axialer und coronarer Schnittechnik oder Kernspintomogramme notwendig. Zur exakten
Bestimmung von Nervkanalverläufen im Unterkiefer war mehrfach eine hochauflösende und eine spezielle Denta-CT-Software erfordernde Tomografie nötig. Bei posttraumatischen oder
angeborenen und entwicklungsbedingten Defekten im Bereich des Mittelgesichts, der inneren knöchernen Orbita und der Kalotte war bei mehreren Patienten eine dreidimensionale
Bildrekonstruktion des Computertomogrammes zur exakten Analyse des knöchernen Defektes und Planung der Abmessungen und Fixierung des zu implantierenden Knochenersatzmittels notwendig.
Die radiologische Diagnostik erfolgte in Vorbereitung des operativen Eingriffs, unmittelbar
postoperativ (mindestens jedoch in den ersten 30 Tagen nach der Implantation) sowie im sechsten und im zwölften Monat nach dem Eingriff (Abb. 49).
6.1.2.2 Nuklearmedizinische Diagnostik
Zur Objektivierung der Knochenumbauprozesse im Gebiet der Implantation wurden in zeitlich definierter Folge nuklearmedizinische Skelettszintigraphien in planarer und SPECT-Technik (single-photon-emission-computer-tomography) durchgeführt. Zu diesem Zweck wurde ein mit dem
radioaktiven Nuklid 99m-Technetium markiertes Methylendiphosphonat intravenös appliziert und nach einer systemischen Verteilungszeit von 120 min. mittels Szintilationskamera die Anreicherung im Knochen gemessen. Methylendiphosphonat wird von vitalen Osteoblasten bei der Bildung von Knochen in der Osteoneogenese metabolisiert. Die quantitative Größe der Anreicherung in einer knöchernen Region des Körpers ist daher Ausdruck für einen aktiven Knochenstoffwechsel (zum Winkel 1990, Schicha 1991). Neben der digitalen Wandlung der in Scans gemessenen Signale werden diese in Form von farblich dichten und unterschiedlich lokalisierten Arealen des Skeletts sichtbar gemacht (Fogelman u. Collier 1989). Mit der Knochenszintigraphie können keine absoluten metabolischen Quoten gemessen werden, sondern durch den Symmetrievergleich Quotienten von metabolischer Aktivität im Vergleich zum örtlichen Maximum (Bares 1994).
Durch eine Abfolge von mehreren Untersuchungen sollte die Dynamik des
Knochenumbauprozesses kontrolliert werden. Die Knochenszintigraphie wurde drei Monate nach dem operativen Eingriff erstmals durchgeführt. Vorgesehen waren generell drei Untersuchungen, wobei die zweite im 9. postoperativen Monat, die dritte im 15. postoperativen Monat vorgenommen werden sollte. Stellte sich bereits neun Monate nach der Implantation eine Reduzierung des drei Monate postoperativ auffälligen Aktivitätsniveaus ein, so wurde in Einzelfällen auf eine letzte Untersuchung verzichtet.
Trotz der Unterschreitung der gesamtzulässigen radioaktiven Strahlenbelastung pro Jahr wurde die Konzentration des applizierten Radionuklids halbiert. Kompensatorisch wurde die Scan-Zeit
verdoppelt, um die Aussage der Untersuchung in gleicher Schärfe treffen zu können.
Bei Patienten mit einem Alter unter 18 Jahren und Frauen im gebärfähigen Alter wurde diese Untersuchung vermieden.
Seit 1994 wurde das Studienprotokoll erweitert. Zusätzlich wurde eine präoperative
Skelettszintigraphie durchgeführt. Hier sollte ein Ausgangsbefund erstellt werden, der Auskunft über die Grundaktivität des zumeist krankhaft veränderten Knochens geben sollte. Dieses Signal diente als Referenz für die weiteren Auswertungen.
Das Vorgehen entsprach einem durch die Ethikkommission der Einrichtung bestätigten Protokoll.
6.1.2.3 Histologische Diagnostik
Die gewonnenen knöchernen Gewebeproben wurden sofort nach ihrer Entnahme in eine gepufferte
10%-ige Formaldehyd-Lösung gegeben. Die Dauer der Fixierung betrug in der Regel ca. 16 Stunden, niemals weniger als zehn Stunden.
Als Einbettungsverfahren kommen bei dem speziellen Untersuchungsmaterial nur Methoden in Betracht, mit denen sowohl das in der Probe enthaltene Weichgewebe, als auch die Hartsubstanzen bearbeitet werden können, d.h. die in der Folge mit einem Mikrotom geschnitten werden.
Grundsätzlich wäre dies zum einen durch Entkalkung mit nachfolgender konventioneller
Paraffineinbettung möglich. Dabei ist jedoch mit dem Auftreten verschiedener Artefakte zu rechnen.
Eine weit bessere, aber auch aufwendigere Methode stellt die verwandte Metacrylateinbettung dar, wie sie zum Beispiel auch in der Knochen- und Knochenmarkhistologie Anwendung findet. Hierbei kann auf eine Entkalkung verzichtet werden, da bei Anwendung eines speziellen
Hartschnittmikrotoms geringere Schnittdicken als bei der konventionellen Paraffineinbettung möglich sind.
Für die anfallenden sehr kleinen Proben wurde das von Romeis (1989) empfohlene Verfahren verwendet: Die Gewebsstücke werden nach dem Entwässern in einer aufsteigenden Alkoholreihe für einige Stunden in absoluten Alkohol gegeben, danach werden die Proben in das metacrylathaltige Einbettmittel gebracht, welches bei langsam ansteigender Temperatur erst in die Gewebsstücke eindringt und bei Erreichen der kritischen Polymerisationstemperatur (zwischen 50°C und 60°C je nach Ansatz) polymerisiert und erhärtet. Die erforderlichen Zeiten richten sich weitgehend nach der Größe und Konsistenz des Gewebes und können entsprechend veränderlich sein.
Das Schneiden der Proben erfolgte mit einem Rotationsmikrotom (D- Messer) der Firma Reichert mit einer Schnittdicke von 1 µm. Die abgehobenen Schnitte werden dann auf beschichtete Objektträger aufgezogen und getrocknet. Das Eindecken erfolgt konventionell mittels Deckgläschen und
Eindeckharz. Als Färbungen dienten zum einen die konventionelle Hämatoxylin-Eosin-Färbung, zum anderen wurde von jedem histologischen Schnitt eine Färbung nach Goldner (1983) angefertigt. Die Methode nach Goldner stellt eine Trichomfärbung dar, mit der besonders Bindegewebe und
Knochen gut beurteilt werden können, insbesondere gestattet sie eine Differenzierung zwischen mineralisierter und nicht mineralisierter Knochenmatrix (Romeis 1989). Es färben sich dabei die angegebenen Komponenten an, wie in Tabelle 16 zusammengestellt:
Tab. 16: Anfärbung von histologischen Strukturen mit der Färbung nach Goldner
Zellkerne bräunlich
Zytoplasma ziegelrot Bindegewebe/ Kollagen grün saure Glukosaminoglykane grün
reifer mineralisierter Knochen leuchtend grün Osteoid rötlich-orange verkalkte Knorpelmatrix hellgrün
6.1.2.4 Mikrobiologische Diagnostik
Bei Patienten, die chronische Entzündungsreaktionen im Gebiet der Implantation oder der
benachbarten Weichteile aufwiesen, wurden Sterilabstriche sowohl aus dem Wundgrund, als auch von Fistelsekreten entnommen. Diese wurden in üblicher Weise in aerobe und anaerobe
Kulturmedien gegeben und nach Erregeranzucht einer Resistenztestung unterzogen.
Bei diesen Patienten wurden parallel dazu Entzündungsparameter und Temperaturmessungen sowie sonografische Wundgebietsbeurteilungen und Kontrollen des Lymphabstromgebietes vorgenommen.
114
6.1.2.5 Allgemeine Methodik
Die klinische Untersuchung beinhaltete nicht nur die inspektorische und palpatorische Prüfung der Implantatregion auf funktionell-mechanische Belastbarkeit, Verschieblichkeit, äußere Konfiguration und Reaktionszustand der periimplantären Weichgewebe, sondern auch die Objektivierung der funktionellen Zustände und die Dokumentation des subjektiven Empfindens des Patienten bezüglich Funktion und Ästhetik. Zur Objektivierung erfolgte eine fotografische Dokumentation.
6.2 Ergebnisse
6.2.1 Morbiditätsverteilung
Calciumcarbonat-Implantate (Biocoral®) wurden bei Erkrankungen des Fazio- und Neurokraniums oder deren Folgezuständen angewendet. Angeborene und entwicklungsbedingte Anomalien, knöcherne Defizite nach Tumoroperationen, als Folge von Entzündungsgeschehen oder
traumatischen Einwirkungen wurden behandelt. Die tabellarische Übersicht 17 verdeutlicht globale Zuordnungen zur gültigen Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-9).
Tab. 17: Biocoral®- Implantation und Morbiditätsverteilung
Kategorie Krankheitssystematik ICD- Nr. Anzahl
Kongenitale Anomalien Lippen-Kiefer-Gaumenspalten 749.2 23 Schädel-, Gesichts-, Kiefer- Deformitäten 754.0 15 Verletzungen/ Vergiftungen Fraktur des Schädeldaches 800.2 1
Fraktur des Unterkieferknochens 802.2 1 Fraktur der Kieferknochen und der Augenhöhle 802.4
802.6
14
Spätfolgen 905.0 2
Krankheiten
der Verdauungsorgane
Entzündliche Affektionen des Kiefers:
Chronische Oberkieferosteomyelitis 526.4 1
Odontogene Zysten 526.0 3
Aneurysmatische Kieferzyste 526.2 1
Krankheiten des Skleletts Osteomyelitis des Mittelgesichtes 730.1 2 Neubildungen Bösartige Neubildungen Unterkiefer 170.1 1 Gutartige Neubildungen Unterkiefer 213.1 4
Gesamt 68
Zumeist handelte es sich bei den Erkrankungen um sekundäre Korrekturen von persistierenden Knochendefiziten oder um Folgezustände nach traumatischem Knochenverlust, bei Knochenbruch-Defektheilung, nach ablativer Tumorchirurgie oder nach Entfernung entzündlicher oder zystischer Knochenveränderungen.
6.2.2 Verteilung der Implantate
Insgesamt gelangten 68 Patienten zur Auswertung, bei denen 89 verschiedene Implantate inkorporiert wurden. Die differente Zahl kam zustande durch das Auftreten kombinierter
Verletzungen, beispielsweise mit der Beteiligung von knöcherner Augenhöhlenkontur und lateraler Mittelgesichtsfraktur oder durch das Vorkommen doppelseitiger Kieferspalten.
Bei 7 Patienten erfolgten mehrfache operative Eingriffe zur schrittweisen Augmentation
ausgedehnter knöcherner Defekte. Die Zeiträume zwischen den Implantationen lagen bei minimal 6 bis maximal 13 Monaten.
Es wurden 25 anatomisch vorgeformte Biocoral®- Körper, 40 Blöcke in unterschiedlicher Stärke sowie 24 definierte Mengen Implantatgranulat eingesetzt.
Die Verteilung der Implantate auf die verschiedenen anatomischen Regionen ergab sich wie folgt (Tab. 18):
Tab. 18: Implantatverteilung auf anatomische Regionen
Anatomische Schädelregion Anzahl
Schädelkalotte 3
Knöcherner Orbitaring 14
Orbitaboden/ Orbitawände 9
Jochbeinmassiv 10
Jochbogen 5
Nasenskelett 2
Oberkiefer (Kieferspalte einseitig) 22 Oberkiefer (Kieferspalte doppelseitig) 3
Unterkiefer – Körper 11
Unterkiefer – Kinn 6
Unterkiefer - Gelenkfortsatz 1
Unterkiefer - aufsteigender Ast 3
Gesamt 89
6.3 Klinische Ergebnisse 6.3.1 Gesamtergebnisse
Die Patienten oder deren Angehörige wurden nach Inkorporation und bei vereinbarten
Kontrolluntersuchungen nach dem subjektiven Empfinden bezüglich des Wundheilungsverlaufes, des ästhetischen Ergebnisses und der funktionellen Beeinträchtigung bzw. Wiederherstellung befragt.
In den ersten 14 Tagen nach Implantation bewerteten 63 Patienten (92,6 %) das ästhetische Ergebnis mit "gut". Je zwei männliche und zwei weibliche Patienten waren "zufrieden" (5,9 %). Ein Patient hatte einen sichtbareren Erfolg erwartet und empfand das Ergebnis als "schlecht" (1,5 %).
Bedingt durch klinische Mißerfolge erhöhte sich die Zahl der mit "schlecht" bewerteten ästhetischen
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