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Militärmedizinische Sektion der Ernst-Moritz-Arndt Universität in Greifswald

6. Institutionen, Publikationen und wissenschaftliche Arbeit im Bereich der Gesellschaft für Militärmedizin der DDR

6.1 Militärmedizinische Sektion der Ernst-Moritz-Arndt Universität in Greifswald

Die Militärmedizinische Sektion an der Universität Greifswald sei aus der „Dienststelle 3“ der kasernierten Volkspolizei in Leipzig entstanden. Hintergrund der Gründung soll die durch Mangel an Studenten zunehmend angespannte Lage der Universität in Greifswald gewesen sein. Seitens der Staatsführung sei der Entschluss gefasst worden, die Militärangehörigen, die Medizin in Leipzig studierten, nach Greifswald zu kommandieren und dort die Militärmedizinische Sektion zu gründen. Der Kommandeur der Militärmedizinischen Sektion sei gleichzeitig Prorektor der Universität Greifswald gewesen. 1964 habe die Militärmedizinische Sektion Fakultätsstatus erhalten402. Als Dekan sei in den frühen siebziger

401Vgl. GESTEWITZ, Brief an Keßler, 09.06.1989

402Anm.: Diese Jahresangabe wird durch das Quellenmaterial nicht bestätigt. Wie unten beschrieben werden wird, finden sich im Aktennachlass Hinweise auf das Jahr 1970 als Gründungsjahr der Fakultät. Der Versuch,

Jahren Gestewitz aktiv gewesen. Kommandeur der Militärmedizinischen Sektion in Greifswald sei er jedoch nicht gewesen.

An der Militärmedizinischen Sektion haben jährlich etwa 115 Kommilitonen ihr Studium aufgenommen. Naturgemäß haben nicht alle das Examen erreicht, wobei genaue Zahlen hier nicht vorlägen. Es sei das Ziel von Gestewitz gewesen, das Zentrale Lazarett der NVA in Bad Saarow zu einer Militärmedizinischen Akademie zu formen. Diese habe 1981 ihre Arbeit aufgenommen. Hierzu sei der Stab der Militärmedizinischen Fakultät der Universität Greifswald nach Bad Saarow verlegt worden. Da die Ausbildung der Studenten allerdings an die Universität in Greifswald gekoppelt blieb, pendelten die Lehrkräfte zwischen Bad Saarow und Greifswald. Nach 1981 sei das Zentrale Lazarett, erweitert um den Fakultätsstab der militärmedizinischen Fakultät der Universität Greifswald, zur Militärmedizinischen Akademie ernannt geworden. Ihr Kommandeur war Gestewitz. In Greifswald sei auch weiterhin die Militärmedizinische Sektion der Universität verblieben, deren Kommandeur über lange Jahre Oberst Prof. Dr. Steiner gewesen sei. Von 1987 bis zum Beitritt der Länder der ehemaligen DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland habe Oberst Prof. Dr. Enderlein diese Stellung inne gehabt403.

Im Aktennachlass finden sich zu diesem Thema folgende Hinweise:

„Ausgehend von der im Beschluß des Staatsrates über die Entwicklung des Hochschulwesens bis 1975 formulierten Notwendigkeit der Einheit von Lehre und Forschung sei es erforderlich gewesen, auch im medizinischen Dienst der NVA Schritte einzuleiten, die eine praxisbezogene Forschung und Lehre unter Nutzung aller zur Verfügung stehenden Kapazitäten sicherten. Die Gründung der Fakultät für Militärmedizin als akademische Vertretung und höchstes wissenschaftliches Gremium der Militärmedizin der DDR sei zu einer Notwendigkeit geworden. So war aus Anlaß des 14. Jahrestages der Gründung der NVA am 26.02.1970 die Fakultät für Militärmedizin des Wissenschaftlichen Rates der Ernst-Moritz-Arndt-Universität-Greifswald gebildet worden.“404

Die Hauptaufgaben der Fakultät waren in der Arbeitsordnung festgelegt worden:

Im § 1 ihrer Arbeitsordnung gab sich die Militärmedizinische Fakultät die Stellung eines Bestandteiles des Wissenschaftlichen Rates der Ernst-Moritz-Arndt-Universität.

Empfehlungen der Fakultät für Militärmedizin, die spezifisch Militärmedizinische Probleme betrafen, wurden vom Dekan der Fakultät für Militärmedizin direkt dem Chef des Medizinischen Dienstes des Ministeriums für Nationale Verteidigung übergeben.

Empfehlungen der Fakultät für Militärmedizin, die allgemeingültige medizinische Probleme betrafen, wurden vom Dekan der Fakultät für Militärmedizin über den Rektor der Ernst-Moritz-Arndt-Universität direkt dem Minister für Hoch- und Fachschulwesen übergeben. Zu den Aufgaben der Fakultät für Militärmedizin gehörte die Durchführung der Informationen beim Dekanat der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald einzuholen ist erfolglos

gewesen. Das Aktenmaterial dieser Zeit ist noch nicht archivarisch aufgearbeitet worden.

403Vgl. Persönliche Mitteilung Prof. Dr. Enderlein, 2002

404Vgl. ANONYM, Arbeitsordnung der Fakultät für Militärmedizin des wissenschaftlichen Rates der

militärmedizinischen Promotionsverfahren A und B sowie die Erteilung der Facultas docendi für alle Militärmedizinischen Fachgebiete. Der Dekan der Fakultät wurde für die Dauer von drei Jahren auf Vorschlag des Chefs des Medizinischen Dienstes des Ministeriums für Nationale Verteidigung durch den Rektor der Ernst-Moritz-Arndt-Universität berufen. Die Arbeit der Fakultät erfolgte auf der Grundlage eines vom Rektor der Universität in Übereinstimmung mit dem Chef des Medizinischen Dienstes des Ministeriums für Nationale Verteidigung bestätigten Jahresplanes. Die Mitglieder der Fakultät für Militärmedizin wurden durch den Rektor der Universität in Abstimmung mit dem Ministerium für Nationale Verteidigung berufen für drei Jahre, sofern sie der NVA und den übrigen bewaffneten Truppen der DDR angehörten. Die Mitglieder, die dem Bereich der Medizin und der Sektion Pharmazie der Ernst-Moritz-Arndt-Universität angehörten, wurden vom Rektor der Universität in Abstimmung mit dem Senat für die Dauer von drei Jahren berufen. Die Mitglieder konnten auf dem gleichen Weg abberufen werden, wenn sie die Anforderungen, die in der Fakultät für Militärmedizin an sie gestellt wurden, nicht erfüllten, wenn ihre Mitgliedschaft nicht mehr notwendig war oder die dienstlichen Bedingungen, die zu ihrer Berufung führten nicht mehr bestanden.

Im § 6 der Arbeitsordnung war die Geheimhaltung geregelt, wobei die Arbeit der Fakultät für Militärmedizin unter den gleichen Festlegungen standen, wie sie in der Dienstvorschrift 10/9A der NVA festgelegt worden waren405.

Unter den Pflichten und Rechten der Mitglieder der Fakultät für Militärmedizin wurden folgende besonders hervorgehoben:

Es bestand die Pflicht, bei der Erfüllung der Festlegungen des Arbeitsplanes mitzuarbeiten.

Hierbei insbesondere Wissenschaftskonzeptionen zu militärmedizinischen Fragen und zu den Fragen der Ausbildung, der Erziehung sowie der Forschungsarbeit im Rahmen der Medizinischen Versorgung der Landesverteidigung zu erstellen. Entsprechende Vorschläge des Dekans an den Rektor der Ernst-Moritz-Arndt-Universität bzw. den Chef des Medizinischen Dienstes der NVA waren zu unterstützen.

Es bestand die Pflicht zur Erziehung „sozialistischer Wissenschaftlerpersönlichkeiten“ im Bereich der Militärmedizin.

Ein Mitglied der Fakultät hatte das Recht, alle erforderlichen militärischen, militärmedizinischen und zivilen Dokumentationen einzusehen. Es durfte bei der Vorbereitung und Durchführung wissenschaftlicher Verfahren den Kandidaten Weisungen

Ernst-Moritz-Arndt-Universität, 01.04.1971

405Vgl.NATIONALE VOLKSARMEE DER DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN REPUBLIK Dienstvorschrift 010/0/009 Wachsamkeit und Geheimhaltung, 1974 und

MINSTERRAT DER DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN REPUBLIK MINISTERIUM FÜR NATIONALE VERTEIDIGUNG

Dienstvorschrift 010/0/009 Wachsamkeit und Geheimhaltung, 1977

erteilen und dem Betreuer einer wissenschaftlichen Arbeit Hinweise zur Entwicklung des Kandidaten und zur Durchführung der wissenschaftlichen Arbeit geben. Es durfte Veränderungen bzw. den Abbruch eines wissenschaftlichen Verfahrens vorschlagen sowie Vorschläge für die Gestaltung des Arbeitsplanes und der Tagesordnung unterbreiten.

In der vorläufigen Verfahrensordnung zur Promotion A der Fakultät für Militärmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald war festgelegt, dass das Promotionsverfahren A in den Wissenschaftszweigen Dr. med. und Dr. rer. nat. durchgeführt werden durfte. Neben dem Antrag an den Dekan hatte der Promovend Belege über die wissenschaftlichen Leistungen und über die Persönlichkeitsentwicklung in den Truppenteilen, Lehreinrichtungen und Stäben der bewaffneten Truppen beizubringen. Es wurde eine Bestätigung über nachgewiesene Fremdsprachenkenntnisse gefordert sowie der Kenntnisse in Marxismus und Leninismus. Auch eine Stellungnahme der Parteileitung war erforderlich. Neben der Erklärung des Doktoranden, dass die Arbeit noch bei keiner anderen Einrichtung eingereicht worden war, mussten sechs Exemplare der Dissertation, die entsprechend ihrem Inhalt in Form der Dienstvorschrift 10/9 mit dem erforderlichen Geheimhaltungsgrad zu kennzeichnen waren, vorgelegt werden, außerdem 50 Exemplare der Thesen. Eine Dissertation sollte in der Regel ein Thema aus einem Forschungsvorhaben des „Perspektivplanes“ der Forschung in der NVA zum Inhalt haben. Der Doktorand hatte mit der Dissertation den Nachweis zu erbringen, dass er wissenschaftliche Aufgaben lösen konnte, die zur Weiterentwicklung der Militärmedizin und der weiteren Erhöhung der Kampfkraft der bewaffneten Truppen beitrugen.

Das Recht zur Verleihung des Akademischen Grades eines Doktors der Wissenschaften, das sogenannte Promotionsrecht B, besaß der Wissenschaftliche Rat der Universität. Die Fakultät für Militärmedizin konnte vom Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Rates mit der Durchführung von Promotionsverfahren B beauftragt werden. Das Promotionsverfahren war durch den Promovenden durch Antrag an den Dekan zu eröffnen. Beizufügen waren Nachweise über den Entwicklungsweg nach Verleihung des Doktors eines Wissenschaftszweiges in den Truppenteilen, Stäben und Lehreinrichtungen und wissenschaftlichen Einrichtungen der bewaffneten Truppen, die sich auf die Fähigkeit des Promovenden zur Leitung eines „Forschungskollektivs“ zu „wissenschaftlicher, organisatorischer, prognostischer und politisch-idiologischer Arbeit“ bezogen. Es war auch ein Nachweis über die Vertiefung der marxistisch-leninistischen Kenntnisse zu erbringen.

Nach Erhalt der Promotion A des akademischen Grades eines Doktors eines Wissenschaftszweiges war eine dreijährige praktische Tätigkeit in Truppenteilen, Stäben, den Kommandos der Teilstreitkräfte, dem Kommando der Grenztruppen, der Stadtkommandantur Berlin, dem Ministerium für Nationale Verteidigung oder

Lehreinrichtungen oder wissenschaftlichen Einrichtungen der NVA abzuleisten. Der Promovend hatte in der Dissertation B nachzuweisen, dass er Forschungsergebnisse erbringen konnte, die dazu beitrugen, Höchstleistungen für die Landesverteidigung der DDR zu erreichen. Bei VS-Themen waren die Bedingungen der Dienstvorschrift 10/9 einzuhalten.

Die Pflichtexemplare der wissenschaftlichen Arbeit und der Thesen wurden Eigentum der Universität.

Die Vergabe der akademischen Lehrbefähigung, der Facultas docendi, wurde so geregelt, dass der Fakultät für Militärmedizin vom Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Rates das Recht zur Erteilung der Facultas docendi übertragen worden war. Der Antrag auf Erteilung der Facultas docendi war durch den Vorgesetzten des Habilitanden über den Chef des Medizinischen Dienstes an den Dekan der Fakultät für Militärmedizin zu richten. Neben den üblichen wissenschaftlichen Publikationen, war ein Zeugnis des „Kadervorgesetzten“ mit Hinweisen zur „gesellschaftlich-erzieherischen, militärfachlichen und geistig-kulturellen Wirksamkeit“ des Offiziers und zum beantragten Lehrgebiet zu erbringen, sowie eine Stellungnahme durch die zuständige Politabteilung. Die Richtlinie über die Fremdsprachenanforderungen an die Doktoranden der Ernst-Moritz-Arndt-Universität führte sehr präzise aus, wie viele lexikalische Einheiten und idiomatische Wendungen, nämlich 5.000, zu beherrschen waren, davon 2.000 rezeptiv. Die Fremdsprache selber wurde in der Verfahrensordnung nicht bestimmt.

Die Verfahrensordnung für den Nachweis der Kenntnisse in Marxismus/Leninismus für die Promotion A für Militärärzte, Militärzahnärzte und Militärapotheker forderte den Nachweis der Vertiefung der marxistisch-leninistischen Kenntnisse vor der Prüfungskommission des Instituts für Gesellschaftswissenschaften der Militärmedizinischen Sektion. Hierzu hatten sich die Doktoranden unmittelbar nach Vergabe des Promotionsthemas beim Direktor des Instituts für Gesellschaftswissenschaften der Militärmedizinischen Sektion zu melden, der Art und Weise der marxistisch-leninistischen Weiterbildung und Ablegung des Nachweises festlegte. In der Regel war eine mündliche Prüfung abzulegen. Der Doktorand konnte von der Prüfung befreit werden, wenn er über einen längeren Zeitabschnitt erfolgreich eine marxistisch-leninistische Lehrtätigkeit durchgeführt hatte.

Die Verfahrensordnung für den Nachweis der Weiterbildung in Marxismus/Leninismus zur Promotion B setzte voraus, dass der Kandidat durch die Lösung wissenschaftlicher Probleme einen Beitrag zur Entwicklung der Wissenschaft geleistet hatte und seine Kenntnisse der marxistisch-leninistischen Gesellschaftswissenschaften sowie der sozialistischen Wissenschaftsorganisation vertieft hatte. Hierbei hatte er nachzuweisen, dass er diese Kenntnisse erfolgreich bei der Lösung von Leitungsaufgaben in der Partei oder Massenarbeit und in der propagandistischen Tätigkeit anzuwenden verstand. Als Nachweisunterlagen galten die Belege über gesellschaftswissenschaftliche Weiterbildung

der Offiziere, den Besuch von Lehrgängen für „Leitungskader“, Lehrgänge auf den Gebieten der Wissenschaftsorganisation, des Informationswesens und der EDV und auf speziellen Gebieten der Gesellschaftswissenschaften. Als Beleg galt auch die Einschätzung seiner Tätigkeit als Referent, Seminar- oder „Zirkelleiter“ in Schulungssystemen der marxistisch-leninistischen Aus- oder Weiterbildung. Eine wissenschaftliche oder populärwissenschaftliche Publikation zu Grundfragen des Marxismus/Leninismus konnte gleichfalls als Beleg herangezogen werden, genauso wie eine kurze Einschätzung der Vorgesetzten oder staatlichen Leiter über die „erfolgreiche ideologische Durchdringung“ der Lehr- oder Führungsarbeit seitens des Kandidaten. Die Bestätigungen mussten vom zuständigen Kommandeur oder staatlichen Leiter bzw. von der zustä ndigen gesellschaftlichen Organisation ausgestellt und bei Armeeangehörigen vom zuständigen

„Politorgan“ bestätigt werden.

6.2 Das Zentrale Lazarett der NVA in Bad Saarow und die daraus