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P IGAGES UND MECHELS KATALO G DER DÜSSELD ORFER GEMÄLDEGALERIE

Einleitung

In der Geschichte unserer Disziplin, der Kunstgeschichte, gilt das 18. Jahrhundert als eine paradigmatische Wende. Das Fach erhielt eine methodologische Grundlage. Aus der Künst-lergeschichte wurde die Kunstgeschichte. Auf Vasari, den ersten Gründungsvater, folgte Winckelmann, der mit seiner 1764 erschienenen Geschichte der Kunst des Alterthums der Disziplin eine neue Perspektive der Kunstgeschichtsschreibung eröffnete.

Diese Interpretation der Geschichte unseres Faches wollen wir nicht in Frage stellen. Es soll aber versucht werden, dem Wandel, der sich im 18. Jahrhundert vollzog, einen weite-ren Gesichtspunkt hinzuzufügen. Trotz umfangreicher Forschungen über die Geschichte der Institution Museum in diesem Jahrhundert in letzter Zeit ist ein Gesichtspunkt noch zu wenig beachtet worden. Das Fach wandelte sich in seinen methodologischen Grundlagen nicht nur durch den Schritt von einem Modell historischer Darstellung zu einem anderen.

Vielmehr vollzog sich im Umgang mit Kunstwerken ein Prozess, der neue Kriterien der Ordnung erforderte. Die Neuordnung vieler fürstlicher und bürgerlicher Sammlungen im 18. Jahrhundert veränderte die Rezeption von Kunstwerken und entfaltete ein neues Be-wusstsein für die Eigenart individueller Stile und nationaler Schulen. Christian von Mechels Aussage, er habe im Oberen Belvedere mit seiner Inszenierung der Gemälde eine „sicht-bare Geschichte der Kunst“ geschaffen, markiert den Endpunkt dieser Auffassung. Das Fach entfaltete sich nicht nur in der Auseinandersetzung mit bestimmten theoretischen Positionen, etwa von Vasari oder Winckelmann. Vielmehr repräsentierte und förderte die Anschauung der neugeordneten europäischen Galerien den Wandel von einer Künstlerge-schichte zur modernen, neuzeitlichen KunstgeKünstlerge-schichte und damit zu einer Professionalisie-rung des Faches. An einem Beispiel, der Gemäldegalerie in Düsseldorf im 18. Jahrhundert, möchte ich diesen Zusammenhang erläutern.

I. Die Gemäldegalerie des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz in Düsseldorf

Im 18. Jahrhundert befand sich eine der bedeutendsten europäischen Gemäldegalerien in Düsseldorf. Sie war von Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz (1658–1716) geschaffen worden (Abb. 1). Johann Wilhelm war ein leidenschaftlicher Sammler. Als Hofmaler be-schäftigte er Frans Douven (1656–1727), der ihn auch in seinen Ankäufen beriet. Seine Sammlung umfasste ca. 400 Werke, 45 davon von der Hand von Rubens, und gelangte durch Erbschaft im Jahre 1803 nach München, wo sie heute einen wesentlichen Teil der Alten Pinakothek bildet.1

Durch seine zweite Gemahlin, Anna Maria Luisa de’ Medici (1667–1743), der letzten Medici, verfügte er über beste Beziehungen für den Erwerb italienischer Meisterwerke. Mit Adriaen van der Werff (1659–1722) konnte er einen der in seiner Zeit berühmtesten hol-ländischen Feinmaler gewinnen, fast ausschließlich für ihn zu malen.2

Abb. 1 Nach Jan Frans Douven, Reiterbildnis des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz, ca. 1768–ca. 1775, Rötel zeichnung. Los Angeles, Getty Research Institute

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Ihre umfangreichen Sammlungen neu zu ordnen, erschien vielen Fürsten um 1700 als ein wesentlicher Teil ihres politischen Selbstverständnisses. Barocke Repräsentation bedeutete nicht mehr nur die Demonstration von Kunstschätzen unterschiedlichster Art, sondern vermittelte auch die Botschaft, dass die Herrscher diese Objekte im allgemeinen Interesse zu pflegen und zum Studium bereitzustellen wußten. Nach der Epoche der Unterbrin-gung der Mirabilia in den Kunst- und Wunderkammern des 17. Jahrhunderts suchten eini-ge Fürsten ihre Schätze nach fachlichen, um nicht zu saeini-gen wissenschaftlichen Kriterien zu ordnen. Johann Wilhelm und seine Nachfolger gehörten, wie vor allem August der Starke in Dresden, zu den barocken Herrschern, die ihre Sammelleidenschaft mit Sachkenntnis zu verbinden vermochten.

Abb. 2 Modell der Düsseldorfer Galerie. Los Angeles, Getty Research Institute. Photo: John Kiffe

Abb. 3 Flämische Schule. Erster Saal, zweite Fassade der Düsseldorfer Galerie. Probedruck für Nicolas de Pigage und Christian von Mechel, La galerie électorale de Dusseldorff … (Basel 1778), Taf. 2, 3, 4, digital zusammengefügt. Los Angeles, Getty Research Institute

Abb. 4 Italienische Schule. Dritter Saal, zweite Fassade der Düsseldorfer Galerie. Probedruck für Nicolas de Pigage und Christian von Mechel, La galerie électorale de Dusseldorff … (Basel 1778), Taf. 10, 11, 12, digital zusammengefügt. Los Angeles, Getty Research Institute

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Johann Wilhelm hatte in den Jahren 1709–1714 unmittelbar angrenzend an das Düssel-dorfer Schloss einen Galeriebau errichten lassen (Abb. 2). Er kann in der Geschichte des Museums als einer der frühesten angesehen werden. Obwohl ein völlig eigenständiges Gebäude, war er doch an einer Ecke mit dem Schloss verbunden. Dennoch ist bereits sichtbar, dass der Kurfürst seiner Bilder- und Skulpturensammlung einen eigenständigen Raum zuweisen wollte, in dem sie geordnet Besuchern vorgeführt werden konnte.

Im Parterre des Gebäudes wurden die umfangreichen Sammlungen an Antiken, vor al-lem Abgüsse, untergebracht. Die obere Etage war den Gemälden gewidmet. Das Galerie-gebäude wurde vom Schloss aus durch ein mit Allegorien geschmücktes Treppenhaus be-treten. Die erste Etage bildeten fünf Säle, von denen die Eckräume in ihren Ausmaßen deutlich kleiner waren. Die drei Hauptsäle wurden der flämischen Malerei (Abb. 3), der mittlere Rubens und der letzte Raum der italienischen Schule gewidmet (Abb. 4). Dass sich die zum Teil sehr großformatigen 45 Gemälde von Rubens im Zentrum des Baus befan-den, ist der Wertschätzung zu verdanken, die Johann Wilhelm von der Pfalz gerade diesem Künstler gegenüber empfand.3

1719, drei Jahre nach dem Tod Johann Wilhelms, in der Regierungszeit seines Bruders und Nachfolgers, Karl Philipp (1662–1742), entstand ein Verzeichnis der Werke der kur-fürstlichen Galerie, verfasst von dem Hofmaler und Galerieinspektor Gerhard Joseph Karsch (1661–1753).4 Der Katalog ist Beleg für den Willen des Fürsten, die Besucher über Künstler und Werke der Galerie nach neuestem Wissensstand in Kenntnis zu setzen. Es handelt sich dabei allerdings nur um eine Liste der Gemälde, die nicht weiter kommentiert werden.

Aus diesem Verzeichnis ergibt sich, dass die Malschulen noch nach dekorativen Ge-sichtspunkten gemischt gehängt waren. Man kann erschließen, dass gewisse Konzentra-tionen von Werken einiger Maler den Eindruck bestimmt haben müssen. Die Gemälde von Rubens waren im Zentrum der Anlage untergebracht, der letzte Raum den Italienern ge-widmet und auch die Werke van der Werffs scheinen zusammen ausgestellt worden zu sein. Im Übrigen ist jedoch, folgt man dem Verzeichnis, weder eine thematische Ordnung noch ein Arrangement nach Künstlern oder Malschulen konsequent durchgeführt. Man kann nur vermuten, dass bestimmte künstlerische Kriterien wie Komposition, Zeichnung und Farbe den Maler Karsch in seiner Ordnung geleitet haben. Leider geben die Eindrü-cke, die Montesquieu bei seinem Besuch in Düsseldorf 1729 tief beeindruckt notierte, kei-nen weiteren Aufschluss über die Ratio der Hängung der Galerie.

Eine Generation später, kurz nach der Jahrhundertmitte, entwickelte auch der Sohn Karl Philipps, Kurfürst Carl Theodor (1724–1799), der in Mannheim und nicht in Düssel-dorf residierte, großen Ehrgeiz, die Sammlungen zu ordnen, zu erweitern sowie bekannt und zugänglich zu machen.5 Für die Düsseldorfer Gemäldegalerie suchte der Kurfürst zu-nächst fachmännische Hilfe in Paris und beauftragte 1754 François-Louis Colins (1699–

1760) mit einer neuen Ordnung und der Abfassung eines korrigierten Kataloges, der 1756 im Druck erschien.6 Vergleicht man die Hängung, wie sie in diesem Werk vorgestellt wird, mit der von Karsch, so wird deutlich, dass zu diesem Zeitpunkt gewisse Veränderungen vorgenommen wurden, die aber nicht grundsätzlicher Natur waren. Dies sollte sich aller-dings sehr bald ändern.

II. Die Neuordnung Krahes und sein gescheitertes Galeriewerk

Im Jahre 1756 übernahm der Maler Lambert Krahe (1712–1790) die Position des Inspek-teurs der Gemäldegalerie am kurfürstlichen Hof in Düsseldorf. Krahe hatte als Maler viele Jahre in Italien gelebt und Carl Theodor für den Aufbau des Mannheimer Kupferstichkabi-netts italienische Werke geliefert.7 Kaum in Düsseldorf angekommen, sah er sich mit der Aufgabe konfrontiert, die Galerie wegen des 7-jährigen Krieges (1756–1763) auszulagern.

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Um sie vor bedrohlich anrückenden Truppen zu retten, wurde sie vorübergehend nach Mannheim gebracht, aber nach Ende der Auseinandersetzungen 1762 wieder nach Düs-seldorf zurückgeführt.

Bei der Wiedereinrichtung nahm nun Krahe eine völlige Neueinrichtung in Angriff, wobei ihm 20.000 Taler für die dabei entstehenden Kosten bewilligt wurden.8 Die Bilder erhielten neue Rahmen, und der Direktor veränderte die Hängung, indem er nicht mehr die Werke von Rubens, sondern die der von ihm als bedeutender angesehenen Italiener in den Mittelpunkt der Galerie rückte (Abb. 4). Diese Hängung ist durch die Stiche in dem von Pigage und Mechel herausgegebenen Katalog aus dem Jahre 1778 überliefert.9

Durch Krahe erhielt die Galerie ein ganz neues fachmännisches Konzept. Grundlage die-ser Ordnung waren die verschiedenen Malschulen, deren Zusammengehörigkeit betont wurde. Den Flamen, den Italienern und Rubens, dem bedeutendsten Malergenie des Nor-dens, wurden die großen Säle zugewiesen. In den kleineren Eckräumen waren, gleichsam als Übergang von einer Schule zur anderen, Bilder unterschiedlicher Schulen untergebracht.

Eine Darstellung der Geschichte der Malerei konnte in der Düsseldorfer Galerie nicht erreicht werden. Der Kurfürst hatte sich weder für die deutsche noch für die französische, spanische und englische Malerei interessiert. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhun-derts sollte die weit umfangreichere Sammlung des österreichischen Kaisers in Wien eine solche Ordnung ermöglichen. Allerdings war die Ordnung nach Schulen, wie Krahe sie vornahm, ein erster Schritt in Richtung einer fachmännischen Einrichtung eines Museums.

Wie ich bereits anmerkte, wissen wir nicht genau, wie die Gemälde früher unter Johann Wilhelm von der Pfalz an der Wand präsentiert wurden. Aus dem Katalog von Karsch lässt sich aber eine sehr dichte Hängung, Rahmen an Rahmen, erschließen. Im ersten Raum hingen 80 Gemälde, die unter Krahe auf 50 reduziert wurden (Abb. 3). Die Bilder bedeckten somit nicht vollständig die Wände, sondern zwischen ihnen befand sich Abb. 5

Johann Georg Pintz, nach Salomon Kleiner.

Vue interieure de la Gallerie du Coté des Appartements. Aus: Salomon Kleiner, Representation au naturel des chateaux de Weissenstein au dessus de Pommersfeld … [Augsburg: Ieremie Wolff, 1728], Taf. 18.

Los Angeles, Getty Research Institute

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ein Abstand, der zur konzentrierten Betrachtung ihrer Eigenart einlud. Man muss sich die Einrichtung der Galerie in Düsseldorf um 1720 etwa so vorstellen, wie sie in den Stichen von Salomon Kleiner (1700–1761) von den Räumen in Pommersfelden, einem Schloss des Kurfürsten von Mainz, überliefert wird (Abb. 5). Krahes Präsentation kann dieser repräsen-tativen und dekorativen Hängung gegenüber als eine moderne, geradezu museale Insze-nierung aufgefasst werden.

Parallel zu der Neueinrichtung nahm Lambert Krahe ein Galeriewerk in Angriff. Es hat ihn über Jahre hinweg beschäftigt und fast in den Ruin getrieben. Krahes geplantes Gale-riewerk suchte in der Nachfolge der Stichwerke, die die Sammlung Ludwigs XIV., das so-genannte Cabinet du roi, oder die des Duc d’Orléans abbildeten, Bände mit Kupferstichen herauszugeben, in denen die Gemälde in großem Format betrachtet werden konnten.10 Vor allem das Galeriewerk der Dresdener Gemäldegalerie hat für Krahes Projekt sicherlich Pate gestanden. Das kurfürstliche Privileg für sein Kupferstichwerk erhielt Krahe am 10.

Mai 1768, wobei festgestellt wurde, dass er die hierfür anzufertigenden Zeichnungen an den Kurfürsten abzugeben hatte. Diese wurden von Mitgliedern bzw. Lehrern der Düssel-dorfer Akademie ausgeführt.

Finanziell stand das Unternehmen auf höchst wackeligen Beinen. Krahe mußte für alle Kosten in Vorlage treten und konnte sich nur durch den späteren Verkauf der Blätter einen Gewinn versprechen. Eine weitere Schwierigkeit bestand darin, dass Stecher in Düssel-dorf nicht vorhanden waren. Nur vier Schabkunstblätter konnte Krahe fertigstellen lassen.

Sie stammen von dem Augsburger Stecher Johann Elias Haid (1739–1809), mit dem Krahe aber nicht zufrieden war (Abb. 6). Aus diesem Grunde wandte er sich an John Boydell (1720–1804), der aber letztendlich nicht mit Krahe arbeitete. 1793 gelang es Valentine Green (1739–1813), eine Reihe von Blättern nach Düsseldorfer Gemälden in London auszustellen (Abb. 7).

Abb. 6

Johann Elias Haid, nach Adriaen van der Werff, Die Geburt Christi, ca. 1770, Mezzotinto. Braunschweig, Herzog Anton Ulrich-Museum Abb. 7

Valentine Green, nach Daniele da Volterra, einst Raphael zugeschrieben, Johannes in der Wüste, 1792, Mezzotinto. Los Angeles, Getty Research Institute

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III. Der Katalog von Pigage und Mechel

Mit einem ganz anderen Konzept trat Nicolas de Pigage (1723–1796), Hofarchitekt des Kurfürsten Carl Theodor, auf den Plan.11 Sein Projekt sollte nicht allein die Wiedergabe der Gemälde in der Bildergalerie umfassen, sondern alle Schlösser und Gärten des Kurfürsten abbilden. Hierfür holte sich Pigage den Basler Kupferstecher Christian von Mechel (1737–

1817) zu Hilfe.12 Von diesem weit umfangreicheren Unternehmen ist nur der Katalog der Bildergalerie zustande gekommen (Abb. 8). Pigages und Mechels Konzept unterschied sich grundsätzlich von dem Krahes.

Krahes Vorhaben zielte auf die möglichst genaue Reproduktion der einzelnen Gemäl-de, deren Komposition und künstlerische Handschrift von den Betrachtern studiert wer-den sollten. Mit der Herausgabe eines solchen Werkes des Akademiedirektors sollten Vor-lagen zur Verfügung stehen, die den Studierenden der Malerei, aber auch einem weiteren Kreis von Kunstinteressierten dienen konnten. Von dieser Vorstellung setzte sich der Kata-log von Pigage und Mechel grundlegend ab. Ihr Werk beinhaltete im ersten Band einen Katalog. Alle Bilder werden mit den technischen Daten und ausführlichen Kommentaren vorgestellt. Der zweite Band enthält Kupferstiche, die zunächst Grundriss und Aufriss des Galeriegebäudes wiedergeben. Es folgen die allegorischen Gemälde von Karsch im Trep-penhaus und endlich die Wände mit den Gemälden in allen Sälen. Man kann die Bilder identifizieren, zumal jeweils auf den Rahmen Katalognummer und Name des Malers ver-zeichnet sind. Allerdings ist eine künstlerische Vorstellung von den Gemälden wegen des kleinen Formats der Stiche selbst nicht zu gewinnen.

Die beiden Unternehmen von Krahe einerseits und Pigage und Mechel andererseits waren also sehr unterschiedlich. Krahe war über den Katalog von Pigage und Mechel nicht erfreut, und zwischen ihm und seinen Konkurrenten entstand Streit. Es ging einerseits da-rum, dass Krahe sein Unternehmen finanziell als gefährdet ansehen musste. Es war kaum anzunehmen, dass sich Käufer für beide kostspielige Publikationen finden lassen würden.

Abb. 8 Titelseite. Probedruck für Nicolas de Pigage und Christian von Mechel, La galerie électorale de Dusseldorff ... (Basel 1778).

Los Angeles, Getty Research Institute

Gaehtgens Auf dem Weg zur Kunstgeschichte

Aber auch ein ganz konkreter Punkt musste zu Schwierigkeiten zwischen den beiden kon-kurrierenden Herausgebern führen. Für die Stiche, ob für großformatige Tafeln oder für kleine miniaturhafte Reproduktionen, mussten die Gemälde in Düsseldorf abgezeichnet werden. Mit dieser Aufgabe hatte Krahe bereits seine Kollegen an der Düsseldorfer Akade-mie beauftragt.

Der Kurfürst, Carl Theodor, sah sich genötigt, den Streit zwischen den beiden Parteien zu schlichten. Er untersagte, die beiden Unternehmen als konkurrierende anzusehen, und verfügte, dass die Zeichnungen auch dem Unternehmen von Pigage und Mechel dienen sollten. Die Auseinandersetzungen waren damit keineswegs beendet, zumal Krahe an seinem Projekt festhielt.

Wie allerdings ist der erste illustrierte Gemäldekatalog entstanden? Mit der Herstellung des Kataloges waren größte technische und finanzielle Schwierigkeiten verbunden. Die ungeheuren Kosten, die ein solches verlegerisches Werk mit sich brachten, wurden nicht vom Eigentümer der Düsseldorfer Galerie, dem Kurfürsten Carl Theodor, aufgebracht. Der Fürst überließ großzügig die Rechte der wirtschaftlichen Auswertung, half aber nicht bei der Herstellung des Produkts.

IV. Die Vorzeichnungen im Getty Research Institute

Im Jahre 1987 erwarb das Getty Research Institute (GRI) ein Konvolut von über 500 Zeich-nungen und Stichen, das bisher noch keine ausführliche Würdigung erhielt. Unschwer herauszufinden war, dass diese Zeichnungen mit der Planung des berühmten illustrierten Kataloges der Düsseldorfer Gemäldegalerie, den Nicolas Pigage und Christian von Mechel im Jahre 1778 veröffentlichten, verbunden sind. Die Zeichnungen zu ordnen und in ihrer Funktion zu erklären, ein nicht ganz einfaches Unternehmen, soll im Folgenden versucht werden. Das gesamte Zeichnungscorpus und die Probedrucke stammen aus der Werkstatt Christian von Mechels in Basel.13

Es handelt sich zunächst (I) um einen offenbar in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun-derts in Leder gebundenen und mit dem Wappen des Hauses Pfalz-Neuburg versehenen schweren Band (Abb. 9a, b). Er enthält 359 Zeichnungen, meist Rötel, unterschiedlichen Formates, die in keiner erkennbaren Ordnung auf die Seiten aufgeklebt sind. Ein zweites Konvolut (II) umfasst 149 Zeichnungen, meist in Bleistift, in vielen Fällen quadriert und auf 43 losen Blättern befestigt (Abb. 10). Diese Zeichnungen gehören sichtlich zu einem weiteren Klebeband (III) mit 159 Zeichnungen auf 53 Seiten, der im Kupferstichkabinett Basel aufbewahrt wird.

Das GRI besitzt ferner einen Klebeband mit Zeichnungen (IV), die die Wände der Düs-seldorfer Galerie abbilden, so wie sie in dem Katalog von Pigage und Mechel erscheinen (Abb. 11). An einigen Stellen sind Bilder ausgeschnitten worden, offenbar um sie an ande-rer Stelle zu verwenden. Die Nummerierung der Gemälde ist an vielen Stellen verändert worden.

Endlich bewahrt das GRI einen Fond (V) mit den Zeichnungen, die als unmittelbare Vorlagen für die Ausführung durch die Stecher des Werkes von Pigage und Mechel benö-tigt wurden (Abb. 12). Diese Blätter geben die Gemälde in dem Kleinformat der ausge-führten Stiche wieder. Das Konvolut enthält ferner alle Stiche des Katalogs in mehreren Probedrucken in unterschiedlichen Farben.

Diese umfangreiche, zunächst verwirrende Sammlung an Zeichnungen und Stichen ist von außerordentlichem Interesse, vermag sie doch näheren Aufschluss über die Planungs-geschichte dieses höchst aufwendigen und kostspieligen Unternehmens zu geben.

Pigage und von Mechel hatten zunächst die Zeichner zu finanzieren, die die Vorlagen für die Stecher lieferten. Da der Kurfürst vernünftigerweise nicht genehmigte, die Bilder nach Basel in die Druckerwerkstatt von Mechel zu transportieren, wurden die Zeichnungen

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Abb. 9 Lederband mit 359 Zeichnungen, außen dekoriert mit dem Wappen des Hauses Pfalz-Neuburg.

Los Angeles, Getty Research Institute Abb. 10 Quadrierte Zeichnungen im Getty Research Institute.

Los Angeles, Getty Research Institute

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Abb. 11

Joseph Erb, Joseph August Brulliot und Georg Metellus, Fünfter Saal, zweite Fassade der Düsseldorfer Galerie, ca. 1768–1778, Zeichnung des Wandaufrisses.

Los Angeles, Getty Research Institute Abb. 12

Fünfter Saal, erste Fassade der Düsseldorfer Galerie, ca. 1775–1778. Vorzeichnungen für die Druckplatte.

Los Angeles, Getty Research Institute

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in Düsseldorf hergestellt. Diese Vorlagen haben sich im GRI und dem Band mit etwa 159 Blättern im Baseler Kupferstichkabinett erhalten. Allerdings ist wahrscheinlich, dass Pigage und Mechel nicht die vollen Kosten für die Zeichner übernahmen. Sie bedienten sich viel-mehr der Zeichnungen, die Krahe bereits für sein Galeriewerk hatte herstellen lassen. Mit dieser Aufgabe hatte er seine Mitarbeiter an der Akademie in Düsseldorf beschäftigt. Die ausführlichen und sehr genauen Rötelzeichnungen sind für die kleinen Stiche im Katalog von Pigage und Mechel als Vorlagen zwar nützlich, aber nicht unbedingt notwendig. Die Vermutung liegt nahe, dass ihre Anfertigung für Krahes Galeriewerk gedacht war. Der Streit zwischen den Parteien ist daher verständlich, wenn man annimmt, dass Pigage und Mechel die eigentlich von Krahe für sein Galeriewerk in Auftrag gegebenen Zeichnungen benutzen durften.14

V. Die Entstehung der Kupferstiche – Von den Zeichnungen zu den Stichen

In die komplexe und kostspielige Herstellung der Stiche im Katalog von Pigage und Me-chel erhalten wir durch die Zeichnungen einen genaueren Einblick. Ob für Krahe oder für

In die komplexe und kostspielige Herstellung der Stiche im Katalog von Pigage und Me-chel erhalten wir durch die Zeichnungen einen genaueren Einblick. Ob für Krahe oder für