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NAVSTAR/GPS-Satellitennavigation

Im Dokument 12 Die Messung von Frequenz und Zeit (Seite 32-36)

Frequenzmessung

12.10 Atomuhren, Zeitzeichensender und Funknavigation

12.10.3 NAVSTAR/GPS-Satellitennavigation

Bereits in den sechziger Jahren war erkennbar, daß die herk¨ommliche Funkna-vigation den k¨unftigen Anforderungen nicht mehr gen¨ugen w¨urde. Zu diesen Anforderungen geh¨ort die weltweite dreidimensionale und hochpr¨azise Positi-onsbestimmung in Echtzeit, wobei das System wetterunabh¨angig 24 Stunden am Tag zur Verf¨ugung stehen muß. Dar¨uber hinaus sollen die Empf¨anger leicht zu handhaben sein. Unter Federf¨uhrung der US Air Force entwickelten die amerikanischen Streitkr¨afte ab 1973 das

”NAVigation Satellite Timing And Ranging/Global Positioning System (NAVSTAR/GPS)“, welches auch f¨ur die zivile Nutzung freigegeben ist.

Systemaufbau

Das Gesamtsystem besteht aus drei Segmenten: 24 von der Firma Rockwell entwickelte Satelliten, welche verteilt auf sechs Kreisbahnen in circa 20 000

Ki-12.10 Atomuhren, Zeitzeichensender und Funknavigation 427 lometern H¨ohe die Erde in ungef¨ahr 12 Stunden je einmal umlaufen, bilden das Raumsegment. Auf der Erdoberfl¨ache befindet sich dasKontrollsegment, bestehend aus f¨unf weltweit verteilten Monitorstationen zur Satellitenbeob-achtung und einer Master Control Station, um die Bahndaten der Satelliten vorauszuberechnen und das Verhalten der Satellitenuhren zu extrapolieren, sowie Bodenantennen, um die ermittelten Werte an die Satelliten zu senden.

DasBenutzersegmentwird von allen milit¨arisch und zivil genutzten GPS-Empf¨angern gebildet (Abb. 12.28). Jeder Satellit strahlt permanent ein kodier-tes Signal ab (Frequenzen 1575,42 bzw. 1227,60 MHz), welches unter anderem die genaue interne Satellitenzeit und die aktuellen Bahndaten des Satelliten, insbesondere seine aktuelle Position, enth¨alt. Zu diesem Zweck sind die Sa-telliten mit jeweils vier hochgenauen Atomuhren ausgestattet. Die absolute Genauigkeit der in den GPS-Satelliten im Einsatz befindlichen Rubidium-Uhren wird mit 3·109 Sekunden angegeben. Ein Benutzer empf¨angt die Signale und mißt die Laufzeit zwischen dem Zeitpunkt des Sendens am Satel-liten und dem Empfangszeitpunkt. Wird nun die gemessene Laufzeit mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit der elektromagnetischen Wellen multipliziert, so erh¨alt man die Entfernung zwischen dem Empf¨anger und dem Satelliten, des-sen Signal empfangen wurde. Im Idealfall l¨aßt sich mit einer Messung eine Kugelstandfl¨acheermitteln, das heißt, der Empf¨anger befindet sich auf einer Kugeloberfl¨ache mit dem angepeilten Satelliten im Mittelpunkt. Aus diesem Grund werden die genauen Positionsdaten des Satelliten mitgesendet. Mißt man gleichzeitig die Signale zweier Satelliten, so befindet man sich auf der Schnittlinie der beiden zugeh¨origen Kugelstandfl¨achen, also einer Kreisstand-linie. Bei einer dritten Messung erh¨alt man den genau definierten Standort des Empf¨angers. Da jedoch die Empf¨anger aus Kostengr¨unden anstatt mit

Abb. 12.28. Funktionsprinzip des Global-Positioning-Systems (GPS)

Atomuhren nur mit Quarzuhren ausger¨ustet sind, entsteht ein Meßfehler, so daß das Signal eines vierten bzw. auch die Signale von weiteren NAVSTAR-Satelliten herangezogen werden m¨ussen, um eine entsprechende Fehlerkorrek-tur durchf¨uhren zu k¨onnen. Minimale Zeitfehler entstehen zwangsl¨aufig auch aufgrund der sich zeitlich ¨andernden Wellenausbreitung in Iono- und Strato-sph¨are. Es gibt zwar Modelle, die diesen Einfluß zu beschreiben versuchen, ihre Anwendung kann aber die existierenden Fehler nicht vollst¨andig eliminieren.

Jeder Satellit sendet seine Signale auf zwei Frequenzen im L-Band, wo-bei f¨ur den zivilen Nutzer nur das L1-Signal (1575,42 MHz) wichtig ist. Dazu wird diesem Signal zun¨achst der

”C/A-Code (Clear/Access-Code)“ in Form einer Pseudo-Random-Noise-Sequenz aufmoduliert. Dabei handelt es sich um eine scheinbar zuf¨allige Sequenz, die sich jedoch im Intervall von einer Mil-lisekunde st¨andig wiederholt. Benutzt wird die Methode der Phasenmodula-tion mit einem ModulaPhasenmodula-tionstakt von 1,023 MHz. Zus¨atzlich wird dem Signal - ebenfalls durch Phasenmodulation - mit einem Takt von 50 Bit/s die Na-vigationsnachricht aufmoduliert, welche die Satellitenzeit und die Bahndaten des sendenden Satelliten enth¨alt. Die f¨ur die zivile Navigation wichtigen Da-ten sind in Bl¨ocken von 150 Bit enthalten, die sich st¨andig wiederholen. Die Navigationsnachricht wird innerhalb von 30 Sekunden empfangen.

Am Empf¨anger wird mit einem Signalprozessor die Laufzeit des Signals gemessen, indem zun¨achst intern

”pseudo-gleichzeitig“ ein ebenfalls mit dem C/A-Code versehenes Vergleichssignal erzeugt wird. Dann wird durch Kreuz-korrelation eine ¨Ubereinstimmung der Bitmuster des empfangenen und des intern erzeugten Signals herbeigef¨uhrt. Die eigentliche Meßgr¨oße ist also die Phasenverschiebung, die notwendig ist, um eine ¨Ubereinstimmung der Signale zu erzeugen und die proportional zur Laufzeit der Signale zwischen Satellit und Empf¨anger ist. Diese Information wird an einen Navigationscomputer wei-tergegeben, der aus mindestens vier Laufzeiten unter Zuhilfenahme der demo-dulierten Navigationsnachrichten ein System aus (mindestens) vier Gleichun-gen l¨ost. Ber¨ucksichtigt man die Tatsache, daß sich der C/A-Code jede Mil-lisekunde wiederholt, so erh¨alt man alle 300 Kilometer eine Mehrdeutigkeit, welche jedoch in der Praxis durch weitere Informationen eindeutig zu kl¨aren ist. Der milit¨arische P-Code (Protected-Code) benutzt eine PRN-Sequenz von 266 Tagen Dauer, wobei mit einem Modulationstakt von 10,23 MHz gearbeitet wird. Daraus resultiert nicht nur eine zehnmal so große Genauigkeit sondern auch eine erheblich kompliziertere Entschl¨usselbarkeit. Die Betreiber des GPS sind auch in der Lage, die den zivilen Nutzern zug¨anglichen Signale und Da-ten bestimmter SatelliDa-ten k¨unstlich zu verschlechtern. Dazu wird der Lauf der Satellitenuhren moduliert bzw. kleinere Fehler in die Bahndaten einge-arbeitet. Eine Eliminierung dieser Fehler ist nur mittels geheimer Verfahren m¨oglich. Diese mitSelective Availability bezeichnete Einschr¨ankung der Ge-nauigkeit wurde im Jahr 2000 von den Vereinigten Staaten aufgehoben, so daß fortan f¨ur die zivile Nutzung Genauigkeiten in der Positionsbestimmung von weniger als±10 Metern zur Verf¨ugung stehen. Vor der Aufhebung der Beschr¨ankung betrug die Genauigkeit lediglich±100 Meter. Es ist dem

Ver-12.10 Atomuhren, Zeitzeichensender und Funknavigation 429 teidigungsministerium der Vereinigten Staaten jedoch weiterhin m¨oglich, die f¨ur zivile Nutzer zug¨anglichen Daten und Signale beispielsweise in Kriegsge-bieten gezielt zu verf¨alschen bzw. abzuschalten, was dann mit dem Begriff Selective Deniabilitybezeichnet wird.

Differential GPS - DGPS

Um die Genauigkeit des GPS-Satellitennavigationssystem weiter zu verbes-sern, wurde das Differential Global PositioningSystem (DGPS) entwickelt.

Dabei wird an einem Ort, dessen exakte geographische Lage bekannt ist, die Position mittels GPS bestimmt. Aus der Differenz zwischen der dabei er-rechneten Position und der bekannten tats¨achlichen geographischen Lage er-gibt sich der lokale Fehler des GPS-Systems. Es ist m¨oglich, den Fehler je-des in Reichweite befindlichen Satelliten zu errechnen und diesen Fehler an DGPS-Empf¨anger zu ¨ubermitteln. Zur ¨Ubertragung der Fehler an geeignete Empf¨anger werden FM-Frequenzen sowie Satelliten benutzt. Da der Fehler der einzelnen GPS-Satelliten in der jeweiligen Region nun bekannt ist, ist eine genauere Berechnung der aktuellen Position m¨oglich. DGPS-Empf¨anger k¨onnen die Position metergenau bestimmen, typischerweise werden Genauig-keiten von unter±5 Metern erreicht.

SBAS - Satellite Based Augmentation Systems

Bei den SBA-Systemen handelt es sich um ein satellitengest¨utztes Differential GPS (DGPS). Die Korrekturdaten werden hier im Gegensatz zum Standard-DGPS von geostation¨aren Satelliten ausgesandt, was den Vorteil mit sich bringt, daß weder weitere terrestrische Sendestationen noch ein separater (Korrektursignal-)Empf¨anger beim Nutzer ben¨otigt werden. Es gibt hier vier, f¨ur unterschiedliche Regionen entwickelte Systeme, die untereinander weitest-gehend kompatibel sind. Das sog. Wide Area Augmentation System (WAAS) (Erweiterungssystem f¨ur einen großen Bereich), ist in USA und Kanada verf¨ugbar und wird speziell in der Luftfahrt verwendet. Dabei kon-trollieren 25 Bodenstationen das GPS-Signal und schicken entsprechende Kor-rekturdaten an zwei geostation¨are WAAS-Satelliten, die ihrerseits wiederum die entsprechenden Empf¨anger versorgen. Das MSAS (Multi-Functional Satellite Augmentation System) wurde in Japan entwickelt und deckt ein Teil des asiatischen Raums ab. Das GAGAN-System (GPS Aided Geo Augmentation Navigation) wurde in Indien entwickelt und befindet sich in einer Experimentierphase.

In Europa wird derzeit ebenfalls ein solches System unter dem Namen EGNOS(European Geostationary Navigation Overlay Service) auf-gebaut. Es sind 34 ¨uber ganz Europa verteilte Bodenmeßstellen, sog. RIMS (Ranging and Integrity Monitoring Station = Entfernungsmeß- und Inte-grit¨atsbeobachtungs-Stationen), und 3 geostation¨are Satelliten geplant. Bei

den Satelliten handelt es sich um sog. Inmarsat-Satelliten (International Ma-ritime Satellite), die infolge geschickter ¨ortlicher Anordnung ¨uber dem Atlan-tik, Zentralafrika und ¨ostlich von Afrika den gesamten europ¨aischen Raum abdecken. Zu Problemen kann es allenfalls im nordeurop¨aischen Raum kom-men, da hier die geostation¨aren Satelliten unter einem Winkel von nur 20 Grad zu sehen sind, was leicht zu Abschattungen und damit zu entsprechen-den Empfangsproblemen f¨uhrt.

Die jeweilige Position der RIM-Stationen ist exakt bekannt (wenige Zen-timeter Abweichung). Sie sind mit GPS-Empf¨angern und Auswerterechnern ausgestattet, die beim Empfang bzw. der Auswertung des GPS-Signals die Abweichung bestimmen. Außerdem kann aufgrund der Tatsache, daß die Sta-tionen sowohl das L1- als auch das L2-Band empfangen, die Laufzeitverz¨ oge-rungen durch die Ionossph¨are f¨ur jeden einzelnen Satelliten ermittelt wer-den. Da beim Empfang von mehr als vier Satelliten die Auswertung des GPS-Signales ¨uberbestimmt ist, kann man auch auf Fehler (Uhrenfehler bzw.

Positionsfehler) der einzelnen Satelliten schließen. Diese Informationen wer-den an ein sog. Central Processing Centre weitergeleitet, wo sie zur Gesamt-Korrektur weiterverarbeitet werden. Die Hauptfehlerquelle von Ein-Frequenz-Empf¨angern, so wie sie von privaten Nutzern verwendet werden, liegt bei der in der Ionossphare stattfindenden Signalverz¨ogerung. Hier hilft das von den SBA-Systemen errechnete aktuelle Korrekturgitter (IONO-Korrekturgitter) weiter, das gr¨oßte positive Auswirkung auf die Korrektur der GPS-Signale hat. So kann die maximale Abweichung von EGNOS bei der horizontalen Ortsbestimmung auf etwa 2 Meter heruntergedr¨uckt werden. Damit ist es beispielsweise hervorragend geeignet, dem Luftverkehr eine Exaktheit bei der Positionsbestimmung zu gew¨ahrleisten, die prinzipiell ausreichen w¨urde, ein Flugzeug ohne Landestrahl zu landen. Allerdings wird das EGNOS nicht in der Lage sein, die h¨ochste Stufe (CAT III, d. h. Minimum-Sichtweite bei Nebel ca. 100 m) des derzeit im Luftverkehr verwendeten ILS (Instrumentenlandes-ystem) zu ersetzen. Dennoch wird es in hervorragender Weise die Navigation im Luft- und Schiffsverkehr erg¨anzen und bestehende erdgebundene Naviga-tionsysteme abl¨osen [117]. Voraussichtlich wird EGNOS bereits Anfang des Jahres 2011 zur Verf¨ugung stehen. Finanziert wird das Projekt von der EU.

Die europ¨aische Raumfahrtagentur ESA hat die Koordination ¨ubernommen.

Im Dokument 12 Die Messung von Frequenz und Zeit (Seite 32-36)