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Manipulation einer Sicherheitseinrichtung

3. Betrieblicher Arbeits- und Gesundheitsschutz

3.5 Manipulation einer Sicherheitseinrichtung

Wie wichtig eine zeitnahe und unange-meldete Unfalluntersuchung durch die Gewerbeaufsicht ist, zeigt folgender Fall:

Das Unternehmen bekommt als Dienst-leister Kleinartikel angeliefert, die für den weiteren Transport zusammenge-stellt, papierverpackt und in Folie einge-schweißt werden müssen. Der gesamte Vorgang findet vollautomatisch statt. Am Anfang der Verpackungsmaschine werden die losen Kleinartikel per Hand in einen Trichter geschüttet und am Ende steht die eingeschweißte Verpackungseinheit für

den weiteren Transport bereit. Während dieses Prozesses durchlaufen die Kleinar-tikel bzw. die Verpackungseinheiten die Verpackungsmaschine mittels Förderbän-dern. Die gesamte Verpackungsmaschine weist eine durchgehende Einhausung mit integrierten Zugangsklappen auf.

Die Gewerbeaufsicht des Landes Bremen erhielt die schriftliche Ausfertigung einer

Unfalluntersuchung verhindert weitere Schäden

Unfallanzeige gemäß § 193 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch sechs Tage nach dem Unfall, mit folgender sinngemäßer Be-schreibung:

„Beim Übergang vom Verpackungsab-schnitt zum EinschweißabVerpackungsab-schnitt ist das Papier gerissen und die losen Artikel ha-ben sich zwischen die Förderbänder ge-klemmt. Beim Entfernen schnappte das Förderband zurück und ein Finger wurde gequetscht.“

Auf dem ersten Blick vermittelte die Be-schreibung des Unfallhergangs den Ein-druck, dass es sich um eine routinemäßige Störungsbeseitigung handeln könnte und beispielsweise kein geeignetes Werkzeug eingesetzt oder nicht nach technischer Anweisung gearbeitet wurde. Ferner ist auch nicht auszuschließen, dass die Ver-packungsmaschine nicht den Anforderun-gen hinsichtlich geltender Produktsicher-heitsvorschriften genügen könnte.

Die Gewerbeaufsicht des Landes Bremen suchte das Unternehmen unangemeldet auf, um die Verpackungsmaschine in Au-genschein zu nehmen.

Vor Ort zeigte sich, dass die Sicherungs-einrichtungen an den Zugangsklappen in der Maschineneinhausung der Verpa-ckungsmaschine manipuliert wurden. Da-bei handelte es sich um Sicherheitsschal-ter mit getrennten Betätigern. Obwohl die Zugangsklappen geöffnet waren, befand sich die Verpackungsmaschine in einem funktionsbereiten Zustand. Die Betätiger wurden jedoch von den Zugangsklappen abgeschraubt und in den am Maschinen-gestell angebrachten Sicherheitsschalter hineingesteckt. Das Ausbauwerkzeug und die Schrauben lagen klar erkennbar auf dem Maschinengestell im Bereich der Zu-gangsklappen.

Was ist wirklich passiert?

Der Übergang vom Verpackungsabschnitt zum Einschweißabschnitt ist sehr häufig von Störungen betroffen, da prozessbe-dingt immer wieder das Papier ausein-anderreißt. Für die Störungsbeseitigung muss die Verpackungsmaschine zuerst gesondert heruntergefahren werden und danach zum Regelbetrieb wieder neu an-laufen. Bei mehreren Störungen innerhalb eines kurzen Zeitraums wirkt sich dieses auf die tägliche Anzahl der Verpackungs-einheiten aus. Jeder Schritt zur zeitlichen Verlängerung der Störungsbeseitigung, wie z. B. das neue Anlaufen der Maschine, wird vom Bedienpersonal einer Maschine leider häufig versucht zu umgehen.

In dem vorliegenden Fall griff der Maschi-nenbediener durch die offenstehende Klappe mit überbrücktem Sicherheits-schalter, um die losen und festgeklemm-ten Kleinartikel zu entfernen. Das Fließ-band stand still, da die Software das Signal

„Keine Verpackungseinheit vorhanden“

erhielt. Es setzte sich jedoch in Gang als der Maschinenbediener mit der Hand in den Erfassungsbereich des Sensors kam und damit das Signal „Verpackungseinheit vorhanden“ auslöste. Der Finger wurde somit beim Anlaufen des Fließbandes ge-quetscht.

Unfallursache:

Durch die offensichtlich manipulierten Si-cherheitseinrichtungen war es möglich, in die laufende Verpackungsmaschine hi-neinzugreifen. Dabei spielten zum einen das Fehlverhalten des Maschinenbedie-ners eine Rolle. Zum anderen gab es auch organisatorische Mängel seitens des Ar-beitgebers hinsichtlich der nicht rechtzei-tigen Erkennung und Behebung von mani-pulierten Sicherheitseinrichtungen.

Maßnahmen:

• Sofortige Stilllegung der Verpa-ckungsmaschine

• Wiederinbetriebnahme erst nach Vorlage eines mängelfreien Prüfpro-tokolls einer Fachfirma

• Überarbeitung der Arbeitsschutzor-ganisation

• Einleitung eines Ordnungswidrigkei-tenverfahrens gemäß Betriebssicher-heitsverordnung. Verstoßen wurde gegen § 6 Absatz 2 Satz 1:

„Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass vorhandene Schutzeinrichtungen und zur Verfügung gestellte persön-liche Schutzausrüstungen verwendet werden, dass erforderliche Schutz- oder Sicherheitseinrichtungen funkti-onsfähig sind und nicht auf einfache Weise manipuliert oder umgangen werden.“

Fazit:

Das Beispiel belegt, dass trotz eines schweren Unfalls der unfallverursachen-de Mangel nicht freiwillig behoben wur-de und ein mangelhaftes Arbeitssicher-heitsverständnis noch immer besteht.

Das unangemeldete Aufsuchen des Un-ternehmens durch die Gewerbeaufsicht des Landes Bremen hat dem Arbeitgeber keine Zeit gegeben die Verpackungsma-schine in den ordnungsgemäßen Zustand rückzubauen. Besonders bedenklich war, dass trotz des sechs Tage zurückliegenden Unfallgeschehens die Verpackungsma-schine mit überbrückten Sicherheitsein-richtungen weiterbetrieben wurde. Ohne das Tätigwerden der Gewerbeaufsicht, wäre der nächste Unfall an der Maschine nicht verhindert worden.

Ferner hat dieser Fall auch gezeigt, dass die Angaben des Arbeitgebers zum Un-fallgeschehen in einer Unfallanzeige nicht immer vollständig sein können.

Dieses Beispiel belegt, wie notwendig Unfalluntersuchungen durch die Gewer-beaufsicht sind, um weitere Personen-schäden zu vermeiden und um das Arbeits-schutzverständnis der Arbeitgeber zu verbes-sern. Gerade Unfälle als auch unangemeldete Betriebsbesichtigun-gen der Gewerbeauf-sicht vermitteln eine gute IST-Aufnahme und können im weiteren wesentlich zu einer Ver-besserung des Arbeits-schutzes beitragen.

Jens von Lindern

Gewerbeaufsicht des Landes Bremen Links für den kostenlosen Download

Praxisnaher Handlungsleitfaden „Handlungsleitfaden Maschi-nen- und Anlagensicherheit“ auf der Internetseite der Berufs-genossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe:

http://anlagensicherheit.portal.bgn.de/8966/22143 Betriebssicherheitsverordnung:

http://www.gesetze-im-internet.de/betrsichv_2015/index.html Aktueller Bußgeldkatalog zur Betriebssicherheitsverordnung (LV62):

https://lasi-info.com/publikationen/lasi-veroeffentlichungen/