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Abbildung 4.3:Beispiel eines Causal-Loop-Diagramms zum Lagerbestand nach Schade (2005a, S. 29)

Gewünschter Lagerbestand

Differenz zwischen gewünschtem und

tatsächlichem Lagerbestand Bestellmenge

Lagerbestand

-

+

+ +

-

Diese Rückkopplungen werden während des qualitativen Modellentwurfs identifiziert, nachdem zuvor das Problem spezifiziert und die Basisannahmen festgelegt wurden. Danach kann das quantitative System-Dynamics-Modell ausgearbeitet werden. In diesem quantitativen Modell werden die Systemelemente mit Hilfe von Bestandsvaria-blen (Stocks), FlussvariaBestandsvaria-blen (Flows) und Hilfsgrößen abgebildet. Abbildung 4.4 zeigt ein kleines Beispiel zur quantitativen Entwicklung des Lagerbestandes. Es stellt dar, wie sich der Lagerbestand in Abhängigkeit von den Flussvariablen Produktion und Absatz über die Zeit entwickelt. Ist die Produktion größer als der Absatz, steigt der Lagerbestand. Ist der Absatz größer, sinkt der Lagerbestand. Nach der quantitativen Modellierung muss das Modell noch validiert werden. Erst dann können Maßnahmen und Politiken getestet und bewertet werden. Eine detaillierte Anleitung zur Erstellung von System-Dynamics-Modellen findet sich bei Schade (2005a, S. 26-35). Eine Beschreibung der allgemeinen Vorgehensweise zur Entwicklung von Simulationsmodellen findet sich bei Bossel (1992, S. 40-46).

Abbildung 4.4:Beispiel eines Stock-und-Flow-Diagramms zum Lagerbestand

Lagerbestand

Produktion Absatz

Stock Flow

Flow

System-grenze

System-grenze

Aktuelle Forschungsarbeiten

Im Unterabschnitt Supply-Chain-Risikomanagement (Unterabschnitt 2.2.3) wurden bereits kurz die System-Dynamics-Modelle von Wilson (2007) und Bueno-Solano und Cedillo-Campos (2014) vorgestellt, die zur Risikoanalyse eingesetzt werden. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere System-Dynamics-Modelle, die sich mit dem Transportsystem im Allgemeinen befassen.

Ein sehr umfassendes System-Dynamics-Modell ist das multi-nationale, multi-sektorale ASTRA-Modell (ASTRA-Konsortium 2000). Es wurde von Schade, Martino und Roda (1999) entwickelt, um die langfristigen Auswirkungen unterschiedlicher Transportstrategien auf europäischer Ebene zu bewerten. Da es die Verknüpfungen zwischen Transportbedarf, Wirtschaft, Fahrzeugflotte und Umweltauswirkungen simuliert, ermöglicht es eine integrierte,

multidimensionale Bewertung. Es kann auf eine Vielzahl von politischen Maßnahmen, wie Investitionen, und Szenarien, wie Energieknappheit und steigende Ölpreise, angewandt werden. Im Sinne eines klassischen Güter-verkehrsmodells ist es jedoch räumlich wenig detailliert (Schade 2005b; Fiorello, Fermi und Bielanska 2010).

Eine Übersicht über System-Dynamics-Modelle, die speziell im Zusammenhang mit der Güterverkehrsmodellierung stehen, geben Thaller, Clausen und Kamppmann (2016, S. 57-60). Sie kommen zu dem Schluss, dass die System-Dynamics-Methodik bisher nur rudimentär für die Güterverkehrsmodellierung oder die Analyse der räumlichen Verflechtungen wirtschaftlicher Aktivitäten eingesetzt wird. Die existierenden Modelle konzentrieren sich meist auf den Personenverkehr (Thaller, Clausen und Kamppmann 2016, S. 60).

Einige System-Dynamics-Modelle beschäftigen sich auch direkt mit der Lebensmittelversorgung. Georgiadis, Vla-chos und Iakovou (2005) präsentieren einen System-Dynamics-Ansatz mit dem sie mehrstufige Versorgungsketten der Lebensmittelindustrie analysieren können. Dafür werden modulare, einstufige Modelle miteinander verknüpft.

Das Modell ermöglicht es, die Supply-Chain-Konfiguration für unterschiedlichste Entscheidungsprobleme zu optimieren. Es wurde auf eine griechische Fast-Food-Kette angewandt.

Kumar und Nigmatullin (2011) verwenden den System-Dynamics-Ansatz, um die Verflechtungen innerhalb einer Supply-Chain zu untersuchen und kritische Komponenten zu identifizieren. Sie konzentrieren sich bei ihrer Untersuchung auf den Einfluss von Nachfrageschwankungen und Durchlaufzeiten auf Versorgungsketten nicht-verderblicher Lebensmittel. Sie stellen damit ein Werkzeug zur Verfügung, mit dem Entscheidungen für effektive und nachhaltige Supply-Chains getroffen werden können.

Die zwei zuletzt vorgestellten Arbeiten zeigen interessante Ansätze zur Erreichung der Ziele der vorliegenden Arbeit, konzentrieren sich aber auf einzelne Supply-Chains. Ihr Vorgehen lässt sich nicht auf das gesamte Lebensmittelversorgungssystem übertragen. Der System-Dynamics-Ansatz kann deshalb hier nur in Kombination mit anderen Methoden verwendet werden.

4.2.3 Input-Output-Modelle

Entwickelt wurde die Input-Output-Rechnung von Leontief, der eine Volkswirtschaft als geschlossenen Wirtschafts-kreislauf in mathematischer Form beschreiben wollte (Leontief 1966). Sie werden meist auf die nationale Ebene angewendet und umfassen neben den jährlichen, innerstaatlichen Flüssen auch die Jahreswerte für Im- und Exporte. Im Fokus stehen dabei insbesondere die Flüsse zwischen den verschiedenen Produktionsbereichen. Kern-aufgabe ist die nachvollziehbare Darstellung von monetären Verflechtungen im Untersuchungsjahr und damit die Erhöhung der Transparenz des Untersuchungsgegenstandes.

Grundlagen

Input-Output-Modelle sind quantitative volkswirtschaftliche Analysewerkzeuge, welche die produktions- und güter-bezogenen Verflechtungen zwischen verschiedenen Wirtschaftssektoren monetär beschreiben. Im Prinzip handelt es sich bei ihnen um wirtschaftsweite Produktionsfunktionen, die sich aus technischen Koeffizienten zusammensetzten (Toyomane 1988, S. 1). Abbildung 4.5 zeigt das vereinfachte Grundschema einer Input-Output-Tabelle. Die Tabelle fasst Aufkommen und Verwendung der Güter zusammen. Die Inputs bezeichnen zum einen Vorleistungen, also Waren und Dienstleistungen, die im Zuge der Produktion verbraucht oder verarbeitet werden. Diese Verflechtungen werden in der Vorleistungsmatrix abgebildet, in der die Produktionsbereiche in den primären (Land- und Forstwirt-schaft sowie Fischerei), sekundären (Produzierendes Gewerbe) und tertiären Bereich (Dienstleistungen) geteilt sind. Zum anderen wird darunter der Einsatz der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital verstanden, der in der Matrix der Primärinputs dargestellt wird. In den Spalten der Vorleistungsmatrix kann abgelesen werden, wie viele

Vorleistungsgüter von einem Produktionsbereich verbraucht werden. Folgt man dieser Spalte weiter nach unten, kann man in der Primärinputmatrix ablesen, wie viel Arbeit und Kapital in diesen Produktionsbereich geflossen sind. Als Output wird der Wert der produzierten Waren beziehungsweise Dienstleistungen bezeichnet.

Abbildung 4.5:Schematische Darstellung einer Input-Output-Tabelle (Statistisches Bundesamt 2010, S. 6)

Vorleistungsmatrix Gütergruppen

Primärer Bereich

Sekundärer Bereich

Primärer

Bereich Sekundärer Bereich

Input der Produktionsbereiche

Endnachfragematrix Konsum

Letzte Verwendung Verwendung

(Input) Aufkommen

(Output) Investi- Exporte

tionen

Tertiärer Bereich

Tertiärer Bereich

Gesamte

Verwen-dung

Gesamte Endnachfrage Gesamte Vorleistungen

Komponenten der Wertschöpfung

Importe ...

...

...

Gesamtes Aufkommen

Matrix der Primärinputs Gesamtes Aufkommen

=

Gesamte Verwendung

Mit Input-Output-Tabellen lassen sich verschiedene Analysen durchführen. So bilden sie die Grundlage für Struktur-untersuchungen der Wirtschaft, ermöglichen die Modellierung von Auswirkungen von Nachfrage-, Preis- und Lohnänderungen auf die Gesamtwirtschaft, helfen beim Abschätzen von politischen Maßnahmen und werden zur Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung eingesetzt (Statistisches Bundesamt 2010, S. 5-8; Winkler 2010, S. 103). Die aktuelle Input-Output-Tabelle der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung in Deutschland umfasst 71 Gütergruppen (Statistisches Bundesamt 2010, S. 5).

Input-Output-Tabellen haben aber auch Schwächen. Diese entstehen aus den Unsicherheiten in den Umfrage-beziehungsweise Originaldaten, der Abschätzung fehlender Sektordaten, der Allokation bei mehreren Absatz-gütern eines Sektors, der Annahme von Proportionalität, dem Ignorieren des Lebenszyklus einzelner Güter, Technologie- und Produktmixänderungen während der langwierigen Bearbeitung, Unsicherheit bei der Wahl exogener Modell-Inputs, der Aggregation von Akteuren unterschiedlicher Größe sowie der Annahme, dass die Produktionstechnologie der importierten Güter mit der zu untersuchenden Wirtschaft identisch ist (Hawkins, Hen-drickson und Matthews 2007, S. 27).

Möchte man Input-Output-Tabellen in der Verkehrsnachfragemodellierung anwenden, treten weitere Probleme auf.

Das größte Problem ist die Umrechnung von monetären Flüssen in physische Güterflüsse. So müssen Inputs und Outputs in Produktion und Konsum umgerechnet werden. Darüber hinaus verlaufen die physischen Güterflüsse nicht parallel zu den monetären Flüssen, wodurch ein erheblicher Modellierungsaufwand entsteht.

Aktuelle Forschungsarbeiten

Für Analysezwecke, bei denen die physischen Verflechtungen im Vordergrund stehen, werden deshalb direkt physische Input-Output-Tabellen erstellt. An einer solchen physischen Input-Output-Tabelle arbeitete das Statistische Bundesamt (Statistisches Bundesamt 2001; Statistisches Bundesamt 2003a; Statistisches Bundesamt 2003b). Das Ziel dieser physischen Input-Output-Analyse besteht darin, den wirtschaftlichen Stoffwechsel inklusive der Auswirkungen wirtschaftlicher Aktivitäten auf die Umwelt abzubilden, um die übermäßige Nutzung monetär nicht bewerteter Ressourcen aufzuzeigen und so einen Beitrag zum Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen zu leisten.

Aber auch koventionelle, monetäre Input-Output-Analysen werden zur Untersuchung des Güterverkehrs eingesetzt.

In Kombination mit Güterverkehrsnachfragedaten untersuchen Alises und Vassallo (2015) damit den Zusammen-hang von Wirtschaftswachstum und Güterverkehrswachstum in neun europäischen Ländern. Ziel ihrer Forschung ist es, Entkopplungsfaktoren zu identifizieren, um die wirtschaftliche Entwicklung nachhaltiger gestalten zu können. Dafür werden die konventionellen Input-Output-Tabellen um einen Vektor ergänzt, der für jeden Sektor einen Faktor für die Intensität des Straßengüterverkehrs enthält.

Auch in der Auswirkungsanalyse von Katastrophen können Input-Output-Analysen eingesetzt werden. So benutzt Okuyama (2014) eine Reihe von regionalen Input-Output-Tabellen, die seit 1985 alle fünf Jahre für große japanische Städte erstellt werden, um die Auswirkungen des großen Erdbebens von 1995 in der Region Kobe zu untersuchen. Dadurch ist er in der Lage, die durch Instandsetzung und Wiederaufbau verursachten Struktur-und Verflechtungsänderungen der Wirtschaftssektoren zu identifizieren sowie die dadurch geänderte langfristige Entwicklung der regionalen Wirtschaft zu beschreiben.

Eine Untergruppe von Input-Output-Modellen bilden die Inoperability Input–Output Models (IIM). Sie wurden von Santos und Haimes (2004) entwickelt, um die Ausbreitung von durch Terrorismus verursachte Störungen auf andere Sektoren oder Infrastrukturen untersuchen zu können. Dabei steht die Funktionsunfähigkeit (Inoperability) im Mittelpunkt der Untersuchung, welche die durch die Störung verursachte Fehlkapazität in Prozent der geplanten Kapazität angibt. Eine Übersicht über IIM geben Dietzenbacher und Miller (2015) und schließen eine Bewertung der Methodik an.

Yu u. a. (2014) benutzen IIM, um Sektoren mittels eines Vulnerabilitätsindex zu priorisieren. Dadurch soll vor allem die effektive Ressourcenverteilung auf die Sektoren im Falle einer Störung unterstützt werden. Der Vulnerabilitäts-index berechnet sich dabei aus dem Umfang der ökonomischen Auswirkungen, der Ausbreitungsreichweite sowie der Größe des Sektors.

In IIM besteht jedoch nicht die Möglichkeit, Auswirkungen von Maßnahmen abzubilden. Deswegen wurden sie von Haimes, Horowitz, Lambert, Santos, Lian u. a. (2005) zu Dynamic Inoperability Input–Output Models (DIIM) erweitert. Durch diese Erweiterung kann auch die Geschwindigkeit der Erholung eines Systems modelliert werden.

In einer zweiten Veröffentlichung demonstrieren Haimes, Horowitz, Lambert, Santos, Crowther u. a. (2005) die Anwendung der DIIM anhand von Reaktionen auf fiktive Angriffe auf Energieversorgung und Telekommunikation mittels elektromagnetischer Pulse.

Santos, Yu u. a. (2014) nutzen DIIM zusammen mit Ereignisbaumanalysen. Das daraus entstehende Modell kann den Funktionsunfähigkeitsvektor im Verlauf der Katastrophe anpassen und so Ereignisse abbilden, die verstärkend oder mildernd auf den Katastrophenverlauf einwirken. Untersuchungsraum ist dabei Nashville, USA, das regelmäßig von Tornados und extremen Hochwassern bedroht wird.

Barker und Santos (2010) ergänzen die DIIM zusätzlich um Bestände und Lagerhaltungspolitiken. Dadurch ist das entwickelte Modell in der Lage, Verzögerungen bei der Ausbreitung einer Störung abzubilden. Dies gibt Entscheidern die Möglichkeit, Bestände als Vorbereitung auf Störungen neu zu bewerten und erhöhte Lager-haltungskosten zu rechtfertigen.

Jonkeren und Giannopoulos (2014) entwickeln in ihrem Modell diesen Begriff der Bestände weiter zur Fähigkeit eines Systems, seine Funktion aufrecht zu erhalten, auch wenn es gestört ist. Außerdem unterscheiden sie für verschiedene Störungstypen unterschiedliche Erholungsphasen. Angewendet wird das Modell auf das Szenario eines schweren Wintersturms in Nordeuropa und dessen Auswirkungen auf die kritischen Infrastrukturen.

Nutzbarkeit für vorliegende Zielstellung

Dieser Abschnitt und die darin aufgeführten Beispiele zeigen, dass die Input-Output-Analyse für die Darstellung von wirtschaftlichen Verflechtungen und teilweise auch von Störungsauswirkungen genutzt werden kann. Folglich ließen sich damit die Verflechtungen innerhalb der Lebensmittelwirtschaft abbilden. Räumliche Verflechtungen können dagegen nicht abgebildet werden. Dies ermöglichen Multi-regionale Input-Output (MRIO)-Modelle, die eine Erweiterung der Input-Output-Analyse darstellen. Diese werden in Unterabschnitt 4.4.3 ab Seite 62 beschrieben.