6. Durchführung, Arbeits-, und Zeitplan
6.3 Positive und negative Erfahrungen und Probleme
7.2.1 Modul 2A: Entwicklung der Ärzteschulung und Patienteninformationen
Das im ersten Modul entwickelte Schulungskonzept zur Risikokommunikation wurde für nie-dergelassene Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmedizinern in einer Gruppe von sechs bis zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmer entwickelt und bestand aus zwei Schulungsblö-cken: Einem 80-minütigen theoretischen und einem 160-minütigen aktiven Trainingsteil. Der erste, theoretische Teil diente der Informationsvermittlung und Sensibilisierung hinsichtlich der Problematik der BZD- und Z-Substanz-Verschreibung und der Langzeiteinnahme. Die Wir-kung von BZD und Z-Substanzen, deren Verschreibungspraxis, sowie mögliche Risiken und Nebenwirkungen wurden kurz erläutert, anschließend wurde die Diskrepanz zwischen Leitli-nienempfehlungen und der Verschreibungspraxis thematisiert. Im Anschluss daran wurden the-oretische Grundlagen hinsichtlich Risikokommunikation vermittelt und das Konzept der PEF erläutert. Darauffolgend wurden die Handlungsschritte zur Umsetzung der PEF und der unter-stützende Einsatz der zusätzlichen Materialien (Entscheidungstafeln und Patienteninformatio-nen) dargestellt. Während des gesamten theoretischen Teils der Schulung wurden die Schu-lungsteilnehmerinnen und -teilnehmer durch aktivierende Diskussionsfragen angeregt, über ei-gene Erfahrungen zu berichten oder Nachfragen zu stellen (siehe Anhang).
Der zweite, 160-minütige praktische Teil der Fortbildung diente der vertiefenden Vermittlung bzw. der Einübung der PEF-spezifischen kommunikativen Fähigkeiten und wurde in Form von Rollenspielen realisiert. Hier standen die Anwendung der PEF-Schritte und die Verwendung der kurzen Version der Patienteninformation für die Konsultationsgespräche im Mittelpunkt.
Um die Durchführung der Rollenspiele optimal zu gestalten, wurde die Gruppe jeweils in zwei Kleingruppen aufgeteilt. Somit sollte allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Möglichkeit gegeben werden, einmal die Arztrolle einzunehmen.
Für die Rollenspiele wurden zwei Rollenanweisungen (Fallvignetten), als Grundlage für das simulierte Arzt-Patient-Gespräch konzipiert. Die erste fokussierte eine Erstverschreibungssitu-ation, während die zweite auf die Langzeiteinnahme von BZD und Z-Substanzen abzielte.
Beide Fallvignetten lieferten Angaben zur Person und dem Anliegen der Patientin/des Patien-ten, zum Interaktionscharakter und zur Haltung bezüglich der Therapieoptionen.
Um die einzelnen Rollenspiele in Bezug auf die Umsetzung der PEF-Schritte zu beurteilen und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern dadurch ein differenziertes Feedback für die Rollen-spieler zu ermöglichen, wurde ein Beobachtungsbogen für die Teilnehmerinnen und Teilneh-mer entwickelt. Der Beobachtungsbogen stellt eine Übersicht der Handlungsschritte von PEF dar, welche mit konkreten Fragen definiert sind. Der Beobachtungsbogen sollte ein strukturier-tes und qualitativ angemessenes Feedback ermöglichen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden durch den Beobachtungsbogen zudem angeregt, besonders positive oder negative For-mulierungen des Rollenspiels zu notieren.
Die Tabelle 7.2.1 stellt eine kurze Übersicht der Struktur und Inhalte der ärztlichen Gruppen-schulung dar.
Tabelle 7.2.1
Ablauf der Schulung Begrüßung und Vorstellung
Vorstellung der Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter sowie des Projekts
Vorstellung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer untereinander
10min
I. Theoretischer Teil
Verschreibungsproblematik bei BZD und Z-Substanzen
Mögliche Gründe für die beobachtbare Verschreibungsproblematik
Wirkung, Risiken und Nebenwirkungen von BZD und Z-Substanzen (Fokus:
ältere Menschen)
Leitlinienempfehlungen
Informationen zu Behandlungsalternativen
Grundlagen zur Informationsvermittlung und Risikokommunikation
Das Konzept der PEF: Die Schritte der Umsetzung
Nutzung von unterstützenden Materialien zur Umsetzung von PEF
60min
Pause 10min
II. Praktischer Teil in Kleingruppen
Anwendung der PEF-Techniken sowie Einüben des Einsatzes von Hilfsmaterialien im simulierten Arzt-Patient-Gespräch
4 simulierte Arzt-Patient-Gespräche je 15 Min.(2x Pat. mit einer Schlafstörung und 2x Pat. mit Angstzuständen)
Nach jedem Simulationsgespräch eine Feedbackrunde mit Einsatz des
Beobachtungsbogens: Selbsteinschätzung, Simulationspatient, Großgruppe und Dozent
Diskussion und strukturiertes Feedback
150min
Evaluation und Tagesabschluss
Mündliches Feedback im Rahmen einer Diskussionsrunde
Schriftliches Feedback durch Evaluationsbögen
10min
Alle teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte erhielten zu Beginn der Schulung eine Mappe mit folgenden Unterlagen:
Inhaltliche und organisatorische Beschreibung der Schulung
Ausdruck des Foliensatzes
Entwickelte Patienteninformationsmaterialien (lange und kurze Version der Patienteninfor-mation)
Hinweis zu weiterführender Literatur
Teilnahmebestätigung.
Im Anschluss an die Schulung wurden im Plenum die Umsetzung von PEF im klinischen Alltag und mögliche förderliche oder auch hinderliche Faktoren diskutiert.
2. Patienteninformation und Entscheidungstafeln
Die Entwicklung der Patienteninformation erfolgte durch eine Literaturrecherche zu bereits existierenden Informationsmaterialien für Patientinnen und Patienten. Eine dadurch identifi-zierte Informationsbroschüre, die 2014 vom einer Arbeitsgruppe unter der Leitung von Cara Tannenbaum in Kanada entwickelt und evaluiert wurde (Tannenbaum et al., 2014), entsprach den von Projektseite gestellten Anforderungen (u. a. Darstellung der Wirkungen, Nebenwir-kungen, Risiken, alternativen Behandlungsmethoden) an eine sowohl über Risiken aufklärende wie auch Alternativen beinhaltende Patienteninformation. Mit Einverständnis der kanadischen Arbeitsgruppe wurde diese Broschüre in einem ersten Schritt übersetzt und für den deutsch-sprachigen Raum adaptiert. Diese erste Version der Patienteninformation wurde im Projektteam vorgestellt und diskutiert. Nach einer weiteren Adaptationsphase und einer Layout-Überarbei-tung wurde die elfseitige Patienteninformation anschließend in den Fokusgruppen mit Ärztin-nen und Ärzten, ApothekerinÄrztin-nen und Apothekern sowie PatientinÄrztin-nen und Patienten (siehe Phase 1 des Teilprojekts 1) präsentiert und diskutiert.
Insgesamt wurde dabei die Patienteninformation als etwas zu umfangreich und textlastig emp-funden. Die Information sollte kompakter und pointierter präsentiert werden, um Verständnis- und Auffassungsprobleme zu vermeiden. Auf diese Rückmeldung hin wurde der Text der Pati-enteninformation mit kurzen Sätzen, großer Schrift und mehreren Seiten in A4-Format umge-staltet. Zudem wurde von Seiten der Patienten und Patientinnen rückgemeldet, dass die Risiken und der Nutzen beim Absetzen von Benzodiazepinen besser dargestellt werden sollten. Dies wurde ebenfalls in der revidierten Fassung berücksichtigt.
Die Fragen zum Einstieg sowie die Geschichte der fiktiven Betroffenen stießen vor allem bei Patientinnen und Patienten auf positive Resonanz. Beide Gruppen fanden die grafische Darstel-lung geDarstel-lungen. Bei alternativen BehandDarstel-lungsmethoden wurden von Seiten der Ärztinnen und Ärzte als zusätzliche Behandlungsoptionen vor allem alternative medikamentöse Behandlungs-strategien erwartet. Entsprechend aktueller Leitlinien zu Schlaf- und Angststörungen wurden aber nur evidenzbasierte alternative nicht-medikamentöse Behandlungsoptionen aufgenom-men. Viele Patientinnen und Patienten empfanden z. B. die schlafhygienischen Maßnahmen als unzureichend für ihre Schlafstörungen. Diese wurden deswegen mit weiteren Beispielen zur eigenständigen Beeinflussung des Schlafs und der Entspannungsfähigkeit erweitert. Das Pfle-gepersonal erachtete Rituale vor dem Schlafengehen als sinn- und wirkungsvoll.
Als Ergebnis der Übersetzung und Anpassung der englischen Patienteninformation resultierte eine Informationsbroschüre mit dem Titel „Schlaf- und Beruhigungsmittel, Nutzen, Risiken und Alternativen“. Der inhaltliche Aufbau dieser Broschüre ist in folgender Tabelle 7.2.2 dar-gestellt.
Tabelle 7.2.2
Aufbau der Patienteninformation
Seite Ziele und Inhalte
1 Informationsbroschüre zu Schlaf- und Beruhigungsmitteln – Nutzen, Risiken und
Alternativen
Ziel: Ansprache der Zielgruppe
2 Übersichtstabelle über gängige Schlaf- und Beruhigungsmittel (Medikamentenname &
Substanzklasse)
Ziel: Bewusstmachung der eigenen Einnahmesituation Inhalt: Patientinnen und Patienten werden aufgefordert, Medikamente, die sie verschrieben bekommen haben, anzukreuzen
3 Wissenstest (interaktives Element)
Ziel: Erzeugung kognitiver Dissonanz, Anregung zur kritischen Auseinandersetzung mit der
Medikamentenwirkung
Inhalt: 4 Fragen zu Schlaf und Beruhigungsmitteln, die mit Richtig oder Falsch beantwortet werden können 4 Antwortseite zum Wissenstest Ziel: Erzeugung kognitiver Dissonanz, Aufklärung über
Medikamentenwirkung
Inhalt: 4 Fragen werden beantwortet.
Begründung/Erklärung zu jeder Frage wird gegeben 5 Aufklärung über Risiken,
Nebenwirkungen und unangemessene Einnahme
Ziel/Inhalt: Selbsteinschätzung und Edukation in Bezug auf das Risiko von BZD- und Z-Substanz-Einnahmen 6 Medikamenteneinnahme bei
älteren Patientinnen und Patienten
Ziel/Inhalt: Edukation und Aufklärung in Bezug auf das Alter
7 Aufzählung alternativer Behandlungsoptionen bei Schlafproblemen
Ziel/Inhalt: Informationsvermittlung zu alternativen Behandlungsmöglichkeiten für einen besseren Schlaf 8 Aufzählung alternativer
Behandlungsoptionen bei Angst/innerer Unruhe
Ziel/Inhalt: Informationsvermittlung zu den alternativen Maßnahmen gegen Ängste und innere Unruhe
9 Fallbeispiel Ziel: Motivation
Inhalt: Beschreibung eines erfolgreichen Absetzversuchs aus Sicht einer Patientin
10 Seite für Notizen Ziel: Fragen an Behandler sammeln 11 Informationen zur
Patienteninformation
Inhalt: Informationen über Entwickler und Quellenangabe
Die Patienteninformation wurde anschließend zur Entwicklung von zwei geplanten Entschei-dungshilfen verwendet. Die EntscheiEntschei-dungshilfen fassen die wichtigen Informationen kurz zu-sammen und sind vor allem für den Einsatz in einem Arzt-Patient-Gespräch gedacht.
Die Entscheidungstafeln (siehe Anhang) teilen sich in „Behandlungsmöglichkeiten bei Schlaf-störungen“ und „Behandlungsmöglichkeiten bei Angstzuständen und innerer Unruhe“ auf. Fol-gende relevante Informationen sind darin enthalten:
Aspekte bezüglich der Einnahme von Benzodiazepinen und Z-Substanzen
Vorteile
Nachteile und Risiken
Besonders wichtig für ältere Menschen
Alternative Behandlungsmöglichkeiten (je Tafel entweder bei Schlafstörungen oder bei Angstzuständen und innerer Unruhe)
Vorteile
Nachteile