• Keine Ergebnisse gefunden

Musik wird in Erwägungsgrund (19) VRRL explizit genannt und ist bereits des-halb eine bedeutsame Ausprägung der digitalen Inhalte.

I. Vom Tonträger zum Download

Das Hören von Musik diente schon früh der Unterhaltung und dem Vergnügen der Menschen. Lange Zeit war dies nur „live“ möglich, indem einer musika-lischen Aufführung unmittelbar beigewohnt werden musste, um diese wahr-nehmen zu können. Mit den Möglichkeiten, die Tonträger bieten, hat sich dies jedoch dramatisch geändert. Musik kann auf einem Träger konserviert und wiederholt abgespielt werden. Auf die Erfahrungen von Thomas Alva Edison zurückgreifend, konnte der Hannoveraner Emile Berliner 1887 seine Idee ver-wirklichen, Musik einem großen Publikum zugänglich zu machen: Er erfand Grammophon und Schallplatte.258

In den 1980er Jahren wurde sie nach und nach von der CD abge-löst.259 Mit dieser wurde erstmalig die digitale Speicherung von Musik

258 Grevener, Emil Berliner – Geschichte der Tonträger, abrufbar unter: www.planet-wissen.de/kultur/musik/geschichte_der_tontraeger/pwieemilberliner100.html.

259 Vgl. Benrath, Jetzt erst? Die CD stirbt, 18.07.2018, abrufbar unter: www.faz.net/aktuell/

wirtschaft/diginomics/cd-kommentar-jetzt-erst-15697037.html.

möglich.260 Einen weiteren Durchbruch stellte die Entwicklung des Audiofor-mats mp3261 des deutschen Fraunhofer Instituts dar, mit dem eine plattform- und geräteunabhängige Nutzung von Musik realisiert werden konnte. Durch das spezielle Kompressionsverfahren, bei dem die vom menschlichen Gehör nicht wahrnehmbaren Töne262 herausgefiltert werden,263 konnte eine starke Reduktion der Dateigröße264 erreicht werden.265 Gerade in den Anfangszeiten des Internets mit niedrigen Bandbreiten war dies ein immenser Entwicklungssprung bei der trägerlosen Verbreitung von Musik. Doch erst nachdem sich illegale Musik-tauschbörsen verbreitet hatten, die für einen massiven Umsatzrückgang beim Handel mit physischen Tonträgern gesorgt hatten, sah die deutsche phonogra-phische Industrie ein, dass mit legalen Angeboten diesem Trend entgegenge-steuert werden musste.266

Bei der Bezugsform des Downloads wird durch einen Datenstrom am Ziel-gerät des Nutzers eine Kopie des Titels erstellt und somit an diesen übermit-telt. Die erhaltene Kopie befindet sich sodann in seinem „Besitz“, kann beliebig oft angehört werden und imitiert damit das klassische Kauferlebnis physischer Trägermedien.267 Schließt der Nutzer einen Vertrag über einen kostenpflichtigen Musikdownload ab, erwartet er, unmittelbar nach Abschluss des Bestellvorgangs auf eine Seite weitergeleitet zu werden, die einen Downloadlink enthält und es ihm ermöglicht, seine Datei sofort auf den eigenen Computer herunterzuladen und sie sogleich anhören zu können. Die Audioqualität muss dem entsprechen, was Anbieter und Nutzer zuvor vereinbart haben. Fehler beim eigentlichen Downloadvorgang (etwa ein Verbindungsabbruch) sind häufig auf den Inter-netanbieter des Nutzers zurückzuführen. Daher übernehmen die Anbieter der Inhalte hierfür meist keine Verantwortung.

260 Patalong, 25/30 Jahre CD:  Die digitale Revolution trug  Silber, 2007, abrufbar unter:  www.spiegel.de/netzwelt/tech/25-30-jahre-cd-die-digitale-revolution-trug-silber-a-500313.html.

261 Auch MPEG-1 Audio Layer III oder MPEG-2 Audio Layer III.

262 Brunotte, Urheberrechtliche Bewertung der Streamingfilmportale, S. 7.

263 Zur Technik und Entwicklung im Detail siehe die Website des Fraunhofer Instituts, www.mp3-geschichte.de/.

264 Datenkomprimierung auf weniger als ein Zehntel des ursprünglichen Umfangs, siehe Papathoma-Baetge/Iliev, in: Rechtshandbuch E-Business, Rn. 834.

265 Übersichtlich zu technischen Hintergründen Kreutzer, GRUR 2001, 193 (197).

266 Vgl. Hoenike/Hülsdunk, MMR 2004, 59 (59).

267 Bäcker/Höfinger, ZUM 2013, 623 (623).

II. Allgemeine Unterscheidung zwischen Download und Stream Das Streaming als Form der Bereitstellung unterscheidet sich wesentlich vom Download. Vereinfacht lässt sich dieser Unterschied damit beschreiben, dass es sich beim Streaming nicht mehr um das klassische „Besitzen“ der Musik handelt, sondern der Hörer dabei lediglich den Zugang zu ihr erhält. Wird der Down-load gestartet, erfolgt eine vollständige Übertragung der ausgewählten Datei.

Das Lied kann erst dann angehört werden, wenn der Download abgeschlossen ist. Nach Abschluss des Downloadvorganges befindet sich eine Kopie des Songs auf der lokalen Festplatte des Nutzers. Diese Kopie wiederum lässt sich, je nach technischen Schutzmaßnahmen, vervielfältigen und übertragen. Die Wieder-gabe kann nur mithilfe von zusätzlichen Programmen erfolgen. Beim Strea-ming268 dagegen erfolgt keine vollständige Dateiübertragung. Vielmehr „fließt“

ein steter Datenstrom vom Server des jeweiligen Anbieters zum Endgerät des Nutzers, das diesen empfängt und fast zeitgleich wiedergibt.269 Der deutsche Umsetzungsgesetzgeber bietet eine vereinfachte Abgrenzung beider Bezugsfor-men. Ohne ihn als solchen zu nennen, beschreibt er den Download als das Her-unterladen und Speichern sowie anschließende Sichtbarmachen der Daten. Das Verfahren des Streamings hingegen nennt er ausdrücklich und versteht es als das Sichtbarmachen der Daten während des Herunterladens in Echtzeit.270 Das

„Sichtbarmachen“ darf jedoch insbesondere bei Musik, die in erster Linie auditiv wahrgenommen wird, nicht wörtlich verstanden werden.

Anders als beim Download erfolgt beim Streaming also keine dauerhafte Speicherung der Inhalte auf der lokalen Festplatte. Kennzeichnend ist vielmehr, dass nach und nach kleine Datenteile übermittelt und diese zeitgleich wiederge-geben werden. Diese Datenteile verbleiben nur temporär im Arbeitsspeicher des Wiedergabegerätes. Der Vertragszweck ist bei derlei Diensten, dass der Kunde gegen Zahlung des vereinbarten Entgeltes die Inhalte auf die beschriebene Weise anhören kann. Der Internetgeschwindigkeit kommt hierbei eine noch größere Bedeutung zu als bei Downloads, da das Hörerlebnis nur möglich ist, wenn eine entsprechende Bandbreite zur Verfügung steht. Dies liegt jedoch nicht in der Sphäre des Inhalte-Anbieters.

268 Auf Deutsch etwa „fließend“.

269 Sieber, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Teil 1 Rn. 134; ausführlich zum technischen Hintergrund des Streaming Brunotte, Urheberrechtliche Bewertung der Streaming-filmportale, S. 12–14; Wandtke/Gerlach, GRUR 2013, 676 (676).

270 BT-Drs. 17/12637, S. 55.

III. Bloßer Zugang als der „neue Besitz“

Das Streaming von Musik generiert mittlerweile deutlich größere Umsätze als der klassische Download.271 Streaming als Nutzungsform bietet den Vorteil, dass kein Speicher beim Nutzer mehr in Anspruch genommen wird. Während beim Download die Sorge um die Kapazitätsgrenze des Speichers durchaus berechtigt ist, benötigt man für das Streaming lediglich eine stabile und schnelle Internet-verbindung. Auch ist das Angebot geradezu riesig, da jede nur erdenkliche Datei abgespielt werden kann, sofern sie sich im Angebot des Dienstes wiederfindet.

Zwar besteht bei vollständig heruntergeladenen Dateien mittlerweile auch die Möglichkeit diese auf andere Geräte des Nutzers zu kopieren (Laptop, Smart-phone, Tablet, mp3-Player etc.). Diesen Mehraufwand hat man beim Streamen jedoch nicht, da jedes Gerät potenziell die Tür zum Angebot des Anbieters öffnen kann.272 Unabhängig von Vor- und Nachteilen der einen oder anderen Bezugsart sprechen die Umsatzzahlen, die den Rückgang der Downloads und den Anstieg des Streaminggeschäftes belegen, eine deutliche Sprache. Insgesamt kann daher ein deutlicher Trend vom Download oder „Besitz“ hin zum Strea-ming beziehungsweise bloßem Zugang festgestellt werden.273

IV. Musik als digitaler Inhalt

Der rechtlich relevante Unterschied zwischen den beiden Nutzungsarten ist die Dauer der Überlassung der Musik: Beim Download liegt regelmäßig eine dauerhafte Überlassung in Form eines einmaligen Austauschverhältnisses vor274, während beim Streaming nur eine zeitweise Überlassung gewährt wird, solange die Vertragsabrede zwischen Anbieter und Nutzer besteht.275 Endet das

271 Zuletzt hatten Musikdownloads nur einen Umsatzanteil von 9,9 %, während das Musikstreaming mit 34,6 % deutlich vorne lag, siehe Bundesverband Musikindustrie (BMVI), Musikindustrie in Zahlen 2017, abrufbar unter: www.musikindustrie.de/file admin/bvmi/upload/02_Markt-Bestseller/MiZ-Grafiken/2017/BVMI_ePaper_2017.

pdf, S. 6.

272 Vorausgesetzt, dass das entsprechende Endgerät und die Anwendungen des Anbieters kompatibel sind.

273 Becker, ZUM 2013, 829 (830); Kreutzer, Freier Zugriff ist der neue Besitz, 10.09.2014, abrufbar unter: www.faz.net/aktuell/feuilleton/pop/verhaeltnis-zur-musik-zugriff-ist-der-neue-besitz-13146457.html; Peifer, AfP 2013, 89 (91); Zech, ZGE 2013, 368 (368).

274 Sofern vom „Download-To-Own“ ausgegangen wird, bei dem der Download dauer-haft lokal beim Nutzer verbleibt und nicht nach Ende eines Vertragsverhältnisses mit dem Anbieter automatisch wieder gelöscht wird.

275 Zech, ZGE 2013, 368 (368).

Vertragsverhältnis, endet auch die Möglichkeit der Musiknutzung, denn der Zugang bleibt verwehrt. Dies hat vor allem Auswirkung auf die Zuordnung der-artiger Rechtsgeschäfte zu den Vertragstypen des BGB. Hinsichtlich der Sub-sumtion unter die zuvor angepasste Definition ergeben sich keine Unterschiede zwischen beiden Nutzungsarten.

Das Lied oder Musikstück ist das Ergebnis eines künstlerischen Schaffenspro-zesses und damit auch „Inhalt“. Durch die Wahrnehmung über das Gehör kön-nen sie konsumiert und erlebt werden. Musik ist folglich nicht nur eine „Hülle“.

Als Ergebnis der oben skizzierten technischen Entwicklung werden Instru-mente und Stimmen heute bereits bei der Aufnahme in elektronisch codierte Informationen umgewandelt und in dieser Form gespeichert (Merkmal „her-stellen“), um sie anschließend bequemer weiterverarbeiten und auch verbreiten (Merkmal „bereitstellen“) zu können. Sie liegen also von vornherein „digital“ vor.

Nicht anderes gilt bei Liedern auf „normalen“ CDs (also einer nicht-mp3-CD).

Auf der Datenträgerschicht (sog. Programmbereich) befinden sich kleine Ver-tiefungen (Pits), die in unterschiedlichen Längen und Abständen einen digitalen Code ergeben.276 Auch hier ist die Darstellbarkeit in Zahlen und somit das Merk-mal digital also gegeben. Anders hingegen liegt es bei Schallplatten: Hier tastet eine Nadel die Vertiefungen der Platte ab und erzeugt bereits durch seinen Aus-schlag, der dem Weg dieser Rillen folgt, einen schwach wahrnehmbaren Schall.

Eine digitale Codierung ist hier ebenso wenig gegeben wie bei einer Musikkas-sette, die ein ähnliches Ergebnis durch Abtasten eines magnetisch geladenen Metallbandes erzeugt.

In den meisten heute gängigen Formaten ist Musik daher digitaler Inhalt gemäß der oben genannten Definition.

Im Dokument Analoges Recht in der digitalen Welt (Seite 79-83)