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1. E INLEITUNG

1.4 Fluoreszenz der Zahnhartsubstanzen

1.5.2 Methoden der selektiven Kariesexkavation

Das diagnostische Vorgehen des Zahnarztes darf nicht mit dem Entschluss zu einer in-vasiven Therapie enden, sondern ist auch zur Beurteilung einer Exkavation notwendig.

Aus diesem Grund wurden in Analogie zur Kariesdiagnostik Hilfsmittel zur selektiven Entfernung von kariösem Dentin entwickelt. Mit der Entwicklung und Verwendung der neuen Methoden soll der subjektive Einfluss des Zahnarztes auf die Kariesentfernung verringert werden [251]. Die derzeit eingesetzten Methoden der Kariesexkavation sind in Tab. 1.1 aufgelistet und in Anlehnung an Banerjee et al. in fünf Kategorien einge-teilt [12].

Tab. 1.1. Klassifikation der verschiedenen Methoden zur Kariesexkavation, modifiziert nach Banerjee et al. [12].

Kategorie Technik

Handstück und Bohrer 1.5

Mechanische,

Enzymatische Verfahren (z. B. SFG III®)

1.5.2.1

1mit Handstück und Bohrer oder Handexkavator

1.5.2.1 Kariesdetektoren

Zur Anfärbung von Proteinstrukturen einer Dentinkaries werden verschiedene Substan-zen angeboten [173]. Sie wurden mit dem Ziel entwickelt, ausschließlich die infected layer einer kariösen Läsion anzufärben. Der Caries Detector (Kuraray, Osaka, Japan) besteht aus 1%igem Säurerot in Propylenglykol [78, 80]. Die Anwendung wurde von Fusayama wie folgt beschrieben [79, 80, 195]: Auf die Dentinläsion (Abb. 1.6 a) wird ein Tropfen der Lösung aufgetragen (Abb. 1.6 b). Nach zehn Sekunden Einwirkzeit muss die Kavität vorsichtig ausgespült, ausgesprüht und getrocknet werden. Zu berück-sichtigen ist, dass eine Verlängerung der Einwirkzeit zur Anfärbung der affected layer führen kann. Die eigentliche Exkavation erfolgt mechanisch, üblicherweise mit einem Rosenbohrer bis jegliches angefärbtes Dentin entfernt ist [83] (Abb. 1.6 c). Eine mehr-fache Applikation (Abb. 1.6 d) ist erforderlich, da der Detektor die Kariesschichten ins-besondere einer chronischen Läsion zu langsam penetriert. Die Exkavation gilt als abge-schlossen, wenn nach erneutem Aufbringen der Lösung keine weitere Anfärbung auftritt (Abb. 1.6 e). Die ursprünglichen Studien konnten nachweisen, dass die Bakterien nicht über die angefärbte Schicht hinaus dringen [220]. Somit soll die Entfernung des ange-färbten Dentins in vitro und in vivo zur vollständigen Entfernung des infizierten Dentins führen [77, 80, 216, 220]. Heute ist bekannt und wird kritisiert, dass die von Fusayama verwendete Technik zur Kultivierung von Bakterien lediglich 50 % der Population erfasste [13].

Abb. 1.6. Anwendung des Kariesdetektors am Beispiel einer Zahnhalskaries. a Ausgangs-befund. b Der Detektor wurde auf die Läsion aufgetragen. c Zustand nach Entfernung der angefärbten Bereiche. d Angefärbte kariöse Bereiche nach erneutem Auftragen und Abspülen des Detektors. e Vollständig exkavierte, nicht weiter anfärbbare Läsion.

a b c d e

a b c d e

Als Vorteil des Detektors gilt, dass mit seiner Hilfe auch ohne Lokalanästhesie eine schmerzlose Kariesexkavation möglich ist, da die infected layer keine vitalen Odonto-blastenfortsätze enthält [79]. Voraussetzung dafür ist die nachfolgende Versorgung mit einer adhäsiv befestigten Restauration mit einem Komposit oder Kompomer. Andere Restaurationen würden eine Präparation bis in Bereiche normalen Dentins erfor-dern [80]. Schmerzen können auch bei approximalen Läsionen, die einen Zugang von okklusal durch normales Dentin erfordern, nicht vermieden werden [80]. Darüber hin-aus muss die Exkavation trocken bei niedriger Drehzahl durchgeführt werden [221], ansonsten bleibt kariöses Dentin zwischen den Schneiden des Rosenbohrers haften und führt zu einer hohen Reibungswärme [80, 111].

Tassery et al. [149] zeigten die Abhängigkeit der Exkavationsergebnisse von der Erfah-rung des Behandlers mit dem Detektor. In neueren Studien wurde die Entfernung aller angefärbten Bereiche mit einer Überexkavation gleichgesetzt [14, 132, 173]. Die Anfär-bung mit dem Detektor reichte über die Grenze der bei der konfokalen Laser Scanning Mikroskopie sichtbaren Autofluoreszenz hinaus [14]. Der Detektor markierte des Wei-teren pulpanahes Dentin und Dentin nahe der Schmelz-Dentin-Grenze [275]. Yip et al.

konnten nachweisen, dass dies auf den verringerten Mineralgehalt dieser Bereiche zu-rückzuführen ist, und dass der Detektor folglich weder kariös infiziertes Dentin noch Bakterien spezifisch färbt, sondern lediglich die durch Demineralisation freiliegende organische Matrix [275]. Banerjee et al. [14] bestätigten diese Erkenntnisse. Kidd et al.

fanden an der Schmelz-Dentin-Grenze und am Kavitätenboden keinen klinisch rele-vanten Unterschied im Bakteriengehalt von gefärbtem und ungefärbtem Dentin [132, 135]. Boston und Liao schwächten diese Kritiken ab, indem sie angefärbte normale Dentinbereiche als deutlich schwächer gefärbt und dadurch unterscheidbar vom infi-zierten Dentin darstellten [27].

1.5.2.2 Chemomechanische Kariesexkavation

Unter dem Namen Carisolv (MediTeam, Sävedalen, Schweden) wird eine chemo-mechanische Methode zur Kariesexkavation angeboten. Dabei handelt es sich um zwei Komponenten, welche vor der Anwendung miteinander vermischt werden müssen [10-12, 19, 64, 167, 276]: a) eine 0,5%ige Natriumhypochlorit-Lösung und b) drei Aminosäuren (Lysin, Leucin, Glutaminsäure), Carboxymethylcellulose sowie Erythrosin. Das pinkfarbene, hochvisköse Gel muss 30 Sekunden einwirken, bevor mit nicht schneidenden, doppelendigen Handinstrumenten [64, 264], welche selektiver als Handexkavatoren arbeiten, das angelöste Dentin überwiegend schmerzfrei abgeschabt werden kann [12, 19, 64, 94, 167]. Genutzt wird die proteolytische Wirkung des Natri-umhypochlorits. Es führt zu Kontinuitätsunterbrechungen von geschwächten Kollagen-fasern durch Chlorierung und damit Zerstörung der intermolekularen Quervernetzun-gen [19, 47, 167]. Es resultiert keine oder nur eine minimale Schmierschicht; die Den-tinkanälchen sind offen [11, 114]. Die Oberfläche ist rauer und unregelmäßiger als nach mechanisch rotierender Exkavation [19, 47, 94, 114, 238, 240, 264].

Verschiedene Studien stellen Carisolv als effektive Alternative zu konventionellen rotierenden Instrumenten dar [10, 12, 19, 64, 238]. Remineralisierbares Dentin wird ge-schont [10, 264]. Lager et al. [152] fanden weniger verbleibende Bakterien als nach der Verwendung von Rosenbohrern. Dabei mag die antibakterielle Wirkung des Carisolv-Gels eine Rolle gespielt haben [152]. Dammaschke et al. zeigten histologisch, dass die Exkavation mit Carisolv derer mit Rosenbohrern gleichwertig ist [47]. Auch hinsichtlich der Dentinadhäsion ist das Präparat gut zur minimal invasiven Kariesent-fernung geeignet [11, 19, 37]. Leider ist die Exkavationsdauer deutlich länger als bei der herkömmlichen Kariesexkavation mit dem Rosenbohrer [10, 12, 24, 47, 64, 264].

Bei dem Vorgängerprodukt Caridex (MediTeam, Sävedalen, Schweden) wurde die Zone der Penetration auch nach 30-minütiger Anwendung nicht vollständig ent-fernt [215, 225], wozu jedoch keine speziellen Handinstrumente angeboten wurden.

1.5.2.3 Fluoreszenz-unterstützte Kariesexkavation

Die fluorescence-aided caries excavation (FACE) wurde kürzlich in experimentellen Studien von Lennon entwickelt und als vielversprechende Methode beschrieben [153, 154]. Dabei wird die Kavität während der Exkavation über die Fiberoptik des Winkel-stücks mit Licht zwischen 370 nm und 420 nm Wellenlänge bestrahlt. Orange-rot fluo-reszierende Bereiche werden bei Betrachtung durch einen 530 nm Hochpassfilter mit dem Rosenbohrer entfernt. Bei den Untersuchungen von Lennon verblieben signifikant seltener Bakterien am Kavitätenboden als bei der Exkavation mit Rosenbohrern nach taktilen und optischen Kriterien [153, 154]. Auch die Verwendung von DIAGNOdent oder Caries Detector war weniger spezifisch, und wies signifikant schlechtere Ergeb-nisse auf [153]. Als Nachteil der FACE gilt, dass dabei der Behandlungsraum abgedun-kelt werden muss. Noch ist unklar, ob diese Methode eventuell invasiver ist als die herkömmliche Exkavation mit einem Hartmetall-Rosenbohrer. Daneben wird als ver-gleichbares Konzept auch die Eignung des DIAGNOdent-Systems bezüglich der klinischen Beurteilung von Kavitätenböden überprüft [153, 165].

1.5.2.4 Sonstige minimal invasive Methoden der Kariesexkavation

Neben den bisher genannten Methoden der selektiven Kariesexkavation gibt es weitere minimal invasive Verfahren, welche jedoch kariöses Dentin nicht selektiv abtragen.

Beispielsweise wurde das SONICflex-System (KaVo, Biberach) für eine substanz-schonende Kavitätenpräparation entwickelt, ohne Optimierung für die Entfernung von Karies. Dieses Prinzip der Sono-Abrasion wird durch oszillierende Diamantinstrumente, welche mit einer Frequenz von bis zu 6,5 Hertz schwingen, umgesetzt [12, 276]. Es besteht eine Tendenz zum Belassen von kariösem Dentin [12].

Pulverstrahlgeräte (Air-Abrasion) beschleunigen Aluminiumoxid- und zum Teil Hydro-xylapatitpartikel im Luftstrom [12, 276]. Der Zeitaufwand für die Kariesexkavation sowie die Menge des entfernten Dentins entsprechen der Verwendung von Handexka-vatoren [12]. Der resultierende Kavitätenboden stellt ein gutes Substrat für

Dentinadhä-sive dar [276]. Kritisiert werden inkonstante Exkavationstiefen und die fehlende Takti-lität [12, 276], ebenso wie die Aerosolbildung und die mögliche Verletzung von Nach-barstrukturen.

Zum Zwecke der Kariesexkavation können CO2-, Nd:YAG-, Er:YAG- und Ar:F-Laser verwendet werden [276]. Laser haben durch das Risiko der thermischen Pulpairritation, der möglichen Beschädigung normaler Zahnsubstanz, insbesondere aber wegen der ho-hen Anschaffungskosten und der längeren Behandlungszeit bislang keine weite Ver-breitung zur Kariesentfernung gefunden [12, 105, 115]. Er:YAG-Laser haben ein ver-gleichsweise hohes Potenzial Zahnhartsubstanz abzutragen [105, 130]. Dieser Abtrag ist von der Absorption abhängig, welche bei einer Wellenlänge von etwa 2,9, 9,6 und 12 µm für Hydroxylapatit und bei etwa 0,2, 2,9 und 6,0 µm für Wasser maximal ist.

Beim Er:YAG-Laser, dessen Wellenlänge bei 2,9 µm liegt, erfolgt ein wasservermittel-ter Ablations- bzw. Disruptionsprozess [130]. Dieser Vorgang wird durch den erhöhten Wassergehalt von kariösem Dentin begünstigt. Der Abtrag des Gewebes ist durch die schlagartige Erwärmung und Expansion des Wassers bedingt [130]. Mittlerweile steht ein Er:YAG-Laser zur Verfügung, bei dem ein Rückkopplungssystem integriert ist (Key Laser 3, KaVo, Biberach) [56, 126]. Nur bei Detektion eines Fluoreszenzsignals, welches nach dem Prinzip des DIAGNOdent-Systems erzeugt und empfangen wird, kann ein Auslösen des Lasers erfolgen. Dieses Gerät lässt eine selektive Kariesexka-vation erwarten [56].

In der Entwicklung befinden sich enzymatische Verfahren zur spezifischen Spaltung des defekten Kollagengerüsts [12, 276]. Nach Kappler et al. verringert das Präparat SFG III (3M Espe, Seefeld) die Bakterienzahl gleichermaßen wie Rosenbohrer, hin-terlässt eine gleichartige Kollagenstruktur, und weichere Kavitätenböden werden als Indiz für eine minimal invasive Methode gewertet [125].