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Mechanismus und Bedeutung SBPs-abhängiger ABC-Importer

5. Funktion der ABC-Importsysteme

5.1 Substrat-Bindeprotein-abhängige ABC-Importer

5.1.2 Mechanismus und Bedeutung SBPs-abhängiger ABC-Importer

Bis heute wurden Röntgenkristallstrukturen von insgesamt acht prokaryotischen ABC-Importern gelöst, drei davon im Komplex mit ihrem SBP. Dazu gehören der Maltose-Transporter, der Histidin-Transporter, der Wolframat/Molybdat-Transporter sowie der Vitamin B12-Transporter, dessen Struktur die erste war, die veröffentlicht wurde (Locher et al., 2002). Sie dienen als Modelle zur näheren Untersuchung und Charakterisierung des Aufbaus und des Mechanismus der SBP-abhängigen ABC-Importer.

Einen Überblick über die bisher veröffentlichten Strukturen und der daraus erhaltenen strukturellen Informationen gibt der Übersichtsartikel von Reeset al.(2009).

Anhand der Kristallstrukturen und der Ergebnisse der vielfältigen biochemischen Untersuchungen wurden die ABC-Importer je nach Anzahl der TMHs in Typ I und Typ II unterteilt (Locher, 2009). Typ I-Importer, wie z.B. der Methionin-Transporter MetI aus E.

coli, besitzen insgesamt zehn bis 14 TMHs und Typ II-Transporter, wie z. B. BtuCD-F aus E. coli, bis zu 20 TMHs (Abbildung 10). Zu den SBP-abhängigen Typ I-Importsystemen gehören der Histidin-Transporter HisQMP2sowie der Maltose-Transporter MalFGK2. Die spezifischen Substrate der SBP-abhängigen Typ II-Importer sind dagegen Metallchelate, Häm und Vitamin B12. Die Röntgenstrukturanalysen der Typ I-ABC-Importer zeigen, dass ihre TMDs eine ähnliche Faltung aufweisen (Hollenstein et al., 2007; Oldham et al., 2007;

Gerber et al., 2008; Kadaba et al., 2008; Khare et al., 2009). Dabei bilden sechs zentrale

TMHs im Zentrum eine pseudo-doppelte Symmetrie aus (pseudo-twofold symmetry), die den Translokationskanal für das Substrat über die Membran darstellt.

Abbildung 10: Vergleich von Typ I- und Typ II-Importern.Hier sind die Kristallstrukturen von BtuCD (PDB Code IL7V) und MetI (PDB Code 3DHW) gezeigt, wobei die TMDs in orange und die NBDs in grün dargestellt sind. Das NBD-Dimer ist in beiden Strukturen geöffnet, jedoch gibt es deutliche Unterschiede in Zahl und Anordnung der TMHs (Kunert, 2011).

SBP-abhängige ABC-Importsysteme sind auch an der Aufrechterhaltung des Zellinnendrucks und des Zellvolumens beteiligt, indem sie Kaliumionen und kompatible Solute, wie z.B. Zucker oder Aminosäuren, in das Cytoplasma der Zellen transportieren (Wood, 1999). Dazu gehört beispielsweise der OpuA-Transporter aus Lactococcus lactis,der für den Import von Glycinbetain und Prolin verantwortlich ist. Das Besondere an diesem System ist, dass hier die SBPs direkt mit den TMDs des Transporters fusioniert sind (Abbildung 8D)und dass der C-Terminus der cytoplasmatisch assoziierten NBDs als Sensoren gegenüber Änderungen der Ionenstärke im Inneren der Zelle dienen (Patzlaff et al., 2003). Weitere Beispiele und die bereits beschriebenen SBP-abhängigen ABC-Importer, ihre zugehörigen Substrate und deren zelluläre Funktion sind in Tabelle 1 aufgeführt.

Tabelle 1: Beispiele für SBP-abhängige ABC-Importer(Licht und Schneider, 2011).

Transporter Substrat(e) Zelluläre Funktion Referenz Bakterien/Archaea

MalEFGK2 Maltose, Maltodextrine Versorgung mit

Kohlenhydraten Bordignonet al., 2010

HisJQMP2 positiv geladene Aminosäuren Nährstoffversorgung Schneider, 2003 Ameset al.,2001

OppABCDF Oligopeptide Nährstoffversorgung,

Signaltransduktion Doevenet al., 2004

FhuDBC Eisenhydroxamat

(Eisenspeichermolekül) Eisenaufnahme Braunet al.,2004

BtuFCD Vitamin B12 Versorgung mit

Spurenelementen Borthset al., 2005 LsrABCD Al-2 (Autoinduzierer) Quorum Sensing* Liet al., 2007 OpuAA-OpuAB Glycinbetain Osmoregulation Patzlaffet al., 2003

* Chemische Kommunikation zwischen Bakterienzellen zur Messung der sie umgebenden Zelldichte.

Anhand der Röntgenkristallstrukturen von ModBC-A und MalFGK2-E wurde ein möglicher Mechanismus für den Translokationsprozess von Typ I-Importern postuliert (Locher, 2009; Bordignon et al., 2010). Die Autoren stellen den durch die ATP-Bindung induzierten Wechsel der TMD-Konformation von einer zur cytoplasmatischen Seite der Membran geöffneten Form (inward-facing state) zur extrazellulären Seite der Lipidmembran erweiterten Form (outward-facing state) in den Mittelpunkt des skizzierten Ablaufs (Abbildung 11).

Abbildung 11: Translokationsmechanismus von Typ I-Importsystemen.Das SBP ist in blau und das Substrat in rot dargestellt. (nach Locher, 2009; Kunert, 2011).

ABC-Importer erhalten diesem Modell nach in der ATP-gebundenen, nach außen hin geöffneten Konformation ihr Substrat vom jeweiligen SBP. Die anschließende Hydrolyse des ATP führt zu einer Destabilisierung und Dissoziation des NBD-Dimers, wodurch

erneute strukturelle Änderungen in den TMDs hervorgerufen werden. Diese führen zu einer Öffnung des Transporters zur cytoplasmatischen Seite der Membran und zu einem Entlassen des Substrats in das Cytoplasma (Davidson und Chen, 2004; Oldham et al., 2007). Nach Dissoziation von SBP, ADP und Phosphat befindet sich der Transporter wieder in der Ausgangskonformation. Die Röntgenkristallstrukturen von MalFGK2-E in intermediären Zuständen unterstützen dieses Modell (Oldham und Chen, 2011a; 2011b).

Die Konformationsänderungen der NBDs, die zwischen dem Nukleotid-freien, monomeren und dem ATP-gebundenen, dimeren Zustand wechseln, ist wahrscheinlich innerhalb der gesamten ABC-Transporter-Familie konserviert. Die Konformationen der TMDs sind in den bisher bekannten Strukturen hingegen divers. Möglicherweise entwickelten die TMDs aufgrund der Verschiedenartigkeit der transportierten Substrate und der Transportrichtungen unterschiedliche Wege, die konformationellen Änderungen der NBDs an die Substrattranslokation zu koppeln. Auch geht man aufgrund der hohen Konservierung einzelner Motive in der Sequenz der NBDs davon aus, dass die ATP-Bindung und -Hydrolyse in allen ABC-Transportern nach einem ähnlichen Prinzip abläuft.

Es wird angenommen, dass das für Typ I-ABC-Importer beschriebene alternate access-Modell (Abbildung 11) ähnlich auch für die Exportsysteme gilt. Für die ABC-Importer des Typs II wird hingegen ein anderer Mechanismus vermutet (Licht und Schneider, 2011). Die Strukturen der Typ II-Importer zeigen, dass hier die TMHs der beiden TMDs eng zusammenlagern (Locheret al., 2002; Hvorup et al., 2007; Pinkett et al., 2007). In ihrer Mitte befindet sich die Translokationspore für das Substrat. Hier ist bemerkenswert, dass diese Pore wesentlich kleiner ist, als bei den Typ I-Importern, obwohl deutlich größere Substrate transportiert werden. Zudem deuten Ergebnisse biochemischer und biophysikalischer Studien an BtuFCD (Goetz et al., 2009; Lewinson et al., 2010) auf weitere Unterschiede im Mechanismus der Transportzyklen beider Untergruppen der SBP-abhängigen ABC-Importer hin. Zur Entwicklung eines gültigen Modells für die Typ II-Importer sind strukturelle Informationen und hochaufgelöste Strukturen eines ABC-Transportkomplexes des Typ II nötig, der sich in verschiedenen Zuständen innerhalb des Translokationszyklus befindet. Dabei sind besonders die Übergangszustände zwischen der geöffneten und der geschlossenen Form interessant, da diese von denen der Typ I-Importer und von denen der Exporter abzuweichen scheinen. Des Weiteren würden solche Strukturen zu einem verbesserten molekularen Verständnis des Translokationsprozesses an sich und der damit verbundenen Mechanismen beitragen.