4 LABORSTUDIE: AUSBILDUNG, VORGEHEN, KONSTRUKTIONSERFOLG
4.4 M ETHODIK FÜR DIE L ÖSUNGSGÜTEBEURTEILUNG
4.4.2 Lösungsgüte in der Vorentwurfsphase
Berück-sichtigung elementarer technisch-wirtschaftlicher Kriterien geschieht anhand einer weite-ren Untergliederung in Unterkriterien. Diese werden jeweils einzeln mit Hilfe einer drei-wertigen Ordinalskala beurteilt. Mit Hilfe dieses Beurteilungsschemas konnte auch für diese Lösungsgütekategorie ein Gesamtwert der Lösungsgüte ermittelt werden.
Korrekturmerkmale für Entwürfe in der Konstruktionslehre F Funktion nicht erfüllt / nicht gewährleistet
Energiefluß
Bre "Bremse" / Bauteilkollision
Lag Lager / Lagerung nicht geeignet / Lagerungsprinzip falsch Mdü Md-Übertragung fraglich / fehlt
WNV Welle-Nabe-Verbindung fehlt / nicht geeignet Lage festlegen
AxF Axiale Festlegung fehlt / nicht geeignet Ein Einstellmöglichkeit fehlt / nicht geeignet Pas Passungen fehlen / nicht geeignet
Pos Positionierung fehlt / nicht geeignet Vdr Verdrehsicherung fehlt / nicht geeignet Ver Verbindungselement fehlt / nicht geeignet Zen Zentrierung fehlt / ungünstig
Schmieren und Dichten
Dic Dichtelement fehlt / nicht geeignet
Smi Schmierung fehlt / nicht geeignet / nicht sichergestellt Aufgabenstellung
F? Funktion unklar / nicht notwendig / nicht lt. Aufgabenstellung B Gestaltung nicht beanspruchungsgerecht
Anz Anzahl der Bauteile verändern: Bauteilfunktionen trennen / zusammenlegen Bgr Baugröße verändern
Ker Kerbwirkung verringern / Spannungsverlauf ungünstig
Fe Gestaltung nicht fertigungsgerecht, Fertigung nicht möglich Dop Doppelpassungen
Fe? Fertigung schwierig / aufwendig
Guß Gußgestaltung: Druckbeanspruchung anstreben, gleichmäßige Wanddicken anstreben, Rippen vorsehen, waagerechte Wandteile vermeiden, Aushebeschrägen vorsehen, Gußradien vorsehen, Hinterschneidungen vermeiden, Spannflächen vorsehen, Bearbeitungsflächen vorsehen
Sch Schweißgestaltung: Halbzeuge verwenden, Positionieren der Teile vereinfachen, Nahtanhäufung vermeiden, Zugang erleichtern
Wel Wellengestaltung: Funktionsflächen absetzen, Baugröße verringern Wer Werkzeugauslauf berücksichtigen
M Gestaltung nicht montagegerecht, Montage nicht möglich Fas Montagefase vorsehen
M? Montage schwierig / aufwendig
War Wartung, Inspektion, Instandsetzung schwierig / aufwendig Darstellungstechnik
Dar Darstellung falsch / unklar / nicht normgerecht / unvollständig
Abbildung 4-20: Beurteilungskriterien für die qualitativ intuitive Beurteilung von Entwurfszeichnungen
LANGNER 1991 und RÜCKERT 1997 haben deshalb aufbauend auf diesen Erfahrungen ein verbessertes Beurteilungsschema entwickelt, das die Beurteilung von Entwürfen mit
Hil-fe der Methode der Wertanalyse einer sehr guten Nachvollziehbarkeit und Quantifizier-barkeit zuführt (vgl. RÜCKERT 1997, S. 34 und S. 169 ff.). Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde dieses Verfahren nur leicht modifiziert. Es wurden die in Tabelle 4-6 do-kumentierten Kriterien und Leitfragen für die Beurteilung von Entwurfszeichnungen defi-niert.
Tabelle 4-6: Beurteilungskriterien und Leitfragen für die Beurteilung der produktorientierten Lösungsgüte in der Vorentwurfsphase
Lösungsgüte Entwurf / Konstruktionszeichnung
Kriterium Leitfrage Funktion Wird die Gesamtfunktion erfüllt?
Gestaltung Ist die Gestaltung beanspruchungsgerecht und werden einschlägige Gestaltungsregeln befolgt?
Fertigung Ist die Fertigung möglich?
Montage Ist die Montage möglich?
Zuverlässigkeit Ist das Gebrauchsverhalten ausfallsicher?
Einfachheit Ist die gesamte Baugruppe einfach gestaltet?
Eindeutigkeit Sind die Systemzustände eindeutig erkennbar?
Vollständigkeit Ist der Entwurf vollständig?
In der Literatur findet man z.T. Vorschläge für eine Definition von Beurteilungskriterien, die sich sehr viel enger an den konkreten Konstruktionsauftrag anlehnen und z.B. die Erfüllung konkreter, im Auftrag genannter Anforderungen überprüfen (vgl z.B. DYLLA
1991, S. 61f. oder GÜNTHER 1998, S. 48). Auch RÜCKERT 1997 (S. 169f.) berücksichtigt zwei aufgabenspezifische – jedoch nur sehr schwach gewichtete – Kriterien, die die Einhaltung zentraler Forderungen messen. Dieses führt im Einzelfall zu einer feineren Beurteilung der einzelnen Entwurfslösung, geht jedoch zu Lasten der Vergleichbarkeit von Beurteilungsergebnissen verschiedener Studien und Konstruktionsaufträge.
GÜNTHER 1998 und auch LANGNER 1991 schlagen zudem vor, die zeichnerische Darstel-lung des Entwurfs im Sinne einer normgerechten technischen Zeichnung mit in die Beur-teilung einzubeziehen. Dieses kann je nach Untersuchungsziel durchaus sinnvoll sein und ist in der universitären Konstruktionslehre ein historisch gewachsenes wichtiges Kri-terium. In der Konstruktionspraxis ist dieses Kriterium jedoch angesichts des flächende-ckenden CAD-Einsatzes von abnehmender Bedeutung, während die Bedeutung von Freihandskizzen in frühen Phasen der Produktentwicklung zunimmt (vgl. z.B. RÖMER ET AL.2001).
In der vorliegenden Studie wurden deshalb die der Beurteilung der Lösungsgüte in der Vorentwurfsphase zugrunde liegenden Kriterien auf den in Tabelle 4-6 dokumentierten Satz beschränkt. Auch hier wurde ein leicht handhabbares Beurteilungsschema entwi-ckelt, das von einer dreiköpfigen Beurteilergruppe eingesetzt wurde (Abbildung 4-21).
Der unterschiedlichen relativen Bedeutung der einzelnen Kriterien in Bezug auf die
Ge-samtlösungsgüte wurde – wie bei der Beurteilung der Lösungsgüte in der Konzeptpha-se – durch Gewichtungsfaktoren Rechnung getragen, die wiederum von Konstruktions-experten mit der Methode der binären Bewertung validiert wurden.
VP-Nr.:
Kriterium Skala Gewicht Wert gew. Wert
g W g*W
Funktion 0 = nein, Funktionserfüllung ausgeschlossen
1 = nur durch Hinzufügen/Entfernen wesentl. Bauteile/Baugruppen 2 = aufwendige Gestaltungsänderung nötig
3 = bei geringfügiger Anpassung 4 = ja, ohne Einschränkung Gestaltung 0 = falsche Auslegung
1 = Bruchgefahr / widerspricht gängigen Gestaltungsregeln 2 = ungünstige Gestaltung / Materialaufwand zu hoch 3 = Auslegung i.O., Kraftfluß jedoch nicht optimal 4 = ja, ohne Einschränkung
Fertigung 0 = mehrere Bauteile nicht fertigbar
1 = ein funtionswichtiges Bauteil nicht fertigbar 2 = schwierige Fertigung
3 = bei geringfügiger Anpassung 4 = ja, ohne Einschränkung
Montage 0 = nein, Montage in mehreren Gestaltungszonen unmöglich 1 = Montage in einer Gestaltungszone unmöglich
2 = schwierige Montage 3 = bei geringfügiger Anpassung 4 = ja, ohne Einschränkung
Zuverlässigkeit 0 = sehr hohe Ausfallgefahr, kurze Lebensdauer 1 = hohe Ausfallgefahr
2 = Ausfall möglich / wahrscheinlich 3 = bei geringfügiger Anpassung 4 = ja, ohne Einschränkung
Einfachheit 0 = viele und kompliziert gestaltete Bauteile 1 = viele oder kompliziert gestaltete Bauteile 2 = befriedigende Lösung
3 = wenige bzw. einfach gestaltete Bauteile 4 = ja, ohne Einschränkung
Eindeutigkeit 0 = nein, Systemzustände mehrdeutig
1 = nur durch Hinzufügen/Entfernen von Bauteilen/Baugruppen 2 = aufwendige Gestaltungsänderung nötig
3 = bei geringfügiger Anpassung 4 = ja, ohne Einschränkung
Vollständigkeit 0 = alle wesentl. Funktionen / Gestaltungszonen unvollständig 1 = wesentl. Funktionen / Gestaltungszonen fehlen / unvollständig 2 = ein/e wesentliche/s Bauteil / Gestaltungzone fehlt
3 = unwesentliche Bauteile / Gestaltungszonen fehlen 4 = ja, ohne Einschränkung
Lösungs-güte [%]
Summe g*W DFG BE 479_68-1
A1 Untersuchung Längsschnitt Beurteilung der Lösungsgüte / Entwurf
Ist die Gestaltung
beanspruchungs-gerecht?
2 1 1 1 3 3 2 2
Wird die Gesamtfunktion
erfüllt?
Sind die Systemzustände
erkennbar und eindeutig?
Ist der Entwurf vollständig?
Ist die Fertigung möglich?
Ist die Montage möglich?
Ist das Gebrauchsverhal-ten ausfallsicher?
Ist die gesamte Baugruppe einfach
gestaltet?
Abbildung 4-21: Beurteilungsschema für die Beurteilung der produktorientierten Lösungsgüte in der Vorentwurfsphase
Mit Hilfe dieses Beurteilungsschemas konnte für jede vorliegende Lösung ein valider Gesamtwert der Lösungsgüte ermittelt werden.