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Muster verlassen können - Beweglichkeit im Kopf

Im Dokument Bewegte Schule! (Seite 28-32)

Jochen Hering Vorwort

3. Muster verlassen können - Beweglichkeit im Kopf

Wenn pädagogische Handlungskompetenz u.a. darin besteht, neuartigen Situationen und überraschenden Problemen spontan mit auch ungewöhnlichen Verhaltensweisen zu begegnen, dann ist natürlich die interessante Frage:

Woher kommt diese Beweglichkeit? Ist das eine Fähigkeit, die sich üben lässt?

Ohne Frage ist diese Fähigkeit eng mit der Persönlichkeit von LehrerInnen verknüpft, hängt z.B. zusammen mit dem Mut zu unkonventionellen Lösungen, hängt zusammen mit der Fähigkeit, Abstand (auch emotionalen Abstand) zu Situationen zu halten, um nicht reflexhaft, sondern reflektierend handeln zu können.

Edward de Bono beschreibt in seiner „Denkschule - Zu mehr Innovation und Kreativität“4 Techniken / Strategien, die uns Situationen gegenüber „beweglich“ halten. Einige dieser Techniken wurden im Workshop vorgestellt.

Üben Sie sich darin, Muster zu erkennen!

Betrachten Sie Situationen (z.B. aus ihrem Arbeitsleben) einmal daraufhin, welchen Mustern Sie dabei jeweils folgen:

Wie sieht der Tagesablauf in Ihrer Klasse aus?

Wie gehen Sie mit schwierigen Kindern der Klasse um?

Wie kleiden Sie sich für den Unterricht?

Im Erkennen des jeweiligen Handlungsmusters steckt schon die Fähigkeit, Abstand zu gewinnen und das jeweilige Muster auf seine Tauglichkeit hin zu befragen.

Denken Sie in Alternativen!

Wer keine Alternativen hat / sieht, hat auch keine Möglichkeit, die Richtung seines Verhaltens zu ändern und kann sich auch nicht bewegen. Sehen Sie sich die folgende Zeichnung an. Was könnte diese Zeichnung alles darstellen?

Nehmen Sie sich 2 Minuten Zeit, verschiedene Möglichkeiten zu notieren.

Sie können ihre Alternativen anschließend mit denen auf der letzten Seite vergleichen.

Übertragen Sie das Denken in Alternativen einmal auf Situationen aus Ihrem Schulalltag.

Welche Alternativen fallen ihnen zu folgenden Beispielen ein:

 Eine Schülerin übt zum wiederholten Male mit Materialien, die sehr einfach sind und keine Herausforderungen für sie darstellen. Sie ist aber sehr zufrieden mit dieser Arbeit.

Welche Alternativen, sich zu verhalten, sehen Sie?

 Ein Schüler stolpert und stößt im Fallen mit dem Knie vor einen Tisch. Während er schmerzhaft das Gesicht verzieht, lachen einige Kinder.

 Welche Alternativen, sich zu verhalten, sehen Sie?

4 Edward de Bono’s Denkschule. Zu mehr Innovation und Kreativität, München 1990. Die im folgenden angeführten Techniken sind dem Buch de Bono’s entnommen.

 Eine Schülerin ihrer Klasse schenkt Ihnen etwas, das Sie überhaupt nicht leiden können.

Welche Alternativen, sich zu verhalten, sehen Sie?

Und noch eine Aufgabe:

 Ändern Sie doch bei den Situationen oben einmal jeweils das Geschlecht der betroffenen Schüler.

Ändern sich Muster Ihres Verhaltens dadurch?

Üben Sie das Anlegen von Sammlungen mit Alternativen, im Vorgriff auf Situationen oder im Rückblick bzgl. eines Verhaltens, mit dem Sie unzufrieden sind / waren.

Das Denken in Alternativen hilft ihnen, das Mitdenken verschiedenster Möglichkeiten im pädagogischen Alltag als ihr „neues Muster“ zu etablieren

Denken Sie langsam - die PMI Methode.

Sehen Sie sich das folgende Bild einer Schubkarre an und schreiben Sie dann - bevor Sie weiterlesen - vielleicht 3 bis 5 Kommentare zu dieser Schubkarre auf.

Was ist ihnen spontan eingefallen?

Dass Sie diese Schubkarre unpraktisch finden? Dass das Rad an der falschen Stelle angebracht ist? Dass es nicht leicht sein wird, mit dieser Schubkarre das Gleichgewicht zu halten? usw. Auf Fortbildungen mache ich - genau wie de Bono, dessen Buch ich dieses Beispiel entnommen habe5, immer wieder die Erfahrung, dass die TeilnehmerInnen sich vor allem spontan ablehnend und negativ zu diesem Modell einer Schubkarre äußern.

Warum?

Es passt eben nicht zu ihrem Muster und, dann noch daran gewöhnt, möglichst rasch zu einem Urteil / einer Meinung zu kommen6, fehlt die Zeit, das Vorgestellte (die Situation, den Konflikt) überhaupt erst einmal wahrzunehmen.

Interessanterweise neigen Kinder, so die Erfahrungen de Bono’s, die ich anhand meiner Erfahrungen bestätigen kann7, im Unterschied zu Erwachsenen weniger dazu, möglichst rasch zu werten, sondern sie entdecken eher auch neue und überraschende Möglichkeiten, zum Beispiel:

5 Vgl. Anmerkung 4, S. 79.

6 Zum Umgang von Schule und LehrerInnen mit „Zeit“ empfehle ich den Roman von Sten Nadolny, Die Entdeckung der Langsamkeit.

7 Eine einleuchtende Erklärung dafür wäre, dass Kinder noch nicht soviel Wissen wie Erwachsene, ihr Wissen

Mit dieser Schubkarre kann man viel besser enge und scharfe Kurven fahren.

 Sie ist sehr brauchbar, wenn man Löcher oder Gräben mit Erde füllen will.

 Ein Verheben des Rückrats ist nicht möglich, da man ja nicht mehr als das eigene Körpergewicht „drücken“ kann.

Um langsames Denken zu üben, schlägt de Bono die PMI-Methode vor. 8 P steht für Plus, M für Minus und I für Interessant.

Denken Sie bitte mit Hilfe der PMI-Methode über folgende Vorschläge nach:

 SchülerInnen ab dem 16. Lebensjahr sollten für den Schulbesuch bezahlt werden!

 „Unsere“ gesamte Schule (auch das Lehrerzimmer) wird nur noch in Hausschuhen betreten!

Legen Sie sich eine PMI-Tabelle an, bevor Sie zu einem Urteil kommen.

Plus Minus Interessant

Es wird kein Schmutz mehr ins

Gebäude getragen. Es wird nicht leicht sein, Aufbewahrungsmöglichkeiten zu schaffen.

Ob sich das Verhalten ändert, wenn man Hausschuhe anhat.

Überall kann man sich auf den

Boden setzen. LehrerInnen in Hausschuhen

verlieren an Autorität Ich bin gespannt, ob...

Bei so vielen Hausschuhen sind Diebstähle wahrscheinlich usw.

Schlussgedanke

Bei Veranstaltungen im Rahmen der Lehrerfortbildung - wozu dieser Workshop ja gehörte - geht es letztlich um Schulentwicklung, um die Veränderung von Schule mit Blick auf bestimmte Wertvorstellungen, mit einem bestimmten Bild vom Kind und vom Lernen im Kopf.

Gleichzeitig sind mit Vorstellungen zur Entwicklung und Veränderung von Schule und Unterricht immer auch Ideen verbunden, auf welche Art und Weise solche Veränderungen initiiert und umgesetzt werden könnten.

Um Entwicklung und Veränderung initiieren, sich daran beteiligen zu können, müssen wir uns allererst Alternativen zum Vorhandenen vorstellen können, müssen wahrnehmen lernen, wieweit Muster/Routinen hilfreich oder einschränkend sind und neue Wege blockieren. „Wer sich mit Schulentwicklung beschäftigt“, schreibt Per Dalin in seinem Buch ‘Theorie und Praxis der Schulentwicklung’, „sollte nach meiner Auffassung zuallererst lernen, Schule und Gesellschaft aus neuen Perspektiven zu sehen.“9

8 Edward de Bono’s Denkschule, a.a.O. S. 31ff.

9 Per Dalin, Theorie und Praxis der Schulentwicklung, Neuwied 1999, S. 103.

Die Wahrnehmung der TeilnehmerInnen auf die eigene Beweglichkeit zu richten, war der Schwerpunkt dieser Veranstaltung. Denn sowohl bei der Diskussion um die Ziele von Schulentwicklung als auch bei der Arbeit an damit einhergehenden strukturellen Veränderungen müssen wir als LehrerInnen und Lehrer uns kritisch und ideenreich beteiligen. Innovationen kommen in der Schule schließlich nur dann an, wenn sie selbstverständlicher Teil des Schulalltags werden, wenn Lehrerinnen und Lehrer sie in die Klassenräume tragen. Und - denken wir an das Eingangsbeispiel unsere Lehrerin zurück, der es nicht gelang, ihren Unterricht neuen Erfordernissen anzupassen: In der Arbeit als Lehrerin und Lehrer macht Beweglichkeit, macht die kritische Reflexion eigener Muster und die Verfügung über Alternativen einen wichtigen Teil unserer professionellen Handlungskompetenz aus.

In Alternativen denken

Was das Bild auf der Seite 22 möglicherweise darstellen könnte:

2mit Helium gefüllte Ballons, Krapfen auf Stöckchen, Blumen, tot umgefallenes Skateboard, Draufsicht auf 2 Köche, die auf einer Veranda Spiegeleier braten. Draufsicht auf

2 Mexikaner, die sich gegen eine Wand stemmen, usw.

Dr. Jochen Hering Grundschul- und Sekundarlehrer Dozent an der UNI Oldenburg Besselstr. 56 D-28203 Bremen

Im Dokument Bewegte Schule! (Seite 28-32)