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5 Methoden

5.1 Methodische Herausforderungen

er-lauben und zu Klarheit sowie einem besseren Verständnis des Untersuchungsberei-ches führen. Nach diesem konzeptualisierten Klassifikationsschema handelt es sich beim „Tragen einer Tasse während dem Gehen“ oder beim „Telefonieren mit einem Handy während dem Gehen“ nicht um eine Doppelaufgabe. Als entscheidendes No-vum ihres Klassifikationssystems schlagen die Autoren vor, eine Doppelaufgabe als zwei Aufgaben mit distinkter Zielstellung zu definieren. Zentraler Aspekt ist, dass de-ren Leistungen unabhängig voneinander sind und getde-rennt bewertet werden können.

Nach diesem Klassifikationssystem handelt es sich bei den gerade genannten Hand-lungen (Tragen einer Tasse während dem Gehen und Telefonieren mit einem Handy während dem Gehen) eher um eine komplexe Einzelaufgabe als um eine Doppelauf-gabe. Dies deshalb, weil laut den Autoren die Leistung der Aufgabe „Tasse tragen“

nicht unabhängig von der Aufgabe „Gehen“ zu bewerten ist. Diese Einzelaufgaben können wiederum in einem zweidimensionalen Klassifikationssystem mit den Dimen-sionen „Neuheit“ (individuelle Erfahrung mit der Aufgabe) und „Aufgabenkomplexität“

(Aufmerksamkeitsanforderungen sowie Anzahl der Komponenten und Freiheits-grade), mit den dichotomen Polen „Hoch“ und „Niedrig“, zugeordnet werden. Solch eine Taxonomie liefert die Möglichkeit zur Beurteilung der Ergebnisse bestehender Untersuchungen zu Doppelaufgaben. Bezüglich der Schwierigkeit und Komplexität der Zweitaufgabe kann diese allerdings – in Abhängigkeit der zu untersuchenden Person – einen unterschiedlich hohen Aufwand an Aufmerksamkeit verursachen.

Aufgaben welche mathematische Fähigkeiten fordern, verursachen beispielsweise nur sehr wenig mentale Anstrengung, falls die Person darin sehr geübt ist. Um diesen individuellen Unterschieden entgegenzutreten, kann die Leistung in der Doppelauf-gabe an der EinzelaufDoppelauf-gabe relativiert werden (siehe Kapitel 5.1.4). Auch sollte die kognitive Belastung der Zweitaufgabe im Verlauf der Untersuchung konstant gehal-ten werden. Das Benennen von Worgehal-ten mit einem bestimmgehal-ten Anfangsbuchstaben („verbale Flüssigkeit“) kann anfänglich sehr einfach sein, wird im Verlauf jedoch deut-lich schwieriger (Yogev-Seligmann et al., 2008). Das ist insbesondere dann wichtig, wenn es beispielsweise um die Beständigkeit des Gangbildes über die Zeit geht.

Kontinuierliche Sekundäraufgaben haben den Vorteil, die Anforderungen während der Doppelaufgabe relativ konstant zu halten (Heuer & Wing, 1984). Klare Aussagen

zu Anforderungen in spezifischen Phasen der Primäraufgabe lassen sich damit je-doch ebenfalls nicht machen. Wenn es also um die genaue Lokalisierung der Auf-merksamkeitsanforderungen innerhalb der Primäraufgabe geht, dann sind diskrete Sekundäraufgaben zu bevorzugen (Posner & Keele, 1969). Insgesamt wird eine Reihe von kognitiven Zweitaufgaben herangezogen, die teilweise unterschiedliche kognitive Funktionen beanspruchen und nur schwer zu vergleichen sind. Um diesem Problem entgegenzutreten haben Al-Yahya et al. (2011) eine Aufgabenklassifizie-rung veröffentlicht, die nach dem kognitiven Prozess der Aufgaben kategorisiert (siehe Tabelle 7).

Tab. 7: Aufgabenklassifizierung der kognitiven Zusatzaufgaben (mod. nach Al-Yahya et al., 2011; siehe auch Bayot et al., 2018).

Kategorie Definition kognitiver Prozess Beispiele von Aufga-ben

Reaktionszeitaufgaben Zeitspanne zwischen der Wahrnehmung ei-nes Reizes und der Reaktion darauf

Verarbeitungsgeschwin-digkeit; Vigilanz (Reakti-onsbereitschaft); Dauer-aufmerksamkeit

Einfache Reaktionszeit-aufgabe per Knopfdruck

Diskriminierungs- und Entscheidungsaufgaben

Aufgaben, die die Aus-wahl eines bestimmten Stimulus (oder Merk-mals) und die Erzeu-gung einer spezifi-schen Antwort auf den Stimulus erfordern.

Selektive Aufmerksamkeit und Inhibitionsfähigkeit (Reaktion unterdrücken)

Stroop-Paradigmen (z.B. “Clock Task” oder andere visuelle oder au-ditive Wahlreaktionszeit-aufgaben)

Mentale Tracking - Auf-gaben; Arbeitsgedächt-nisaufgaben

Aufgaben, bei denen Informationen berück-sichtigt werden, die möglicherweise in ei-nem mentalen Prozess manipuliert werden müssen

Daueraufmerksamkeit, In-formationsverarbeitung und Arbeitsgedächtnis-prozesse mit seinen vier Komponenten gemäß dem Modell von Baddeley (1992):

die zentrale Exeku-tive (CE)

die Phonologische Schleife (PL)

das räumlich-visuelle Notizblock (VSS)

der episodische Puf-fer (EB)

Serielle Subtraktion (PL + CE); Rückwärtszählen (PL + CE); Rückwärts buchstabieren (PL + CE); Rechenaufgaben (PL/VSS + CE); Monate rückwärts rezitieren (PL + CE); Zahlen wiederho-len (PL); bestimmte Worte eines Satzes zäh-len (EB+CE); Einkaufs-liste erinnern (PL/VSS);

Kategorie Definition kognitiver Prozess Beispiele von Aufga-ben

Wortflüssigkeitsaufga-ben

Aufgaben, bei denen Wörter spontan oder unter vorgegebenen Suchbedingungen er-zeugt werden müssen

Exekutive Funktionen und semantisches Gedächtnis

Worte mit einem be-stimmten Buchstaben aufsagen; einfaches Zählen

Anmerkung. CE = central executive (dt.: zentrale Exekutive); PL = phonologic loop (dt.: phonologische Schleife); VSS = visual-spatial sketchpad) (dt.: visuell-räumlicher Notizblock); EB = episodic buffer (dt.: episodischer Puffer).

5.1.3 Einfluss von Instruktionen auf die Priorisierungsstrategie

Ein weiterer Punkt dieser Vorüberlegungen ist die Art und Weise, wie die Versuchs-personen instruiert werden sollen. Wenn es um die Aufmerksamkeitsanforderungen der Primäraufgabe geht, muss die Priorität der Aufmerksamkeit bei dieser Aufgabe liegen. Wenn es jedoch um die Frage der Fähigkeiten zum Aufmerksamkeitswechsel oder um Strategien der Ressourcenzuteilungen einer Versuchsperson geht, sollte die Priorität gleichermaßen auf beide Aufgaben verteilt werden. Durch die Charakte-ristik der Instruktion kann die Priorität der Versuchspersonen zu den Aufgaben somit gezielt zugewiesen werden. Um nun aber Aussagen darüber zu machen, ob sich die Versuchspersonen an die vorgegebenen Instruktionen halten, ist auch hier ein Ver-gleich zwischen Einzel- und Doppelaufgabe notwendig. Ein solcher VerVer-gleich liefert demzufolge einen Indikator dafür, welche Aufgabe priorisiert wird oder wie sehr ver-sucht wird beide Aufgaben gleichzeitig durchzuführen. Yogev-Seligmann et al.

(2010) konnten diesbezüglich zeigen, dass ältere Erwachsene Schwierigkeiten ha-ben einer expliziten Instruktion mit Fokus auf die kognitive Aufgabe zu folgen. Die Autoren vermuten eine reduzierte Fähigkeit der flexiblen Anpassung begrenzter Res-sourcen bei älteren Erwachsenen.

5.1.4 Berechnung proportionaler Doppelaufgabenkosten

Die Ergebnisse von Doppelaufgabenstudien sind somit nur dann ausreichend inter-pretierbar, wenn diese in der Primär- und Sekundäraufgabe einzeln und als Doppel-aufgabe vorliegen.

Bei der Berechnung der DAK wird die Leistung in jeder Aufgabe unter der Doppel-aufgabenbedingung zu der jeweiligen Leistung unter EinfachDoppel-aufgabenbedingung in Beziehung gesetzt (Doumas, Smolders, & Krampe, 2008; Schott, 2015). Diese pro-portionalen DAK werden als prozentuale Leistungsabnahme im Vergleich zur Leis-tung in der Einzelaufgabe gemäß der Formel:

DAK = Leistung in Doppelaufgabe − Leistung in Einzelaufgabe

Leistung in Einzelaufgabe ∗ 100 (1)

ausgedrückt. Höhere Werte bedeuten einen höheren Leistungsabfall in der Doppel-aufgabenbedingung im Vergleich zur EinfachDoppel-aufgabenbedingung. Ferner ist davon auszugehen, dass die Aufgabe mit dem höheren Prozentbetrag während der simul-tanen Aufgabenbearbeitung vernachlässigt wurde (Schott, 2015). Dabei spielt es keine Rolle, ob im Zähler die Leistung der Doppelaufgabe von der Leistung in der Einzelaufgabe angezogen wird oder andersherum. Damit jedoch positive DAK als Leistungsverbesserung und negative DAK als Leistungsabnahme interpretiert wer-den können, wird bei der Berechnung der motorischen DAK (z.B. bei der Gehge-schwindigkeit) die Leistung in der Einzelaufgabe von der Leistung in der Doppelauf-gabe abgezogen (2). Bei der Berechnung der kognitiven DAK dagegen (z.B. bei den Reaktionszeiten) wird im Zähler zunächst die Leistung in der Doppelaufgabe von der Leistung in der Einzelaufgabe abgezogen (3). Es sei nochmals ausdrücklich betont, dass dies abhängig ist von der zu untersuchenden Variablen. Alternativ können Va-riablen bei denen höhere Werte für schlechtere Leistungen stehen (z.B. Reaktions-zeiten oder Gehgeschwindigkeiten) durch das Einfügen eines negativen Vorzeichens berechnet werden (4).

motorische DAK = Leistung in Doppelaufgabe − Leistung in Einzelaufgabe

Leistung in Einzelaufgabe ∗ 100 (2)

kognitive DAK = Leistung in Einzelaufgabe − Leistung in Doppelaufgabe

Leistung in Einzelaufgabe ∗ 100 (3)

(Doumas et al. 2008)

DAK = − (Leistung in Doppelaufgabe − Leistung in Einzelaufgabe)

Leistung in Einzelaufgabe ∗ 100 (4)

(Kelly, Janke, & Shumway-Cook, 2010).

5.1.5 Muster motorisch-kognitiver Interferenzen

Um detaillierte Muster motorisch-kognitiver Interferenzen zu erhalten und Verände-rungen dieser Muster visualisieren zu können, stellen Plummer und Eskes (2015) die motorischen und kognitiven DAK grafisch gegenüber (siehe Abbildung 21).

Abb. 21: Klassifizierung und grafische Darstellung verschiedener Muster motorisch-kognitiver Interferenzen (mod. nach Plummer & Eskes, 2015, S.4).

Dies ermöglicht laut den Autoren eine bessere Einschätzung von Veränderungen über die Zeit. Ein Beispiel sind spezifische Interventionen wie Rehabilitationspro-gramme bei Schlaganfallpatienten zur Verbesserung des Gehens (Plummer, Villalo-bos, Vayda, Moser, & Johnson, 2014). Veränderungen in den Mustern

motorisch-kognitiver Interferenzen könnten dadurch zustande kommen, dass die Zuteilung der Aufmerksamkeit sich verändert. Wenn ein Interventionsprogramm also darauf aus-gerichtet ist, die motorischen Leistungseinbußen während Doppelaufgaben zu redu-zieren, ist das Programm demnach nur erfolgreich, wenn sich die kognitiven Leis-tungseinbußen während der Doppelaufgabe nicht erhöhen. Andernfalls kann dies als eine veränderte Ressourcenzuteilung interpretiert werden und nicht als Verbesse-rung der motorischen Leistung. Doppelaufgaben können zu Leistungseinbußen in einer der beiden Aufgaben führen (motorische oder kognitive DAK). Auch ist denk-bar, dass Doppelaufgaben zu einer Leistungsverbesserung in einer oder beiden Auf-gaben führen. Allgemein wird deshalb von DoppelaufAuf-gabeneffekten (engl.: Dual Task Effects, DTE) gesprochen, um implizit die verschiedenen Muster motorisch-kogniti-ver Interferenzen in Betracht zu ziehen. Plummer et al. (2013) beschreiben hierzu neun potenzielle Muster (siehe Tabelle 8).

Tab. 8: Neun potenzielle Muster motorisch-kognitiver Interferenzen (mod. nach Plummer et al., 2013; vgl.

Schott, 2017, S. 35).

kognitive Leistungsfähigkeit

keine Veränderung Verbesserung Verschlechterung

Motorische Leistungsfähigkeit keine Veränderung

keine Doppel- aufgabeninterferenz

Förderung der kognitiven Leistung

motorisch-bedingte kognitive Interferenz

Verbesserung

Förderung der motorischen Leistung

wechselseitige Förderung

motorische Aufgaben-priorisirung

Verschlechterung

mognitiv-bedingte motor. Interferenzen

kognitive Aufgaben-priorisierung

wechselseitige Interferenz Anmerkung. Die gewählte Schattierung hinter dem Text kann als Ampelsystem verstanden werden. Leistungseinbußen in beiden Domänen (wechselseitige Interferenzen) werden als kritisch gesehen (rot). Eine Verbesserung in beiden Domänen (wechselseitige Förderung) wird dagegen als hilfreich betrachtet (grün).

5.1.6 Wahl der Fortbewegungsaufgabe

Neben den bereits genannten Vorüberlegungen (Wahl der Sekundäraufgaben, In-struktionen und Berechnung von DAK) ist festzuhalten, dass die Fortbewegung unter verschiedenen Bedingungen oder mit unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen kaum

untersucht wurde (Beurskens & Bock, 2013a; Simoni et al., 2013). Die Bewältigung von Alltagsaufgaben verlangt jedoch nicht nur das Gehen auf geraden Strecken. Viel-mehr muss Hindernissen und Menschen ausgewichen sowie durch Straßen navigiert werden (Schott, 2015). Gerade die genaue Platzierung der Füße, insbesondere bei schwierigen Umgebungsbedingungen, zur Vermeidung von Stolpern und Ausrut-schen ist essentiell (Alexander, Ashton-Miller, Giordani, Guire, & Schultz, 2005), wird in erster Linie visuell gesteuert und erfordert ein gewisses Maß an aufmerksamer Kontrolle (Menant et al. 2014; Peper et al., 2012).

Die in klinischen Studien häufig eingesetzten Doppelaufgaben auf dem Laufband o-der beim Geradeausgehen scheinen in ihrem Anspruch an die motorische Kontrolle aufgrund der konstanten Gehgeschwindigkeiten und der nicht zu erwartenden Stö-rungen zu einfach zu sein, um deutliche DAK zu produzieren (Simoni et al., 2013).

Im Vergleich zum Geradeausgehen werden beim Kurvengehen unterschiedliche kognitive Funktionen angesprochen. Während das Geradeausgehen durch einfache Informationsverarbeitungsprozesse gelöst werden kann, erklärt die kognitive Flexibi-lität und die Fähigkeit zum Aufgabenwechsel die Geschwindigkeit beim Kurvengehen (Lowry, Brach, Nebes, Studenski, & VanSwearingen, 2012) sowie beim Gehen mit Richtungswechsel (Mazaheri et al., 2014; vgl. Schott, 2015).

Auf neuronaler Ebene zeigt sich der genannte Zusammenhang zwischen dem Kon-strukt der kognitiven Flexibilität und der Fortbewegung unter anderem darin, dass der präfrontale Kortex sowohl bei der Bearbeitung des TMT als auch bei Fortbewe-gungsaufgaben aktiv ist (La Fougere et al., 2010; Lee et al., 2014). Die MRT Ergeb-nisse dieser Studien deuten auf die gemeinsame Nutzung dieser Areale hin. Darüber hinaus gibt es Befunde, welche überlappende neuronale Netzwerke für die posturale Kontrolle und visuell-räumliche Aufgaben belegen (Barra et al., 2006; Sturnieks et al., 2008) und zeigen, dass visuell anspruchsvolle Aufgaben bzw. mentale Tracking-aufgaben besonders sensitiv für die Produktion von DAK sind (Beurskens & Bock, 2012b; Al-Yahya et al., 2011).

5.1.7 Entwicklung einer mobilen Variante des TMT

Nicht zuletzt auf Grundlage dieser Befunde wählen in jüngster Zeit einige Labore den Weg, ein standardisiertes neuropsychologisches Verfahren zu nutzen und dieses in eine mobile Version, mit mehr oder weniger visuell-räumlicher Zusatzbelastung, um-zuwandeln (Stroop-Stepping Test: Schoene et al., 2013; Walking-Stroop Carpet: Per-rochon, Kemoun, Watelain, & Berthoz, 2013; Trail-Walking Test: Yamada &

Ichihashi, 2010; Walking-Trail-Making Test: Alexander et al., 2005; Walking-Corsi Test: Piccardi et al., 2013). Beispielsweise wurde in den vergangenen Jahren auf der Grundlage des TMT-Paradigmas, in der Domäne der Doppelaufgabentätigkeit, ein motorisch-kognitiver Test entwickelt. Mit diesem, als „Trail-Walking Test“ (im weite-ren Verlauf mit TWT abgekürzt) bezeichneten Verfahweite-ren, wurden die erhobenen Da-ten in erster Linie als Grundlage für eine Sturzvorhersage herangezogen (Alexander et al., 2005; Yamada & Ichihashi, 2010). Darüber hinaus wird das Verfahren als Er-kennungstool für die mit Stürzen oftmals verbundenen leichten kognitiven Beein-trächtigungen (MCI) eingesetzt (Persad, Jones, Ashton-Miller, Alexander & Giordani, 2008; Perrochon & Kemoun, 2014).

“[…] walking impairment could play an important role in the diagnosis of dementia, […] we can detect, through complex walking tests, older subjects who are likely to deteriorate at a cognitive level.” (Perrochon & Kemoun, 2014, S.117).

In einer Studie aus dem Jahr 2005 untersuchten Alexander und Kollegen unter an-derem den Zusammenhang zwischen der Leistung im TMT und einem, eigens von ihnen entwickelten TWT. Die Teilnehmer wurden instruiert, über eine 3,66 Meter lange und 1 Meter breite Linoleum-Matte zu laufen und dabei in die, je nach Bedin-gung (TWT-A; Zahlen in aufsteigender Reihenfolge oder TWT-B; Zahlen und Buch-staben alternierend und in aufsteigender Reihenfolge), vorgegebenen Ziele zu tre-ten. Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen, dass die Zeiten bei der Durchfüh-rung des TWT mit erhöhter kognitiver (Bedingung A vs. Bedingung B) AnfordeDurchfüh-rung ansteigen. Dies war eine der ersten und wenigen Studien, die einen sturzassoziierten Standardtest (TMT) mit einer motorischen Aufgabe verbindet.

Yamada und Ichihashi (2010) überprüften fünf Jahre später die Nützlichkeit eines,

ebenfalls von ihnen entwickelten, TWTs zur Vorhersage von Stürzen bei älteren Per-sonen. Die Autoren halten den Test von Alexander et al. (2005) als zu leicht und nutzten statt einem länglichen Laufweg eine zweidimensionale und 25m2 große Flä-che (siehe Abbildung 22).

Abb. 22: Schematische Darstellung des Aufbaus des TWT. b. Schematisch Darstellung des Laufweges beim TWT (Yamada & Ichihashi, 2010, S.388).

Darüber hinaus setzten die Autoren neben dem TWT zusätzlich weitere kognitive (TMT) und motorische (TUG, Timed „Up and Go“; FR, Functional Reach; OLS, One Leg Standing Test und 10 Meter Gehtest) Tests (Validierung) ein, um zu überprüfen, ob diese das Sturzrisiko und damit zukünftige Stürzen besser vorhersagen können.

Nach Meinung der Autoren gibt es keinen „Goldenen Standard“, wenn es um die Frage einer möglichen Vorhersage von Stürzen geht. Die Ergebnisse der Studie deu-ten allerdings darauf hin, dass ausschließlich der TWT eine ausreichend zuverläs-sige Vorhersage ermöglicht, da insgesamt 77,8% der Stürze korrekt klassifiziert wur-den. Perrochon und Kemoun (2014) nutzten einen vergleichbaren TWT wie bereits sechs Jahre zuvor Persad et al. (2008). Dieser TWT setzt sich, wie aus Abbildung 23 ersichtlich, aus drei Teilen zusammen. Bedingung 1 (WTMT-N) besteht aus einer Sequenz aus Zahlen von 1 bis 20. In Bedingung 2 (WTMT-A) kommen zudem Ab-lenkungen in Form zusätzlicher Zahlen hinzu, was eine aktive Auswahl der Ziele und

die Inhibition irrelevanter Informationen erfordert. In der letzten Bedingung schließ-lich (WTMT-B) müssen Zahlen und Buchstaben, ebenfalls mit der Präsenz von Ab-lenkungsreizen, alternierend und in aufsteigender Reihenfolge angelaufen werden (1-A-2…10-J). Die Autoren kamen aufgrund ihrer Ergebnisse zu dem Schluss, dass diese Art des TWT im Gegensatz zu vielen traditionellen neuropsychologischen Test-verfahren, als Erkennungstool zur Ermittlung leichter kognitiver Einschränkung zu-verlässiger eingesetzt werden kann.

“We can suppose that a complex walking exercise, such as the WTMT, makes it possible to detect subjects who were not diagnosed as MCI by traditional neuropsychological tests, but who, nev-ertheless, presented common impairments.” (Perrochon & Kemoun, 2014, S. 117)

Abb. 23: Beispielhafte Darstellung der Laufwege des TWT (TMT N = Lauf TMT-Zahlen; TMT A = W-TMT mit Zahlen in aufsteigender Reihenfolge; W-W-TMT B = W-W-TMT mit alternierenden Zahlen und Buchstaben in aufsteigender Reihenfolge) (Persad et al., 2008, S.1352).

Die bisher beschriebenen Varianten des TWT (siehe Abbildung 24) unterscheiden sich unter anderem im Hinblick auf die perzeptuelle Aufgabe und der damit verbun-denen aktiven Suche der visuellen Umgebung. Aktuell ist belegt, dass sich die Leis-tung in Aufgaben, die eine aktive Suche der visuellen Umgebung erfordern, im Kin-desalter verbessert und mit dem Alter abnimmt (Plude & Doussard-Roosevelt, 1989).

Durch die Abnahme der peripheren Sehkraft (Harpur, Scialfa, & Thomas, 1995), der

Fähigkeit die Aufmerksamkeit auf die visuelle Umgebung zu richten (Hartley, Kieley,

& Slabach, 1990) und der Fähigkeit Ablenkungsreize zu ignorieren (Rabbitt, 1965), sind die dargestellten Varianten des TWT in ihrem kognitiven Schwierigkeitsgrad zu differenzieren.

Abb. 24: Weiterentwicklung eines neuropsychologisches Testverfahren (Trail-Making Test; Reitan, 1955, 1958) in eine mobile Variante (Trail-Walking Test; Schott, 2015).

Auch ist der Schwierigkeitsgrad des motorischen Anteils zu unterscheiden (Gerade-ausgehen versus Richtungswechsel; Lowry et al., 2012; Mazaheri et al., 2014;

Schott, 2015). Alexander et al. (2005) sowie Perrochon und Kemoun (2014) lassen ihre Probanden nur in eine Richtung geradeausgehen.

Die Lösung der rein motorischen Komponente im Sinne einer Spurverfolgungsauf-gabe blieb bei allen genannten Autorengruppen unberücksichtigt, wodurch die Be-rechnung tatsächlicher motorischer DAK unmöglich ist (Schott, 2015). Schott über-prüfte die Weiterentwicklung der psychometrischen Eigenschaften des TWT bei äl-teren Erwachsenen und konnte zeigen, dass die Methode ein geeignetes, sensitives Verfahren darstellt, um gleichzeitig dynamische posturale Kontrolle,

Aufmerksam-keit, visuelles Scannen, Informationsverarbeitung, kognitive Flexibilität und Arbeits-gedächtnis zu untersuchen. Bestätigt wird die hohe Reliabilität durch hohe ICC-Ko-effizienten (ICC = Intra-Class-Correlation; dt.: Intra-Klassen Korrelation) sowie die konvergente Validität durch moderate bis hohe Zusammenhänge zu weiteren Test-verfahren, die die motorische (u.a. TUG; Timed „Up and Go“-Test) und kognitive Leistungsfähigkeit (TMT, BTT; Block-Tapping-Test) überprüfen. Insgesamt hat sich der TWT bei älteren Erwachsenen als gut durchführbares, reliables und valides In-strument zur Unterscheidung zwischen gestürzten und nicht gestürzten Personen erwiesen (Schott, 2015). Die notwendige Kombination von kognitiven und motori-schen Funktionen, wie sie im TWT gefordert wird, ist von entscheidender Bedeutung für die Durchführung von Alltagsaktivitäten und kann darüber hinaus helfen die mo-torischen und kognitiven Zusammenhänge in einer ökologisch validen Aufgabe zu verdeutlichen.