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2. Theoretische Grundlagen

2.1. Generalisierte Angststörung

2.1.3. Modelle zur GAS

Wie bei anderen Angsterkrankungen der Fall, so wird auch bei der GAS von einem Vulnerabilitäts-Stress-Modell ausgegangen, das der Ätiologie und Aufrechterhaltung dieses Störungsbildes zugrunde liegen soll. Das Konzept der biologischen Vulnerabilität speist sich zum einen aus der Annahme über die genetischen Einflüsse auf die Entstehung dieser Erkrankung. In der Metaanalyse von HETTEMA et al. wurde eine vermehrte Häufung zur Anfälligkeit gegenüber der GAS innerhalb bestimmter Familien beobachtet und die Erblichkeit dieser Störung auf 31,6 % beziffert (HETTEMA et al. 2001). Allgemein besteht aber noch Unklarheit darüber, wieviele Gene wirklich mitverantwortlich sind, und welchen Beitrag zur Entstehung auch Umweltfaktoren wie zum Beispiel das familiäre Milieu leisten.

Auch neurobiologische Faktoren spielen in diesem Modell eine Rolle. So wurden verschiedene Mängel in den Transmittersytemen und Abweichungen bei einigen Neuropeptiden wie Cholezystokinin und dem Kortikotropin-releasing-Hormon festgestellt.

Bei der verminderten Wirkung von GABA scheint die Sensitivität und die Anzahl der GABA-A Rezeptoren herabgesetzt zu sein. Im Hinblick auf Serotonin wird davon ausgegangen, dass entweder das Transmitterlevel reduziert ist, oder auch die postsynaptische Rezeptorfunktion fehlerhaft ist. Bei Noradrenalin wird schließlich auch eine verminderte Rezeptorsensitivität vermutet (HOYER und BEESDO 2006).

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In diesem Zusammenhang haben die Autoren Thayer und Lane ein neurobiologisches Modell entwickelt, das die Diathese zur GAS erklären soll (THAYER und LANE 2000). Sie gehen von einer limitierten Herzratenvariabilität aus, die von einer fehlgesteuerten Funktionseinheit des Zentralen Nervensystems, dem zentralen autonomen Netzwerk (ZAN), verursacht wird.

Dieses stellt ein Integrationszentrum von humoralen, viszeralen und umweltbezogenen Informationen dar, und koordiniert endokrine, autonome und verhaltensbezogene Reaktionen in Bezug auf Herausforderungen aus der Umwelt. Normalerweise übt der Vagusnerv einen inhibitorischen Einfluss über GABA-Interneurone auf das ZAN aus. Bei der GAS kommt es zu einer Abschwächung dieser Kontrollinstanz und folglich zu einer Disinhibition.

Dies führt bei Betroffenen zu einer Unfähigkeit, die Fokussierung auf angstauslösende Reize flexibel zu dosieren. Sie können dadurch ihre Anspannung nicht verringern und verleihen den ängstlichen Erwartungen einen exzessiven Charakter durch ihre extreme Wachsamkeit und einseitige Aufmerksamkeit auf mögliche Gefahren. Mit diesem Verhalten fällt es schwer, ein Gefühl der Sicherheit aufzubauen, auch wenn faktisch keine Bedrohung vorherrscht. Bei den neurobiologischen Faktoren bleibt allerdings unklar, ob es sich um Epiphänomene handelt oder tatsächlich um verursachende Faktoren. Letztlich fehlen hierzu verlässliche Daten.

Das Konzept der psychologischen Vulnerabilitäten geht von der Grundannahme aus, dass biographische Erfahrungen einen starken Einfluss auf die Prädisposition zur GAS besitzen (BECKER ES und HOYER 2005). Nahestehende Bezugspersonen spielen hierbei eine wichtige Rolle. Sie können bestimmte Verhaltensweisen vorleben, wie zum Beispiel den Umgang mit Gefahren oder Bedrohungen, oder Einstellungen transportieren, die mehr oder weniger von einer Ängstlichkeit gegenüber der Welt geprägt sind. Kinder übernehmen diese Vorgaben, und durch Wiederholung dieser übermittelten Schablonen können sich kognitive Schemata ausbilden. Es besteht die Gefahr, dass diese in zukünftigen stressbelasteten Situationen wieder wirksam werden, und zur Entwicklung der GAS beitragen, indem sich ein unflexibleres Verhalten gegenüber mit Angst verknüpfter Stimuli einstellt, und diesbezügliche Sorgen nur unzureichend abgewendet werden können. Wie von Barlow in seinen Ausführungen beschrieben, liegt der Ursprung einer jeglichen Angststörung in einem Gefühl der Unvorhersehbarkeit und Unkontrollierbarkeit gegenüber Ereignissen, die in der Zukunft verankert sind (BARLOW 2000). Betroffene, die diese Unsicherheit wahrnehmen, und eine chronische Unfähigkeit zur Bewältigung dieses Defizits an den Tag legen, werden in emotionaler Hinsicht negativ reagieren, indem sie sich öfters Sorgen hingeben.

Die Ausprägung der Bindung zwischen Kind und Bezugsperson soll auch mitverantwortlich sein für das entstehende Gefühl der Unkontrollierbarkeit (CHORPITA und BARLOW 1998).

Wenn Kinder in einer ängstlichen Beziehung zu ihren Eltern stehen, und unsicher sind, ob in ängstlichen oder gefahrenvollen Situationen auf sie Verlass ist, dann besteht die Möglichkeit, fehlendes Vertrauen in die eigene Fähigkeit zur Kontrolle dieser wichtigen Beziehung auch auf neue Herausforderungen der Umwelt zu übertragen.

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Nach Ansicht von DUGAS et al. ist die Intoleranz gegenüber Unsicherheit ein zentraler Bestandteil der GAS und steht in enger Beziehung zum Ausmaß der Sorgen (DUGAS et al.

1997). Sie stehen sozusagen in wechselseitiger Beziehung, da eine erhöhte Intoleranz auch zu einer verstärkten Präsenz von Sorgen führt (LADOUCEUR et al. 2000). In diesem Zusammenhang stehen auch die Überzeugungen vieler Betroffener, dass Sorgen ihnen helfen könnten, ihre Probleme zu lösen, oder bewirken würden, dass bestimmte antizipierte negative, bedrohliche Ereignisse nicht eintreten (HOYER und BEESDO 2006). Diese Anschauungen lassen sich gut mit deren Ansichten in Einklang bringen, dass sie in ihre Fähigkeiten, Probleme kompetent anzugehen, kein sehr hohes Vertrauen setzen.

Wie es nun dazu kommt, dass im Fall einer GAS keine Gewöhnung an die ängstlichen Erwartungen eintritt und ein Ausstieg aus dem Bannkreis der unverhältnismäßigen Sorgen nicht einfach gelingen kann, versuchen Funktionsmodelle der Sorgen zu erklären. Eine große Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die Vermeidungstheorie der Sorgen von BORKOVEC

erlangt (BORKOVEC et al. 2004). Ihrem Prinzip nach können Sorgen helfen, Stress auf autonomer und physiologischer Ebene zu minimieren (BORKOVEC et al. 2004). Eine Gewöhnung an angstbesetzte Stimuli kann so aber nicht stattfinden, da das sympathische Nervensystem nicht in einem physiologischen Ausmaß stimuliert wird und dadurch autonome Symptome abgeschwächt werden. Es wird in der Vermutung sogar ein Schritt weitergegangen, in dem Sinne dass die fehlende Stimulation und die damit verbundene Vermeidung von Angstreaktionen den Sorgenzuständen einen Vorschub leisten könnte (BECKER ES und HOYER 2005). Zu diesen Ansichten passen auch die Erkenntnisse, dass sich Sorgenprozesse größtenteils auf verbaler Ebene abspielen, und sich weniger in Bildern oder Vorstellungen manifestieren (BORKOVEC et al. 1998). Die Tatsache, dass sprachliche Aktivität im Gegensatz zu Vorstellungen eine physiologische Reaktion nur schwer in Gang setzt, lässt die Vermutung zu, dass die Persistenz der Sorgen hauptsächlich dadurch gefördert wird, dass innere Erlebnisse vermieden werden, die zu physiologischen Reaktionen führen könnten.

Aufgrund ihrer abstrakten Natur und ständigen Wiederholung dienen Sorgen als eine Art Schutzschild gegen ein Aufkommen von Ereignissen, die in emotionaler Hinsicht eine stärkere Belastung für den Betroffenen darstellen würden. Eine umfassende Verarbeitung des Besorgnis erregenden Themas auf emotionaler Ebene und eine damit einhergehende Löschung der diesbezüglichen Angst wird deshalb durch sie verhindert (BUTCHER et al.

2009).

Unter einer GAS und einem Gefühl der Unkontrollierbarkeit von Sorgen kann ein erheblicher Leidensdruck entstehen, der zu dem Versuch Anlass gibt, diese mit bestimmten Kontrollstrategien in den Griff zu bekommen. Ein Mittel stellt die Ablenkung dar, die grundsätzlich aber keinen langfristigen Erfolg beschert.

Auch tendieren Betroffene oft zu einem Vermeidungsverhalten, indem sie zum Beispiel auf die Nutzung bestimmter Medien (z.B. TV, Presse etc.) in ihrem Leben verzichten (BECKER ES und HOYER 2005). Fraglich ist, ob auf diese Art Angststimuli dauerhaft vermieden werden

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können. Auch ein Rückversichern gegenüber Bekannten oder Therapeuten sowie eine Gedankenunterdrückung werden erprobt, ist aber eher kontraproduktiv, da dieses Verhalten eine Gewöhnung an Angstreize nicht zulässt. Abschließend wird noch der Ausweg in die Selbstmedikation gesucht. Häufige Mittel sind dabei Alkohol und Beruhigungsmittel.