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6.5 Selbstverständnis, Selbstwert und Aggression

6.5.2 Methode

6 Worauf bist du am wenigstens stolz an dir selbst? (oder) Was magst du am wenigsten an dir?

Warum?

7 Vor einiger Zeit wurde in Afrika ein Junge/ein Mädchen gefunden, der/die seinen Eltern als kleines Baby verloren gegangen ist. Er/sie war im Dschungel verschwunden und wuchs dort mit Affen und vielen anderen Tieren auf. Aber er/sie wusste nicht viel über Menschen und auch nicht, was für eine Person er/sie ist. Angenommen, dass du in Afrika gelebt hättest, als der Junge/das Mädchen im Dschungel gefunden wurde. Deine Aufgabe ist es, dem Jungen/dem Mädchen zu helfen bei der Entscheidung, wie er/sie als Person sein möchte und was er/sie will im Leben. Was würdest du ihm/

ihr sagen, um ihm/ ihr bei der Entscheidung zu helfen:

7a Wie er/sie ist? Warum? Willst du so sein? Warum?

7b Was er/sie will im Leben (werden möchte)? Warum? Möchtest du das auch? Warum?

7c Mit wem er/sie spielt? Warum? Möchtest du auch mit den Kindern spielen? Warum?

7d Wie er/sie aussieht? Warum? Möchtest du so aussehen? Warum?

In Frage 1 wird erfasst, was das Kind in Bezug auf sich selbst als charakteristisch erlebt.

Das Kind wird dazu aufgefordert, sich kurz selbst zu beschreiben und die ihm wichtigen Aspekte zu nennen. Frage 2 erfragt die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen dem Kind und einer bedeutsamen anderen Person, die das Kind selbst wählt. Beide Fragen erfassen die Selbstdefinition. In Frage 3 werden anhand der „Flaschengeistgeschichte“

die Wünsche des Kindes erfragt. Mit der Frage wird das Selbstinteresse erfasst.

In Frage 4 wird das Kind dazu aufgefordert, sich selbst aus der Sicht eines Freundes/

einer Freundin zu beschreiben. Die Frage erfasst das Selbst-in-Beziehung.

Der Selbstwert wird durch die Fragen 5 und 6 erfasst, und zwar zum einen der positive Selbstwert (Frage 5) und zum anderen der negative Selbstwert (Frage 6).

In Frage 7 wird das Selbstverständnis des Kindes durch die Identifikation mit einem hypothetischen Charakter (dem Kind im Dschungel) erfasst. Die Frage erfasst das Selbstinteresse.

6.5.2.3 Kodierung der Interviews

Die Antworten der Kinder wurden nach dem Kodiermanual von Damon & Hart (1988) in Kennwerte kodiert, welche die Art (z.B. physisches Selbstkonzept: „Ich mag es, dass ich so schöne Augen habe“) und die Begründung (z.B.: „Weil das toll ist“) zusammenfassend als Stufenkennwert angeben. Jedes Selbstschema ist in vier Stufen unterteilt. Auf jeder Stufe bestehen verschiedene Kategorien zur Kodierung des jeweiligen Schemas. Zur Veranschaulichung des Kategoriensystems wird in Tabelle 6.5.3 die Kodierung für das aktive Selbstschema auf den vier Entwicklungsstufen beispielhaft beschrieben.

Tabelle 6.5.3: Kodierungen für das aktive Schema nach Stufen und Beispiele

Stufe Inhalt Beispiel

1 Aktive Eigenschaften sind typische Verhaltensweisen und Aktivitäten oder Verhaltensweisen und Aktivitäten, die verboten/erlaubt sind.

Kodierungen*

2101 Beschreibung von (häufigen) Handlungen allgemeiner Art

„Ich bin jemand, der gerne zu Hause bleibt und TV schaut.“

2102 Beschreibung von erlaubten/verbotenen Handlungen

„Ich darf keine PC-Spiele spielen, in denen man andere Menschen töten muss.“

2 Aktive Eigenschaften oder Fähigkeiten, die sich entweder auf vergangene oder derzeitige Fähigkeiten von einem Selbst beziehen oder auf die Fähigkeiten von anderen.

Kodierungen

2201 Vergleich der eigenen Fähigkeiten bei verschiedenen Aktivitäten

„Ich spiele besser Fussball als Basketball.“

2202 Vergleich der eigenen Fähigkeiten mit denen von anderen

„Ich bin besser im Fussball als die meisten anderen Jungen in meiner Klasse.“

3 Aktive Eigenschaften bestimmen oder

beeinflussen die Wirkung auf andere, die sozialen Interaktionen oder die sozialen Beziehungen.

Kodierungen

2301 Identifizierung mit spezifischen eigenen Aktivitäten, die zu sozialen Interaktio-nen führen oder diese verbessern

„Wenn ich Fussball spielen gehe, kann ich mit anderen Jungen zusammen spielen und mich mit ihnen anfreunden.

Wahrscheinlich mögen wir uns, weil wir alle Fussball spielen, und wir können gemeinsam Dinge unternehmen.“

2302 Identifizierung mit eigenen spezifischen Fähigkeiten, die sich auf soziale

Interaktionen beziehen

„Ich kann gut nähen und dekorieren wie meine Mutter, und das könnte ich später auch meinen Kindern beibringen.“

4 Aktive Eigenschaften, die persönliche Werte, Glauben, Entscheidungen oder Ziele reflektieren

Kodierungen

2401 Bezug auf die eigene Motivation, Fähigkeiten zu erlernen oder zu verbessern in Hinblick auf zukünftige Aktivitäten

„Ich möchte viel lernen, weil ich später Arzt werden möchte.

Deshalb muss ich gut in der Schule sein.“

2402 Auswahl von zukünftigen Aktivitäten auf der Grundlage derzeitiger Vorlieben und Interessen

„Später werde ich Pianistin, weil ich mich für Klaviermusik interessiere und selbst gerne Klavier spiele.“

* Die erste Zahl der Kodierungen bezeichnet das inhaltliche Schema (1 = körperlich; 2 = aktiv;

3 = sozial; 4 = physiologisch), die zweite Zahl das Stufenniveau (1–4) und die letzten beiden Ziffern die jeweilige Kategoriennummer. Die Zahl 2101 bedeutet also: aktives Schema, Stufe 1, Kategorie 1.

6.5.2.4 Datenzusammenfassung

Zur Auswertung der Daten wurden die Kategorien über die Interviewfragen hinweg zusammengefasst. Es wurden verschiedene neue Kennwerte gebildet.

Zusammenfassung zu Kennwerten der Stufen

Die Antworten wurden für jedes der vier Selbstschemata innerhalb der vier Stufen zusammengefasst. Als Beispiel ist in Tabelle 6.5.4 die Zusammenfassung der Kategorien für das aktive Selbstschema dargestellt.

Tabelle 6.5.4: Beispiel für die Zusammenfassung der Kategorien einer Stufe zu übergeordneten Stufenkennwerten

Stufe 1

Kategorien 1101; 1102; 2101; 2102; 3101; 3102; 4101; 4102

Tabelle 6.5.4 zeigt, wie die einzelnen Kategorien der jeweiligen Stufe zu einem übergeordnete Stufenkennwert zusammengefasst wurden. Der Kennwert „Stufe 1“

beinhaltet beispielsweise alle Kategorien, die Aussagen auf Stufe 1 enthalten, und zwar über die Schemata (körperlich, aktiv, sozial, psychologisch) hinweg.

Zusammenfassung zu Kennwerten der Selbstsschemata

Die Daten wurden auch nach dem verwendeten Schema (körperlich, aktiv, sozial, psychologisch) über die Stufen hinweg zusammengefasst.

Tabelle 6.5.5: Beispiel für die Zusammenfassung der Kategorien eines Schemas zu übergeordneten Schemakennwerten

Aktives Selbstschema

Kategorien 2101; 2102; 2201; 2202; 2301; 2302; 2401; 2402

In Tabelle 6.5.5 ist die Zusammenfassung zum Kennwert „aktives Selbstschema“

veranschaulicht. Alle zu dem Schema zugehörigen Kategorien wurden über die Stufen hinweg aufsummiert.

6.5.2.5 Reliabilität

Zur Berechnung der Reliabilität wurden 14 der 94 Interviews (15%) von zwei Kodiererinnen unabhängig voneinander kodiert. Von den insgesamt möglichen 400 Kodierungen waren 356 kodierbar (89%). Die Interraterreliabilität wurde nach dem Vorgehen von Damon & Hart (1988) berechnet (S. 88f.). Interraterreliabilitäten wurden über die Fragen und Interviews hinweg für alle Kodierungen berechnet.

Weil sich die Analysen zum einen auf die Selbstschemata und zum anderen auf die Stufen unabhängig voneinander bezogen, wurden die Reliabilitäten

ÿ für die Stufen über die Schemata hinweg und

ÿ für die Schemata über die Stufen hinweg berechnet.

Die prozentuale Interraterübereinstimmung für die Stufenkennwerte betrug 93%. Bei den Schemakennwerten ergab sich eine prozentuale Interraterübereinstimmung von 96%. Alle Nichtübereinstimmungen wurden von den beiden Kodiererinnen diskutiert und, wenn dies möglich war, wurde ein Konsens gefunden.

6.5.3 Ergebnisse