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Naturschule Aggerbogen in Lohmar - „Grünes Klassenzimmer“ an der Agger – als lebendiges, kreatives Beispiel für angewandte

Im Dokument Vorträge der Workshops (Seite 35-42)

Na-turpädagogik im städtischen Bereich

Überblick zum Vortrag in Münster bei Grün in der Stadt“ am 15.10.08

Referentin: Almut Gebel-Höser

Worum es geht

Der Landschaftsgarten Aggerbogen mit der Naturschule Aggerbogen befindet sich am südwestlichen Rand des Naturparks Bergisches Land, östlich von Köln am West-rand des Bergischen Landes. Gegenüber dem kleinen Ortsteil Wahlscheid in der Flussaue der Agger zwischen Flussverlauf und der B 484 gelegen, gehört diese 16 ha große, unter landschafts-bzw. naturschutzstehende Fläche zur Stadt Lohmar (ca.

32.000 Einwohner) und damit zum Rhein-Sieg-Kreis. Als „Grünes Klassenzimmer“

an der Agger eröffnet die Naturschule Aggerbogen seit 1993/94 mit stetig steigenden Besucherzahlen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen die Wunderwelt Natur in über 350 Kursen jährlich. Über 9.000 große und kleine Schülerinnen und Schüler haben allein im vergangenen Jahr im Landschaftsgarten Aggerbogen das Leben von heimischen Pflanzen und Tieren kennen gelernt.

Flächenentwicklung

Der Aggerbogen - Gelände und Gebäude - blickt auf eine langjährige Entwicklungs-zeit zurück. Als das etwa dreieckige Auenwiesen- Gelände nach einem Erstgutach-ten 1989 Anfang der 1990er Jahre naturnah umgestaltet wurde, hatte die Stadtver-waltung zunächst nur eine ökologische Aufwertung des Gebiets im Sinne. Zuvor hat-te es dort einen „Campingplatz“, sowie arhat-tenarme inhat-tensiv gedünghat-te und genutzhat-te Wiesenflächen gegeben. Mit viel Aufwand und finanziert durch Städtebaufördermittel des Landes NRW wurden über 30.000 heimische Baum- und Straucharten gepflanzt, Hochwassermulden angelegt und Feuchtflächen geschaffen, also die Struktur der zuvor sehr monotonen und damit auch recht artenarmen Wiesenflächen deutlich ver-bessert . Eine Wertschätzung durch die Bevölkerung blieb jedoch zunächst aus.

Stattdessen gab es viel Kritik wegen der hohen Ausgaben und auch deshalb, weil das einst stark genutzte Auengelände (Camping, Schwimmen in der Agger, Motorc-rossfahren, Hundeauslauf, Feiern am Sportlerheim beim Sportplatz von Wahlscheid) nun von Besuchern als Landschaftsschutzgebiet geschont werden sollte (kein Lager-feuer, Hunde sind an der Leine zu führen, auf den Wegen bleiben).

Die Idee der Naturschule

Um nun die leise Schönheit des neuen Landschaftsschutzgebietes etwas bekannter zu machen, wurde 1992 von der damaligen Umweltberaterin Lohmars, Frau Dr. Gi-annetti, die erste Kindergartengruppe zu einer Wiesenexkursion eingeladen. Die Idee

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sprach sich schnell herum und mehr und mehr Gruppen wollten in den Aggerbogen.

Wind und Wetter erschwerten aber so manchen Ausflug und es lockte der Gedanke, das alte Sportlerheim, direkt an der Agger neben dem Sportplatz befindlich, zu reno-vieren und als Klassenraum für den Notfall zu nutzen. Die Idee der Naturschule war geboren.

Wer kommt in den Aggerbogen?

Es erwies sich bald als großer Erfolg, das Gelände den Menschen als naturpädago-gischen Ort zugänglich zu machen. Kindergartengruppen und Schulklassen waren von Beginn an sehr daran interessiert, den Aggerbogen zu besuchen. Was lockt im-mer mehr Besucher in den Aggerbogen?

• ein wirklich schönes Gelände mit der Stimmung, die der Fluss mit sich bringt;

• hier darf Natur angefasst, erforscht und erfahren werden;

• hier wird Natur wertgeschätzt, aber nicht tabuisiert;

• manchmal gehen die Uhren im Aggerbogen einfach langsamer - in einer sonst sehr hektischen Auto-Umgebung ist dies buchstäblich eine grüne Lunge zum tiefen Durchatmen im geschützten Umfeld

Jahr für Jahr kamen mehr Interessierte auf das Gelände. Das pädagogische An-gebot wurde immer weiter und umfangreicher ausgebaut. In vielen kleinen Schrit-ten wurde über die Jahre getestet, was ankommt und was nicht. Bis mittlerweile ganzjährig kontinuierlich das Gelände genutzt wird. Mehrere Kooperationspartner aus weiteren Bereichen der Natur - Pädagogik, sei es Erlebnispädagogik (Hoch-seilgarten, Floßfahrten), Kreativunterricht (altes Handwerk wieder beleben wie Filzen, Spinnen, Papierschöpfen) ermöglichen dies und zugleich ein sehr breit ge-fächertes, sehr abwechslungsreiches Programmangebot für Jung und alt.

Im Jahre 2000 wurde die magische Marke von 5000 Besuchern jährlich durchbro-chen, im Jahre 2005 wurde die 50000 Besucherin begrüßt und mittlerweile kommen über 9000 Besucher jährlich in den Aggerbogen s. Abb.1 Besucherzahlen 1993 bis 2007

3 Was zieht die Besucher an?

1.) Natur – Gelände – Agger

Es ist einmal das attraktive Gelände, der Fluss, die Wiesen, Vögel, keine Autos, Spaziergangmöglichkeit und Erholungssuche in der Natur. Daneben gibt es die Mög-lichkeit für Spiel und Spaß auf dem „Bolzplatz“ am Wochenende.

Vor den Augen und mit Hilfe der Besucher eroberte die Natur den Aggerbogen all-mählich nach der Rekultivierung Anfang der 1990er zurück. Eine Bestandsaufnahme der gesamten Vegetation und Besonderheiten der Fauna – Amphibien, Tagfalter, Nachtfalter, Vögel, Libellen, Laufkäfer aus den Jahren 2000-2002 hat gezeigt, dass die Zahl der Tier- und Pflanzenarten nach der Renaturierung kontinuierlich gestiegen war. Beispielsweise nahm in den ersten 10 Jahren die Pflanzenvielfalt um 80 % zu, der Bestand an Libellenarten stieg von zwei auf 16 an. Die Anzahl der beobachteten Vogelarten stieg von einigen 40 auf über 60 Arten. Das naturbelassene Ufer der Ag-ger mit temporärer Kiesbank und mäandrierendem Flusslauf zeigte sich als beson-ders gefragten Wohnraum für ökologisch wertvolle Laufkäferarten.

Aufwertung durch Errichtung ökologischer Kleinstrukturen

Neben der natürlichen Sukzession ist die ökologische Wertsteigerung auch ein Er-gebnis der Anlage von Kleinstrukturen wie Trockenmauern oder Benjeshecken, Wei-denbauwerke („Grünes Klassenzimmer“) durch die Mitarbeiter der Naturschule und mit Hilfe der Besucher. Ein Imker zog mit seinen Bienen auf der Fläche ein. Die Idee der Lehrgärten wurde umgesetzt im „Schmetterlingsgarten“ und

„Bienen-Trachtpflanzen-Garten“. Die Streuobstwiese mit alten Obstbaumsorten bestückt nimmt an Bedeutung zu je älter sie wird.

2.) Naturschule Aggerbogen – angewandte Naturpädagogik – Naturschutz praktisch und zum Anfassen

Angezogen werden viele Besucher durch ein vielseitiges, besonders auf die Bedürf-nisse der Schulklassen, der Kinder wie der Lehrer zugeschnittenes pädagogisches Angebot, aber auch den Bedürfnissen von Familien wird durch Ferienprogramm etc Rechnung getragen.

Heute ist der Aggerbogen als außerschulischer Lernort etabliert und es kommen täg-lich Besucher aus dem ganzen Rheinland. Das Jahresprogramm mit vielen Sonder-veranstaltungen und ein Hochseilgarten für Trainingsprogramme sorgen mit für stei-gende Besucherzahlen

.

Wie finanziert(e) sich die Idee Naturschule im Aggerbogen?

Über die Jahre ist ein Puzzle aus vielfältigen Finanzquellen entstanden, das hier nur unvollständig aufgezeigt werden kann. Man kann sagen, die Idee wurde und wird umgesetzt jährlich mit Geldern

4 - der Stadt Lohmar

die Stelle der „Umweltbeauftragten“, laufende Gebäudekosten, teilweise Gelände-maßnahmen (Bauhof der Stadt Lohmar), anteilig Honorare der Mitarbeiterinnen - mitt-lerweile alles in allem ca. 100.000€ /Jahr

- des NABU Rhein-Sieg

• Honorare für die festen wöchentlichen und monatlichen Kindergruppen sowie Materi-alienbeschaffung

- Kursgebühren der Teilnehmer - der VHS und des Ökobildungswerks - des Landes Nordrhein-Westfalen

• Anschubfinanzierung 1990er Jahre für die Rekultivierung des Geländes und zu Be-ginn des neuen Jahrtausend für weitere Pflegemaßnahmen sowie Geländekartierun-gen

• Regionale 2010-Fördergelder für den Erweiterungsbau mit zweitem festen Klassen-zimmer mit Wänden etc.

- der NRW-Stiftung

Ökolabor 1994 (Küche), Erweiterungsbau – Fundament und Stützen 2008 - der Sparkassenstiftung

• Hochseilgarten, Lehrtafeln

- der Natur- und Umweltakademie (NUA) NRW

• Lehrpfad, Umwelttagsponsor

- im gegenständlichen Bereich der ansässigen (Garten-, Technik-)Firmen

Sachspenden und Arbeitskraft (Schuppenbau, Lehrgärtenanlagen, Pflanzenspenden) - vielen weiteren privaten Sponsoren

Die unermüdliche Suche nach weiteren Sponsoren, die Vielfalt der beteiligten Fi-nanzquellen, eine immer breiter gestreute Anerkennung durch diese Finanzgeber und besonders die damit praktische Entlastung der Haushaltkasse der Stadt bei gleichzeitigem Prestigegewinn durch steigende Anerkennung der Naturschulaktivitä-ten hat viel zum Erfolg beigetragen. Nach anfänglich nur mühsamer Duldung wenn nicht sogar Ablehnung in der Verwaltungswelt der Stadt Lohmar führte der Weg zur allmählichen Akzeptanz über das stetige inhaltliche Wachstum der Naturschule Ag-gerbogen und besonders über die stetig steigenden Besucherzahlen – und dies eben ohne einseitig allzu große finanzielle Ausgaben städtischerseits zu verursachen.

Mittlerweile hat die Naturschule eine Vorreiterrolle im weiteren städtischen Umfeld, besonders im Zusammenhang mit der :regionale 2010 und dem kommunal übergrei-fenden Projekt „KennenLernenUmwelt“ (s. www.kennenlernenumwelt.de ). Zusam-men mit den Kommunen Rösrath, Overath und Troisdorf hat die Stadt Lohmar mit

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der Naturschule den A-Status erreicht und damit die Befähigung erworben, Förder-gelder des Landes aus diesem Projekt zugesprochen zu bekommen. Damit nun wird endlich eine Erweiterung des kleinen Naturschulgebäudes möglich, besonders die Situation der Toiletten und die Platz - Regenproblematik bei 2 Parallelklassen kann durch den Anbau gelöst werden.

Sachspenden

Geldspenden Honorare NaBu Honorare Eltern

Honorartitel Stadt

Eigenfinanzierung Teilnehmer

Abb. 2. Überblick Finanzierung der Naturschule im Jahr 2007

Erfolgsfaktoren ?

Es gibt kein allgemeingültiges Rezept. Hier kamen günstige Rahmenbedingungen und menschliche Fähigkeiten sich positiv ergänzend zusammen. Erfolgsfaktoren wa-ren sicherlich

• eine vorgefertigte Fläche aufgrund der Rekultivierungsmaßnahmen 1990/1991

• die richtige Umweltbeauftragte zur rechten Zeit...

• Beharrlichkeit und viiiiel Geduld

• das Gespür für die „richtige“ Sache

• das „Ohr am Kunden“

• ein Team, welches aus unterschiedlichen Gründen jederzeit bereit war sich für das Projekt über jedes normale Maß hinaus zu engagieren und sich hervorra-gend in den Eigenschaften und Wissensgebieten ergänzte

• vielfältige Ideen

• Honorarkräfte mit besonders viel Miteinander-Motivation

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Wichtig für den Erfolg waren neben allem Idealismus auch noch

• zwei Bürgermeister als unerschrockene Befürworter gegen viele anfängliche politische Bedenken

o Zunächst der damalige Stadtdirektor und spätere Bürgermeister Horst Schö-pe, ein echter Wahlscheider, dem diese Auenfläche persönlich am Herzen lag.

o Sein Nachfolger im Amt – der jetzige Bürgermeister Wolfgang Röger, als Beigeordneter lange Jahre bereits im Vorgang um die Naturschule und das Gelände involviert.

o Ein Amtsleiter Stadtentwicklung Herr Rübben, der seiner Mitarbeiterin Frei-raum gab und Eigenengagement tolerierte.

o Ein aktiver NABU-Kreisverband des NABU Rhein-Sieg mit dem Vorsitzenden Dr. Wolfgang Kemmer, der sich für die Belange der Kinder und der Natur hier sehr stark eingesetzt hat und einsetzt.

o Wolfgang Hübner, engagierter, aktiver Lohmarer Bürger und Kleingar-tenverein-Vorsitzender mit der Bereitschaft, nun auch die Aufgaben des Vorsitzenden des Fördervereins Naturschule Aggerbogen e.V. zu tra-gen

• Durchhaltevermögen bei Gegenwind, das idealistische Ziel immer wieder fest im Blick (Kinder sollen die Natur mit allen Sinnen erleben dürfen, um zu wissen, warum sie sie jetzt und später als Erwachsene bewahren sollen.

Motto: Nur was man kennt, das kann man schützen)

Viele Veranstaltungen im kleinen und großen Rahmen, immer mit den Kindern und ihren Eltern, Großeltern, Freunden und Bekannten, aktiv durch Tanzen oder Musik dazu eingeladen, trugen ebenfalls viel zur Akzeptanz durch die nähere Bevölkerung bei.

Spannungsbogen: – Bewahrung - Natur – Nutzung -

Sicherlich bleibt es wichtig, den Spannungsbogen von Natur- und Erholungsraum nicht zu überdehnen. Mit der Kartierung und Dissertation zu diesem Thema konnten stärkere Widersacher der Idee Naturschule im Naturschutzgebiet überzeugt werden:

Das Naturschutzgebiet existiert in Symbiose mit der Naturschule und umgekehrt.

Genug Freiraum für die Natur muss bleiben und die Erholungssuche der Menschen muss sich diesem Anspruch anpassen, damit die Symbiose von Landschaftsgarten Aggerbogen und Naturschule Aggerbogen auch weiterhin Bestand hat. Die große Nachfrage der Besucher und der Ausbau der Naturschule einerseits bei Bewahrung der Rückzugsbereiche und Ruhezonen für Tiere im Gelände ist Bedingung im rück-sichtsvollen Miteinander von Mensch und Natur. Mit dieser Systemvernetzung muss und wird weiterhin verantwortlich umgegangen werden.

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Angewandte Naturpädagogik

Die Besucher und Besucherinnen erfahren auf Exkursionen alles Wissenswerte über Fledermäuse und Insekten, lernen den Lebensraum der Fische und Frösche an der Agger kennen und entdecken die Ordnung in einem Bienenstaat. Selbstverständlich erklären die Naturpädagogen ihren Schülerinnen und Schülern dabei auch, wie sie Honig schleudern oder Nisthilfen für verschiedene Tierarten bauen können. Nachzu-sehen ist das im Jahresprogrammheft 2008/09 oder im Internet

www.naturschule-aggerbogen.de

Kontakte

Leitung Naturschule Aggerbogen Umweltpädagogin bei der Naturschule Dr. Manuela Giannetti Almut Gebel-Höser

Hauptstraße 27-39, 53797 Lohmar Siefener Straße 10, 51674 Wiehl Tel.: 02206 / 2143 Tel: 02262 / 751457

E-Mail: naturschule-aggerbogen@t-online.de email: almut.gebel@hoeser.info

17.11.2008

Im Dokument Vorträge der Workshops (Seite 35-42)