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Am 11.September 1945 gelang in Kampen, Holland dem Mediziner Dr. W.J. Kolff erstmals die erfolgreiche extrakorporale Behandlung einer Patientin mit akutem Nierenversagen [28].

Die Prognose des ANV war vor Einführung der Hämodialyse durch Kolff ausgesprochen schlecht. Behandlungen erfolgten nur symptomatisch und führten über Urämiesymptome und Überwässerung unweigerlich zum Tode. Die Letalitätsraten lagen zwischen 80 und 95%.

Durch die Einführung der Hämodialysebehandlung zu Beginn der 50er Jahre sank die Letalitätsrate auf 30-40% und ist seit Beginn der 90er Jahre wieder auf 50-80% angestiegen.

Kramer führte 1977 die kontinuierliche arteriovenöse Hämofiltration (CAVH) als einfache Behandlungsform für überwässerte Patienten ein [29]. Die CAVH wurde daraufhin in vielen Intensivstationen wegen des geringen technischen Aufwandes eingesetzt. Ungenügende Effektivität bei hyperkatabolen und hämodynamisch instabilen Patienten mit ANV führten dann zur Entwicklung von pumpengesteuerten Systemen, welche unabhängig vom arteriellen Druck arbeiten und nur einen ausreichend großen doppellumigen venösen Zugang benötigen.

Bischoff und Doehm entwickelten 1982 eine pumpengetriebene kontinuierliche venovenöse Hämofiltration [30].

ANV ist nur eine von vielen Organschädigungen, die Intensivpatienten aufweisen können und wird daher im allgemeinen als Teil eines Multiorganversagen-Syndroms gesehen [6]. Die Mortalität bei solchen schwer kranken intensivpflichtigen Patienten ist sehr hoch, und sie benötigen deshalb diverse lebenserhaltende Maßnahmen wie Kreislaufstabilisierung durch Katecholamingabe, Beatmung und Nierenersatztherapie. Lonnemann [31] sieht folgende Anforderungen an Nierenersatztherapie bei Intensivpatienten:

1. Schonender Volumenentzug mit Ultrafiltrationsraten, die von kardiovaskulär instabilen Patienten toleriert werden.

2. Suffiziente extrakorporale Elimination von Harnstoff, Kreatinin u.a. Stoffen v.a. im Hinblick auf die exzessive Produktion bei hyperkatabolen Patienten.

3. Wiederherstellung der z.T. stark veränderten Elektrolyt- und Säure-Basen-Homöostase.

Es gibt zwei klassische Behandlungsoptionen für ANV auf der Intensivstation. Das ANV kann entweder mittels intermittierender Hämodialyse-Therapie (IHD) behandelt werden oder mit Hilfe von kontinuierlicher Nierenersatztherapie (CRRT= continuous renal replacement therapy). Die konventionelle IHD ist technisch anspruchsvoll und benötigt speziell ausgebildetes Dialysepersonal, eine Möglichkeit zur Frischwasserversorgung und die

hygienische Beseitigung von verbrauchtem Dialysat. Dabei wird mit variablen Zeitintervallen für einen Zeitraum von einigen Stunden dialysiert. Diese relativ kurze Behandlungsdauer disponiert die Patienten für kardiovaskuläre Instabilität bei größeren Ultrafiltrationsvolumina [32]. Demgegenüber bietet die CRRT als CVVH (Continuous Veno-Venous Hemofiltration) bessere kardiovaskuläre Stabilität bei schwer kranken Intensivpatienten. Hier wird die Behandlung kontinuierlich über einen längeren Zeitraum bei niedrigen Blutflussraten durchgeführt, wobei aber die Effizienz im Hinblick auf die Harnstoff-Clearance durch das Umsatzvolumen und häufige Behandlungsunterbrechungen limitiert wird. Außerdem ist das Verfahren laborintensiv, benötigt kontinuierliche Antikoagulation und erschwert die Patientenmobilisation. Vor allem sind jedoch die Behandlungskosten aufgrund der Verwendung steriler Hämofiltrationslösung zu berücksichtigen, speziell wenn die CVVH mit größeren Umsatzraten durchgeführt wird [33, 34].

Übersicht der wichtigsten Vor- und Nachteile extrakorporaler Verfahren auf der Intensivstation:

Intermittierende Hämodialyse Vorteile

- kurze Behandlungsdauer ermöglicht mehr Zeit für Diagnostik und/oder Therapie außerhalb der Station

- geringerer Heparinverbrauch mit konsekutiv verminderten Risiko systemischer Blutungen

- bessere Eignung bei schwerer Hyperkaliämie

- optionale Online-Produktion von bikarbonatgepufferten Dialysat (z.B. Genius) - weniger laborintensiv und damit kostengünstiger

Nachteile

- technisch anspruchsvoll und spezielle Infrastruktur notwendig (z.B.

Wasseranschluss)

- qualifiziertes Dialyse-Personal zur Überwachung notwendig

- zyklische, nicht-kontinuierliche Entfernung/Kontrolle gelöster Stoffe mit nachfolgend möglichem Ungleichgewicht

- Dialysedosis kann bei zu geringer Behandlungsfrequenz inadäquat sein - häufige hypotensive Phasen bei aggressiver Ultrafiltration

Kontinuierliche Nierenersatztherapie Vorteile

- Geräte sind im Allgemeinen einfach zu bedienen und benötigen keine spezielle Infrastruktur

- Bedienung und Überwachung durch Intensivpersonal möglich

- bessere Kontrolle von gelösten Substanzen und Flüssigkeitshaushalt durch anhaltenden, kontinuierlichen Volumenentzug

- Ultrafiltration über einen längeren Zeitraum ermöglicht bessere hämodynamische Stabilität

Nachteile

- erhöhter Heparinbedarf und konsekutiv erhöhtes systemisches Blutungsrisiko - keine Mobilisation bei längerer Behandlungsdauer möglich

- häufige Behandlungsunterbrechungen notwenig aufgrund von Filterproblemen oder diagnostisch-therapeutischen Prozeduren

- teuere sterile Substitutionslösung steigert die Behandlungskosten

Das primäre Ziel eines Nierenersatzverfahrens bei Intensivpatienten ist eine adäquate Korrektur der homöostatischen Funktionsstörung bei möglichst guter klinischer Toleranz. Da intermittierende Nierenersatztherapie und Peritonealdialyse in Effizienz und Verträglichkeit limitiert sind [35, 36] werden oft kontinuierliche Verfahren für die Behandlung von ANV bei intensivpflichtigen Patienten verwendet. Die Vorteile sind eine stabile laborchemische Korrektur der harnpflichtigen Substanzen, schonender Volumenentzug und gute kardiovaskuläre Stabilität [37, 38]. Kontinuierliche Behandlungen sind die zur Zeit populärsten Formen der Nierenersatztherapie bei Intensivpatienten in Europa, Asien und Australien [38]. In Nord- und Südamerika werden deutlich mehr Patienten mit intermittierenden Verfahren behandelt. In Ländern, in denen kontinuierliche Verfahren weit verbreitet genutzt werden, bestehen jedoch große Unterschiede zwischen den verschiedenen Einrichtungen, so dass Behandlungsstandards bisher noch nicht erreicht werden konnten.

Weiterhin besteht noch kein Konsens über eine adäquate Behandlungsdosis oder den Einfluss der Dosis auf den Behandlungserfolg [26, 39]. Eine im Jahr 2000 veröffentlichte prospektive randomisierte und kontrollierte Studie dokumentiert, dass eine höhere Filtrationsrate mit geringerer Mortalität bei Intensivpatienten mit ANV assoziiert ist [33]. Beim Management des schweren ANV bestehen allerdings noch einige praktische und akademische

Kontroversen [25-27, 40]. Obwohl die CRRT einige theoretische Vorteile gegenüber der IHD aufweist [41], konnte diese vermeintliche Überlegenheit noch nicht in prospektiv-randomisierten, kontrollierten Studien nachgewiesen werden, sodass noch gezeigt werden muss, dass Patienten mit ANV, die mit kontinuierlichen Verfahren behandelt wurden, im Vergleich zur IHD eine höhere Überlebensrate aufweisen [32, 42, 43]. Aufgrund dessen wird die IHD zunehmend häufiger eingesetzt [35, 36]. Darüber hinaus wurden alternative Behandlungsstrategien für Patienten mit ANV versucht, die grundsätzlich auf Equipments basieren, die ursprünglich für die Behandlung chronischer Nierenversagen entwickelt wurden und auf industriell hergestellte Substitutionslösung verzichten. Für diese dritte Behandlungsmöglichkeit, neben den beiden klassischen Optionen, existiert seit kurzem der Terminus „extended daily dialysis“ (EDD) oder auch „slow low-efficient daily dialysis“

(SLEDD). Es handelt sich dabei um eine Hybridtechnik, die zumindest theoretisch die Vorteile von IHD und CRRT miteinander kombiniert [32, 44, 45]. Dieses Verfahren wird zunehmend in der Intensivtherapie bei der Behandlung des ANV eingesetzt [31, 46].

Weiterhin wurde aufgrund kürzlich veröffentlichter Studienergebnisse gezeigt, dass eine EDD mit hohem Volumenumsatz/-Austausch einer Standard-CVVH im Hinblick auf die Entfernung von bestimmten proinflammatorischen Faktoren überlegen ist. Dies bewirkt nicht nur kardiovaskuläre Stabilität, sondern verbessert auch das Outcome von Sepsis-Patienten mit ANV [46]. Wie Druml [7] anmerkt, sollte zusätzlich berücksichtigt werden, dass extrakorporale Therapieverfahren selbst negative Auswirkungen auf verschiedene Organsysteme ausüben können. Diese negativen Effekte der Nierenersatzverfahren können durch hämodynamische Änderungen, durch Verlust von Nährstoffen, durch Phänomene der Bioinkompatibilität und insbesondere durch Induktion einer Entzündungsreaktion bedingt sein [47, 48].

Momentan existieren noch breite Unterschiede in der praktischen Anwendung von IHD und CRRT beim ANV auf der Intensivstation [49]. Dies liegt möglicherweise an der noch fehlenden Evidenz bezüglich der Überlegenheit eines der beiden Verfahren [43]. So konnten kontrollierte Studien bisher noch keinen definitiven Überlebensvorteil für CRRT oder IHD aufzeigen [14, 23, 50, 51].