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Nichtkognitive Deutungen religiöser Aussagen

Im Dokument Franz von Kutschera Vernunft und Glaube (Seite 109-117)

2 Glaube ohne rationale Rechtfertigung

2.2 Nichtkognitive Deutungen religiöser Aussagen

Im Abschnitt 1.4 haben wir Argumente besprochen, nach denen religiöse Aussagen keinen kognitiven Gehalt haben. Sie bilden die Grundlage für die verschiedenen nichtkognitiven Deutungen der religiösen Sprache. Aus der Tatsache, daß eine religiöse Aussage keinen kognitiven Sinn hat, sich also nicht als Behauptung verstehen läßt, die wahr oder falsch ist, folgt ja nicht, daß sie gänzlich sinnlos wäre. Auch Wunschsätze und Imperative haben keinen kognitiven Sinn, ohne deshalb sinnlos zu sein. Wenn Aussagen über Gott gram-matikalisch die Gestalt von Behauptungssätzen haben, heißt das auch nicht schon, daß sie als Behauptungen zu verstehen sind. Der Satz

„Dieser Hund ist bissig" kann z. B. als Warnung dienen und „Die

Tür ist noch offen" als Aufforderung, sie zu schließen.1 Eine nicht-kognitive Deutung religiöser Aussagen erscheint manchen als attrak-tiv, weil sie diese gegenüber rationaler Kritik immunisiert — mit Argumenten lassen sich ja nur Behauptungen angreifen. Dieser Vor-teil ist freilich durchaus fragwürdig; er wird erkauft durch den Verzicht auf den Wahrheitsanspruch und damit auf die Relevanz der Religion.2

Eine emotive Deutung religiöser Aussagen hat schon J . E . Mc-Taggart in (1906) vorgeschlagen. Für ihn sind religiöse Aussagen Ausdruck von Gefühlen. Er meint, Religion sei „an emotive resting on a conviction of harmony between ourselves and the universe at large"3 und gebe in ihren Sätzen dieses Gefühl kund. Eine genauere Analyse des emotiven Sinns religiöser Aussagen gibt er aber nicht an. In Anlehnung an Ideen R. Carnaps vertritt auch A . J . Ayer die Ansicht, religiöse Aussagen hätten nur einen emotiven, keinen kog-nitiven Sinn.4 Er begründet diese These ebenso wie im Fall morali-scher und ästhetimorali-scher Aussagen mit einem empiristischen Sinnkri-terium.5 Explizit performative Paraphrasen religiöser Aussagen gibt er aber nicht an — vermutlich deswegen, weil sie die Absurdität seiner These allzu deutlich machen würden. Dasselbe gilt für andere

1 Behauptungen sind zunächst Äußerungen, denn derselbe Satz, z. B. „Der Hund ist bissig", kann sowohl im Sinne einer Behauptung wie im Sinn einer Warnung (oder auch einer Empfehlung) geäußert werden. Ein Satz ist ein Behauptungssatz, wenn er in der Regel behauptend geäußert wird oder — wie im Beispiel — bei allen Äußerungen auch einen kognitiven Sinn hat. Eine Äußerung kann ja zugleich eine deskriptive (kognitive) und eine expressive oder evokative Bedeutung haben. Vgl. zu dieser Unterscheidung K. Bühlers z. B. Kutschera (1982), 3.1.

2 Zu den nichtkognitiven Deutungen religiöser Aussagen vgl. insbesondere Heimbeck (1969).

3 McTaggart (1906), S. 3.

4 Vgl. Aver (1936), Kap. VI (S. 114-20).

5 Vgl. dazu Kutschera (1982), Kap. 3 und (1988), 2.3. Da ich insbesondere in (1982) ausführlich auf die Thesen und Argumente des Nichtkogniti-vismus eingegangen bin, will ich das hier nicht wiederholen, zumal er für religiöse Aussagen weit weniger ausführlich entwickelt worden ist als für moralische.

Emotivisten wie z. B. C. K . Ogden und I. A . Richards und P. F. Schmidt.6 Und es gilt auch für evokative Deutungsversuche, nach denen wir mit religiösen Aussagen nicht unsere Gefühle ausdrücken, sondern an den Hörer appellieren, sich gewisse Einstellungen zu eigen zu machen.7

Es gibt nur eine detailliertere und damit diskutable nichtkognitive Deutung: jene, die R. B. Braithwaite in (1971) vorgeschlagen hat. E r deutet religiöse Aussagen in einem ersten Schritt als moralische, und die interpretiert er dann in einem zweiten Schritt nichtkognitiv. Eine Religion legt nach seiner Ansicht primär Verhaltensmaximen fest, eine policy of behaviour. Diese wird meist nicht explizit formuliert, sondern durch Beispiele aufgewiesen. Sie ist auch nicht fest umgrenzt, so daß sie von den Gläubigen teilweise verschieden interpretiert wird.

Es gibt aber nach Braithwaite doch so etwas wie einen moralischen Grundkonsens der Anhänger einer Religion, einen typischen mora-lischen Gehalt der Religion; die Grundmaxime des Christentums ist z. B. das Liebesgebot. Neben den Verhaltensmaximen enthalten Re-ligionen auch „Geschichten" (stories). Dieses Wort übernimmt Braith-waite von A . Matthew, der auch von „fairy tales" spricht.8 Diese Geschichten brauchen von den Gläubigen nicht als wahr (oder

je-6 Vgl. dazu Ogden und Richards (1923), S. 158f. und Schmidt (1958). Ogden und Richards sagen allerdings lediglich, religiöse Aussagen seien wie poetische zu deuten, denen sie einen rein expressiven Sinn zuschreiben, und meinen, religiöse Aussagen seien in ihrer Vermischung expressiver und deskriptiver Bedeutung ein „pathologischer Fall". Schmidt meint, ihr primärer Zweck sei „the attainment of certain pervasive attitudes in oneself and others" (S. 535), und teilt sie in evokative und invokative ein (S. 536). Der Satz: „Gott ist allwissend" soll etwa die menschliche Haltung eines fortgesetzten Suchens nach Problemlösungen und eines Handelns ausdrücken, das dem Wissen einen hohen Rang einräumt. Er gesteht solchen Äußerungen aber auch einen deskriptiven Sinn zu, in dem sie allerdings rational nicht zu rechtfertigen sind.

7 Vgl. dazu Morris (1946), S. 146ff, Burke (1961) und Schmidt (1958).

Schmidt spricht auch von einem „invokativen" Sinn religiöser Aussagen als Aufrufe an sich selbst.

8 Vgl. A. Matthew Literature and Dogma (London 1873) und God and the Bible (London 1875).

denfalls nicht als wörtlich wahr) akzeptiert zu werden. Ihre Funktion besteht allein darin, daß sie die durch die praktischen Maximen geforderten Verhaltensweisen exemplifizieren, evozieren, oder stärken. Die Geschichten müssen daher auch nicht miteinander ver-träglich sein. Der effektive und allein bedeutsame Gehalt einer Re-ligion besteht also für Braithwaite in ihrem Moralkodex. Verschiedene Religionen können denselben moralischen Gehalt haben; sie unter-scheiden sich dann nur in den „Geschichten", die für ihn letztlich entbehrlich sind.

Der zweite Schritt von Braithwaite besteht in einer „konativen Deutung" moralischer Aussagen: Mit der Äußerung einer morali-schen Maxime wie „Man soll F tun" oder „Es ist geboten, F zu tun" drückt der Sprecher seine eigene Intention aus, F zu tun. Eine explizit performative Paraphrase wäre also: „Ich erkläre hiermit meine Absicht, F zu tun". Braithwaite betont zwar, nicht alle solche A b -sichtserklärungen seien moralische Aussagen, grenzt diese aber nur durch die Forderung der Generalität ein. Sein Resultat ist also: „A religious assertion, for me, is the assertion of an intention to carry out a certain behaviour policy, subsumable under a sufficiently general principle to be a moral one, together with the implicit or explicit statement, but not the assertion of certain stories." Religiöser Glaube besteht danach in der Absicht, die (typischen) Maximen einer Religion zu erfüllen, verbunden mit dem „entertainment of certain stories, associated with the intention in the mind of the believer". Glaube ist also nicht propositional, kein Fürwahrhalten, sondern eine Selbst-verpflichtung auf praktische Maximen. Den Einwand, das sei eine rein subjektive Interpretation religiöser Aussagen, erkennt Braith-waite an, meint aber, jeder müsse letztlich entscheiden, welche Le-bensform er wählen will.

Zur Kritik ist zu sagen: Erstens ist Braithwaites Deutung mora-lischer Aussagen abwegig. Es gibt viele moralische Aussagen, die sich nicht in der angegebenen Weise paraph rasieren lassen wie z. B.

„Er soll F tun" oder „Es ist erlaubt, F zu tun". Das Erlaubtsein des

^-Tuns wird normalerweise erklärt als das Nichtgebotensein der Unterlassung des .F-Tuns. Man müßte also „Es ist erlaubt, F zu tun"

paraphrasieren als „Ich erkläre hiermit nicht meine Absicht, F zu unterlassen", aber das ergibt keinen vernünftigen Sinn. Ferner ist es nach Braithwaites Vorschlag nicht möglich, normative Aussagen in

Kontexten „konativ" zu deuten, wie z. B. in „Ich glaube, daß man F tun soll" oder in „Wenn es geboten ist F zu tun, so ist es geboten G zu tun, weil man F nicht ohne G tun kann". Ferner identifiziert Braithwaite Sollen mit Wollen; man kann jedoch anerkennen, daß es moralisch geboten ist, Fzu tun, ohne die Absicht zu haben, das auch zu tun. Wir tun oft nicht, was wir glauben tun zu sollen, weil wir es nicht tun wollen. Nach Braithwaite wäre dieser Fall hingegen analytisch ausgeschlossen.9 Zweitens ist die Deutung einer Religion (bzw. ihrer Aussagen) als System von Verhaltensmaximen, das mit

„Geschichten" garniert ist, verfehlt: Es gibt zwar vermutlich in allen Religionen „Geschichten", z. B. Legenden, die der Glaubende nicht ernst zu nehmen braucht. Aber es gibt auch Aussagen, von deren Wahrheit die Geltung praktischer Maximen abhängt (die diese also fundieren), der Sinn des Tuns, zu dem die Religion aufruft, die Erfüllung ihrer Verheißungen. Paulus sagt z. B. (1 K o r 15,14): „Ist Christus nicht auferstanden, so ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos". Das Christentum fordert nicht nur dazu auf, den Nächsten zu lieben wie sich selbst, sondern es begründet dieses Gebot durch die Aussage, daß alle Menschen Kinder Gottes, also unsere Brüder, sind, die er selbst liebt. Eine Religion deutet die Welt, sie sagt etwras über Sinn und Ziel des menschlichen Lebens und der Geschichte aus, und das kann sie nicht tun, wenn man ihren Gehalt auf moralische Forderungen beschränkt. Der Streit um die Religionen zeigt, daß sie sich selbst nicht nur als Systeme moralischer Normen verstehen und von Außenstehenden auch nicht so verstanden werden.

9 Braithwaite sieht freilich gerade einen Vorzug seiner konativen Deutung darin, daß sie eine Antwort auf die Frage liefert: „Warum tue ich, was ich glaube tun zu sollen?" Nach ihm gilt, daß ich genau dann glaube, F tun zu sollen, wenn ich F tun will (diese Behauptung ist freilich proble-matisch, wie wir gerade sahen, da der Satz „Ich glaube, F tun zu sollen"

nach seiner Deutung nicht sinnvoll ist), so daß die ursprüngliche Frage zur Frage wird: „Warum tue ich, was ich tun will?" Die Antwort ist dann natürlich trivial: Weil ich es tun will! Die Fragestellung setzt aber wie gesagt voraus, was nicht der Fall ist: daß wir immer tun, was wir glauben tun zu sollen.

Viele „Geschichten" werden eben durchaus ernst genommen.1 0 Es ist endlich schlicht unsinnig, allen Aussagen der christlichen Religion wie „Gott hat die Welt erschaffen", „Gott hat durch die Propheten gesprochen", „Christus ist von den Toten auferstanden" immer nur denselben (Kern-)Sinn „Lebe ein Leben der Liebe" zuzuschreiben.11 Abgesehen von seiner „konativen" Deutung moralischer Sätze, wäre Braithwaites Deutung religiöser Aussagen reduktionistisch. Unter einer reduktionistischen Interpretation religiöser Aussagen oder Systeme solcher Aussagen versteht man eine Interpretation, nach der sie nicht von Transzendentem reden, sondern über Immanentes, über die Natur, menschliches Leben, Gefühle oder Haltungen. Eine solche Interpretation ist daher keine Beschreibung des ursprünglichen Sinns der Aussagen, sondern eine Umdeutung. Einen Wandel der Inter-pretationen religiöser Aussagen hat es immer gegeben, denn die Anschauungen ändern sich mit der Zeit zum Teil erheblich. Da Religionen konservativ sind, halten sie meist auch bei tiefgreifenden Veränderungen ihrer Inhalte an den alten, geheiligten Formeln fest und unterlegen diesen lieber einen anderen Sinn als sie durch andere Formeln zu ersetzen, selbst wenn das nicht ohne Gewaltsamkeiten möglich ist. Gegen Uminterpretationen religiöser Aussagen ist daher prinzipiell wenig einzuwenden. Sie sind nicht danach zu beurteilen,

1 0 Man kann also sicher nicht alle Berichte und Erzählungen als fiktive

„Geschichten" bezeichnen und ihnen einen bloß erbaulichen Wert zu-schreiben. Eine gewisse Berechtigung erhält Braithwaites Rede von „Ge-schichten" freilich dadurch, daß heute vieles, was früher als historischer Bericht angesehen wurde, von der Bibelkritik als Legende angesehen wird, deren Funktion im Kontext der Verkündigung zu sehen ist.

1 1 Einen ähnlichen Gedanken wie Braithwaite vertritt Palmer in (1973), Kap. 19. Danach sind religiöse Aussagen keine Behauptungen, sondern Ausdruck einer unbedingten, letzten Festlegung {ultimate commitment) auf Ideale, Maßstäbe oder Ziele des Lebens und Handelns. Zu dieser Kon-zeption gelangt Palmer aufgrund der Ansicht, daß Behauptungen über den unendlichen, transzendenten Gott in unserer, für irdische, insbeson-dere menschliche Phänomene erklärten Sprache nur analog zu verstehen sind; nach seiner Analyse analoger Aussagen haben diese aber keinen bestimmten Sinn, bleiben also gänzlich uninformativ.

wie stark sie deren ursprünglichen Sinn verändern, sondern wie brauchbar die Anschauungen sind, die sie ergeben. Die Frage ist aber, ob man die Aussagen in einer reduktionistischen Umdeutung noch als „religiös" bezeichnen kann, denn eine Religion bezieht sich wesentlich auf eine jenseitige Wirklichkeit.1 2 Es handelt sich bei solchen Interpretationen immer um kognitive Deutungen religiöser Aussagen; in nichtkognitivem Verständnis gibt es nichts zu

reduzie-1 2 Vgl. dazu das Kapitel 3. — H . Lübbe vertritt in (1986) die auch sonst verbreitete Ansicht, Religion sei „Kultur des Verhaltens zum Unverfüg-baren" oder der „Kontingenzbewältigung" (vgl. bes. die Abschnitte 3.2 und 3.3). Bewältigung dessen, was wir nicht ändern können, soll seine freie Annahme einschließen, die nicht nur kognitiv verstanden wird, deren Natur und Leistung aber im übrigen offen bleibt. Nun vermitteln aber erstens nicht nur Religionen die Fähigkeit zur Kontingenzbewältigung;

es gibt auch Traditionen eines nüchternen Realismus, der die Schranken und Bedingtheiten menschlicher Existenz akzeptiert, sich nicht fruchtlos am Unabänderlichen reibt, sondern die Energien auf das konzentriert, was wir ändern können. Fragwürdig ist zweitens, daß Lübbe die Frage nach der Wahrheit religiöser Aussagen ablehnt. Für seine „funktionalisti-sche" Konzeption der Religion spielt es keine Rolle, ob deren Annahmen richtig sind, es kommt allein darauf an, ob sie uns hilft, mit dem Unver-fügbaren innerlich fertig zu werden. Eine Religion kann aber doch offensichtlich nur für den eine Lebenshilfe sein, der an die Richtigkeit ihrer Annahmen glaubt. Glaubt man selbst nicht daran, so kann man ihren Nutzen für andere zwar anerkennen, aber dieser Nutzen erscheint dann doch wie der anderer Illusionen als durchaus fragwürdig. Religion ist eben keine Droge, deren Wirksamkeit unabhängig von unserem Für-wahrhalten ist.

1 3 Reduktionistische Deutungen von Mythen gab es schon in der Antike.

Man verstand sie als allegorische Aussagen über natürliche Phänomene, moralische Prinzipien oder historische Ereignisse und Gestalten. Von reduktionistischen Deutungen von Religionen sind religiöse Einkleidun-gen rein immanenter WeltanschauunEinkleidun-gen zu unterscheiden wie z. B.

A. Comtes „Religion der Humanität" (vgl. den Discours preliminaire in (1851), Schluß (S. 321 ff.)). Solche Versuche, rein immanenten Anschau-ungen einen religiösen Anstrich zu geben, sind ebenso abwegig wie reduktionistische Interpretationen religiöser Lehren.

Ignoriert man seine nichtkognitive Deutung moralischer Aussa-gen, so stellt Braithwaites Interpretation eine Reduktion von Religion auf Moral dar. Ein bedeutenderes Beispiel dafür ist Kants Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft (1793). Dabei ist freilich zu beachten, daß die Moral nach Kant insofern schon selbst eine (Ver-nunft-) Religion ist, als sie von sich aus zur Idee Gottes führt. Seine Deutung der christlichen Religion, nach der diese der wahren, mo-ralischen Religion zumindest schon sehr nahe kommt, ist daher zwar eine oft recht gewaltsame Umdeutung, aber keine reduktionistische Interpretation in unserem Sinn, denn die Annahme eines transzen-denten Gottes bleibt erhalten. Im Effekt spielt sie freilich eine eher ephemere Rolle, denn Gott lieben, ihn verehren, seine Gebote halten heißt einfach, den kategorischen Imperativ befolgen. Wenn Kant und seine Nachfolger im Glauben vor allem das praktische Element betonen und es als wichtiger anssehen als das theoretisch-spekulative, so hat das mit Reduktionismus noch nichts zu tun; das kann man als durchaus legitimen Rückgriff auf jüdische und christliche Auffassun-gen ansehen, mit dem der Glaube vom Kopf wieder auf die Füße gestellt wird.1 4

Gegen ein kognitives Verständnis religiöser Aussagen hat sich auch P. van Buren in (1972) gewendet. Ging es ihm in (1963) noch um eine reduktionistische Umdeutung christlicher Lehren, in der sie auch für „den modernen Menschen" akzeptabel sind — der nicht an Götter glaubt, sondern an die Verifikationstheorie der Bedeutung —,

1 4 Eine Reduktion von Religion auf eine Moral ohne transzendente Basis hat hingegen J . Dewey in (1934) vertreten. Er unterscheidet zwischen Religionen, die Annahmen über eine übernatürliche Wirklichkeit machen, und dem Religiösen. Eine religiöse Haltung ist für ihn einfach die Aner-kennung dauernder und allgemeiner Werte, die Orientierung an ihnen im Leben und Handeln und ihre gefühlsmäßige Bejahung. Die Umdeutung dieser idealen Werte in eine supranaturale Realität ist für ihn der Grund-fehler aller Religionen, und sie verhindert nach seiner Ansicht den aktiven, freien Einsatz für die Werte — Religionen sind also eine Pervertierung des Religiösen. Warum will man aber rein moralische Haltungen und Anschauungen als religiös bezeichnen? Entsprechendes gilt für die Ideen, die E. Fromm in (1950) entwickelt hat und die jenen Deweys sehr nahe stehen. Vgl. dazu 3.5.

so meint van Buren nun, religiöses Sprechen sei eine Form „of pushing at the edges of language" — mit welchem Sinn und Zweck bleibt offen. In der Religion, meint er, versagen auch Analogien und Metaphern, da sie bis zur Grenze der Sinnlosigkeit strapaziert werden.

Über Gott läßt sich so letztlich nicht mehr sinnvoll reden. Bezüglich solcher christlicher Zentralthemen wie der Trinität, der Auferstehung, des Jüngsten Gerichts etc. sagt er: „These are all matters of which the Christian could almost as well remain silent. However, he has learned this other form of linguistic behavior, which is to go as far as he can, to stumble at the edge of utter nonsense, and then to cry,

„God,,!"1 5 Primitiver geht's wohl kaum mehr.

Unser Fazit zu den nichtkognitiven Deutungen ist also: Im religiösen Sprechen kommen alle performativen Modi vor, die sich auch in der normalen Sprache finden wie Ausrufe, Anrufe, Wünsche, Aufforde-rungen, Bitte, Dank, Preis und Lob, und nicht alle Sätze, die die grammatikalische Form von Behauptungen haben, werden immer auch als solche verwendet. Religiöse Aussagen enthalten also sicher häufig expressive oder evokative Bedeutungskomponenten und vielen fehlt auch das kognitive (deskriptive) Element. Daraus folgt aber nicht, daß alle solche Sätze ohne kognitiven Sinn bleiben; auch das Überprüfbarkeitsargument zeigt das nicht, wie wir in 1.4 sahen. Unter den religiösen Aussagen kommen immer auch Behauptungen vor, religiöser Glaube besteht immer auch im Fürwahrhalten gewisser Sätze.

Im Dokument Franz von Kutschera Vernunft und Glaube (Seite 109-117)