Für die vorliegende Untersuchung wurden Daten von 19 nierentransplantierten Patienten aus der Nierentransplantationsambulanz der Kinderklinik der Medizinischen Hochschule Hannover, die der Rescuetherapie mit Sirolimus zugeführt wurden, ausgewertet. Indikation für das Einsetzen von Sirolimus war das Vorliegen einer progredienten Transplantatfunktioneinschränkung auf dem Boden einer histologisch gesicherten chronischen Transplantatnephropathie oder das einer gemäß PED-PTLD 2005 Therapieprotokoll erfolgreich behandelten PTLD. Die Einwilligung der Patienten und deren Eltern zur Anwendung des bisher für Kinder und Jugendliche nicht zugelassenen Medikamentes ist nach ausführlicher Aufklärung über die Besonderheit der Situation und mögliche Nebenwirkungen der Therapie durch die behandelnden Ärzte eingeholt worden.

n=

15 2.2 Datenerfassung

Der Zeitraum der Datenerhebung erstreckte sich vom Juli 2002 bis zum Mai 2007.

Grundlegende klinische Daten wurden bei allen Patienten einmalig erfasst:

• Geschlecht

• Alter zum Zeitpunkt der Nierentransplantation

• Alter bei Start der Rescuetherapie

• Zeitlicher Abstand des Rescuetherapie-Startes zur Transplantation

• Art des Transplantates (Kadaver- oder Lebenspende)

• Grunderkrankung die zum chronischen Nierenversagen führte

• Vor SRL-Start durchgeführte Nierenbiopsie, Klassifikation nach Banff Acute und Chronic Score

• GFR-Abfall im Jahr vor Start der SRL-Rescuetherapie

• Bei Patienten mit PTLD wurden zusätzlich Zeitpunkt der Erkrankung und Lokalisation mit Histologie dokumentiert

Weitere Daten wurden zu Beginn der SRL-Therapie und im Laufe der Beobachtung in Jahresabständen aus ambulanten und stationären Akten festgestellt. Es wurden jeweils die Daten von drei Vorstellungen in zwei Monaten gemittelt. Die Beobachtungszeitpunkte nach einem, zwei und drei Jahren werden im Verlauf als 1 Jahres, 2 Jahres und 3 Jahres Follow-up bezeichnet.

2.2.1 Jährlich erfasste Daten

Glomeruläre Filtrationsrate (GFR)

Die GFR wurde nach Schwartz mit folgender Formel berechnet:

GFR in ml/min/1,73m2=38x Körperlänge in cm / Serumkreatinin in µmol/l

Die Gültigkeit dieser Formel auch für nierentransplantierte Kinder wurde bereits im Transplantationszentrum Hannover gezeigt (40, 41).

Es wurde zusätzlich die GFR ein Jahr vor Start der Sirolimustherapie erfasst, um die Reduktion der Transplantatfunktion vor SRL-Start zu quantifizieren.

Körpermaße

Aus Gewicht und Länge wurde nach folgender Formel die Körperoberfläche (KOF) berechnet:

KOF in m2 = Wurzel (Körperlänge in cm x Körpergewicht in kg)/3600

Cholesterin

Es wurden in nüchternem Zustand bestimmte Werte des Gesamtcholesterins erfaßt. Als Hypercholesterinämie wurden Werte > 160 mg/dl Gesamtcholesterin gewertet (42).

Hämoglobin, Thrombozyten- und absolute Neutrophilenzahl Hämoglobin Thrombozyten Neutrophile (absolut) Alter

Tab. 4: Altersabhängige Normwerte für Hämoglobin, Thrombozyten und Neutrophile (Quelle: AWMF-Leitlinien-Register (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medzinischen Fachgesellschaften, www.uni-düsseldorf.de))

Albuminurie

Das Ausmass der renalen Albuminausscheidung wurde als Albumin/Kreatinin Quotient (UA/UK) in mg/mmol aus Spontanurin bestimmt. Als Albuminurie wurde ein über dem Wert von 2,5 mg/mmol liegender Albumumin/Kreatinin Quotient gewertet (43).

SRL-Dosis, -Spiegel und -Pharmakokinetik

Die SRL-Dosis wurde als Tagesdosis in mg/m2 der Körperoberfläche erfasst.

Die Messung der SRL-Spiegel erfolgte im Zentrum Pharmakologie und Toxikologie der Medizinischen Hochschule Hannover mittels Flüssigchromatographie-gekoppelter Massenspektrometrie (LC-MS/MS). Es ist jeweils angeben, ob es sich um einen 12 oder 24h-Talspiegel handelt.

Es wurden bei einzelnen Patienten Sirolimusspiegel zu den Zeitpunkt 0 (direkt vor Einnahme), 1h, 2h, 4h und 12h nach Einnahme bestimmt. Die individuellen Plasmaspiegelkurven wurden grafisch dargestellt und die Fläche unter der Konzentrations-Zeit- Kurve (AUC0-12h) mittels der Trapezoidformel berechnet.

17 Die Sirolimus Halbwertszeit wurde grafisch aus Plasmaspiegelkurven ermittelt.

Eine zusätzliche Erfassung von Sirolimus-Dosis und –Spiegel erfolgte vor Absetzen der CNI sowie 3 Monate danach.

Das SRL-Dosierungsintervall wurde im Laufe der vorliegenden Untersuchung bei einigen Patienten von 24h auf 12h geändert. Um Änderung in der SRL-Dosis zu erfassen, wurden diese vor Umstellung des Dosierungs-intervalles sowie 3 und 12 Monte danach dokumentiert.

Immunsuppressive Co-Medikation

CsA wurde mit 2 stündigem Abstand zu SRL, Tac zeitgleich mit SRL verabreicht. Die Dosis der Calcineurininhibitoren wurde in mg/m2 KOF vor SRL-Start (gemittelt über 3 Monate) erfasst. Im Falle des Ausschleichens des Calcineurininhibitors wurde der Zeitpunkt des Reduktionsstarts und der Zeitraum der Reduktion erfasst.

Die Tagesdosis von Prednisolon und MMF (mg/m2 KOF) wurde ebenfalls jährlich erfasst, wobei die Gesamtdosis jeweils in zwei Einzeldosen verabreicht wurden.

Blutdruck und antihypertensive Medikation

Es wurden die Ergebnisse der über 24h ambulant durchgeführten oszillometrischen Blutdruckmessungen (ABDM) erfaßt und längen- sowie geschlechtsgerechten Percentilen zugeordnet (44).

2.2.2 Weitere erfasste Daten

• Nierenbiopsien im Verlauf: Dokumentation von akuter Abstossung und chronischer Transplantatnephropathie gemäss Banff-Klassifikation sowie weiterer histologischer Veränderungen.

• Schwere unerwünschte Nebenwirkungen (Serious adverse events, SAE): nach Initiierung der SRL-Behandlung aufgetretene Zwischenfälle, die zu Hospitalisierung führten.

2.3 Statistische Methoden

Quantitative Parameter wurden anhand von Mittelwert (MW) und Standardabweichung (SD), Minimum (Min) und Maximum (Max) sowie dem Median und dem 25. und 75. Perzentil in Tabellen beschreibend dargestellt. Im Text sind, sofern nicht anders vermerkt, Mittelwerte angeben ± eine Standardabweichung.

Die Zeit bis zum Eintreten der Dialysepflicht wurde getrennt für Patienten mit chronischer Transplantatdysfunktion und PTLD mit der Kaplan-Meier-Analyse untersucht und dargestellt.

Mittels Cox Regression wurden verschiedene Parameter hinsichtlich ihres Einflusses auf die Zeit bis zur Dialysepflicht getestet. Anhand gemischt linearer Modelle wurde geprüft, inwieweit sich das Cholesterin, Hämoglobin, die Thrombozytenanzahl oder die Anzahl der Neutrophilen Granulozyten oder die GFR im zeitlichen Verlauf ändern. Um zu prüfen, ob sich die GFR bei den acht Patienten, bei denen Daten des 3-Jahres Follow-ups verfügbar waren, innerhalb des Beobachtungszeitraumes veränderten, wurde eine ANOVA für Messwiederholungen durchgeführt.

Es wurde stets zweiseitig getestet und ein Signifikanzniveau von 5% zugrunde gelegt. Die statistischen Analysen erfolgen mit SPSS für Windows, Version 15 (SPSS Inc., Chicago, IL) und R.

19

3 Ergebnisse

3.1 Grundlegende klinische Daten

Es wurden 19 im Kindesalter nierentransplantierte Patienten im Alter von drei bis 19 Jahren der Sirolimus-Rescuetherapie zugeführt und in diese Untersuchung eingeschlossen. Die Nierentransplantation dieser Patienten lag bei SRL-Start 8 bis 120 Monate zurück. Bei sechs

Es wurden 19 im Kindesalter nierentransplantierte Patienten im Alter von drei bis 19 Jahren der Sirolimus-Rescuetherapie zugeführt und in diese Untersuchung eingeschlossen. Die Nierentransplantation dieser Patienten lag bei SRL-Start 8 bis 120 Monate zurück. Bei sechs