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4.2 Femtosekunden-Stimulierte-Raman-Spektroskopie

4.2.1 Messungen an oNT und oENB

Die unter den in Abschnitt 2.3.2 genannten Bedingungen gemessenen Raman-Dif-ferenzspektren vonoNT undoENB sollen in den folgenden Kapiteln diskutiert wer-den. Obwohl die Raman-Differenzdaten in einem spektralen Bereich von 600 bis 3400 cm1 aufgenommen wurden, wird bei beiden Molek¨ulen nur der Bereich zwi-schen 875 und 1900 cm−1 gezeigt. Wie in den berechneten Spektren gesehen besitzen die aci-Nitro-Tautomere zwar auch bei 3000 cm−1 Resonanzen, diese sind aber zu schwach, um Signal¨anderungen zu beobachten. Der Bereich unterhalb von 900 cm1 wird von starken Raman-Banden des L¨osungsmittels ¨uberlagert. Beim Vergleich der Ergebnisse beider Molek¨ule wird sich herauskristallisieren, dass sie sich so gut wie identisch verhalten. Dennoch werden sie zun¨achst getrennt betrachtet. F¨ur oNT existiert ein großer Satz von quantenchemischen Rechnungen. Anhand dieser soll

4 Nitrotoluol - Modellsystem f¨ur viele Schutzgruppen

zun¨achst die zeitaufgel¨oste Raman-Messung analysiert und anschließend die Ergeb-nisse auf oENB ¨ubertragen werden.

oNT

Die zeitaufgel¨osten Differenzdaten der FSRS-Messung (Abb. 4.15) an oNT zeigen negatives Signal bei den Wellenzahlen der Raman-Resonanzen der Ausgangs-substanz oNT. Am st¨arksten ist das negative Signal der symmetrischen Schwingung der Nitrogruppe von oNT bei 1350 cm−1. Diese Schwingung ist in der quantenche-mischen Rechnung etwas zu gr¨oßeren Wellenzahlen verschoben. Hier ist daran zu denken, dass die Rechnung in dieser Darstellung mit keinem sonst ¨ublichen Ska-lierungsfaktor multipliziert wurde. Knapp unterhalb von 1200 cm−1 findet sich die zweitst¨arkste negative Bande, ihre Entsprechung in den Rechnungen liegt etwas ¨uber 1200 cm−1. Auch die asymmetrische Nitroschwingung ist schwach um 1570 cm−1 zu erkennen, die berechnete Frequenz liegt bei 1620 cm−1. Zwei weitere Banden, die in den quantenchemischen Rechnungen ¨ahnliche St¨arke aufweisen, bei 1070 cm−1 und 1100 cm−1, sind in der Messung nicht zu erkennen, der Grund daf¨ur sind Resonanzen des L¨osungsmittels d-MeCN, die in diesem Bereich liegen. Die drei erkennbaren ne-gativen Banden zeigen also gute ¨Ubereinstimmung mit dem berechneten Spektrum von oNT, sieht man von einer Verschiebung ab.

900 1000 1100 1200 1300 1400 1500 1600 1700 1800 1900 Wellenzahlen [cm ]-1

1 10 100 1000

Verzögerungszeit [ps]

- 0,2

Ramanintensität [a.u.]

0 0,2 0,4 0,6

CH N O O

2

+ -H

oNT

NO H

2 CH

2

aci-Nitro

Abbildung 4.15: Kontourdarstellung der FSRS-Messung anoNT. Rechts schließt sich eine Transiente der prominentestenaci-Nitro-Bande an. Die Farbkodierung ist links angegeben.

Ober- und unterhalb der Kontourdarstellung finden sich die berechneten Spektren vonoNT (unten, blau) und denaci-Nitro-Tautomeren syn-E und syn-Z (oben, rot). Ihre jeweils pro-minentesten Schwingungen sind rechts noch einmal anhand der Strukturformeln illustriert.

Betrachtet man die positiven Beitr¨age, sind eine sehr dominierende Bande bei 1510 cm−1 und eine zweite, deutlich schw¨achere, bei 1245 cm−1 erkennbar. Ebenfalls

4.2 Femtosekunden-Stimulierte-Raman-Spektroskopie

nur zwei hervorstechende Banden sehr unterschiedlicher Intensit¨at zeigen auch die berechneten Spektren deraci-Nitro-Tautomere. Im Vergleich zu den experimentellen Werten liegen die berechneten Frequenzen jeweils etwas h¨oher, was nicht ¨ uberrra-schend ist [92]. Weitere entstehende Banden sind im experimentellen Spektrum nicht zu erkennen. Die ¨Ubereinstimmung von experimentellem Spektrum und dem berech-neten Spektrum der aci-Nitro-Form l¨asst also den Schluss zu, dass es sich bei der gebildeten Spezies tats¨achlich um ein aci-Nitro-Tautomer handelt.

Was die Bildung dieser Spezies selbst

Experiment

2 A1 syn−Z

2 A1 syn−E

Relative Intensität

800 1600 1800

Wellenzahlen [cm ]

1000 1200 1400 2000

-1

Abbildung 4.16: Oben: Experimentelles FSRS-Differenzspektrum, bestehend aus der Summe aller Differenzspektren zwischen 5 ps und 3 ns.

Mitte und unten: Berechnete Spektren (DFT, [92]) deraci-Nitro-Tautomere syn-Z und syn-E angeht, so ist die Bande um 1500 cm−1

bereits nach etwa 1 ps schwach zu er-kennen. Ihr Maximum liegt zun¨achst etwas unterhalb von 1500 cm−1 und verschiebt sich dann zu 1510 cm−1. Dieses typische Verhalten f¨ur Schwin-gungsk¨uhlen ¨außert sich auch in ei-nem Schm¨alerwerden der Bande. Das fr¨uhe Vorhandensein dieser Bande nach etwa 1 ps beweist, dass bereits aus dem Singulettzustand aci-Nitro-Tautomer gebildet wird. Auch wenn in der FSRS-Messung wie erwartet kei-ne Signatur des Triplettzustandes auf-taucht, wissen wir dennoch aus der transienten Absorption, dass auch die-ser zur Entv¨olkerung des Singulett-zustandes beitr¨agt. Triplett- und

aci-Nitro-Bildung sind also konkurrierende Prozesse, die beide zum Zerfall des Singu-lettzustandes beitragen. Die Verschiebung der Bande bei 1510 cm−1innerhalb einiger Pikosekunden erkl¨art auch den verz¨ogerten Anstieg der Transiente im Maximum die-ser Bande (Abb. 4.15). Gegen Ende des detektierten Zeitbereichs l¨asst sich sowohl in der Kontourdarstellung als auch in der Transienten ein weiterer Anstieg erah-nen. Dies unterst¨utzt ebenfalls das Ergebnis aus der transienten Absorption, die eine erneute aci-Nitro-Bildung mit etwa 1500 ps gezeigt hatte. ¨Uber die Zeitdauer des Anstiegs oder seine relative Amplitude l¨asst sich bei der derzeitigen Qualit¨at der FSRS-Messungen leider keine Aussage treffen.

Ein weiterer interessanter Aspekt ist die Frage, welche aci-Nitro-Spezies gebildet wird. Die beiden stabilsten Isomere sind das syn-Z und das syn-E Isomer (Abb.

4.18). Das anti-Z Isomer liegt energetisch deutlich h¨oher als das syn-Z und eine Isomerisierung d¨urfte hier aufgrund der kleinen Barriere sehr schnell ablaufen [92], daher kann angenommen werden, dass nur die beiden Isomere syn-Z und syn-E sta-bil vorliegen k¨onnen. Abbildung 4.16 zeigt noch einmal die berechneten Spektren dieser beiden Isomere zusammen mit einem experimentellen Differenzspektrum. F¨ur das experimentelle Spektrum wurden die transienten Spektren der in Abbildung 4.15

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gezeigten Messung zwischen 5 ps und 3 ns aufsummiert. Vergleicht man zun¨achst die jeweils st¨arksten Banden, so liegt die berechnete Bande (cis-Butadien-Schwingung) des syn-E Isomers mit 1572 cm−1 n¨aher am experimentellen Wert von 1510 cm−1 als die des syn-Z Isomers mit 1585 cm−1. Da dies aber f¨ur beide Rechnungen ei-ne deutliche Verschiebung zum Experiment bedeutet, favorisiert diese Tatsache das syn-E Isomer nur leicht. Das experimentelle Spektrum zeigt bei 1250 cm−1 eine wei-tere charakteristische Bande. Das syn-E Isomer zeigt zwar bei 1250 und 1290 cm−1 zwei Banden, diese sind aber im Verh¨altnis zur cis-Butadien-Bande deutlich schw¨ a-cher als im Experiment. Das syn-Z Isomer hingegen zeigt bei 1287 cm−1 eine Bande im richtigen Intensit¨atsverh¨altnis [92]. Diese Tatsache begr¨undet eine Tendenz zum syn-Z Isomer, das aus dem Singulettzustand gebildet wird, f¨ur eine abschließende Schlussfolgerung reicht diese nicht aus. Diesem wichtigen Punkt wird in einem der kommenden Abschnitte noch genauer nachgegangen werden, doch zun¨achst sollen die Ergebnisse der FSRS-Messung an oENB betrachtet werden.

oENB

Zwischen den FSRS-Messungen anoNT undoENB lassen sich wie erwartet kaum Un-terschiede ausmachen, sieht man vom geringeren Rauschniveau der oENB-Messung ab (Abb. 4.17). Auch hier sind drei negative Signalbeitr¨age bei den Frequenzen der Grundzustandsbanden zu erkennen. Die Resonanzen liegen bei 1200, 1350 und 1570 cm−1. Ihre Frequenzen stimmen damit mit denen der drei negativenoNT Ban-den ¨uberein und k¨onnen aufgrund der ¨Ahnlichkeit den gleichen Schwingungen zuge-ordnet werden.

900 1000 1100 1200 1300 1400 1500 1600 1700 1800 1900 Wellenzahlen [cm ]-1

1 10 100 1000

Verzögerungszeit [ps]

Ramanintensität [a.u.]

0.0 0.5 1.0 1.5

900 1000 1100 1200 1300 1400 1500 1600 1700 1800 1900 Wellenzahlen [cm ]-1 1

10 100 1000

Verzögerungszeit [ps]

oNT

Abbildung 4.17: Kontourdarstellung der FSRS-Messung anoENB (links) mit Transienter bei prominentester aci-Nitro-Bande (rechts anschließend). Die zugeh¨orige Farbkodierung ist rechts unten angegeben. Rechts oben ist zum Vergleich noch einmal die Kontourdar-stellung der FSRS-Messung anoNT verkleinert gezeigt.

Bei 1350 cm1 findet sich die symmetrische, bei 1570 cm1 die asymmetrische NO2 -Streckschwingung. Abgesehen von einem schwach positiven Signal im Bereich der