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Kapitel 3 Stand des Wissens

3.3 Sonstige Einflüsse auf den Lernprozess

3.3.2 Motivation

Rheinberg [RHEI 2006] definiert Motivation folgendermaßen: „Motivation ist die aktivieren-de Ausrichtung aktivieren-des momentanen Lebensvollzugs auf einen positiv bewerteten Zielzustand.“

Sobald der Lernerfolg als ein solcher Zustand verstanden wird, hat ein hoher Grad an Motiva-tion eine positive Lernwirkung. Von besonderer Bedeutung für die MotivaMotiva-tion ist die Lern-umgebung, denn an Orten, an denen man sich wohl fühlt, lernt man erfolgreicher als bei-spielsweise in überfüllten und schlecht belüfteten Hörsälen.

Die entscheidenden Aspekte dabei sind, dass motivierte Lerner aufmerksamer und konzent-rierter sind, mehr Disziplin und Fleiß an den Tag legen und ihre Lernstrategien der Situation besser anpassen können. Die Konzentration und damit die Leistungsfähigkeit sind bei allen Menschen von einem individuellen Tagesrhythmus abhängig. Ein durchschnittlicher Verlauf ist in Abbildung 3-16 dargestellt. Leider haben wir kein Sinnesorgan, das uns hilft unsere Konzentrationsfähigkeit zu messen. In Vorlesungsdoppelstunden fällt diese vom Beginn an kontinuierlich ab und steigt erst zum Ende der Veranstaltung wieder an. Eine kurze Pause nach der Hälfte der Veranstaltung motiviert die Lerner neu, so dass deren Konzentrationsfä-higkeit sprunghaft ansteigt. Diese Erkenntnis ist seit langem hinreichend bekannt und in der Pädagogik- oder Psychologieausbildung wird man kaum eine Vorlesungsdoppelstunde ohne eine eingeschobene Pause antreffen. Die Erfahrung zeigt, dass im Bauingenieurwesen auf die-se Paudie-se trotzdem fast immer verzichtet wird. Der Grund dafür war meistens, dass sich die Stundenten mehrheitlich gegen die Pause ausgesprochen haben, damit etwas längerer Wech-selzeiten zwischen den Lehrveranstaltungen entstehen. Im Sinne des Lernerfolgs sollten die Studenten aber zu einer kurzen Pause gezwungen werden, denn der Hippocampus ist bei ho-her Aufmerksamkeit wesentlich aktiver.

Abbildung 3-16 Leistungskurve [WEST 2005]

Beim E-Learning sinkt die Konzentrationsfähigkeit noch wesentlich schneller ab. Durch die anstrengende Haltung, die beim Lesen am PC eingenommen wird und durch den Ermüdungs-effekt der Monitore auf die Augen, müssen die Instruktionseinheiten kurz gehalten werden.

Sesink hat im WiBA-Net®-Projekt empfohlen, dass die Bearbeitungszeit für eine In-struktionseinheit nicht länger als 30 min sein sollte [SESI 2003].

Das wichtigste Mittel, um den Lerner zu motivieren, ist eine fortlaufend optimale individuelle Dosierung des Schwierigkeitsgrades. Durch das selbständige Lösen von neuen anspruchsvol-len Aufgaben entstehen die bereits genannten Aha-Erlebnisse, die den Lerner stets neu moti-vieren.

Bei der Motivation ist zwischen einer intrinsischen und einer extrinsischen Form zu unter-scheiden. Die Motivation ist intrinsisch, wenn das Lösen oder auch nur das Bearbeiten einer Lernaufgabe als Erfolg erlebt wird. Entscheidend dafür ist, dass der Lerner zumindest glaubt, selbstbestimmt zu lernen. Dabei spielt es keine Rolle, ob er von einem Lehrenden aufgefor-dert wurde, sich mit dem entsprechenden Lerngegenstand zu beschäftigen oder ob der Wille zum Lernen vollständig vom Lerner ausging. Bei der extrinsischen Motivation dominiert das sachfremde Leistungsstreben, d.h. Faktoren, wie das Bedürfnis nach Geltung, nach Zustim-mung und Abhängigkeit und die Furcht vor Strafe [HELL 1978]. Intrinsisch motivierte Lerner streben somit intensiv danach, eine bestimmte Kompetenz zu erwerben und arbeiten deshalb wesentlich lernzielorientierter als extrinsisch motivierte Lerner [RHEI 2006, S.336f]. Ein Wandel von extrinsischer zu intrinsischer Motivation ist immer dann wahrscheinlich, wenn der Lerner einen individuellen inhaltlichen Nutzen des Lernstoffs erkennt. Dies ist vergleich-bar mit dem Reinlichkeitstreben von Kindern. Während man Kinder noch mit reichlich Zwang zum täglichen Zähneputzen „motivieren“ muss, erkennen Erwachsene die Notwendig-keit durchaus an und handeln somit intrinsisch.

Obwohl auch vielfach in der Kritik, sind Tests und Noten eine Art von sozialer Belohnung und haben somit einen motivierenden Charakter [GAGE 1986]. In gleicher Weise wie ein 100

Meter–Läufer eine Belohnung in Form einer guten Zeit erstrebt, schafft auch die Bewertung von Tests einen motivierenden Anreiz beim Lerner.

Bei Tests gibt es aber auch eine Reihe von Gefahren, die sich negativ auf den Lernprozess auswirken können. Die größte Gefahr liegt in dem zerstörenden Effekt auf die Kontinuität der Motivation. D.h. durch ein positives Feedback kann es passieren, dass Lerner das Lernen vor-erst einstellen. Die Motivation kann sich auch während der Bearbeitung eines Tests schlagar-tig ändern. Je komplexer eine Frage formuliert, je schwere die Beantwortung und je länger ein Test ist, desto eher verliert der Proband seine Motivation. Aber auch zu leichte Aufgaben ha-ben einen negativen Einfluss, da sie den Lerner langweilen.

Nicht nur bei computergestützten Lernkontrollen hat auch das gegebene Feedback – Lob oder Tadel – einen Einfluss auf die Motivation. Lob hat in den allermeisten Fällen eine motivierende Wirkung, Tadel bewirkt das Gegenteil. Leider trifft dies nicht auf alle Lerner zu.

Bei besonders leistungsstarken Lernern verhält es sich genau umgekehrt [KÜFF 1981]. Die Tabelle 3-6 listete Aspekte auf, die entweder einen motivierenden oder demotivierenden Ein-fluss haben.

Tabelle 3-6 Motivierendes und demotivierendes Lob [GAGE 1996]

Lob

motivierende Aspekte demotivierende Aspekte

o Orientierungshilfe zur besseren Selbsteinschätzung.

o Die Einzelheiten des Erreichten wer-den spezifiziert.

o Die Erteilung ist angebracht und glaubwürdig.

o Die Erteilung erfolgt planmäßig.

o Belohung des Erreichens spezifizier-ter Leistungskrispezifizier-terien.

o Frühere Leistungen werden mit ein-bezogen.

o Das Bemühen und die Fähigkeiten dienen als Grundlage.

o Zentrierung die Aufmerksamkeit des Lerners auf sein eigenes aufgabenbe-zogenes Verhalten

o Förderung der Anerkennung von auf-gabenbezogenem Verhalten.

o Die Darbietung erscheint zufällig und unsystematisch.

o Beschränkung auf eine globale, posi-tive Reaktion.

o Die Uniformität ist durchschaubar.

o Die reine Teilnahme wird belohnt.

o Inhaltliche Informationen fehlen.

o Schaffung von Konkurrenzstreben durch vergleichende Aussagen.

Bei der Methode E-Learning wird vom Lerner ein hohes Maß an Selbstdisziplin verlangt, denn er muss sein individuelles, elektronisches Studium selbst organisieren, d.h. den

Lernprozess planen und vorbereiten, auch dann, wenn der Lehrende vorab Anleitungen und Hinweise zur Methode und zum Inhalt gibt. Zwar bietet E-Learning die Möglichkeit, den Lernort und die Lernzeit in der Regel vollkommen frei zu wählen, jedoch muss sich der Ler-ner dazu auch motivieren, was Lernen mit geringer Selbstdisziplin häufig nur unzureichend oder gar nicht gelingt [FRIE 1997 und HOLS 2002].