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II. Pragmatische Überlegungen zu dem erklärungsbedürftigen Phänomen

III. II. 1. Lockes pragmatische Erklärung

Warum empfiehlt Locke nicht das hypothetisch-deduktive Verfahren im Rahmen der Korpuskular- Theorie, obwohl er diese für die beste Theorie hält? Kann man diese Frage einfach dadurch beantworten, indem man (1) so interpretiert, daß die Erkenntnis von der (SII) zu praktischen Zwecken untauglich sei? Locke scheint dies zu meinen, wenn er sagt15:

"A Painter or Dyer, who never enquired into their causes, hath the Ideas of White and Black, and other Colours, as clearly, perfectly, and distinctly in his Understanding, and perhaps more distinctly than the Philosophers..." (II.VIII.2)

Die Antwort auf jene Frage ist dennoch "Nein". Es bleibt nämlich die Möglichkeit offen, daß die Erkenntnis von der (SII) viel mehr als die Erkenntnis von beobachtbaren Qualitäten dazu beiträgt, unser praktisches Leben zu verbessern. Locke benötigt also ein Argument für seine Behauptung. Und er hat ein Argument dafür:

"The complex Ideas, that our Names of the Species of Substances properly stand for, are Collections of such Qualities, as have been observed to co-exist in an unknown Substratum which we call Substance; but what other Qualities necessarily co-exist with such Combinations, we cannot certainly know, unless we can discover their natural dependence;

...in all their secondary Qualities, we can discover no connexion at all, ....1. Because we know not the real Constitutions of Substances, on which each secondary Quality particularly depends. 2. Did we know that, it would serve us only for experimental (not universal) Knowledge; and reach with certainty no farther, than that bare instance. Because our Understandings can discover no conceivable connexion between any secondary Quality, and any modification whatsoever of any of the primary ones."16 (IV.VI.7.; Hervorhebung d. Verf.)

Lassen wir den ersten Punkt im Zitat zunächst beiseite. Locke sieht demnach den Grund dafür, daß die Erkenntnis von der (SII) für unser Alltagsleben nicht von Nutzen sein kann, darin, daß sie nicht zur Erkenntnis von Relationen zwischen beobachtbaren sekundären Qualitäten bei-tragen kann. Locke hat hierin völlig Recht. Keine Erkenntnis von der (SII) kann dazu

15. In der Tat äußert er einen solchen Gedanken in II.XXIII.12.: “if by the help of such Microscopical Eyes, (if I may so call them,) a Man could penetrate farther than ordinary into the secret Composition, and radical Texture of Bodies, he would not make any great advantage by the change, if such an acute Sight would not serve to conduct him to the Market and Exchange’’. Obwohl der Vergleich des Gebrauches der Mikroskopie mit mikroskopischen Augen verfehlt ist (Dafür entschuldigt sich Locke in II.XXIII.13.), so ist doch wichtig, daß wir hier zumindest sehen können, warum er von der Suche nach der (SII) abrät.

16. Vgl. IV.III.11-13 und IV.VI.14.

beitragen. Aber dies heißt nicht, daß die Erkenntnis von der (SII) nicht praktischen Zwecken dienen kann. Zu erklären, warum dies so ist, ist keine schwierige Aufgabe.

Nehmen wir an, daß wir einen Gegenstand an einem Berg gefunden haben.17 Unabhängig von der Entscheidung der Frage, ob wir den Versuch machen, die (SII) des Gegenstandes herauszufinden, steht es uns völlig frei zu entscheiden, ob wir dem Gegenstand einen Namen geben oder nicht, und ob wir ihm einen Eigennamen oder einen generellen Namen geben. Die beiden Fälle lassen sich dadurch unterscheiden, daß wir im ersten Fall eine Verknüpfung zwischen dem Gegenstand und dem Namen herstellen, während wir im zweiten Fall eine Verknüpfung zwischen dem Namen und einer bestimmten Art von Gegenstand herstellen. Das letztere geschieht einfach dadurch, daß wir voraussetzen, daß es viele andere Dinge (mindestens noch ein anderes Ding) in der Welt gibt, die zusammen mit ihm eine Art bilden. In diesem Fall ist die (SII) die reale Essenz der betreffenden Art. Nennen wir sie in diesem Fall

"(RI)". Die Frage, ob eine solche Voraussetzung wahr ist, kann nur empirisch entschieden werden. Wenn sie wahr ist, ist die (SII) eine (RI). Wenn dies nicht der Fall ist, dann nicht.

Nehmen wir an, daß wir dem Gegenstand den generellen Namen "Gold" gegeben haben.

Wenn dies so ist, wird unsere Vorstellung von der Suche nach der (RI) und dem Zusammen-hang zwischen ihr und den Eigenschaften, mit denen wir den generellen Terminus verbinden, um mit Kripke zu sprechen, folgendermaßen aussehen:

"A priori, all we can say is that it is an empirical matter whether the characteristics originally associated with the kind apply to its members universally, or even ever, and whether they are in fact jointly sufficient for membership in the kind."18

Nehmen wir weiter an, daß wir den Versuch gemacht haben, die (SII) des Gegenstandes herauszufinden, und sie auch entdeckt haben. Dann werden wir die (SII) für die (RI) einer natürlichen Art namens "Gold" halten. Dann werden wir, um zu entscheiden, ob ein Gegen-stand derselben Art ist oder nicht, die (SII) dieses GegenGegen-standes daraufhin überprüfen, ob sie mit der (RI) identisch ist. Wenn ja, nennen wir ihn "Gold", wenn nicht, dann nicht. Dies ist der Grund dafür, daß wir, wenn die (SII) nicht mit der (RI) identisch ist, einen Gegenstand nicht

"Gold" nennen, auch wenn er alle identifizierenden Merkmale besitzt, die wir dem Gold gewöhnlich zuschreiben und mittels derer wir es zunächst identifizierten. Dies ist auch der Grund dafür, daß wir, wenn die (SII) identisch mit der (RI) ist, den Gegenstand "Gold"

nennen, auch wenn er keine von den oben genannten Eigenschaften besitzt. So gesehen zielt die Suche nach realen Essenzen vor allem darauf ab, ein sicheres Identitätskriterium für die Zugehörigkeit eines Gegenstandes zu der betreffenden Art zu finden, damit alle

17. Um unsere Betrachtung einfach zu halten, nehmen wir an, daß er nur aus einer Art von Stoff besteht.

18. Kripke, S. 137

Schwierigkeiten beseitigt werden, die wir bekommen, wenn wir nur von nominalen Essenzen ausgehen.

Dies ist noch nicht alles. Wenn die (RI) des Goldes identifiziert wird, benutzen wir sie auch als Basis, um zu erklären, welche von den Eigenschaften, die wir anfangs als identifizierende Merkmale benutzt haben, sich an der (RI) ergeben, welche nicht und warum, und welche anderen Eigenschaften sich aus der (RI) ergeben. Wenn dem so ist, scheint es so zu sein, daß Locke sich über die Rolle von der (RI) als Basis der Erklärung nicht im klaren ist. Dabei geht es überhaupt nicht um die Erkenntnis von Relationen zwischen sekundären Qualitäten, sondern um die Erkenntnis von Relationen von der (RI) und den sekundären Qualitäten (wenn dabei von den sekundären Qualitäten die Rede sein soll). Wenn wir die Eigenschaften eines Dreieckes untersuchen, untersuchen wir nicht Relationen zwischen Eigenschaften, die ein Dreieck hat, sondern Relationen zwischen dem Dreieck und seinen Eigenschaften.

Daß Locke sich nicht nur über die Rolle der (RI) als Basis der Erklärung, sondern auch als Identitätskriterium nicht im klaren ist, zeigt sich, wenn wir seine Erklärung der "adäquaten"

oder "vollkommenen Vorstellung" in II.XXXI. betrachten. In II.XXXI.3. nennt Locke die Vorstellung des Dreieckes "adäquat", und der Grund dafür liegt darin, daß sie die (RI) ist. Dies läßt vermuten, daß Locke als Kriterium für die Adäquatheit bzw. "perfectness" einer Vorstellung die Antwort auf die Frage behandelt, ob sie die (RI) als Identitätskriterium repräsentiert. Wenn wir aber seine Erklärung darüber weiter verfolgen, warum alle Vorstellungen von Substanzen "unvollkommen" oder "nicht-adäquat" sind, so finden wir den Grund nicht darin, daß sie nicht die (RI) als Identitätskriterien repräsentieren, sondern darin, daß wir ihre Eigenschaften nicht vollständig erkannt haben. Wenn dies aber in der Tat das Kriterium für die Vollkommenheit einer Vorstellung sein soll, ist es überflüssig zu sagen, daß nicht nur alle Vorstellungen von Substanzen (auch wenn ihre (RI)s identifiziert worden sind), sondern auch alle Vorstellungen von geometrischen Figuren unvollkommen oder nicht adäquat sind.

Trotz alledem scheint die Frage, ob und welchen Fehler Locke damit begangen hat, in Bezug auf mein Vorhaben irrelevant zu sein. Es geht hier nämlich in erster Linie nur um die Frage, ob Locke ein Argument dafür hat, von der Suche nach der (SII) abzuraten. Und er hat ein Argument dafür. Heißt dies nicht, daß das Thema damit erledigt ist, unabhängig davon, ob das Argument richtig ist oder nicht? In der Tat. Deshalb muß es eine andere und bessere Möglich-keit geben zu erklären, worauf Locke eigentlich mit jener oben zitierten Stelle (IV.VI.7) hinaus wollte. Da ich eine solche Erklärung am Ende dieses Kapitels anbieten werde, will ich im Folgenden als Vorbereitung dazu Frage stellen, ob Locke der Suche nach der (SII) deswegen abrät, weil er in der Tat, wie wir gesehen haben, glaubt, daß die Erkenntnis der (SII) keinen

praktischen Nutzen habe. Ich bin mit Yost einer Meinung, daß es sehr schwer vorstellbar ist, daß Locke dies glaubt.19

III. II. 2. Locke gegen seine eigene pragmatische Erklärung

Daß Locke von der Suche nach der (SII) deswegen abrät, weil er in der Tat glaubt, daß deren Erkenntnis ohne Nutzen sei, wird zweifelhaft, wenn wir einerseits betrachten, worin Lockes Argumente gegen die traditionelle Formtheorie liegen, und andererseits, wie gewiß er sich der Schwierigkeiten bewußt ist, denen wir ausgesetzt sind, wenn wir aufgrund mangelnder Erkenntnis von der (RI) nur von nominalen Essenzen ausgehen. Aus all dem folgt, daß sich Locke auch bewußt ist, welche Vorteile die Erkenntnis der (RI) mit sich bringt. Abgesehen davon zeigt seine Kritik an der Formtheorie vor allem, daß Locke sich über die beiden Rollen der (RI) im klaren ist. Sie weist nämlich zwei Aspekte auf: Der eine Aspekt ist der, daß substanzielle Formen keine Identitätskriterien von (RI)s sind. Der andere Aspekt ist der, daß sie nicht wie die (RI) Basis der Erklärung von Eigenschaften sind.

III. II. 2. 1. Lockes Kritik an der Formtheorie: (RI) als Basis der Erklärung Betrachten wir zunächst Lockes Erklärung von realen Essenzen;

"it may not be amiss to consider the several significations of the Word Essence.

"First, Essence may be taken for the very being of any thing, whereby it is, what it is. And thus the real internal, but generally in Substances, unknown Constitution of Things, whereon their discoverable Qualities depend, may be called their Essence. This is the proper original signification of the Word, as is evident from the formation of it; Essentia, in its primary notation signifying properly Being. And in this sense it is still used, when we speak of the Essence of particular things, without giving them any Name.20

Diese Erklärung ist nicht neu. Wenn wir an einem Gegenstand (z.B. einem Stück Gold) viele verschiedene Qualitäten wahrnehmen, nehmen wir an, daß es aus Korpuskularen mit einer inneren Struktur besteht, von denen sie abhängig sind. Dieser Komplex von Korpuskularen mit einer inneren Struktur ist die (SII), und Locke setzt die (SII) mit der Essenz im ursprünglichen Sinne des Wortes gleich, so daß er "Essenz" und "Seiendes" für synonym hält.

19. Vgl. Yost, S. 122-123.

20. III.III.15.

Lockes Argument gegen die traditionelle Formtheorie als Erklärung von Eigenschaften ist Folgendes. Wenn die substanziellen Formen reale Essenzen wären, müßte es möglich sein, aus ihnen durch deduktive Verfahren auf neue Eigenschaften der Einzelgegenstände der betreffenden Art zu schließen.21 Dies ist aber nicht möglich, da man keinen notwendigen Zu-sammenhang unter Eigenschaften identifizieren kann. Hierauf beruht Lockes Kritik an den Scholastikern, daß sie irrtümlicherweise glaubten, daß es zur Erweiterung der Erkenntnis über die Einzelgegenstände beitrage, sie in species und genera einzuteilen, und apriorische Überlegungen über ihre Beziehungen untereinander anzustellen.22 Was daraus bestenfalls folgt, sind triviale Wahrheiten, und schlimmstenfalls verbale Streitigkeiten. Obwohl Locke dies hier mit dem Beispiel einer geometrischen Figur erklärt, setzt er voraus, daß die Erkenntnis der (RI) die Erkenntnis von Eigenschaften erweitern werde. Wenn dem so ist, folgt unmittelbar, daß die Erkenntnis der (RI) sehr nützlich ist. Dies Vorstellung von der (RI) bezieht sich nicht nur auf geometrische Figuren, sondern auch auf physikalische Gegenstände. Locke sagt:

"I doubt not but if we discover the Figure, Size, Texture, and Motion of the minute Constituent parts of any two Bodies, we should know without Trial several of their Operations one upon another, as we do now the Properties of a Square, or a Triangle. Did we know the Mechanical affections of the Particles of Rhubarb, Hemlock, Opium, and a Man, ...we should be able to tell before Hand, that Rhubarb will purge, Hemlock kill, and Opium make a Man sleep... The dissolving of Silver in aqua fortis, and Gold in aqua Regia, and not vice versa, would be then, perhaps, no more difficult to know, than it is to a Smith to understand, why the turning of one Key will open a Lock, and not the turning of another."23

21. Vgl. II.XXXI.5. und 6.

22. Vgl. III.VIII.2.

23. IV.III.25.

III. II. 2. 2. Lockes Kritik an der Formtheorie: (RI) als Identitätskriterium Lockes Erklärung der nominalen Essenz ist Folgende:

"Secondly, The Learning and Disputes of the Schools, having been much busied about Genus and Species, the Word Essence has almost lost its primary signification; and instead of the real Constitution of things, has been almost wholly applied to the artificial Constitution of Genus and Species. 'Tis true, there is ordinarily supposed a real Constitution of the sorts of Things;

and 'tis past doubt, there must be some real Constitution, on which any Collection of simple Ideas co-existing, must depend. But it being evident, that Things are ranked under Names into sorts or Species, only as they agree to certain abstract Ideas, to which we have annexed those Names, the Essence of each Genus, or Sort, comes to be nothing but that abstract Idea, which the General, or Sortal (...) Name stands for. And this we shall find to be that, which the Word Essence imports, in its most familiar use. These two sorts of Essences, I suppose, may not unfitly be termed, the one the Real, the other the Nominal Essence."(III.III.15)

Obwohl das im letzten Abschnitt behandelte Argument Lockes zeigt, daß substanzielle Formen keine (RI)s sind, scheint dies doch nicht die Möglichkeit auszuschließen, daß die Klassifikation von Gegenständen nach substanziellen Formen als Identitätskriterien (die nach Locke durch Angabe einer bestimmten präzisen Anzahl von Eigenschaften genau definiert sind)24 mit der Klassifikation nach (RI)s identisch ist. Und Locke kann dies nicht einfach dadurch ausschließen, daß er die Möglichkeit des Gegenteils andeutet.25 Besondere Schwierigkeiten bereitet es Locke dabei, daß er nicht an die Möglichkeit glaubt, (RI)s (bzw. (SII)s) zu identifizieren.26 Aber wie Locke richtig gesehen hat, besteht die Möglichkeit, zu zeigen, daß die Klassifikation von Gegenständen nach substanziellen Formen und die Klassifikation nach (RI)s divergiert, nicht einzig und allein darin, (RI)s zu ermitteln. Eine andere Möglichkeit kommt in den Blick, wenn wir einerseits Lockes Erklärung zu generellen sortalen Termini von natürlichen Arten betrachten und andererseits sehen, wie er davon ausgehend gegen die Formtheorie argumentiert. Dies wird letzten Endes zeigen, daß Locke weiß, welchen Schwierigkeiten wir aufgrund des Mangels an Erkenntnis von (RI)s ausgesetzt sind.

Eine wichtige Frage, die Locke im dritten Buch des Essays thematisiert, ist die, wie erklärt werden kann, daß wir über generelle Termini verfügen. "All Things, that exist," sind

"Particulars" (III.III.1). Generelle Termini unterscheiden sich von Eigennamen dadurch, daß sie weder zur Bezeichnung eines Einzelgegenstandes verwendet werden, noch zur Bezeichnung einer Vielzahl von Gegenständen. Sie bezeichnen vielmehr Sorten von Einzelgegenständen.

24. Vgl. III.III.17., III.VI.17., 19., und 27., und III.X.14.

25. Vgl. z.B. III.III.13., III.IX.21. und III.X.21.

26. Auf diesen Punkt werden wir später zurückkommen.

Wie kann, fragt Locke, ein Terminus, der selbst einzeln ist, generell werden? Dies führt Locke auf die Idee, daß es etwas geben müsse, das als Brücke zwischen Einzelgegenständen und generellen Termini dient. Dies sind komplexe abstrakte Ideen:27 Ein Terminus wird dadurch generell, daß er als Symbol für eine komplexe abstrakte Idee (ein Bündel von beobachtbaren Eigenschaften) verwandt wird, und diese wird von uns durch Abstraktion aus gemeinsamen Ei-genschaften von verschiedenen Einzelgegenständen gebildet.28 Die so gebildeten abstrakten Ideen werden wiederum als Kriterien dafür verwendet, ob wir Einzelgegenstände mit dem betreffenden generellen Namen bezeichnen dürfen oder nicht. Daraus folgert Locke, daß species und genera bei den traditionellen Scholastikern nichts anderes als die abstrakten Ideen sind: "to be of any Species, and to have a right to the name of that Species, is all one"

(III.III.12). Wir werden nun überlegen, wie er davon ausgehend gegen die Formtheorie argumentiert.

Locke vertritt folgende Thesen:

(1) Die Bedeutung eines generellen Terminus ist eine komplexe abstrakte Idee (Ein Bündel von beobachtbaren Eigenschaften);29

(2) Die komplexe abstrakte Idee, die ein Sprecher mit einem generellen Terminus verbindet, wird von ihm selbst erzeugt.30

(2) folgt nach Locke aus (3):

(3) Es gibt viele Fälle, in denen verschiedene Sprecher ein und denselben generellen Terminus mit verschiedenen komplexen abstrakten Ideen verbinden.31

Außerdem vertritt Locke weiter folgende beiden Thesen:

(4) Ein Sprecher hält die komplexe abstrakte Idee, die er mit einem generellen Terminus verbindet, für die notwendige und hinreichende Bedingung der Zugehörigkeit eines Einzelgegenstandes zu der betreffenden Art;32

(5) Die Frage nach der Zugehörigkeit eines Einzelgegenstandes zu einer Art ist von der Frage abhängig, mit welcher abstrakten Idee ein Sprecher den Terminus verbindet.33

27. Es geht hier nur um komplexe abstrakte Ideen von stofflichen Substanzen.

28. Ich will hier nicht darauf eingehen, ob dies richtig ist oder nicht und was als "abstrakte" Idee verstanden werden kann und soll.

29. Vgl. III. II.2.

30. Vgl. II.XXX.3, III.II.3. und III.II.8.

31. Vgl. III.III.14, III.VI.31 und III.IX.17.

32. Vgl. III.VI.30. und 38.

33. Vgl. III.III.12-14. und 18., III.VI.26-27. und IV.IV.8-9.

(3) ist wahr. Wie steht es aber mit (4)? Um diese Frage zu entscheiden, greifen wir ein Beispiel Lockes auf. Ein Kind äußert angesichts des gelben strahlenden Schwanzes eines Pfaus "Gold".

Vielleicht haben seine Eltern ihm früher ein Stück Gold gezeigt und es "Gold" genannt. Was zeigt das Beispiel? Es zeigt, obwohl Locke es nicht explizit auf den Punkt gebracht hat, zunächst, daß das Kind den Terminus "Gold" als generellen Terminus verwendet. Andererseits zeigt es nach Locke, daß es den Terminus nur mit den beiden Eigenschaften, die es selbst aus dem Stück Gold abstrahiert hat, verbunden hat. Dies könnte bedeuten, daß (2) zutreffend ist.

Es zeigt weiter, daß es den Terminus synonym mit einem Bündel von Ausdrücken für Eigenschaften verwendet, mit denen es ihn in Verbindung bringt. Wenn dies alles wäre, würde daraus folgen, daß (4) wahr ist. Aber dies ist nicht alles, denn die Eltern reagieren in bestimmter Weise, wenn das Kind den Schwanz "Gold" nennt. Wie reagieren die Eltern? Sie würden, wenn Locke Recht hat, etwa sagen, "Ah, Du verwendest den Terminus "Gold" so!

Aber wir verwenden ihn anders." Würden sie wirklich aber so reagieren? Ich denke nicht.

Man könnte einwenden, daß damit Locke zu Unrecht eine absurde Position zugeschrieben werde. Obwohl dieser Vorwurf unberechtigt ist,34 wollen wir die Geschichte weiter so entwickeln, daß Lockes Position sinnvoller erscheint.

Wie würden die Eltern reagieren? Sie würden dem Kind sagen, daß der Pfauenschwanz kein Gold sei. Sie würden ihm vielleicht einige weitere Eigenschaften von Gold zeigen oder erklären, die es den Unterschied zwischen Gold und dem Pfauenschwanz erkennen lassen können. Das Kind lernt dadurch, daß nicht alles, was gelb ist und glänzt, Gold ist:

Wie würden die Eltern reagieren? Sie würden dem Kind sagen, daß der Pfauenschwanz kein Gold sei. Sie würden ihm vielleicht einige weitere Eigenschaften von Gold zeigen oder erklären, die es den Unterschied zwischen Gold und dem Pfauenschwanz erkennen lassen können. Das Kind lernt dadurch, daß nicht alles, was gelb ist und glänzt, Gold ist: