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8. Ozanimod

8.2. Biokatalytischer Schlüsselschritt

8.2.2. Lipase

80 98

86

76

67

83

69

99 97 99

50

25

99

0 20 40 60 80 100

[%]

Umsatz Enantiomerenüberschuss Abbildung 82: Transaminierung mit VF-TA in Gegenwart von 20 % MeOH.

Abschließend kann die Transaminase sicherlich als Perspektivenzym eingestuft werden. Die Transaminase aus Vibrio fluvialis zeigt bereits gute Aktivitäten gegenüber interessanten Zwischenstufen der Gesamtsynthese. Allerdings ist die Stabilität sehr gering und entsprechend die Katalysatorbeladung ebenfalls hoch. Durch die eingesetzte zehnfache Masse des Katalysators im Vergleich zum Substrat wird der Reaktionsschritt im Prozess sehr teuer und aufwändig. Die Optimierung eines solchen Enzyms (ggf. auch der ArS-TA) würde wahrscheinlich mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Bislang ist auch nur ein Musterbeispiel für Transaminasen durch Sitagliptin beschrieben.[31]

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das Vorgehen dabei sinnvoll eingeordnet werden können. Wie zuvor beschrieben, bietet sich eine kinetische Racematspaltung aufgrund der Ausbeutelimitierung von 50 % eines Enantiomers vor allem bei günstigen Synthesebausteinen an. Das nicht gewünschte Enantiomer verfällt oder kann racemisiert werden. Mit der Möglichkeit einer Racemisierung wird eine kinetische Racematspaltung auch bei wertvolleren Molekülen kommerziell interessant.

Abbildung 83: Retrosynthetische Zerlegung von Ozanimod in ähnlich große Bausteine im Sinne einer konvergenten Synthese.

Im vorliegenden Beispiel von Ozanimod kann eine Racematspaltung zur Enantiomerenanreicherung prinzipiell auf einer späten Stufe durchgeführt werden. Da eine Racemisierung des nicht gewünschten Isomers jedoch nicht zu erwarten ist, wird die Enantiomerentrennung auf einer früheren Stufe untersucht (siehe Abbildung 83). Je weiter die Gesamtsynthese fortgeschritten ist, desto ungünstiger wird der Ausbeuteverlust von 50 % in Form des ungewünschten Enantiomers. Ausgehend von einem Indanonsäurebaustein, welcher reduktiv aminiert wird, soll eine kinetische Racematspaltung aufgebaut werden, sodass wie in Abbildung 83 dargestellt, 4-Cyano-1-aminoindan für die Kondensation der Ozanimodbausteine zur Verfügung steht. Um flexibel in Bezug auf Enzymaktivitäten zu sein, werden unterschiedlich substituierte 1-Aminoindan Substrate hinsichtlich einer kinetischen Racematspaltung untersucht (siehe Abbildung 84).

Abbildung 84: Kinetische Racematspaltung von 1-Aminoindanderivaten mit einer Lipase.

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Neben verschiedenen Substraten wird auch der Acyldonor variiert. Es ist bekannt, dass Ethylacetat als leicht zugänglicher und günstiger Donor eher langsam von der Lipase umgesetzt wird.[196,197] Die BASF fand in Ethylmethoxyacetat einen Donor, der um ein vielfaches schneller acyliert, als Ethylacetat.[198]

Der Grund für die überraschend hohe Donoraktivität stößt auch auf akademisches Interesse,[199] wobei die Ursache für die außergewöhnlich hohe Acylierungsrate von Ethylmethoxyacetat bis heute ungeklärt ist. Weitere Acyldonoren wurden immer wieder mit Ethylmethoxyacetat als Referenz verglichen,[197]

konnten aber nie die gleiche Performance erreichen. Das Heteroatom wirkt sich dabei häufig deutlicher auf die Acylierungsaktivität[200] aus im Vergleich zu unterschiedlichen Kettenlängen.[197] In Diethylmalonat konnte einige Jahre später nicht nur ein Donor vergleichbarer Performance, sondern auch ein deutlich nachhaltigerer Rohstoff gefunden werden.[196] Sowohl Methoxyacetat in Form verschiedener Ester als auch Diethylmalonat werden in dieser Arbeit berücksichtigt.

Das einleitende Experiment wird mit Ethylmethoxyacetat 99 als Acyldonor und 1-Aminoindan rac-98 als nukleophile Komponente durchgeführt. 1-Aminoindan 98 bietet neben einer guten Verfügbarkeit ein große strukturelle Verwandtheit, sodass es hier als Modellsubstrat für 4-Cyano-1-aminoindan 51 eingesetzt wird, welches sehr viel schwieriger zugänglich ist und nur geringe Rohstoffmengen bereitstanden. Die Reaktionsbedingungen wurden angelehnt an eine vorangegangene Arbeit des Autors.[201] Die immobilisierte Lipase (CAL-B) wird in Amin, Acyldonor und n-Heptan suspendiert und bei 60 °C thermisch behandelt. Nach verschiedenen Reaktionszeiten wurde eine Probe entnommen und mittels NMR-Spektroskopie der Umsatz bestimmt. Anschließend wurde das Amin aus der Probe ohne Enantiopreferenz mit Acetylchlorid acyliert und die Probe mit Hilfe chiraler HPLC untersucht. Die Enantiomerenüberschüsse zu den gemessenen Umsätzen sind in Abbildung 85 aufgetragen. Die Messwerte sind eingerahmt von Kurven zweier E-Werte (20 & 80), die sich nach Gleichung 4 berechnen lassen, um die Messgenauigkeit zu veranschaulichen. Das Substrat weist bei einem Umsatz von 40 % einen Enantiomerenüberschuss von 55 %ee auf. Das entspricht laut Gleichung 4 einem E-Wert von 20.

Eine ähnliche Selektivität ergibt sich aus den anderen Messwerten des Substrats, welches durch die schwarze Linie (E-Wert 20) in Abbildung 85 deutlich wird. Die ee-Werte des entstandenen Amids liegen für die gemessenen Umsätze über 95 %. Das entspricht Selektivitäten von etwa 80 (gezeigt durch die graue gestrichelte Linie in Abbildung 85). Die unterschiedlichen E-Werte von Amin und Amid können durch einen kleinen Fehler bei der Umsatzbestimmung begründet werden. Die Fehlerbalken in Abbildung 85 zeigen, dass bereits zwei Prozent Umsatzabweichung zu großen Selektivitätsunterschieden führt. Das macht vor allem E-Wertbestimmungen jenseits von 100 sehr anspruchsvoll und stellt hohe Anforderungen an die Analytik. Unabhängig von der etwas ungenauen Analytik kann an dieser Stelle ein ungefährer Referenzwert für weitere Experimente mit den oben genannten Variationen aufgenommen werden.

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0 20 40 60 80 100

0 20 40 60 80 100

ee [%]

Umsatz [%]

E-Wert 80 E-Wert 80

E-Wert 20 E-Wert 20

Abbildung 85: Benchmark Experiment zur kinetischen Racematspaltung von 1-Aminoindan mit CAL-B.

Die ee-Wert Bestimmung via HPLC gelingt etwas exakter (siehe Fehlerbalken Abbildung 85), weshalb in den folgenden Experimenten der Umsatz aus den beiden Enantiomerenüberschüssen von Substrat und Produkt berechnet wird (siehe Gleichung 5). Auf diese Weise wird die Abweichung der Selektivitäten nach Substrat und Produkt minimiert.

Gleichung 5: Umsatz in Abhängigkeit der ee-Werte von Produkt und Substrat.

Mit der optimierten Analytik wird ein Screening bezüglich Lösungsmittel und Acyldonor mit dem Modellsubstrat rac-98 und CAL-B durchgeführt. Die experimentellen Daten wurden von Jana Löwe ermittelt.[181] Alle Ergebnisse sind in Abbildung 86 zusammengefasst. Im Falle des Acyldonors Diethylmalonat 101 liegt der E-Wert gegenüber den genannten Lösungsmitteln zwischen 11 (Toluol) und 36 (n-Heptan). In Gegenwart des Acyldonors Ethylmethoxyacetat 99 weist die CAL-B im Mittel eine etwas höhere Selektivität auf. Interessanterweise scheint Toluol hier einen positiven Einfluss auf den E-Wert zu nehmen, denn mit diesem Lösungsmittel wird die höchste Selektivität (E-Wert: 57) für Ethylmethoxyacetat gemessen. Nicht besonders überraschend kommt im Vergleich dazu die hohe

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Selektivität für den verzweigten Methoxyacetatester 99, der einen E-Wert von 113 erreicht. Das Phänomen höherer Selektivitäten von verzweigten Alkoholen im Gegensatz zu linearen Alkoholen ist literaturbekannt.[202]

Abbildung 86: E-Werte für die CAL-B gegenüber verschiedenen Lösungsmitteln und Acyldonoren mit dem Modellsubstrat 1-Aminoindan rac-98.[181]

die Ermittlung eines geeigneten Substrats für die enzymatisch kinetische Racematspaltung ist der nächste Schritt. Im Hinblick auf die Gesamtsynthese wären günstige Substrate, 1-Aminoindangerüste, die an Position 4 funktionalisiert sind, um anschließend den Oxadiazolring von Ozanimod aufbauen zu können. Als Funktionalitäten wurden hier ein Bromsubstituent, eine Cyanogruppe und ein Methylester gewählt (siehe Abbildung 87) aus welchen eine nachträgliche Funktionalisierung leicht möglich ist. Die Experimente wurden von Jana Löwe[181] durchgeführt und die Ergebnisse sind in Abbildung 87 präsentiert. Aufgetragen sind die Umsätze zu einem bestimmten Zeitpunkt mit zugehörigem Enantiomerenüberschuss und daraus resultierend auch die Selektivität der Reaktion. Als Lösungsmittel wurde nach dem oben durchgeführten Screening und im Hinblick auf Nachhaltigkeit eines zukünftigen Prozesses 2-MeTHF gewählt.

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59 58

65

99 99

96

26 31

11 0

20 40 60 80 100

Umsatz ee E-Wert

[%]

Abbildung 87: Selektivität der CAL-B gegenüber geeigneten Substraten für die Gesamtsynthese von Ozanimod 29.[181]

Bei den Experimenten zeigte sich, dass das Indanderivat mit dem Methylester rac-103 die geringste Selektivität aufweist (E-Wert 11). Bei einem Umsatz von 65 % wurde erst ein Enantiomerenüberschuss von 96 % gemessen. Ein wenig selektiver wurden die Brom- und Cyanosubstituierten Indanderivate acyliert. 4-Brom-1-aminoindan rac-102 wies mit einem E-Wert von 26 eine geringere Selektivität im Vergleich zu dem Cyano substituierten Indangerüst rac-51 (E-Wert 31) auf. Im Hinblick auf einen Prozess sind die unterschiedlichen Selektivitäten marginal. Ab einem E-Wert von 20 wird das System synthetisch attraktiv.[173] Damit kommen sowohl der Cyano- als auch der Bromsubstituent für eine Synthese in Frage. Im Hinblick auf die Gesamtsynthese wird für die weiteren Experimente jedoch nur noch auf das Cyano substituierte Indangerüst zurückgegriffen. Die Nitrilfunktion kann zum Aufbau des Oxadiazolrings direkt eingesetzt werden, während ein möglicher Bromsubstituent vorher weiter derivatisiert werden müsste.

Zum Abschluss dieses biokatalytischen Kapitels wird noch eine Synthesesequenz ausgehend von der Carbonylverbindung 31 über das racemische Amin rac-51 zum chiralen Baustein (S)-51 (durchgeführt von Jana Löwe[181]). Auf diese Weise konnte das enantiomerenreine Amin (S)-51 mit einer Ausbeute von 20 % und exzellentem Enantiomerenüberschuss (99 %ee) isoliert werden (siehe Abbildung 88). Die moderate Ausbeute wird limitiert durch die reduktive Aminierung, welche lediglich einen produktbezogenen Umsatz von 43 % liefert. Entsprechend kann in diesem Experiment nach den oben gewonnen Ergebnissen eine Selektivität von 24 ermittelt werden.

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Abbildung 88: Synthesesequenz von Indanon 31 zum enantiomerenreinen Amin (S)-51.

In diesem Kapitel konnten neben einem möglichen Katalysator bereits Bedingungen vorgestellt werden, die in Kürze zu einem Prozess führen. Geeignete Substrate wurden evaluiert und konnten abschließend in einer erfolgreichen Synthesesequenz die Robustheit des Gesamtprozesses auf diesem frühen Stadium der Entwicklung aufzeigen.

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