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Matthias Richard & Heiner Vogel

Der Verweis auf die wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweise von Psychothera-pie als hinreichende QS-Maßnahme über-sieht im Übrigen den Unterschied zwischen der Feststellung der Wirksamkeit „an sich“

und der Qualität der Umsetzung im Alltag.

Um Letzteres geht es in der QS, hier ha-ben die Wirksamkeitsnachweise nur sehr beschränkte Aussagekraft.

Störung des Therapieprozesses durch Fragebogenerhebungen Sowohl Mannheim-Rouzeaud als auch Thielen sprechen den Verlaufserhebungen einen negativen Einfluss auf den Therapie-prozess zu. Thielen vermutet eine Abwer-tung des Therapiegespräches, weil die Er-hebungen evtl. zu großes Gewicht auf den Fragebogen legen. Möglich. Denkbar wäre es aber auch, dass die Patienten über den Bogen die Anregung erhalten, ein Gespräch über die therapeutische Beziehung zu be-ginnen, da der Bogen ja Interesse an die-sem Thema signalisiert. Auch diese Frage (nach nachteiligen Effekten durch Frage-bögen) kann und sollte Gegenstand von Begleitforschung sein.

Bewertung der Fragebogen-ergebnisse / Weiterleitung an die Kostenträger

Herr Thielen setzt sich zu Recht dafür ein, die Angaben des Patienten nicht en detail an die Kostenträger weiterzuleiten – schon gar nicht während die Therapie läuft. Hier war die Darstellung im SVB-Artikel tatsäch-lich zu knapp. Die (mögtatsäch-liche) Information für die Kostenträger darf – schon aus Da-ten- und Persönlichkeitsschutzgründen – nur in anonymisierter und aggregierter Form geschehen (z.B. Zusammensetzung des Klientels, Mittelwerte von Fragebogen-scores auf Therapeuten- wie Patientensicht etc…). Die Angaben aus der QS können also neben der ausschließlich (!) für die

Therapeuten gedachten Monitoring-Funk-tion auch eine Berichts-FunkMonitoring-Funk-tion gegenü-ber Dritten haben.

Dabei ist es wichtig zu betonen, dass den einzelnen Fragebogenwerten keine „Ent-scheidungsmacht“ über Fortsetzung oder Beendigung der Therapie zukommt, da eine solche Funktion die Validität der Fra-gebögen untergräbt. Zum Einen durch die leichte Fälschbarkeit der Angaben und zum Anderen auch aufgrund der Einsei-tigkeit der Perspektive. Hätten die Frage-bögen diese Funktion, übten sie in der Tat einen großen Druck auf Patienten und Therapeuten aus, der der Sache nicht an-gemessen ist.

Zur Frage nach der Berechti-gung von Qualitätssicherung (Cui bono?)

Da die Therapeuten ihren Lebensunterhalt aus den Einzahlungen der Solidargemein-schaft beziehen, hat diese auch das Recht zu erwarten, dass die Gesundheitsleistun-gen auf hohem Niveau erbracht werden und dass dies auch nachprüfbar ist. In welcher Art und Weise dies und damit die Umsetzung der gesetzlichen Anforderun-gen geschieht, ist allerdings im Detail noch offen. Wir plädieren dafür, sich an dieser Diskussion kritisch und engagiert zu betei-ligen.

Die Bewertung der Fragebogenscores bei der Systematischen Verlaufsbeobachtung muss, wie im Übrigen bei allen anderen psychodiagnostischen Maßnahmen, dem Therapeuten vorbehalten bleiben, nur er wird sie im Kontext der Gesamtkonstel-lation sachgerecht interpretieren können.

Die Therapeuten erhalten ein standardisier-tes Maß über das Beschwerdeausmaß aus Patientenperspektive und können die Ant-worten in das aktuelle Therapiegeschehen Die AutorInnen kritisieren die Beiträge in

Heft 2/2004 zur Qualitätssicherung. Sie sprechen eine Reihe von Punkten an, auf die wir im Folgenden jeweils etwas näher eingehen.

Supervision, Fortbildung und Qualitätszirkel als QS-Maßnahmen

Mannheim-Rouzeaud und Thielen beto-nen zunächst, dass durch die psychothe-rapeutische Ausbildung sowie Teilnahme an Supervisionen, Fortbildungen und Quali-tätszirkeln bereits ausreichend Qualitäts-sicherung geschehe. Diese Auffassung tei-len wir, soweit sie sich auf die Struktur- und Prozessqualität beziehen. Eine routinisierte individualisierte (Teil-) Ergebnisevaluation als Voraussetzung für die Frage nach Ergeb-nisqualität ist mit jenen Maßnahmen je-doch nicht zu leisten. Mit Therapie(zwi-schen)ergebnissen beschäftigen sich na-türlich auch die Supervision oder Qualitäts-zirkel, und dabei werden auch Risikoindi-katoren und Einflussmöglichkeiten für den weiteren Verlauf diskutiert. Jedoch erfolgt dies in aller Regel nur für ausgewählte Fäl-le, und es fehlt zudem das Element der systematischen Dokumentation der erziel-ten Behandlungsergebnisse.

Ein Abschlussbericht – wie Thielen vor-schlägt (und wie im Bundesausschuss schon seit Jahren diskutiert) – könnte ebenfalls eine zweckmäßige Maßnahme sein. Er sollte in seinem qualitätssichernden Effekt jedoch ebenso wie die in PTJ 2/04 vorgeschlagene systematische Verlaufsbeo-bachtung, wie das traditionelle Antrags-und Gutachterverfahren, das „TK-Modell zur Qualitätssicherung“ und die verschie-denen weiteren gegenwärtig vorgeschlage-nen Modelle sorgfältig und kritisch – auch unter Einbeziehung der Patientenperspek-tive – evaluiert werden.

Zur Diskussion: Qualitätssicherung in der Psychotherapie

einordnen. Zusätzlich erhalten sie eine em-pirisch gestützte Einschätzung des bisheri-gen Verlaufs über den Vergleich mit Refe-renzverläufen.

Zur Frage, ob Therapieerfolg über symptomorientierte Fragebögen gemessen werden kann

Die Ergebnisse von Fragebögen bieten ein – zugegebenermaßen – grobes Abbild der Befindlichkeit des Patienten. Natürlich wird diese während des therapeutischen Pro-zesses schwanken: das kann abhängig sein von therapeutischen Entwicklungen oder vom Alltagserleben des Patienten. Es dürf-ten sich auch unterschiedliche Verläufe je nach Störung des Patienten ergeben. Beim Monitoring geht es darum, ein grobes Maß des Wohlbefindens und der Lebensqualität der Patienten zur Dokumentation und An-regung für den Therapeuten einzusetzen.

Die Verbesserung des Wohlbefindens und der Lebensqualität ist ein übergreifendes Ziel aller Therapieformen, so dass hier auch nicht a priori ein Dissens gesehen werden muss.

Wir stimmen Mannheim-Rouzeaud zu, wenn er sagt, dass Symptomreduktion kein hinreichendes Maß für erfolgreiche Psychotherapie ist. Wenn es einem phobischen Patienten gelingt, das Angst-symptom stabil zu verlieren, wird sich das in einer Verbesserung seines Befindens niederschlagen. Ist damit jedoch sein ei-gentliches Problem nicht gelöst, wird er weiterhin unter Beschwerden leiden, die sich ebenfalls in den Fragebögen nieder-schlagen. Kurz: der Score mag fallen, aber nicht so weit wie bei jemandem, der kei-ne Beschwerden hat. Es geht um dauer-hafte Symptom- und Beschwerden-reduktion – und sie muss um die Pers-pektive des Therapeuten ergänzt werden, wenn es um die Gesamtbewertung der Therapie geht. Im Übrigen muss sich Herr Mannheim-Rouzeaud die Frage gefallen lassen, wie die von ihm anekdotisch er-wähnte Therapie ohne seinen Hund ge-laufen wäre, wenn es also nicht zu einer raschen Symptomreduktion gekommen wäre. Auch S. Freud befürwortete bei Pho-bien die Konfrontation (vgl. Gesammelte Werke, Band 12, S. 191), um zunächst die Symptome zu reduzieren, damit er des

analytischen Materials zur Problemlösung überhaupt habhaft werden konnte.

Zur Kritik an dem Kriterien des Wissenschaftlichen Beirats nach § 12 PsychThG für die Anerkennung von Therapie-verfahren

Den Ausführungen von Neef und Reuther-Dommer im Zusammenhang mit ihrer Kri-tik an der überwertigen Bedeutung von randomisiert-kontrollierten Studien im Psy-chotherapiekontext können wir teilweise folgen. Auch die kategoriale Trennung von Therapieverfahren („Schulen“), wie sie in den Psychotherapierichtlinien seit beinahe 40 Jahren unverändert tradiert wird, scheint uns in der Wissenschaft wie in der Praxis überholt. Für den Kontext der Qualitäts-sicherung geht es aber zunächst darum, zu prüfen, ob die realisierte Therapie („Ist“) mit dem aus fachlicher Sicht angemessenen Vorgehen („Soll“) übereinstimmt bzw. ob sich Abweichungen gut begründen lassen.

Und es geht darum, praktikable Verfahren zur routinisierten Umsetzung dieses Prüf-prozesses zu entwickeln und zu erproben.

Zusammenfassung

Bei der ergebnisorientierten QS geht es um wichtige Punkte, die hier nochmals kom-primiert werden sollen:

■ Es geht gesellschaftlich auch um das Recht der Beitragszahler, Näheres über die Effektivität der geleisteten Behand-lungen, die schließlich von ihnen finan-ziert werden, zu erfahren – und dazu müssen auch Behandlungsergebnisse festgestellt werden. Dies gilt nicht nur für Psychotherapie, sondern für alle the-rapeutischen und ärztlichen Leistungen.

Eine gute Ausbildung ist dafür zweifel-los notwendig, aber nicht hinreichend.

Die ökonomische Perspektive (Stich-wort „Kostenexplosion“) spielt ebenfalls eine Rolle, jedoch ist die Erhebung der Ergebnisse einer Behandlung zunächst Grundlage, um sie mit den Kosten ins Verhältnis zu setzen.

■ Es geht wissenschaftlich um die Frage der Messung von Therapieerfolg unter Alltagsbedingungen und um die ange-messene Dateninterpretation. Da The-rapieerfolg im Alltag nicht multi-modal, multi-methodal und multi-perspekti-visch erhoben werden kann wie in der Forschung, müssen machbare Kompro-misse gesucht werden, die eine ent-sprechende Relativierung der erhobe-nen Informatioerhobe-nen nach sich ziehen:

Fragebögen erfassen natürlich nicht das ganze Bild einer Psychotherapie, daher sind sie ungeeignet, um ohne die therapeutische Perspektive über or-ganisatorische Belange zu entscheiden, aber sie sind dazu geeignet, die thera-peutische Perspektive zu ergänzen und den Verlauf sowie das Ergebnis (allerdings nicht umfassend) zu doku-mentieren.

Wenn in den Kritiken der Autoren der Frust über gegenwärtige QS-Bemühungen Aus-druck findet, ist dies nachvollziehbar und verständlich. Wir teilen die Auffassung, dass es fragwürdig ist, eine Zertifizierung für gute Qualität in der Psychotherapie(praxis) zu erhalten, wenn die Praxis über eine zertifi-zierte Putzfrau und einen zertifizertifi-zierten An-sagetext auf dem Anrufbeantworter verfügt.

Dennoch hoffen wir auf die Möglichkeit eines fachlichen Diskurses über eine sach-gerechte und praxistaugliche Qualitätssi-cherung. Ein Schwerpunkt der beiden Arti-kel in PTJ 2/04 lag auf der bislang fehlen-den Ergebnisorientierung in der QS – dabei sollen Qualitätsmängel in den Rahmen-bedingungen für Psychotherapie, wie sie von Mannheim-Rouzeaud zutreffend be-schrieben werden, jedoch nicht übersehen werden.

M. Richard, H. Vogel

■ Es geht berufspolitisch um die Frage, wie mit diesen Informationen umgegangen werden soll. Sind die erhobenen Daten ein Mittel zur Sanktionierung oder ein Mittel zum Verbessern der Behandlung?

Dienen sie zur Sanktionierung, verlieren sie ihren Wert für die Verbesserung der Qualität. Typisches Beispiel dafür ist das Benchmarking. Verfährt man hier nach der Pilzzüchter-Strategie (wer seinen Kopf rausstreckt, in diesem Falle also unter die Norm fällt, wird abgeschnitten), ist außer Angst und Reaktanz nichts er-reicht. Der sinnvolle Umgang mit zusam-menfassenden Daten liegt im Vergleich zur Diskussion, um von denjenigen mit guten Behandlungsergebnissen zu ler-nen, bzw. um zu überprüfen, ob man etwas von ihnen lernen kann.

Ob der Einsatz solcher Instrumente tatsäch-lich die Qualität der Behandlung und ihrer Ergebnisse erhöht, ist eine empirische Frage, die aber erst beantwortet werden kann, wenn solche Instrumente getestet und bewertet wurden. Daher fehlt logischerweise der Nachweis über die Wirk-samkeit von vielen QS-Maßnahmen – schließlich wurden sie noch nicht unter Alltagsbedingungen eingesetzt und syste-matisch evaluiert. Deshalb soll an dieser Stelle der Aufruf zur Mitarbeit nochmals erneuert werden, damit die Diskussion nicht auf der theoretischen Ebene verhaf-tet bleibt, sondern mit tatsächlichen Erfah-rungen geführt werden kann.

Dr. Matthias Richard Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie der Universität Würzburg Klinikstr. 3

97070 Würzburg

richard@mail.uni-wuerzburg.de Dr. Heiner Vogel

Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie der Universität Würzburg Klinikstr. 3

97070 Würzburg

h.vogel@mail.uni-wuerzburg.de Die Literaturquellen, auf die sich die Autoren im Text beziehen, sind auf der Internetseite der Zeitschrift „www.psychotherapeutenjournal.de“ veröffentlicht.

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