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Morphologische Konsequenzen der Alkylierung

2. Ergebnisse und Diskussion

2.4. Modifikationen der Oberfläche nanokristalliner Pulver

2.4.4. Morphologische Konsequenzen der Alkylierung

Eine signifikante Modifikation der Oberfläche kann bei Nanopartikeln starken Einfluss auf die physika-lischen Eigenschaften nehmen, da die morphologische Interaktion im Gesamtgefüge auch eine Oberflä-cheneigenschaft darstellt. Die relative Oberfläche ist bei Partikeln im Nanometerbereich besonders groß, folglich sollte es abhängig von den eingeführten Oberflächenfunktionalitäten möglich sein, über veränderte Partikel-Partikel-Wechselwirkungen die Gestalt des Gesamtgefüges zu beeinflussen.

Im Falle alkylierter HWR-Si-NPs lassen sich mit bloßem Auge kaum Einflüsse der Funktionalisierung auf die Gestalt des Gefüges beobachten, wie im Edukt liegen dunkelbraune, staubartige Pulver vor. Der Blick auf die mikroskopische Ebene mittels REM offenbart dagegen zwar lediglich partiell vorhandene, dann jedoch drastische Änderungen der Oberflächenmorphologie.

In Abbildung 30 ist eine typische Gefügeoberfläche gezeigt. Der Rauminhalt der Si-NPs ist demjenigen des Edukts vergleichbar, es finden sich viele Zwischenräume und die Oberfläche ist als Ganzes sehr

Abbildung 30: HWR-(Si)-octyl, REM, 25.000fache Vergrößerung. Neben eduktanalogen Strukturen zeigen sich größere Aggregate

rau. Die meisten Partikel sind wie im Edukt zu scheinbar lockeren Verbänden gefügt und haben mittlere Durchmesser im großen bis sehr großen Bereich (50-300 nm). Daneben existieren jedoch Makroaggre-gate von Si-NPs in Größenordnungen von 400 nm bis in den μm-Bereich, welche sich im Edukt nicht zeigen. Eine genauere Betrachtung eines solchen Makroaggregats ermöglicht Abbildung 31. Die dort gezeigte Oberflächenfeinstruktur offenbart, dass die Aggregate tatsächlich partikulären Ursprung sind und nicht etwa theoretisch ebenfalls denkbare CH-Polymere.

Beide morphologische Spezies finden sich in allen untersuchten Proben. Das relative Auftreten der Makroaggregate scheint von der Modifikationseffizienz abzuhängen. Die Homogenität ihrer Feinstruk-tur ist dabei eine Funktion der Länge der Alkylketten, wie aus Abbildung 32 und Abbildung 33 ersicht-lich ist. Bei kürzerer Kettenlänge im HWR-(Si)-hexyl zeigt sich der partikuläre Charakter der Oberflä-che viel deutliOberflä-cher als bei HWR-(Si)-octyl. Mit der Kettenlänge steigen die mittleren Größen und die Homogenität der Makroaggregate an, bis beim HWR-(Si)-dodecyl glatte Flächen mit Ausdehnungen von mehreren μm gefunden werden. Makroskopisch spiegelt sich dies in einer sichtbar dunkleren Fär-bung des Pulvers wider.

Abbildung 31: HWR-(Si)-octyl, REM, Ausschnitt: Aggregate, 100.000fache Vergrößerung

Die Abhängigkeiten der Homogenität und der Größe der Makroaggregate von der Kettenlänge (unter-sucht wurden butyl- bis tetradecylterminierte Proben) zeigen, dass diese morphologische Spezies eine Konsequenz der Alkylierung darstellt. Sie ist demnach als Gefüge erfolgreich alkylierter HWR-Si-NPs interpretierbar. Die Anbindung aliphatischer Ketten erhöht die interpartikulären Wechselwirkungen auf Gefügeebene und veranlasst einen Teil der Partikel, sich dichter zu packen. Der Fortbestand eduktana-loger Morphologie lässt mehrere Interpretationen zu. Zunächst könnte er in einer heterogenen Vertei-lung der Modifikationseffizienz über die Si-NPs begründet liegen. Demnach würden die Oberflächen-spezies unterschiedlich effizient umgesetzten Si-NPs entsprechen und damit die eduktanalogen Struktu-ren ebensolchen Oberflächenzusammensetzungen. Dies kann nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlos-sen werden, allerdings sollte dann der SiOx-Anteil mit Blick auf die relative Häufigkeit dieser morpho-logischen Spezies sehr viel prägnanter im FTIR erscheinen. Es erscheint plausibler, einen statistisch auftretenden Prozess der Gefügeauflösung und -findung anzunehmen. Die Oxidation und Hydrierung fände demnach an der gesamten Oberfläche mit vergleichbarer Effizienz statt, auch an den Sinter-hälsen, welche die locker gepackte, polykristalline Struktur des Edukts verursachen (vgl. S. 28 und [41]). Statistisch verteilt blieben polykristalline Verbände erhalten oder würden gelöst. Nach anschlie-ßender Alkylierung aller Si-NPs könnten sich frei vorliegende Partikel zu den Makroaggregaten finden, im ursprünglichen Sinterverbund vorliegende jedoch nicht. Diese Hypothese steht eher im Einklang mit

Abbildung 32: HWR-(Si)-hexyl, REM, 30.000fache Vergrößerung.

den Variationen von Modifikationseffizienzen und relativer Häufigkeit morphologischer Spezies zwi-schen den Proben.

Alkylierte MWR-Si-NPs zeigen sehr viel drastischere Veränderungen der Gefügemorphologie, auch das makroskopische Erscheinungsbild ändert sich. Das Edukt zeigt sich als hell braunes Pulver, ebenso MWR-(Si)H. Suspensionen in n-Hexan nach erfolgter Hydrosilylierung sind dunkelbraun bis schwarz.

Wird das Lösungsmittel jedoch im Vakuum entfernt, fügen sich die Partikel spontan zu metallisch glän-zenden, selbstorganisierten Schichten zusammen. Im fortdauernden Trocknungsprozess krümmen sich diese und reißen ein, so dass alkylierte MWR-Si-NPs in Form metallisch glänzender, gekrümmter Spä-ne wie in Abbildung 34 erhalten werden. Die Oberflächenmorphologie dieser Schichten auf mikrosko-pischer Ebene ist deutlich homogener als im HWR-Fall, wie ein Vergleich von REM-Aufnahmen glei-chen Maßstabs (Abbildung 35 und Abbildung 33) zeigt. Die Raumausfüllung des Partikelgefüges ist sehr viel höher, Zwischenräume finden sich erst bei deutlich höheren Vergrößerungen (Abbildung 36).

Die selbstorganisierten Schichten erreichen Dicken im Bereich mehrerer 100 μm und sind dabei aus kleinsten auflösbaren Einheiten von 15-30 nm Durchmesser aufgebaut. Atomic Force Microscopy- (AFM)-Studien bestätigen diese Abschätzung und ergeben unabhängig von der Alkylkettenlänge mitt-lere Rauigkeiten im Bereich von 20 nm (Abbildung 37).

Abbildung 33: HWR-(Si)-dodecyl, REM, 10.000fache Vergrößerung. Die homogene Flä-che im rechten Bildbereich ist aus Partikeln zusammengesetzt, wie Detailaufnahmen zei-gen (s. 6.12. )

Aus Sicht der Modifikationseffizienzen überrascht das abweichende Verhalten der MWR-Si-NPs, da diese durchweg niedrigere relative Anteile an CH, dafür höhere relative Anteile an SiO an der Oberflä-che tragen als HWR-Si-NPs. Die drastisOberflä-che Morphologieänderung vom nanokristallinen Netzwerk zur selbstorganisierten, glatten Schicht ist demnach eine Konsequenz des hohen Anteils der modifizierten Oberfläche am Gesamtpartikel. Alkylketten und Siliciumkern stehen in einem ganz anderen Größenver-hältnis als im HWR-Fall, weshalb die dort demonstrierten gefügekonstitutiven Effekte der Funktionali-sierung hier noch sehr viel deutlicher zum Tragen kommen. Darüber hinaus liegen die MWR-(Si)H-Partikel während der Hydrosilylierung offensichtlich frei vor, das Edukt-Netzwerk wird aufgebrochen.

Im Vergleich mit den Größenverhältnissen im Edukt scheinen die kleinsten Partikel im Produkt deutlich größer; der mittlere Durchmesser steigt von 5-10 auf 20 nm an. Ob es sich bei diesen Si-NPs um erhal-tene Netzwerkfragmente oder Produkte radikalischer Rekombinationen intermediär freier Si-NPs gemäß (iv) in Abbildung 14 (S. 20) handelt, kann ohne eine atomar aufgelöste Oberflächentopographie nicht entschieden werden.

Der Vergleich der Effekte der Alkylierung auf die Morphologien beider Pulver verdeutlicht, wie sensi-tiv Struktur-Eigenschaftsbeziehungen im Feld modifizierter Nanokristallite von der Größe der Primär-partikel abhängig sind. Bei mittelgroßen, doch nicht bei großen PrimärPrimär-partikeln finden sich Phänomene der Selbstorganisation, deren Konsequenzen bis auf die makroskopische Gefügeebene reichen.

Abbildung 34: MWR-(Si)-octyl, REM, 75fache Vergrößerung.

Abbildung 35: HWR-(Si)-octyl, REM, 10.000fache Vergrößerung.

Abbildung 36: MWR-(Si)-octyl, 400.000fache Vergrößerung.

Abbildung 37: AFM-Rauigkeitsanalyse (indirekter Messmodus) einer MWR-(Si)-octyl-Schicht. RMS: Rauigkeit in nm (Standardabweichung der mittleren Höhe)