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SHE-Indikator

5 Analyse der Ergebnisse

5.5 Kritische Würdigung der Ergebnisse

Zur Beantwortung der zentralen Fragestellung, wie ein Indikator konzipiert werden könnte, der wohlstands- und verteilungsrelevante Aussagen ermöglicht, wurde der SHE-Indikator abgeleitet� Basierend auf der zeitlichen und monetä-ren Erfassung der Arbeitsleistung nicht-marktlicher Tätigkeiten konnte gezeigt werden, dass durch den SHE-Indikator die Auswirkungen auf die Einkommens-situation der privaten Haushalte modelliert und empirisch analysiert werden kann� Die Ergebnisse des vorgestellten Indikators zur materiellen Wohlstands- und Verteilungsmessung wurden in den vorherigen Abschnitten vorgestellt� Der folgende Abschnitt widmet sich einer kritischen Würdigung des Modellansatzes und der Annahmen sowie deren Einfluss auf die Ergebnisse�

In nachstehender Abbildung ist die Zusammensetzung des SHE-Indikators differenziert nach den wohlstands- und verteilungsrelevanten Komponenten zusammengefasst� Ausgehend von den einzelnen Komponenten werden die zu-grundeliegenden Modellannahmen aufgegriffen und bewertet�

Abbildung 5-14: Zusammensetzung des SHE-Indikators

SHE-Indikator

Wohlstands-relevante Komponenten

Verteilungs-relevante Komponenten

Wohlstand

Schwarzarbeit Haushalts-produktion Ehrenamt

Verteilung

Geschlecht Altersgruppe Haushaltstyp

Quelle: Eigene Darstellung�

Es wird deutlich, dass die Fokussierung auf die Arbeitsleistung der nicht-markt-lichen Tätigkeiten die Integration der wohlstandsrelevanten Komponenten Schwarzarbeit, Haushaltsproduktion und Ehrenamt im SHE-Indikator ermög-licht� Die Differenzierung nach Geschlecht, Alter und Haushaltstyp bildete die Grundlage für die personelle Verteilungsanalyse�

Ausschlaggebend für die zeitliche und monetäre Modellierung sind die Zeit-budgeterhebung und die Entlohnung der drei Teilkomponenten� In Kapitel vier wurden die drei Modellierungsschritte (Abgrenzung der relevanten Tätig-keiten, Bestimmung des zeitlichen Aufwands und Bestimmung des monetären Bewertungsansatzes) und die getroffenen Annahmen vorgestellt� Zur zeitlichen Abschätzung der Schwarzarbeit wurde auf Sekundärstatistiken der Rockwool-Foundation zurückgegriffen, die das Ausmaß der Schwarzarbeit in Deutsch-land über Befragungen in verschiedenen Wirtschaftszweigen eruiert haben� Die Ergebnisse mussten in die Systematik der Tätigkeiten der Zeitbudgeterhebung transformiert werden, dadurch war es möglich in den relevanten Tätigkeiten Schwarzarbeitsanteile abzuleiten (vgl� Tabelle 4-5)� Im Rahmen der Ergebnisbe-schreibung wurde darauf hingewiesen, dass das zeitliche Aufkommen und die angenommene Entlohnungsstruktur der Schwarzarbeit durch dieses Vorgehen vorsichtig abgeschätzt wurden� Des Weiteren wurden die Daten der Zeitbudge-terhebung aus dem Jahr 2001/02 für die Berechnungen herangezogen, da die aktualisierten Daten noch nicht veröffentlicht waren� In den neueren Zeitbud-getdaten könnte es zu Verschiebungen zwischen den einzelnen nicht-marktli-chen Tätigkeiten sowohl zwisnicht-marktli-chen als auch innerhalb der sozioökonomisnicht-marktli-chen Gruppen kommen� Allerdings hat sich das durchschnittliche Jahresvolumen

von bezahlter Arbeit in den vergangenen zehn Jahren kaum verändert, sodass dies gegebenenfalls auch auf die nicht-marktlichen Tätigkeiten zutreffen könnte�

Eine abschließende Bewertung kann jedoch nur durch die Integration der neuen Zeitbudgetdaten erfolgen� Generell konnte gezeigt werden, dass über alle sozio-ökonomischen Merkmale hinweg in den Tätigkeiten der Haushaltsproduktion der größte Zeiteinsatz vorliegt� In den einzelnen Teilkapiteln wurde auf den zeit-lichen Umfang in den jeweiligen Teilkomponenten hingewiesen� Bedingt durch die modellspezifischen Annahmen investieren Frauen ca� 92 Prozent der Zeit in nicht-marktliche Tätigkeiten im Bereich Haushaltsproduktion, dagegen nur 2 Prozent in Schwarzarbeit und ca� 6 Prozent in Ehrenamt� Bei den Männern ver-lagert sich diese Aufteilung zu Gunsten der Schwarzarbeit und des Ehrenamtes�

Sie wenden jeweils ca� 10 Prozent dafür auf und somit nur ca� 80 Prozent für die Haushaltsproduktion� In den Altersgruppen zeichnet sich für die zur Verfügung stehende Zeit der Teilkomponenten eine ähnliche Aufteilung ab� In Vergleich zu den anderen Altersgruppen wird in der jüngsten Altersgruppe der geringste Zeitanteil für die Haushaltsproduktion (ca� 84 Prozent), aber der höchste für das Ehrenamt (ca� 10 Prozent) ermittelt� Die beiden mittleren Altersklassen verwen-den ca� 88 Prozent der Zeit für die Haushaltsproduktion� Allerdings zeichnen sich unterschiedliche Präferenzen für die Zeitverwendung bezüglich der ande-ren beiden Komponenten ab� Wähande-rend die Gruppe der 45-64-Jährigen ca� 9 Pro-zent der Zeit in Ehrenamt und ca� 3 ProPro-zent in Schwarzarbeit investiert, sind es bei den 30-44-Jährigen jeweils ca� 6 Prozent� In der Gruppe der über 65-Jährigen nimmt die Haushaltsproduktion mit ca� 90 Prozent die meiste Zeit im Vergleich zu den anderen ein und die Schwarzarbeit mit ca� 3 Prozent einen der nied-rigsten Anteile an� Die modellierten Anteile der drei Teilkomponenten in den Haushaltstypen zeigen, dass in Paarhaushalten mit Kindern jeweils ca� 5 Prozent der Zeit für Schwarzarbeit und Ehrenamt und damit rund 90 Prozent für die Haushaltsproduktion aufgewandt werden� Bei Alleinerziehenden werden so-gar 92 Prozent der Zeit für die Tätigkeiten der Haushaltsproduktion benötigt, bei Alleinlebenden dagegen nur ca� 85 Prozent� Der höhere Zeiteinsatz bei den Alleinerziehenden ist dabei maßgeblich auf die Tätigkeiten im Bereich der Kin-derbetreuung zurückzuführen� Bei den Alleinlebenden kann im Bereich des Eh-renamtes mit ca� 11 Prozent der höchste relative Zeiteinsatz im Vergleich zu den anderen Haushaltstypen konstatiert werden� Des Weiteren konnte gezeigt wer-den, dass kinderlose Paare ca� 8 Prozent ihrer Zeit in Ehrenamt investieren und damit etwa doppelt so viel wie in Schwarzarbeit� Die Modellierung des zeitlichen Umfangs bildet die Basis zur monetären Bewertung der drei Teilkomponenten und hat somit einen entscheidenden Einfluss auf die Ergebnisse des materiellen Wohlstandes in den dargestellten sozioökonomischen Gruppen�

Hinsichtlich der monetären Bewertung wurde in dieser Arbeit der Spezialisten-ansatz in Kombination mit Bruttostundenlöhnen für die Tätigkeiten der Schwarz-arbeit und Nettostundenlöhnen für die Tätigkeiten der Haushaltsproduktion und des Ehrenamtes angewandt� Dieser Ansatz spiegelt die Vielschichtigkeit der nicht-marktlichen Tätigkeiten besser wider als die alternativen Ansätze der Gene-ralistenmethode oder die Bewertung mit einem gesamtwirtschaftlichen Durch-schnittslohn� Dafür ist jedoch die Zuteilung der relevanten Tätigkeiten in den drei Teilkomponenten zu Berufen notwendig, die diese prinzipiell ausführen könnten (vgl� Tabelle 4-3)� Die Löhne dieser Berufe determinieren die Höhe des Lohns für die Tätigkeiten und haben damit neben dem zeitlichen Umfang entscheidenden Einfluss auf die Ergebnisse des materiellen Wohlstandes� Die Auswahl der Berufe führt über die relevanten Tätigkeiten hinweg zu einem durchschnittlichen Brut-tostundenlohn in Höhe von 15,00 Euro für Männer und 12,60 Euro für Frauen�

Die Bestimmung der Nettostundenlohnsätze erfolgte über eine Gewichtung mit den Brutto-Netto-Einkommensdaten der VGR� Für die Nettostundenlöhne wird somit angenommen, dass sie ca� 26 Prozent unter den Bruttostundenlöhnen lie-gen (vgl� Kapitel 4�4)� Diese Anpassung musste vorlie-genommen werden, da keine durchschnittlichen berufsspezifischen Nettostundenlöhne in den öffentlichen Statistiken ausgewiesen werden�

Wie in Kapitel 4�1�2�3 ausgeführt, könnte auch der gesamtwirtschaftliche Stundenlohn bzw� ein ausgewählter Generalistenlohn (bspw� Stundenlohn eines hauswirtschaftlichen Betreuers353) zur Bewertung der nicht-marktlichen Tätig-keiten herangezogen werden� Für das Jahr 2010 beträgt der durchschnittliche gesamtwirtschaftliche Bruttostundenlohn ca� 17,50 Euro und der Bruttolohn für einen hauswirtschaftlichen Betreuer ca� 10,45 Euro�354 Damit wird deutlich, dass die Bewertung mit Durchschnittslöhnen zu einer höheren Entlohnung, die Be-wertung mit dem Generalistenansatz jedoch zu einer niedrigeren Entlohnung der drei Teilkomponenten im Vergleich zum Spezialistenansatz führen würde�

Allerdings kann angenommen werden, dass die Teilkomponenten durch den Durchschnittslohn überschätzt werden, da sich dieser aus den Lohnsätzen al-ler Berufe ergibt� Der Generalistenansatz kann dagegen die Vielschichtigkeit der nicht-marktlichen Tätigkeiten und deren Entlohnung nicht aufgreifen� Aus die-sen Gründen ist die Anwendung des Spezialistenansatzes zur Beantwortung der Fragestellung im Rahmen dieser Arbeit als sinnvoll und robust anzusehen� Die möglichen Einkommenszuwächse sind somit vom zeitlichen Einsatz und den

353 Vgl� Schäfer (2004a), S� 967f�

354 Vgl� Statistisches Bundesamt (2012b), S� 503ff�

gewählten Stundenlöhnen in den relevanten Tätigkeiten abhängig� Wie bereits bei der obigen wohlstandsrelevanten Analyse beschrieben, müssen die Ergebnis-se im Kontext dieErgebnis-ser Annahmen interpretiert und bewertet werden�

Der entwickelte Indikator ermöglicht nicht nur Aussagen zum materiellen Wohlstand in Abhängigkeit der drei Teilkomponenten und der sozioökono-mischen Merkmale, sondern auch eine Analyse der personellen Einkommens-verteilung� Dabei wurde auf das Verteilungskonzept der Lorenzkurve und des Gini-Koeffizienten zurückgegriffen� Durch diese Verteilungsmaße wird die Ungleichverteilung der Einkommen in Abhängigkeit von Bevölkerungsantei-len gemessen� Im Rahmen dieser Arbeit wurde hierbei auf die sozioökonomi-schen Bevölkerungsanteile nach Geschlecht, Altersgruppen und Haushaltstyp zurückgegriffen� Basierend auf den modellinduzierten Ergebnissen wurde somit die Verteilung der verfügbaren Haushaltsnettoeinkommen, der möglichen Ein-kommen der drei Teilkomponenten sowie des aggregierten GesamteinEin-kommens analysiert� Die Verteilung kann aufgrund der gewählten Modellstruktur nur auf Makroebene erfolgen� Bei der Modellierung der Teilkomponenten sind aktuell keine mikroökonomischen Informationen, bspw� der Bildungsstand oder der Erwerbsstatus der Personen, die die nicht-marktlichen Tätigkeiten ausführen, enthalten� Somit kann auch keine mikroökomische Einkommensgröße model-liert werden�

Die vorliegende Datenlage ermöglicht daher noch keine Aussagen auf Mik-roebene� Vor allem die genauen Haushaltszusammensetzungen konnten in dem hier gewählten Ansatz nicht vollständig aufgegriffen bzw� berücksichtigt werden, sodass manche Aspekte vor allem bei der Modellierung der Haushaltstypen, die zur Entstehung der Ergebnisse beitragen nicht umfassend berücksichtigt werden können� Zusammenfassend kann jedoch festgehalten werden, dass der SHE-Indikator auf makroökonomischer Ebene neue Erkenntnisse zur materiellen Wohlstands- und Verteilungssituation in Deutschland beitragen kann�