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Neue unerhoffte Reichtümer: Die Bedeutung der ersten Meditation

Was meint Descartes mit den "neuen unerhofften Reichtümern"? Meint er damit nur "die universale Physik" und "die Metaphysik"? Angenommen, daß dies der Fall ist: wie konnte er dazu kommen? Den Versuch, auf diese Fragen zu antworten, will ich machen, indem ich mich mit Wilson und Hatfield auseinandersetze.

Wie ich in der Einleitung dieses Teils erwähnt habe, geht die leitende Fragestellung dieser Arbeit, nämlich die Frage nach der Motivation, die Descartes zum Problem des Skeptizismus geführt hat, davon aus, daß das Problem des Skeptizismus bei ihm ein ernsthaftes Problem ist und sein Versuch der Widerlegung des Skeptizismus dementsprechend ein wichtiges Ziel der Meditationes ist, sogar das wichtigste. Dabei habe ich auch eine andere Interpretation der ersten Meditation genannt, die den skeptischen Argumenten nur eine rein methodologische Funktion zuschreibt. Dieser Interpretation, die zuerst von Wilson vertreten wurde, und zur Zeit weit verbreitet ist, liegt der Gedanke zugrunde, daß das Problem des Skeptizismus für Descartes keine Bedeutung, oder höchstens eine sehr geringere Bedeutung hat. Aus diesem Grund halte ich es für nötig, mich zuerst mit Wilson und Hatfield auseinanderzusetzen, der auch ein Fürsprecher dieser Interpretation ist. Wenn sie nämlich damit Recht haben, ist es wenig überraschend zu sagen, daß sich die leitende Frage und damit auch die Interpretation der ersten Meditation im ersten Kapitel von Anfang an als hinfällig erweist. Außerdem wird diese Auseinandersetzung uns nicht nur auf die Bedeutung der Beschäftigung mit jener Frage aufmerksam machen, sondern auch eine optimale Ausgangsposition für die leitende Frage schaffen.

Zu diesem Zweck halten wir uns zuerst folgende Stellen vor Augen, an denen alle neue Themen vorkommen, die man bei Descartes in der Zeit der Regulae noch nicht finden konnte:

"Aber alle Schwierigkeiten der Physik, bezüglich derer ich, wie ich Ihnen berichtet habe, zu einem Entschluß gekommen bin, sind derart verkettet und hängen so stark voneinander ab, daß es mir unmöglich sein würde, eine zu erklären, ohne sie alle zusammen zu erläutern; was ich nicht früher und bündiger als in der Abhandlung machen könnte, die ich vorbereite." (Brief an Mersenne vom 15. April 1630; Baumgart, S. 45)25

25. "Mais toutes les difficultés de physique touchant lesquelles je vous ai mandé que j'avais pris parti, sont tellement enchaînées, et dépendent si fort les unes des autres, qu'il me serait impossible d'en démontrer une, sans les démontrer toutes ensemble; ce que je ne saurais faire plus tôt ni plus succinctement que dans le traité que je prépare."(AT I, S. 140-141) In dem Brief an Mersenne vom 13. November 1629 schrieb Descartes, daß er sich entschlossen habe, alle Phänomene der Natur und nicht nur einzelne Phänomene zu erklären zu versuchen. Vgl. AT I, S. 70. Diese Abhandlung ist Le Monde.

An dieser Stelle erklärt Descartes seinen Entschluß, sich mit einer universalen Physik zu beschäftigen.26

"Was Ihre theologische Frage anbelangt, so scheint sie mir, wenn sie auch die Fähigkeit meines Geistes überschreitet, doch nicht außerhalb meines Berufes zu liegen, da sie nicht an das von der Offenbarung Abhängige rührt, was ich eigentlich Theologie nenne; sondern sie ist viel eher metaphysisch und muß durch die menschliche Vernunft geprüft werden. Nun schätze ich aber, daß alle, denen Gott den Gebrauch dieser Vernunft gegeben, verpflichtet sind, sie hauptsächlich zu dem Versuch zu verwenden, ihn und sich selbst zu erkennen." (Brief an Mersenne vom 15. April 1630; Baumgart, S. 48)27

Descartes vertritt hier die folgende These:

(A) Man muß mit der Vernunft versuchen, Gott und sich selbst zu erkennen.

Descartes sagt außerdem an der folgenden Stelle:

"Damit jedenfalls habe ich versucht, meine Studien zu beginnen; und ich sage Ihnen, daß ich niemals die Grundlagen der Physik zu finden verstanden haben würde, wenn ich sie nicht auf diesem Wege gesucht hätte....wenigstens glaube ich, gefunden zu haben, wie man die metaphysischen Wahrheiten beweisen kann, und zwar auf eine Art, die augenscheinlicher als die geometrischen Beweise ist; ich sage dies gemäß meinem Urteil, denn ich weiß nicht, ob ich die anderen davon werde überzeugen können. Die in diesem Lande verbrachten ersten neun Monate habe ich an nichts anderem gearbeitet, und ich glaube, Sie haben mich schon früher davon sprechen hören, daß ich den Plan gefaßt hatte, etwas schriftlich niederzulegen; aber ich halte es nicht für ratsam, dieses zu tun, ehe ich nicht zuerst gesehen habe, wie die Physik aufgenommen werden wird... Ich werde es aber nicht unterlassen, in meiner Physik mehrere metaphysische Fragen zu berühren, und besonders folgende: Daß die mathematischen Wahrheiten, die Sie ewige nennen, von Gott gestiftet worden sind und gänzlich von ihm abhängen, eben so wie alles übrige Geschaffene. .. Fürchten Sie bitte nicht, überall zu versichern und zu veröffentlichen, daß Gott diese Gesetze in der Natur eingerichtet hat, so wie ein König Gesetze in seinem Königreich stiftet." (Brief an Mersenne vom 15. April 1630;

Baumgart, S. 48-49)28

26. Buchdahl findet eine mögliche Erklärung dafür in der zweiten der vier Regeln von De Methodo: "There is a fundamental lesson implied in this procedure, a lesson which still has relevance for contemporary discussions. Logicians often say that hypotheses have to be `guessed' in the light of the data. Now whilst there is some truth in this, it is usually added that the guessing is `inspired' and `informed'. It is carried out in the light of a complicated network of background knowledge ...This is the reverse of the usual account of scientific method, according to which we pass from the data to hypothesis and then only seek for an explanatory mechanism which might account for the hypothesis. What is true is that the physical theory injected into the situation is at this initial stage only approximate; more precise and accurate accounts will have to awaite adequate formulation of the laws for which we are still searching. In short, the procedure is one which employs the method of `leap-frogging'. Buchdahl, S, 139. und AT X, S. 435-6.

27. "Pour votre question de théologie, encore qu'elle passe la capacité de mon esprit, elle ne me semble pas toutefois hors de ma profession, parce qu'elle ne touche point à ce qui dépend de la révélation, ce que je nomme proprement théologie; mais elle est plutôt métaphysique et se doit examiner par la raison humanine.

Or j'estime que tous ceux à qui Dieu a donné l'usage de cette raison, sont obligés de l'employer principalement pour tâcher à le connaître, et à se connaître eux-mêmes."(AT I, 143-144)

28. C'est par là que j'ai tâché de commencer mes études; et je vous dirai que je n'eusse jamais su trouver les fondements de la physique, si je ne les eusse cherchés par cette voie...; au moins, pensé-je avoir trouvé comment on peut démontrer les vérités métaphysiques, d'une façon qui est plus évident que les

Diesen Absatz fasse ich folgendermaßen auf:

(B) 1) Ich habe begonnen, rationale Theologie sowie mich selbst zu studieren;

2) Dadurch habe ich die Grundlagen der Physik gefunden;

3) Dadurch habe ich auch erkannt, wie die metaphysischen Wahrheiten

augenscheinlicher als die geometrischen Wahrheiten bewiesen werden können;

4) Ich werde meine Metaphysik nicht in die Öffentlichkeit bringen, bevor ich erfahre, wie meine Physik aufgenommen wird;

5) Es ist in der Behandlung der Physik unvermeidbar, die Metaphysik mit zu behandeln, da Gott die Gesetze der Natur geschaffen hat.

Im Brief an Mersenne vom 6. Mai 1630 radikalisiert Descartes (B 5), indem er ewige Wahrheiten von Gottes Willen abhängig macht. Er sagt, daß

"sie (ewige Wahrheiten; d. Verf.) nur wahr oder möglich sind, weil Gott sie als wahr oder möglich erkennt, daß sie dagegen von Gott nicht als insofern wahr erkannt sind, als sie etwa unabhängig von ihm wahr wären....

Er (Gott) deswegen, weil er etwas will, dieses auch erkennt, und daß allein deswegen etwas wahr ist."(Baumgart, S. 52)

Kurz:

(C) Gott erkennt Wahrheiten einfach dadurch, daß er will, daß sie Wahrheiten sind:

Ewige Wahrheiten (bzw. auch alle anderen Wahrheiten) sind demnach nur insofern wahr (bzw. möglich), als Gott es so wollte.

Wenn man der ersten Meditation nur eine rein methodologische Funktion zuschreibt, treten zunächst zwei Fragen auf, nämlich die, worauf sie abzielt und wozu sie dienen soll. Nach der Antwort von Wilson und Hatfield zielt sie darauf ab, die Leser von sinnlichen Vorurteilen fernzuhalten. Dies soll nach Wilson dazu dienen, die Leser besser dazu in die Lage zu versetzen, sich mit den in den Meditationes enthaltenen Grundlagen der neuen Physik vertraut zu machen. Hatfields Antwort auf die zweite Frage geht darüber hinaus: Die erste Meditation dient dazu, die Leser besser dazu in die Lage zu versetzen, sich mit der neuen Metaphysik Descartes' vertraut zu machen. In diese Richtung scheint Descartes auf den ersten Blick zu gehen, wenn er im Brief an Mersenne vom März 1637 die Notwendigkeit der Einführung der

démonstrations de géométrie; je dis ceci selon mon jugement, car je ne sais pas si je le pourrai persuader aux autres. Les neuf premiers mois que j'ai été en ce pays, je n'ai travaillé à autre chose, et je crois que vous m'aviez déjà ou parler auparavant que j'avais fait dessein d'en mettre quelque chose par écrit; mais je ne juge pas à propos de le faire, que je n'aie vu premièrement comment la physique sera re÷ue...Mais je ne laisserai pas de toucher en ma physique plusieurs questions métaphysiques, et particulièrement celle-ci:

Que les vérités mathématiques, lesquelles vous nommez éternelles, ont été établies de Dieu et en dépendent entièrement, aussi bien que tout le reste des créatures...Ne craignez point, je vous prie, d'assurer et de publier partout, que c'est Dieu qui a établi ces lois en la nature, ainsi qu'un roi établit des lois en son royaume." (AT I, S. 144-145)

skeptischen Argumente für die metaphysischen Beweise der Existenz Gottes und des substanziellen Unterschied der Seele vom Körper folgendermaßen erklärt:

"Aber ich konnte diesen Gegenstand (den Beweis der Existenz Gottes und den substantiellen Unterschied der Seele vom Körper; d. Verf.) nicht besser behandeln als durch die ausführliche Erläuterung der Falschheit oder Unsicherheit, die sich in allen von den Sinnen oder der Einbildungskraft abhängigen Urteilen finden, um hierauf zu zeigen, welches die nur von der reinen Urteilskraft abhängigen sind und wie sehr diese offenbar und sicher sind." (Baumgart, S.

78)29

Ist die erste Meditation in der Tat nichts anderes als ein "warming-up" für die Leser?30 Eine positive Antwort scheint an vielen Stellen bei Descartes Unterstützung zu finden. Hierzu gehören die Synopsis der ersten Meditation (AT VII, S. 12) und die Erwiderung auf den Einwand von Hobbes (ebd. S. 171-2). Trotzdem halte ich diese Lesart für problematisch.

Warum, kann folgendermaßen erklärt werden.

Der entscheidende Anlaß Wilsons zu ihrer methodologischen Interpretation liegt darin, daß sie das Hauptziel der Meditationes darin sieht, dem Leser die Grundlagen seiner neuen Physik zu vermitteln. Es ist wahr, daß Descartes in seinem Brief an Mersenne vom 18. März 1647 (AT III, 297-8), auf den Wilson sich auch beruft, sagt, daß in den Meditationes die Grundlagen der neuen Physik verborgen seien.31 An dieser Stelle ist aber problematisch, daß sie überhaupt nicht in der Lage ist, Descartes' Ansicht über die Beziehung zwischen der Metaphysik und der Physik (in B2, 4, 5 und C) ans Licht zu bringen. Damit meine ich folgendes. Wie wir sehen können, ist dort nicht einfach von der universalen Physik und der Metaphysik die Rede, sondern auch von ihrer besonderen Beziehung zueinander.32 So soll auch diese besondere Beziehung zu jenen unerhofften Reichtümern gerechnet werden. Diesen Punkt aber kann Wilsons Lesart überhaupt nicht ans Licht bringen. Dies ist nämlich nur dann möglich, wenn man berücksichtigt, wie er zu den metaphysischen Themen gekommen ist und wie er sie ausgearbeitet hat.

Dies läßt es interessant erscheinen, Hatfield zu betrachten. Er glaubt nämlich, daß die Betonung von Descartes' Entwicklung hin zu metaphysischen Themen eher für die methodo-logische Interpretation spreche als dagegen. Hatfield findet die Motivation, die Descartes zur

29. "Mais je ne pouvais mieux traiter cette matière, qu'en expliquant amplement la fausseté ou l'incertitude qui se trouve en tous les jugements qui dépendent du sens ou de l'imagination, afin de montrer ensuite quels sont ceux qui ne dépendent que de l'entendement pur, et combien ils sont évidents et certains." (AT I, S. 350)

30. Beide Interpreten, besonders Hatfield, betonen diesen Punkt sehr stark. Vgl. Hatfield, Reason, Nature, and God in Descartes in Essays on the Philosophy and Science of Rene Descartes, S. 262.

31. Vgl. Wilson, Descartes, S. 2-3.

32. In seiner Vorrede für die französische Ausgabe der Principia sagt er, daß die Metaphysik die Wurzel eines Baumes sei, dessen Stamm die Physik und dessen Zweige alle anderen Wissenschaften seien. Die Vorrede zitiere ich nach folgender Ausgabe: Die Prinzipien der Philosophie, Übers. v. Buchenau, Hamburg: Felix Meiner, 8. Auflage, 1992. Vgl. S. XLII.

Beschäftigung mit der Metaphysik, besser gesagt, mit der metaphysischen Theologie geführt hat, in seinem Brief an Mersenne vom 18. Dezember 1629 (AT I, S. 85-86) ausgesprochen.

Hier beklagt er sich darüber, daß es fast unmöglich sei, eine neue Philosophie (Naturphilosophie) zu vertreten, ohne den Anschein zu erwecken, daß sie gegen den Glauben verstoße. Worauf aber legt Descartes diese Klage fest? Eines kann man nicht leugnen: daß sie eine Motivation für die Beschäftigung mit der Metaphysik gewesen sein kann. Kann dies noch mehr bedeuten? Hatfield gibt sich nicht einfach damit zufrieden, sondern zieht daraus eine weitere Konsequenz, nämlich die, daß damit den Meditationes von Anfang an ein strategisches Ziel zugeschrieben worden ist: "I shall be attributing to Descartes an intellectual strategy that, I claim, allowed him to attack the intellectual basis for one aspect of what he considered to be the overly close relation between theology and metaphysics" (Reason, S.

261). So stehen neue Physik gegen alte Physik und neue Metaphysik gegen alte Metaphysik.

Demnach setzt er sich zur Aufgabe zu zeigen, wie Descartes mit seiner Doktrin der Abhängigkeit ewiger Wahrheiten von Gottes Willen sein strategisches Ziel erreichen kann.

Dies wirft aber zwei Probleme auf. Das eine Problem ist das, daß Hatfield in seiner Betrachtung über die Metaphysik Descartes' (B 3) und damit auch (C) außer Acht läßt. In der Metaphysik Descartes' ist aber nicht einfach von der Metaphysik als solcher, sondern auch von ihrem Status die Rede: ihre Wahrheiten sind viel augenscheinlicher und gewisser als die der Mathematik.33 (C) liefert mit Rekurs auf die Abhängigkeit der mathematischen Wahrheiten vom Willen Gottes den Grund, warum dies so ist. Das andere Problem ist viel ernsthafter als das erste und das von Wilson. Die Situation sieht demnach nun so aus, als ob Hatfield, um die methodologische Interpretation der ersten Meditation zu rechtfertigen, die Bedeutung der gesamten Meditationes aufs Spiel setzen wollte. Ich habe große Bedenken, ob und wie es von dieser Perspektive aus überhaupt möglich ist, den Meditationes irgendeine ernsthafte Bedeutung zu geben, da sie in diesem Fall nichts mehr als ein Werkzeug für einen gegebenen Zweck sein können.

Meiner Meinung nach ist es, um die erste Meditation richtig zu bewerten und zu interpretieren, entscheidend zur Kenntnis zu nehmen, daß Descartes aus einem reinen Zufall in der Metaphysik die Grundlagen seiner Physik gefunden hat. (A) und (B) bringen dies unmißverständlich zum Ausdruck. Dies stellt Descartes' Situation so dar, daß er sich, aus welchen Gründen auch immer, aber unabhängig von seiner Entscheidung für die Beschäftigung mit der universalen Physik, eines Tages dazu entschieden hat, sich mit der Metaphysik zu beschäftigen, und dann dadurch zufällig dazu gekommen ist, darin die Grundlagen seiner Physik zu finden. Dies schließt natürlich nicht die Möglichkeit aus, daß die Motivation, die ihn zur Beschäftigung mit der metaphysischen Theologie geführt hat, zu Beginn

33. Diese Behauptung kann man in den Meditationes häufig finden.

einzig und allein auf dem oben genannten strategischen Grund beruht. Wenn aber jene Möglichkeit besteht, dann muß die Frage nach der Art und Weise um so dringlicher und in-teressanter werden, in der er sich mit den metaphysischen Themen beschäftigt hat, derart daß dadurch ein von ihm unerwartetes Ergebnis zustande gekommen ist. Diese Frage bleibt offen, wenn man der Anwendung der Methode des Zweifelns nur eine methodologische Funktion zuschreibt. Dies ist auch der Fall, wenn man der Metaphysik nur eine strategische Funktion zuschreibt. Um die Frage zu beantworten, muß man Descartes' Erklärung der Notwendigkeit der Anwendung der Methode des Zweifelns in der Metaphysik sehr ernst nehmen. Dies kann folgendermaßen näher begründet werden.

Wie wir in (A) und (B 1) sehen können, sagt Descartes nicht einfach, daß die Beschäftigung mit Gott es ihm ermöglicht habe, die Grundlagen der Physik zu finden, sondern darüber hinaus, daß auch die Beschäftigung mit dem "Ich" es ihm ermöglicht habe. Dabei ist es wichtig darauf hinzuweisen, daß, obwohl der Gegenstand "Gott" für ihn ein neues Thema ist, der andere Gegenstand, nämlich das "Ich", kein neues Thema für ihn ist. Wir haben bereits gesehen, daß er sich dem "Ich" bereits in den Regulae zugewandt hatte, und das Ergebnis aus dieser Zuwendung kennen wir, nämlich seine Methodenlehre und seine Antwort auf die Restriktionsfrage. Obwohl dies seinen Zeitgenossen nicht bekannt gewesen sein mag, da die Regulae nicht publiziert worden sind, konnte es ihnen dennoch nicht vollkommen entgehen, da sich ein deutlicher Hinweis dazu in dem biographischen Abschnitt von De Methodo findet, nämlich der Hinweis, daß er sich zweimal dem "Ich" zuwendet. Wenn nun Descartes sagt, daß nicht die Beschäftigung mit "Gott" allein, sondern auch mit dem "Ich" es ihm ermöglicht habe, die Grundlagen der Physik zu finden, heißt dies, daß es einen Unterschied der Art und Weise seiner Beschäftigung mit dem "Ich" geben muß, aufgrund dessen er zu verschiedenen Ergebnissen kommen konnte. Die Antwort auf diese Frage liegt in der radikalen Anwendung der ersten Methode in De Methodo, nämlich in der Anwendung der Methode des Zweifelns.

So muß die erste Meditation als solche und für sich ernst genommen werden. Descartes' Doktrin von Gott in (C) muß auch in diesem Zusammenhang gelesen werden. Sie ist nämlich nicht etwas, das Descartes entworfen hat, um sein strategisches Ziel zu erreichen.

Zusammengefaßt: Mit "unerhofften neuen Reichtümern" meint Descartes nicht einfach die universale Physik und die Metaphysik, sondern vielmehr ihre besondere Beziehung zueinander, den besonderen Status der metaphysischen Wahrheiten den mathematischen Wahrheiten gegenüber, sowie die Abhängigkeit der mathematischen Wahrheiten von dem Willen Gottes.

Die Bedeutung der ersten Meditation liegt gerade darin, daß sie Descartes die Grundlage dafür liefert.