• Keine Ergebnisse gefunden

II. Zur Theorie der Metaphern und der Metaphorischen P rozesse

1. Metapher als sprachliches Phänom en

3. Metapher als Interaktion

4. M etapher als 'Bezeichnung' eines Gegenstandes 5. M etapher als Produziertes

6. Metapher als Rezipiertes

7. Metapher als Mittel zum Zweck bzw. Funktionsträgerin 8. Metapher als Bestandteil einer Situation

9. Metapher als Zeitbestimmtes

10. Metapher als Kern eines Metaphorischen Prozesses.

1. M etapher als sprachliches Phänomen

... oder wie Hans Ingendahl es ausdrückt: "Die Metapher ist eine besondere Erscheinungs­

weise des Sprachlichen."4 Eine weniger selbstverständliche Aussage, als man glauben mag.

Der eine oder die andere Autorin faßt die Metapher durchaus weiter5, und in der Informatik- Fachliteratur werden beispielsweise sogenannte icons wie der 'Papierkorb' als Symbol für Löschfunktionen oder eine Schere für das Ausschneiden von m arkierten Textsegm enten auch als Metaphern behandelt.6

Dennoch ist aus Gründen der Klarheit und der historischen Redlichkeit die M etapher ein ­ deutig als eine Angelegenheit der Sprache zu kennzeichnen. Sprache dabei verstanden in beiden ihren Erscheinungsformen, als Gesprochenes und als Geschriebenes.

Das sprachliche Phänomen, um das bei M eta p h ern geht, würde ich anschaulich etwa so b e­

schreiben: Man verwendet oder fin d et ein oder mehrere Wörter in einem Zusammenhang, in den sie eigentlich nicht zu gehören scheinen, aber irgendwie doch passen (könnten). Ein m e ta p h o r isc h e r P r o z e ß ist dann der Vorgang, bei dem Menschen versuchen, inhaltliche Verknüpfungen zwischen den verschiedenen Bedeutungszusammenhängen herzustellen, w o ­ bei im allgemeinen eine bildliche Komponente eine Rolle spielt.

Es gibt eine Reihe sprachlicher Phänomene, die gewisse Ähnlichkeiten mit Metaphern au f­

weisen, und man kann sehr viel Mühe darauf verwenden, sie im Detail gegeneinander und gegen die Metapher abzugrenzen. Ich möchte m ir diesen Aufwand hier ersparen, nicht weil ich ihn für grundsätzlich sinnlos hielte, sondern weil es für den Zweck meiner Arbeit sinn­

voll ist, Metaphern und metaphorische Prozesse nicht zu eng zu fassen, damit nicht wichtige Aspekte aus dem Blickfeld hinausdefiniert werden.7 Der Vollständigkeit halber und weil ich immer wieder gefragt werde "Ah ja, du machst was mit Metaphern, ist das nicht so was wie ...?", habe ich in der folgenden Tabelle 1 einige verwandte (Sprach-)Phänomene zusam ­ mengestellt.

4 Ingendahl, Werner. Der metaphorische Prozeß. Düsseldorf 1971. S. 16

5 Zum Beispiel versucht Virgil C. Aldrich in seinem Aufsatz "Visuelle Metapher" u.a. zu klären, wie Metaphern "nicht nur in den bildenden Künsten, sondern auch in der Wahrnehmung fast jeden Gegenstands" Vorkommen" und "was eine ästhetisch gesehen gute Metapher ausmacht". (In; Haverkamp, Anselm; Theorie der Metapher. Darmstadt 1983.

S. 142-159. Die beiden Zitate entstammen dem unmittelbaren Beginn des Aufsatzes.)

6 Vgl. z.B. Carroll, John M.; Mack, Robert J.: Metaphor, computer systems and active learning. In: International Journal of Man-Machine-Studies, No. 22, 1983. Oder: Erickson, Thomas S.: Working with Interface Metaphors. In:

Laurel, Brenda (Hg.): The Art of Human-Computer Interface Design. Reading/Mass. 1990, 7 Vgl. auch Kubczak, Hartmut: Die Metapher. Heidelberg 1978. S. 53f

B e g r iff W a h rig s W örterbuch* F rem d w ö rter-D u d en 9 B eisp iele Allegorie bildhafte Darstellung eines Be­

griffs od. eines Vorgangs mit enger, erkennbarer Verbindung zu diesem, Sinnbild, Gleichnis {zu grch. allegorein "etwas an­

deres sagen"}

{gr.-lat.: "das Anderssagen"}

rational faßbare Darstellung ei - nes abstrakten Begriffs in ei­

nem Bild od. mit Hilfe der Per­

sonifikation (bildende Kunst, gleichlautet, aber eine andere Herkunft und Bedeutung hat {zu griech. homo "gleich" + onyma "Name"}

a) Wort, das ebenso wie ein an­

deres geschrieben u. gespro­

chen wird, aber verschiedene Bedeutung hat u. sich gramma­

tisch, z.B. durch Genus, Plural, K onjugation, von diesem

Hyperbel sprachl. dichter. Übertreibung {zu griech: hyper "über... hin­ Katachrese Verwendung eines bildl. Aus­

drucks für eine fehlende Be­

(griech. "Mißbrauch") 1. ver­

blaßte Bildlichkeit, gelöschte

Metapher bildlicher Ausdruck (griech.:

metaphora "Übertragung; zu metapherein "anderswohin tra­

gen; übertragen)

(bes. als Stilmittel gebrauchter) sprachl. Ausdruck, bei dem ein Wort, eine Wortgruppe aus sei - nem eigentümliche Bedeu­

tungszusammenhang in einen anderen übertragen wird, ohne daß ein direkter Vergleich die

meta... "mit, zwischen, nach" + onoma "Name")

("Namensvertauschung") über­

tragener Gebrauch eines Wor­

tes oder einer Fügung für einen verwandten Begriff

Modell Vorbild, Muster, Urbild; Ur­

form eines Bildwerks (meist aus Ton) sowie deren Abguß in Gips...Darstellung eines (ge­

planten) Bauwerks in stark ver­

kleinertem Maßstab...

1. Muster, Vorbild. 2. Entwurf od. Nachbildung in kleinerem Maßstab...7. vereinfachte Dar­

® Wahrig, Gerhard: Deutsches Wörterbuch. Gütersloh 1986 9 Duden Fremdwörterbuch. Mannheim 1982

Oxymoron rhetor. Figur, bei der zwei sich widersprechende Begriffe ver­

bunden sind {zu griech. oxys

"scharf, spitz" + moros

"dumm"}

{gr. "das Scharfdumme"} Zu­

sammenstellung zweier sich

das P ersonifizieren, V er­

menschlichung oder umgekehrt ersetzt wird (zu griech. synekdechesthai

"mit verstehen")

das Ersetzen eines Begriffs durch einen engeren oder wei­ einen anderen (nicht wahr­

nehmbaren, geistigen) Sachver­

halt steht; Sinnbild, Wahrzei­

chen ... 7. Zeichen od. Wort W ie man unschwer ersehen kann, stehen die meisten der aufgeführten Begriffe bzw. Phäno­

mene in einem mehr oder minder engen Bezug zur Metapher, wobei die Gemeinsamkeit sich jeweils auf ein oder zwei der folgenden Eigenschaften beziehen kann:

- Es wird eine Sache anders bezeichnet als üblich (z.B. bei Allegorie, Euphemismus, H y ­ perbel, Kenning, Metonymie, Personifikation, Synekdoche) oder

- Es werden Dinge miteinander verbunden bzw. verglichen, die nicht üblicherweise zusam ­ men gehören (z.B. bei Analogie, Homonym, Katachrese, Oxymeron, Symbol) oder

- Es spielt eine bildliche Vorstellung bzw. Verknüpfung eine Rolle (z.B. bei Modell, H yper­

bel, Katachrese, Oxymeron).

Wenn die Metapher eine "besondere Erscheinungsweise des Sprachlichen" ist, stellt sich die Frage nach ihrem Verhältnis zu W örtern bzw. Wortarten: Besteht eine Metapher aus einem oder aus mehreren W örtern? Treten bestimmte Wortarten häufiger metaphorisch auf als an ­ dere?

Läßt man die Beispiele aus der Tabelle 1 gelten, können Metaphern offensichtlich aus m eh­

reren Wörtern zusammengesetzt sein. Im Fremdwörter-Duden wird, wie oben zitiert, ange­

geben, daß bei Metaphern eine Gruppe von Wörtern, aber auch ein einzelnes Wort die w e­

sentliche Rolle spielen können.

Was ein Wort ist, weiß zwar jede und jeder, aber nur solange niemand die Frage stellt! Was ist ein Wort? Eine Folge von Buchstaben. Oder Zeichen? Nicht jede Folge von Buchstaben oder Zeichen ergibt ein Wort. Viel­

leicht muß noch eine Bedeutung hinzukommen? Und was ist mit dem gesprochenen Wort? Eine Folge von Lauten? Ein Hund gibt Laut. Wahrscheinlich muß auch hier die Bedeutung hinzukommen. Obwohl die von Hunden gegebenen Laute oft Bedeutung haben, sind sie keine Wörter. Oder? Bleibt also die Frage nach der Bedeutung der Bedeutung, die irgendwie hinzukommen muß. Und ... - Ich setze sicherheitshalber einfach voraus, daß alle Leserinnen dieser Arbeit mindestens so gut wissen, was ein Wort ist, wie ich, und möchte uns nicht durch weitere Fragen oder Antwortversuche verwirren. In Zweifelsfällen hilft ein Wörter) !)buch weiter,

und in wirklich argen Fällen fragt man eine Linguistin oder einen Linguisten. Aber dann ist es schon sehr arg, denn: "So verschiedene Auffassungen es über die Definition des Satzes gibt, so umstritten ist 'Wort' als lingui­

stischer Begriff."10

Hartmut Kubczak weist darauf hin, daß M etaphern sogar mehr oder minder vollständige W ortfelder, d. h. viele Wörter eines größeren Bedeutungszusammenhangs, aber auch ganze Texte umfassen können.11 Insbesondere in den Wissenschaften kommt dem metaphorischen Einsatz von W ortfeldern eine wichtige Bedeutung zu, wie etwa das Beispiel der Flüssig­

keitsmetapher für Elektrizität aus der Einleitung belegt. Weitere Beispiele für die metaphori­

sche Verwendung von Wortfeldern finden sich bei Rüdiger Weingarten, der unter anderem die mit den Begriffen "Dialog", "Sprache" und "Befehl" verbundenen M etaphem felder in der Informatik untersucht.12

Eine definitorische Beschränkung des M etaphorischen auf lediglich einzelne Worte scheint m ir daher wenig zweckmäßig und ich gehe im folgenden immer davon aus, daß Metaphern eine Wortgruppe umfassen, wobei die Gruppe genauso gut aus einem W ort bestehen kann wie aus mehreren oder aus Wortfeldern oder aus ganzen Texten.

Von den zehn üblicherweise im Deutschen unterschiedenen W ortarten hält W erner In ­ gendahl lediglich Substantive, Verben (ohne Hilfsverben- und Modalverben) und Adjektive für M etaphern-tauglich.13 Christine Brooke-Rose hält im Englischen auch bei Pronomen und Präpositionen eine metaphorische Verwendung für möglich, "but in a very lim ited w ay"14. Ingendahl widerspricht dem und führt - für mich durchaus überzeugend- aus, daß es sich bei Brooke-Roses Beispielen für metaphorisch gebrauchte Pronomen und Präpositio­

nen lediglich um "syntaktische Folgen"15 eines eigentlich von Substantiven, Verben oder Adjektiven getragenen metaphorischen Vorgangs handelt. Die Kontroverse scheint m ir a l­

lerdings wenig fruchtbar. Denn zum einen können, wie im vorigen Absatz ausgeführt, auch Gruppen von Wörtern bis hin zu ganzen Texten - und zwar einschließlich der nicht zu den Substantiven, Verben oder Adjektiven gehörenden W örter - metaphorisch verwendet w er­

den. Und zum zweiten schränkt Brooke-Rose ihre Aussage zur Metaphem-Tauglichkeit von anderen Wortarten ja stark ein, während sie gleichzeitig einen äußerst weit gefaßten Begriff von Metaphern zugrunde legt, wenn sie zu Beginn ihrer Abhandlung schreibt: "In my study, any identification of one thing with another, is a metaphor."16