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5. Diskussion

5.1 Motorische Komplikationen und Dyskinesien

Die klinische Wirksamkeit der LCIG-Therapie insbesondere bezüglich der Beweglichkeit und motorischen Komplikationen bei Patienten mit fortgeschrittenem IPS wurde in mehreren Studien belegt. Eine frühere Übersicht bieten Samanta et al.

2007 (Samanta, 2007). Ebenso soll in diesem Zusammenhang auf die Übersicht von Fernandez und Odin (Fernandez, 2011a) verwiesen werden.

Ab Ende der 80er Jahre demonstrierten frühe klinische Studien eine Reduktion der Fluktuationen sowie einen Rückgang der Dyskinesien bei Zunahme der „on“-Phasen unter der enteralen Levodopa-Infusion im Vergleich zur zuvor bestehenden oralen Kombinationstherapie des Patienten im fortgeschrittenen Stadium des IPS (Sage, 1988a; Sage, 1988b; Sage, 1989). Es handelte sich um offene klinische Studien mit kleinen Patientengruppen.

Bezüglich des Untersuchungsdesigns stach eine einzige, randomisierte, verblindete, Placebo-kontrollierte Cross-over-Studie hervor (Kurth, 1993). Man testete über eine nasoduodenale Sonde verabreichtetes Levodopa/Carbidopa gegen intermittierend gegebene Levodopa/Carbidopa-Tabletten in nicht-retardierter Form. Zehn Patienten mit fortgeschrittenem IPS wurden einem der 4-Tage-Protokolle zufällig zugeordnet, die sich alternativ aus Levodopa/Carbidopa-Infusion, Placebo-Infusion, Levodopa/Carbidopa-Tabletten bzw. Placebo-Tabletten zusammensetzten.

Kontrollen der Beweglichkeit wurde alle dreißig Minuten über 7 h an den Protokolltagen durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Studie sprachen für eine Erhöhung der Phasen „on ohne Dyskinesien“ im Durchschnitt um 1,1 h (p=0,03) und für eine Reduktion der „off“-Phasen um 1,1 h (p=0,03) unter der

Levodopa/Carbidopa-Infusion verglichen mit der optimierten peroralen Medikation zum Baseline-Zeitpunkt.

In einer weiteren klinischen Studie wurden fünf Patienten mit fortgeschrittenem IPS untersucht, die an Fluktuationen litten, obwohl sie bereits eine optimierte orale Medikation erhielten (Bredberg, 1993). Die Patienten erhielten über eine Woche mittels nasoduodenaler Sonde kontinuierlich die Levodopa/Carbidopa-Lösung.

Aufzeichnungen der Beweglichkeit wurden mit dem Posturo-Locomotion-Manual-(PLM)-Test vorgenommen (Johnels, 1989). Die Aufzeichnungen erfolgten sowohl für die Infusionstherapie als auch für die optimierte orale Medikation regelmäßig an jeweils zwei Tagen von 08:00 – 19:00 h. Gleichfalls erfolgten regelmäßige Bestimmungen der Levodopa-Konzentration im Plasma. Die Infusionstherapie war mit einer deutlichen Verbesserung der Beweglichkeit und einer Rückbildung der Fluktuationen verbunden.

Langzeitdaten bezüglich der enteralen Levodopa/Carbidopa-Infusionstherapie wurden von Nilsson et al. 2001 veröffentlicht (Nilsson, 2001). Bereits 1998 wurde in einer prospektiven Studie von 9 Patienten mit fortgeschrittenem IPS berichtet, die sich während einer Behandlung von 6 Monaten bis zu 2½ Jahren motorisch unter der Levodopa/Carbidopa-Therapie verbesserten (Nilsson, 1998). Zusätzlich zu diesen 9 Patienten wurden nun 19 weitere Parkinsonpatienten im fortgeschrittenen Krankheitsstadium untersucht. Man konnte für diese insgesamt 28 Patienten eine stabile klinische Antwort auf die Levodopa/Carbidopa-Infusion in einem Zeitraum bis zu 83 Monate demonstrieren (Median 44 Monate, Range 2 – 83 Monate).

In einer weiteren randomisierten, nicht verblindeten Cross-over-Studie mit 12 Patienten wurde über eine nasoduodenale Sonde verabreichtes LCIG gegen Levodopa/Carbidopa-Tabletten in retardierter Form (200/50 mg) getestet (Nyholm,

2003). Es handelt sich hier vorrangig um eine pharmakokinetische Studie, da engmaschig die Levodopa-Konzentrationen im Plasma gemessen wurden. Die orale Medikation wurde nach dem Bedarf des Patienten ausgerichtet. Patienten mit motorischen Komplikationen im Rahmen eines fortgeschrittenen IPS trotz einer optimierten oralen Medikation erhielten unabhängig von der zuvor bestehenden Medikation in der ersten „Baseline“-Woche eine orale Medikation mit Levodopa/Carbidopa-Tabletten in retardierter (200/50 mg) und nicht-retardierter Form (50/12,5 mg) nach Bedarf. Je nach Randomisierung starteten sie ab Ende der ersten Woche in eine dreiwöchige Behandlung bestehend aus Levodopa/Carbidopa-Tabletten in retardierter Form bzw. einer LCIG-Therapie ausschließlich. Für die verbleibenden drei Wochen erfolgte das „Cross-over“. Levodopa-Konzentrationen im Plasma wurden alle 30 min von 08:00 h bis 17:00 h an drei nicht aufeinander folgenden Tagen der zweiten und dritten Woche jeder Behandlungsperiode kontrolliert. Der Variationskoeffizient der Plasmakonzentration war bei der LCIG-Therapie signifikant kleiner als bei der peroralen LCIG-Therapie. Die motorischen Funktionen der Patienten wurden regelmäßig mit dem PLM-Test und mittels Videoaufnahmen analysiert. Die Evaluation der Videoaufnahmen zeigte eine Zunahme des „near-normal state“ (80% gegenüber 61%, p<0,01), ebenso eine Abnahme der Dyskinesien unter der Infusionstherapie gegenüber der peroralen Therapie (8% gegenüber 14%, p<0,01) sowie der „off“-Phasen (12% gegenüber 25%, p<0,01).

Die DIREQT (Duodopa Infusion: Randomized Efficacy and Quality of Life Trial) -Studie wurde in fünf schwedischen Zentren mit insgesamt 24 Patienten mit fortgeschrittenem IPS durchgeführt (Nyholm, 2005a). Die eingeschlossenen Patienten litten an motorischen Komplikationen trotz optimierter peroraler Medikation. Es handelte sich um eine 6-wöchige, randomisierte Cross-over-Studie, in der die

Monotherapie mit duodenal verabreichter Levodopa-Therapie verglichen wurde mit einer individuell optimierten oralen Kombinationstherapie. Es erfolgte eine zufällige Zuteilung der Patienten entweder zu einer dreiwöchigen Infusionstherapie oder zu einer individuell optimierten peroralen Kombinationstherapie. Nach drei Wochen erfolgte das „Cross-over“ zur alternativen Behandlung. Die Patienten wurden jeweils für einen Tag in der zweiten und dritten Woche jeder Behandlungsperiode stationär aufgenommen (also insgesamt für 4 Tage). Die motorischen Funktionen wurden an diesen Tagen in der Zeit von 09:00 h – 17:00 h per Video alle 30 Minuten aufgezeichnet. Diese Videosequenzen wurden unter Verwendung einer Treatment Response Scale (TRS) von verblindeten Ratern analysiert. Die Skala bietet die Möglichkeit, die Beweglichkeit bzw. die Dyskinesien von -3 („ausgeprägtes off“) bis +3 („on mit ausgeprägten Dyskinesien“) zu bewerten, wobei 0 „on ohne Dyskinesien“ entspricht. Man verwendete ein elektronisches Tagebuch für die Selbsteinschätzung des Patienten bezüglich der motorischen Funktionen und der Lebensqualität. Die Analyse der Videosequenzen zeigte, dass sich die „off“-Phasen (s. TRS -2 bis -3) bei den Patienten unter der Infusionstherapie deutlicher reduzieren ließen im Vergleich zur individuellen optimierten peroralen Kombinationstherapie.

Die Phasen im „functional on“ (TRS -1 bis +1) stiegen von 81% auf 100% (p=0,01) unter der Infusionstherapie, zu einer Zunahme der Dyskinesien kam es nicht.

Allen Patienten, die die DIREQT-Studie abschlossen (n=18), bot man an, die Infusionstherapie dauerhaft über eine PEG-Sonde (percutane endoskopische Gastrostomie) zu erhalten. 14 Patienten wählten diese Option, hiervon konnten 12 in eine weiterführende Studie eingeschlossen werden (Isacson, 2008). Diese Follow-up-Studie erfasste über 6 Monate motorische Fähigkeiten und die Lebensqualität dieser 12 Patienten unter der Infusionstherapie. Wie auch bei der DIREQT-Studie kamen hier der PDQ-39 sowie elektronische Tagebücher zum Einsatz, die den Vorteil eines

regelmäßigen Abfragens des Patienten viermal täglich erlaubten. Verwendet wurden 7 Fragen zur Beweglichkeit und zur Stimmung des Patienten, für die es jeweils 5 Antwortmöglichkeiten gab. Die elektronischen Tagebücher wurden in einer 14tägigen Periode am Ende der sechsmonatigen Follow-up Studie eingesetzt (im Mittel 4,3 Monate). Der PDQ-39 wurde nach Beendigung der DIREQT-Studie während der Follow-up Phase alle 3 Wochen durchgeführt (jeden 21. Tag). Erstmals wurden folgende Ergebnisse der DIREQT-Studie berichtet: Die 18 Patienten, die die 6-wöchige Cross-over-Studie beendeten, gaben eine höhere Zufriedenheit mit der allgemeinen Beweglichkeit an (OR = 2,56, p<0,05), ebenso einen Rückgang der

„off“-Phasen (OR = 2,83, p<0,01) sowie eine verbesserte Gehfähigkeit (OR=3,36, p<0,001) unter der Infusionstherapie im Vergleich zur konventionellen Therapie.

Dieses bessere Abschneiden in den genannten Punkten blieb stabil über die Follow-up-Phase, darüber hinaus berichteten die Patienten am Ende der Follow-up-Phase unter der Infusionstherapie ebenfalls über geringere Schwierigkeiten beim Verrichten der Hausarbeit (OR=3,23, p<0,05). Bezüglich der Ergebnisse der Lebensqualität siehe unter 5.2.

In einer offenen, prospektiven Studie in Norwegen mit fünf Patienten, die an dem IPS mit Fluktuationen litten, konnte die klinische Wirksamkeit der LCIG-Therapie über einen Zeitraum bis zu 2½ Jahren (im Mittel 19 Monate) bei guter Verträglichkeit belegt werden (Lundqvist, 2005).

Retrospektiv berichtete Nyholm von fünf Patienten mit fortgeschrittenem IPS, die deutlich von einer Umstellung der LCIG-Therapie auf eine 24-h-Gabe profitierten (Nyholm, 2005b). Ursprünglich erhielten die Patienten die Infusionstherapie nur tagsüber mit einer zusätzlichen peroralen Medikation zur Nacht, um nächtliche Bradykinese und Schlafstörungen zu reduzieren. Es ließ sich eine stabile

Verbesserung der genannten Symptome erzielen, ohne dass es zu Dyskinesien oder Halluzinationen kam (mittlere Behandlungsdauer 23 Monate).

Darüber hinaus konnten verschiedene Studien übereinstimmend zeigen, dass die LCIG-Therapie Fluktuationen, aber auch andere Parameter wie UPDRS-Scores oder Lebensqualität verbessert (Fernandez, 2011a).

In der Studie von Antonini et al. (2007), die 9 Patienten mit IPS im fortgeschrittenem Krankkeitsstadium einschloss, konnte u. a. gezeigt werden, dass die LCIG-Therapie sowohl nach 6 Monaten als auch nach 12 Monaten die „off“-Phasen im Tagesverlauf als auch Phasen mit mäßigen bis schweren Dyskinesien signifikant reduzierte (Antonini, 2007). In dieser Studie wurde ebenfalls die Treatment Response Scale (TSR) zur Selbsteinschätzung der Patienten verwendet.

In der Arbeit von Eggert et al. (2008) mit 13 Patienten, die an einem IPS im fortgeschrittenen Krankheitsstadium mit Fluktuationen und Dyskinesien litten, konnten die „off“-Phasen im Wachzustand der Patienten von 50% (±14, n=13) auf 11% (±9; n=11) nach 6 Monaten unter LCIG-Therapie reduziert, ebenso die Phasen

„on mit Dyskinesien“ durch die LCIG-Therapie in dem entsprechenden Behandlungszeitraum von 17% (±15, n=13) auf 3% (±6, n=11) vermindert werden (Eggert, 2008).

In einer 18-monatigen Studie ließen sich deutliche Verbesserungen unter der LCIG-Therapie bei neun Patienten mit fortgeschrittenem IPS erreichen (Puente, 2010). Die Patienten litten an Fluktuationen und Dyskinesien. Der UPDRS-Gesamtscore ließ sich von 46,2 ± 12,2 zum Baseline-Zeitpunkt mit konventioneller Therapie auf 28,7

± 11,9 (p<0.05) verbessern. Ebenso ließen sich die „off“-Phasen im Wachzustand signifikant reduzieren (p<0,05).

Verbesserte Werte der UPDRS wurden bereits als Zwischenergebnis der DAPHNE-Studie (Duodopa in Advanced Parkinson’s: Health Outcomes & Net Economic Impact) berichtet, eine über 36-Monate laufende offene, prospektive Multicenter-Studie aus Schweden und Norwegen (Pålhagen, 2010). 12 Patienten mit fortgeschrittenem IPS werden in dieser Studie mit LCIG-Therapie behandelt. Der UPDRS-Gesamtscore zeigte sich nach 12 Monaten deutlich verringert im Vergleich zu den Baseline-Daten (42,5 vs. 52,1, p=0,017).

Ebenfalls verbesserte Werte der UPDRS wurden als Zwischenergebnisse einer laufenden, internationalen offenen Studie nach Auswertung der ersten 192 Patienten unter LCIG-Therapie berichtet. Analysiert wurden der UPDRS-Gesamtscore sowie die Teile II, III und IV (Espay, 2011; Fernandez 2011b).

Die Untersuchung der Patienten in der vorliegenden Studie im Hinblick auf die Entwicklung der Beweglichkeit bzw. der Dyskinesien unter der LCIG-Therapie ist der Kern dieser Arbeit. Im Gegensatz zu den meisten der vorgenannten Studien erfolgte die Untersuchung der motorischen Entwicklung unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Parametern, um unterschiedliche Aspekte insbesondere der Dyskinesien beleuchten zu können.

Über die Patiententagebücher ließ sich eine deutliche Verringerung der „off“-Phasen verzeichnen, durchschnittlich kam es zu einer Reduktion der „off“-Phasen von 6,1 auf 2,0 h in der Wachzeit der Patienten unter LCIG-Therapie (-67%, p=0,008).

Dagegen kam es zu einer Steigerung der Phasen „on ohne Dyskinesien“ von 6,1 h auf 12,9 h in der Wachzeit der Patienten unter LCIG-Therapie (+111%, p=0,008).

Die Aufzeichnungen in den Patiententagebüchern spiegelten eine Reduktion der Phasen „on mit Dyskinesien“ durchschnittlich von 5,8 h auf 3,1 h (-47%, p=0,015) wider.

Die VAS bezüglich der Dyskinesieintensität zeigte eine Verminderung der Dyskinesieintensität von durchschnittlich 23,1 cm auf 2,4 cm unter 6-monatiger LCIG-Therapie (-90%, p=0,008).

Die UPDRS ist eine weitere Informationsquelle, die ebenfalls Aufschluss über die motorische Entwicklung des Patienten bietet. Zunächst sollen kurz die Ergebnisse rekapituliert werden:

Bei allen 9 Patienten zeigte sich eine Verbesserung, d. h. Abnahme des UPDRS-Gesamtscores im „on“ nach sechsmonatiger LCIG-Therapie. Durchschnittlich kam es zu einer Verringerung des Resultate von 49,6 Punkten vor auf 23,8 Punkten nach sechsmonatiger Therapie (-52%, p=0,008).

Der UPDRS-Gesamt-Score im „off“ verbesserte sich nach sechsmonatiger LCIG- Therapie. Betrug der Wert vor der Therapie mit LCIG 94,9 im Durchschnitt, so verringerte er sich auf 70 Punkte nach sechsmonatiger LCIG-Therapie (-26%, p=0,008).

Die gleiche Tendenz konnte bei Betrachtung der Abschnitte UPDRS II (Selbstbeurteilung der Aktivitäten des täglichen Lebens) und III (Beurteilung der motorischen Funktionen durch zertifizierte Untersucher) verzeichnet werden. Auch hier zeigten sich jeweils nach „on“ und „off“ aufgeschlüsselt deutliche Unterschiede.

Für UPDRS II im „on“ zeigte sich ein Rückgang von 10,4 Punkten vor auf 4,9 Punkte nach sechsmonatiger LCIG-Therapie (-53%, p=0,008), für UPDRS II im

„off“ von 28,1 auf 21,4 Punkte (-24%, p=0,008). Dementsprechend waren die Verbesserungen für UPDRS III im „on“ von 21,7 auf 11,6 Punkte (-47%, p=0,011) und im „off“ von 50,1 auf 42,1 Punkte (-16%, p=0,058). Von besonderem Interesse sind die Items 32 und 33, da sie Dauer und Ausprägung von Dyskinesien näher

beleuchten. Für Item 32 fand sich durchschnittlich ein Rückgang von 17 auf 7 Punkte (-59%, p=0,014), für Item 33 eine Verbesserung von 21 auf 6 Punkte (-71%, p=0,01).

Durch die Beurteilung der Dyskinesien nach AIMS und der Goetz-Scale – beide Untersuchungen wurden im Rahmen eines standardisierten L-Dopa-Tests durchgeführt - ist eine weitere Objektivierbarkeit der Dyskinesien möglich. In die Beurteilung beider Scores geht eine sehr exakte Beobachtung der möglichen Dyskinesien – aufgeschlüsselt nach sechs Körperpartien bei definierten Aufgaben/Verrichtungen – ein.

In der vorliegenden Untersuchung zeigte sich bei allen 9 Patienten eine Verbesserung bezüglich der AIMS-Ergebnisse, bei zwei Patienten ergab die Untersuchung nach 6-monatiger LCIG-Therapie einen Wert von 0. Durchschnittlich zeigte sich eine Verbesserung von 9,3 auf 2,8 Punkte (-70%, p=0,008).

Bei der Goetz-Scale verhielt es sich ähnlich. Nach 6-monatiger LCIG-Therapie kam es bei allen Patienten zu einem Rückgang des Scores, 4 Patienten wiesen keine Dyskinesien mehr auf. Der Wert verbesserte sich von 1,6 auf 0,4 Punkte im Durchschnitt (-75%, p=0,008).

Wie lassen sich diese Ergebnisse erklären?

Bisher wurden für die Entstehung der Fluktuationen und Dyskinesien maßgeblich zwei Aspekte identifiziert (Nilsson, 2001). Einerseits sind kurzfristige Änderungen der motorischen Leistungen zu berücksichtigen, die mit Levodopa-Plasmakonzentrationen korrelieren. Am wahrscheinlichsten für die Erklärung dieses Zusammenhangs ist der enge Bezug zwischen der Levodopa-Plasmakonzentration

und dem an der Synapse verfügbaren Dopamin bei Patienten mit fortgeschrittenem IPS mit verminderter Speicherkapazität für Dopamin bei reduzierter Anzahl dopaminerger Neuronen (Tedroff, 1996).

Andererseits sind längerfristige pathophysiologische Veränderungen bei Patienten mit fortgeschrittenem IPS zu berücksichtigen, die für Fluktuationen verantwortlich gemacht werden. Hier lassen sich verschiedene Gesichtspunkte trennen. Zu nennen wären eine geringere Schwankung der Levodopa-Konzentration im synaptischen Spalt (Fabbrini, 1988), eine verminderte Empfindlichkeit der Dopaminrezeptoren und nachgeschaltete pathologische Veränderungen im striato-pallido-thalamischen System (Chase, 1998b).

Die vorstehend genannten kurzfristigen Veränderungen werden schwerpunktmäßig mit der Entstehung von Fluktuationen in Verbindung gebracht, die längerfristigen Veränderungen zeichnen maßgeblich für die Dyskinesieentstehung verantwortlich.

Durch die LCIG-Therapie lassen sich stabilere Levodopa-Plasmakonzentrationen erreichen. Das erklärt sich durch eine kontinuierliche Zufuhr sowie durch eine Vermeidung der unregelmäßigen Magenentleerung, da die Verabreichung durch die PEJ direkt in den Dünndarm erfolgt. Hierdurch könnten positive Effekte auf die längerfristigen pathophysiologischen Veränderungen der betroffenen Patienten erklärt werden. So könnte die kontinuierlichere Stimulation der postsynaptischen Dopaminrezeptoren die Empfindlichkeit der Rezeptoren wieder normalisieren (Chase, 1998c; Engber, 1991; Engber, 1993; Olanow, 2000).

Zusätzlich zu diesen genannten kurz- und längerfristigen Veränderungen, die über die dopaminergen Schaltkreise unmittelbar die Motorik beeinflussen, lassen sich

allgemein weitere mögliche Aspekte nennen, die einen Beitrag zur Verbesserung der motorischen Funktion und zur Abnahme der Dyskinesien leisten könnten.

Ein Patient, der an einem IPS leidet und grundsätzlich eine verbesserte motorische Funktion unter einer veränderten Medikation bemerkt, wird auch in Zukunft mehr Zutrauen zur eigenen Beweglichkeit entwickeln und z. B. sehr hinderliche Ängste vor Stürzen abbauen können (Grimbergen, 2004).

Weiterhin könnten Trainingseffekte eine Rolle spielen, die sich auch z. B. unter einer physiotherapeutischen Therapie einstellen würden (Deane, 2001). So wären hier muskulo-skelettale und kardiovaskuläre Faktoren zu bedenken.

Zwei Faktoren erklären die hohe Prävalenz der orthostatischen Dysregulation bei Patienten mit IPS. Einerseits ist die Grunderkrankung selbst mit ihrem Einfluss auf das periphere Nervensystem zu nennen. Histologische Untersuchungen zeigten Lewy-Bodies im sympathischen Nervensystem. Andererseits können dopaminerge Medikamente eine orthostatische Dysregulation induzieren oder verstärken (Senard, 2003). Die kontinuierliche dopaminerge Stimulation könnte einen positiven Effekt auf das Blutdruckverhalten haben, wodurch sich möglicherweise sekundär auch eine Verbesserung der motorischen Fähigkeiten ergibt.

Eines der hervorstechenden Ergebnisse dieser Studie ist die Verbesserung des „on“

im Teil III der UPDRS unter der LCIG-Therapie. In Kenntnis der vorangehend diskutierten Ansätze – insbesondere der positive Einfluss auf die längerfristigen pathophysiologischen Veränderungen – erscheint dieses plausibel. Die besseren motorischen Leistungen sind vor dem Hintergrund der höheren dopaminergen Stimulation, die aufgrund der kontinuierlichen Verabreichung möglich war, einsichtig. Auch der Rückgang der Dyskinesien leistet hier einen Beitrag.

Die zahlreichen, voran genannten Einzelfaktoren lassen ebenfalls einen Einfluss auf die beobachtete Verbesserung des „off“ vermuten.

Eine neue, interessante Theorie besagt, dass eine pathologische Angiogenese – vermittelt durch den vascular endothelial growth factor A (VEGF) - sowie eine verminderte Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke in den Basalganglien für die Entwicklung der Levodopa-induzierten Dyskinesien verantwortlich sind. Diese Theorie wird von einer wachsenden Anzahl von Studienergebnissen unterstützt (Westin, 2006; Lindgren, 2009). Die Arbeitsgruppe um Cenci konnte zudem zeigen, dass die Behandlung mit Levodopa ein Höherregulieren des angiogenetischen VEGF bei dyskinetischen Ratten induziert und zudem vermehrt Protein des VEGF sowie mRNA post mortem in striatalem Gewebe von Patienten mit IPS gefunden wurde, die an schweren Dyskinesien litten. Zurzeit laufen Bemühungen, die tierexperimentellen Ergebnisse durch Untersuchungen am Menschen zu bestätigen.

Man vermutet, erhöhte Spiegel des VEGF im Liquor bzw. eine Dysfunktion der Blut-Hirn-Schranke mittels bestimmter Biomarker im Liquor bei Patienten nachweisen zu können, die an Dyskinesien bei fortgeschrittenem IPS leiden. Die Hypothese wird geprüft, ob es tatsächlich unter CDS mittels LCIG zu einer Normalisierungstendenz beider Faktoren kommt. Würden sich diese Ergebnisse bestätigen, so ergäben sich hier hochinteressante Aspekte für unser Verständnis der medikamentös induzierten Dyskinesien und neue Denkansätze für moderne Therapieoptionen.

Zusammenfassend kann für die ursprünglichen Fragestellungen, die mit dieser Untersuchung verfolgt werden sollten, Folgendes formuliert werden.

Die motorischen Symptome verändern sich in der erwarteten Richtung – wie auch Voruntersuchungen vermuten ließen. Die „off“-Phasen im Tagesverlauf lassen sich

vermindern, die „on“-Phasen lassen sich dagegen nach 6-monatiger LCIG-Therapie deutlich steigern.

Auch die Dyskinesien lassen sich im positiven Sinne beeinflussen. Sowohl das zeitliche Auftreten ist verringert als auch die Intensität der Dyskinesien. Für den Rückgang des zeitlichen Auftretens der Dyskinesien sprechen die Ergebnisse der Patiententagebücher („on mit Dyskinesien“) sowie UPDRS Item 32. Für die Verminderung der Intensität der Dyskinesien sprechen die Resultate von VAS und UPDRS Item 33 (Selbstbeurteilung) sowie die Resultate von AIMS und der Goetz-Scale (Fremdbeurteilung).

Da sich nicht nur Fluktuationen, sondern auch Dyskinesien durch die LCIG-Therapie wirksam vermindern lassen, ergibt sich hier ein Hinweis auf ein neues Indikationsgebiet dieser Therapie.