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MINT­Fachkräftesicherung als Basis der Innovationskraft

Im Dokument Die Zukunft der Regionen in Deutschland (Seite 184-188)

Für erfolgreiche Innovationsaktivitäten sind innovationsrelevante Arbeitskräfte wie sol-che mit einer MINT-Qualifikation und die Rahmenbedingungen für eigene Forschungs-anstrengungen von Bedeutung (Erdmann et al., 2012). Ein höheres Angebot an Fach-kräften mit MINT-Qualifikation führt über zusätzliche Innovationen zu einer steigenden Totalen Faktorproduktivität (Dakhli/De Clercq, 2004; Aghion/Howitt, 2006). Eine enge Wirkungskette zwischen einer höheren MINT-Dichte (Beschäftigung von MINT-Arbeits-kräften relativ zu allen Erwerbstätigen in einer Branche), einer höheren Forschungsnei-gung und höheren Innovationserfolgen lässt sich für Deutschland auf Ebene der Branchen zeigen (Anger et al., 2018). Der Einsatz und die Verfügbarkeit von MINT-Fachkräften stärken darüber hinaus industrielle Cluster. Winters (2013) zeigt für Regionen, dass ein hoher Anteil an MINT-Beschäftigten kräftige regionale Wachstumsimpulse bewirkt.

Nicht nur für die Volkswirtschaft insgesamt, sondern auch innerhalb der Branchen sind MINT-Qualifikationen für Forschung und Innovationen besonders wichtig. So betrug die Anzahl an Erwerbstätigen in den Forschungsabteilungen (Entwicklung, Konstruktion, Forschung, Design, Musterbau) in Deutschland im Jahr 2015 insgesamt 1.344.800. Davon hatten 1.113.400 eine MINT-Qualifikation. Der MINT-Anteil lag folglich bei 82,8 Prozent (Tabelle 10.1). Von den Erwerbstätigen im Forschungsbereich wiederum waren 200.300

Innovationskraft für die Regionen 183

Zuwanderer, was einem Anteil an allen in Forschungsabteilungen erwerbstätigen Per-sonen von 14,9 Prozent entsprach.

Wenn Deutschland das im Koalitionsvertrag genannte Ziel von 3,5 Prozent Forschungs-ausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) erreichen möchte, würde der Bedarf an MINT-Kräften weiter zunehmen. Allein die Anzahl der MINT-Erwerbstätigen in For-schungsabteilungen müsste um etwa 220.000 Personen wachsen (Anger et al., 2018).

2.1 Regionale Unterschiede bei der Fachkräftesicherung durch Zuwanderung

In den letzten Jahren konnte der gestiegene Bedarf an MINT-Fachkräften in Deutschland zum Teil durch die höhere Erwerbstätigkeit von älteren Menschen gedeckt werden. So legte die Erwerbstätigenquote der 60- bis 64-jährigen MINT-Akademiker von 62,9 Prozent im Jahr 2011 auf 72,3 Prozent im Jahr 2016 und damit um gut 9 Prozentpunkte zu. Auch bei den beruflich qualifizierten Fachkräften zeigte sich im selben Fünfjahreszeitraum eine Zunahme der Erwerbstätigenquote, hier von 44,9 auf 56,2 Prozent. Allein diese An-stiege der Erwerbstätigenquoten bei Älteren haben schon dazu geführt, dass zusätzliche 145.800 beruflich qualifizierte MINT-Fachkräfte und 28.100 MINT-Akademiker im Jahr 2016 erwerbstätig waren. Diese Potenziale an weiteren Erwerbstätigen dürften in der Zukunft geringer werden.

Trotz der Zunahme bei den Älteren sind die Engpässe in den MINT-Berufen in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Im Jahr 2018 erreichten sie neue Rekordstände. Die Engpäs-se würden jedoch noch größer ausfallen, wenn nicht das MINT-Beschäftigungswachstum von ausländischen Arbeitnehmern zwischen dem vierten Quartal 2012 und dem ersten Quartal 2018 überproportional hoch gewesen wäre. Wäre die Beschäftigung von Aus-ländern seit Anfang 2013 nur in der geringen Dynamik wie die Beschäftigung von Deut-schen gestiegen, würde die Fachkräftelücke heute um rund 173.600 Personen höher ausfallen und damit einen Wert von deutlich über 500.000 MINT-Kräften erreichen (Anger et al., 2018). Im Bereich der MINT-Facharbeiter hat die Gesamtzahl der Beschäftigten von Ende 2012 bis Anfang 2018 um rund 150.000 zugelegt. 78 Prozent der Zunahme entfielen Erwerbstätige in Forschungsabteilungen Tabelle 10.1 im Jahr 2015 nach Qualifikation und Herkunft

Alle Branchen Darunter: mit eigener Migrationserfahrung Absolut Anteil, in Prozent

MINT-Fachrichtung 1.113.400 167.300 15,0

Sonstige Fachrichtung 231.400 33.100 14,3

Insgesamt 1.344.800 200.300 14,9

MINT-Anteil, in Prozent 82,8 83,5

Quellen: Anger et al., 2018; eigene Berechnungen

Innovationskraft für die Regionen 185 auf ausländische Beschäftigte (eigene Berechnungen auf Basis von BA, 2018). Ohne Zu-wanderung hätte es folglich nicht die Beschäftigungsdynamik gegeben, die für das Wachstum des BIP in den letzten Jahren notwendig gewesen ist.

Aus regionaler Sicht zeigt sich, dass Deutschland in den kommenden Jahren vor sehr unterschiedlichen Herausforderungen steht. So ist vor allem in den neuen Bundesländern der Anteil der sozialversicherungspflichtigen MINT-Beschäftigten im Alter von über 55 Jahren sehr hoch. Er betrug im ersten Quartal 2018 in Thüringen 22 Prozent, in Sach-sen-Anhalt 22,6 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern 22,7 Prozent und in Brandenburg 24,2 Prozent, während er beispielsweise in Bayern nur bei 16,5 Prozent lag. Mit dem in den kommenden zehn Jahren altersbedingten Ausscheiden dieser Gruppe aus dem Er-werbsleben wird vor allem im Osten Deutschlands prozentual betrachtet der demo-grafische Ersatzbedarf sehr hoch sein.

Gleichzeitig sind in den ostdeutschen Bundesländern die Anteile der ausländischen Be-schäftigten in den MINT-Berufen sehr niedrig (Abbildung 10.1). Dies ist äußerst proble-matisch, da bereits heute die Beschäftigungsdynamik nur dank der Zuwanderung er-möglicht wird und Zuwanderung wiederum vor allem entlang bestehender Netzwerke der Zuwanderer erfolgt (Geis et al., 2013; Munshi, 2003).

2.2 Die Rolle der Hochschulen

Für die Fachkräftesicherung im MINT-Bereich spielen die Hochschulen eine wichtige Rolle. Handlungsbedarf ergibt sich in den MINT-Fächern aufgrund des häufigen Studien-abbruchs: Einer Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsfor-schung (Heublein et al., 2017) zufolge sind die Studienabbruchquoten von MINT-Studie-renden überdurchschnittlich hoch.

Besonders positive Effekte auf die Fachkräftesicherung hat die qualifizierte Zuwanderung über die Hochschulen (Geis, 2017). Die Zuwanderer über diese Bildungsinstitutionen sind später im Beruf besonders erfolgreich. Bei den zugewanderten Männern ist in etwa der gleiche Anteil wie unter Hochschulabsolventen ohne Migrationshintergrund erwerbs-tätig und in Fach- und Führungspositionen beschäftigt. Rund jeder zweite zugewander-te Hochschüler bleibt als Absolvent in Deutschland und szugewander-teht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung (Alichniewicz/Geis, 2013).

Dabei gelingt es Hochschulen auch besonders gut, MINT-Akademiker aus demografie-starken Drittstaaten für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen. In der Folge entstehen durch diese Zuwanderer wiederum Verbindungen zu potenziellen Zuwanderern aus den entsprechenden Herkunftsländern. Vor allem die Zahl der MINT-Studierenden aus In-dien hat deutlich zugenommen; sie stieg von rund 6.100 im Wintersemester 2012/2013 auf rund 14.300 im Wintersemester 2017/2018 (Statistisches Bundesamt, 2018). In der Folge nahm auch die Beschäftigung von Indern in akademischen MINT-Berufen besonders

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stark zu (Anger et al., 2018), sodass Inder hierzulande inzwischen die größte ausländische Community in akademischen MINT-Berufen stellen.

Im Unterschied zu den fehlenden Netzwerkstrukturen bei der sonstigen Zuwanderung können auch die Hochschulstandorte in den ostdeutschen Bundesländern attraktive Netzwerke mit potenziellen Zuwanderern aufbauen. Mit Berlin (16,3 Prozent), Sachsen (13,8 Prozent), Brandenburg (13,4 Prozent) und Thüringen (11,7 Prozent) kommen vier der fünf Bundesländer mit dem höchsten Anteil an Bildungsausländern an allen Studie-renden aus dem Osten Deutschlands (eigene Berechnungen auf Basis von Statistisches Bundesamt, 2018).

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