• Keine Ergebnisse gefunden

Maßnahmen bei Affektionen der Eingeweide

Im Dokument Mater Puerorum: (Seite 64-67)

3. Behandlungskonzepte

3.4 Maßnahmen bei Affektionen der Eingeweide

Bei Epileptikern, die mutmaßlich durch Einwirkung ihres Magens unter Krampfanfällen litten, musste vor Therapie-Einleitung festgestellt werden, welche schädliche, da übermäßig vorhandene Materie – am ehesten kamen auch hier Schleim oder Galle in Betracht – diesen zugrunde lag. Wie dies genau erfolgen sollte, konnte anhand des untersuchten Quellenmaterials allerdings nicht geklärt werden. Man ging weiter davon aus, dass den hiervon betroffenen Patienten in erster Linie provoziertes Erbrechen nütze, wobei Foreest zur Veranschaulichung dieser Vermutung anfügte, dass er beobachtet habe, wie dabei schädliche Speisen oder eine Lauchsaft ähnliche Flüssigkeit zutage getreten seien.151 Für den heutigen Leser steht dies natürlich im Widerspruch zu der vorher geäußerten Annahme, dass solche epileptischen Anfälle auf ein lokales Übermaß an Schleim oder Galle zurückzuführen seien – für frühneuzeitliche Ärzte dagegen scheint es nicht zwingend erforderlich gewesen zu sein, dass durch das von ihnen forcierte Erbrechen auch genau diese Substanzen ausgeleitet wurden. Kämen solche Epileptiker nach einem abgeklungenen Anfall lange Zeit nicht zu Bewusstsein, müsse zusätzlich die Anwendung eines Klistiers in Erwägung gezogen werden oder aber ein Aderlass, wenn der Betroffene zu viel Blut in sich habe.152

151 Ebd., S. 562-563 (Observatio LXIII): „Caeterum cum hic ventriculum affici etiam videretur acri speculatione dispiciendum erat, quis nam succus in eum redundit […].“

152 Ebd., S. 565 (Observatio LXIV).

Anhand dieses Aspekts lässt sich zudem erneut das Ausmaß der Vernetzung frühneuzeitlicher Ärzte nachvollziehen, die sich intensiv mit den Schriften zeitgenössischer Kollegen, aber auch älterer Autoritäten befassten und den professionellen Austausch suchten. So verwies Foreest auf eine Fallbeschreibung bei Lusitanus und verteidigte dessen Gabe einer nach Mesue (777 – 857), einem arabischen Arzt aus dem heutigen Irak, abgemilderten Variante des ursprünglich von Galen beschriebenen Oxymel squilliticum vor der eigentlichen Purgation.153 Lusitanus hatte an der entsprechenden Stelle notiert, dass dieses aufgrund seiner starken Wirkung grundsätzlich nur nach der Purgation verabreicht werden dürfe, verwies dann aber auf drei von Mesue beschriebene Abwandlungen hiervon:

Dessen Grundrezept könne jederzeit gegeben, das Oxymel compositum und eine auf Demokrit zurückgehende Variante aber ebenfalls nur nach einer vollständigen Purgation oder, falls nötig, im schweren Anfall selbst, um besonders dickflüssige und zähe Materie in den Griff zu bekommen.154 Bezüglich der konkreten therapeutischen Verwendung des Oxymel empfahl Foreest nach seiner Verdauung mit Eisenkraut abzuführen und den Magen mit einem speziellen Pflaster aus Mastix zu stärken; im Anschluss an die Mahlzeiten solle außerdem ein Pulver aus den Samen von Koriander, Anis und Pfingstrosen, vermischt mit Zimt, verabreicht werden.155

In einem anderen Fallbericht, der die dort geschilderten epileptischen Anfälle ebenfalls mit einer Affektion des Magens erklärte und das diesbezügliche frühneuzeitliche Therapiespektrum im Folgenden anschaulich zusammenfasst, finden sich, dem Wunsch des Vaters des betroffenen Jungen entsprechend, eine Vielzahl weiterer, im Vergleich ungewöhnlich komplizierter magenreinigender Rezepte, wobei dazu geraten wurde, bei einer schwachen Konstitution mit milderen Arzneimitteln zu beginnen und erst im Verlauf zu stärkeren zu greifen. Zusätzlich führte der behandelnde Arzt lokal wirksame magenkräftigende Arzneimittel auf, konkret Wachspomaden, Heilsalben und feuchte Umschläge.156 Grundlegende Voraussetzung einer erfolgreichen Therapie sei bei solchen Patienten jedoch immer eine gute Verdauung.157Zur Veranschaulichung dieser Ausführungen

153 Ebd., S. 565-566 (Observatio LXIV).

154 Lusitanus: Curationum medicinalium centuriae quattuor, S. 346 (Curatio 22).

155 Foreest: De capitis et cerebri morbis ac symptomatis, S. 565 (Observatio LXIV): „Si igitur venter plenus est, vomitus valet.“

156 Ebd., S. 560-561 (Observatio LXIII).

157 Rulandus: Curationum empiricarum et historicarum centuria nona, S. 158 (Curatio XCIX), und Foreest: De capitis et cerebri morbis ac symptomatis, S. 562 (Observatio LXIII).

zitierte Foreest schließlich Galen mit einem Beispiel aus dessen Schrift „De locis affectis“, in dem von einem jungen Mann die Rede ist, der unter Einwirkung seines empfindlichen Magenmundes epileptische Anfälle erlitt, besonders dann, wenn er fastete oder sich geistig betätigte. Durch die Verordnung einer besseren Ernährung sowie die Purgation aller im Magen befindlicher Schadstoffe mit Hilfe eines Medikaments aus Aloë sei es Galen gelungen, ihn dauerhaft zu heilen.158

Als Sonderfall wurde der krankhafte Zustand des Magens infolge eines Befalls mit Würmern diskutiert. Die Behandlung sei hier unabhängig davon, ob die resultierenden Krampfanfälle von lebenden oder toten Würmern hervorgerufen werden, und müsse immer dreierlei Medikamente, und zwar bittere, schleimausführende und wurmabtötende, beinhalten. Im konkreten Fall verabreichte Foreest ein in destilliertem Wasser aufgelöstes Pulver, das gegen Würmer wirksame Samen und zerstoßene Pfingstrosenwurzeln enthielt, dazu Zitwersamen mit einer Zuckerkruste, denen magenstärkende Kräfte zugeschrieben wurden. Die Zugabe von Zucker diente dabei der besseren Akzeptanz der wohl bitteren Arznei bei den jungen Patienten, außerdem sollten dadurch die Würmer angelockt werden.159

Als entscheidende Arzneimittel für seinen unter Einwirkung einer von schwarzer Galle geschädigten Milz unter epileptischen Anfällen leidenden Patienten nannte Tulpius schwarze Nieswurz und Eisenweinstein, letzteren unter Berufung auf Celsus, den er mit der Aussage zitierte, dass Tiere, die bei mit Eisen arbeitenden Handwerkern aufgezogen werden, kleine Milzen hätten. Bezüglich dessen Herstellung hielt er explizite Anweisungen fest, die an dieser Stelle exemplarisch für ein typisches zeitgenössisches Arzneimittelrezept aufgeführt werden sollen: „Jeweils zwei Unzen von den Wurzeln wilder Malven und denjenigen von Spargel werden mit Weinessig abgekocht. Gieße dann anderthalb Pfund abgeseihter eiserner Feilspäne dazu, die zwei Tage lang in heißer Asche getrocknet werden sollen. Dem nunmehr trockenen und fein geriebenen Eisen sind im nächsten Schritt vier Pfund Rheinwein hinzuzufügen, außerdem zwei Pfund mit Melisse versetztes Wasser, eine halbe Unze geraspeltes Guajak-Holz, jeweils eine Handvoll Tamariskenstaude, Milzkraut und wilder

158 Ebd., S. 562-563 (Observatio LXIII).

159 Ebd., S. 566-567 (Observatio LXV).

Thymian sowie ein Skrupel britischen Safrans. Diese Mischung soll in einer gläsernen Flasche täglich fest geschüttelt werden – so entsteht aus dem Abgeseihten der in Wein aufgelöste Eisenweinstein.“ Zusätzlich verordnete er dem Jungen zunächst stärkere, später aber, da er erstere im Verlauf der Behandlung aufgrund ihres widerlichen Geschmacks abzulehnen begann, schwächere abführende Tränke auf der Basis von schwarzer Nieswurz. Nach deren Verabreichung habe sein Patient große Mengen der als krankmachendes Agens vermuteten schwarzen Galle erbrochen und sei aufgeklart, sodass er fortan ein fast normales Leben mit einem nur geringen geistigen Folgeschaden habe führen können. Das zwischenzeitliche Einbrennen eines Geschwürs am linken Unterschenkel habe dagegen nur vorübergehende Linderung gebracht.160

Im Dokument Mater Puerorum: (Seite 64-67)