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Kritik an Mausmodellen zum allergischen Asthma bronchiale

4. DISKUSSION

4.5 Kritik an Mausmodellen zum allergischen Asthma bronchiale

Obwohl Mausmodelle zum allergischen Asthma bronchiale weltweit erfolgreich eingesetzt

werden, gibt es einige immer wiederkehrende Kritikpunkte: Da es bedeutsame Unterschiede in der Mikroanatomie und Physiologie des respiratorischen Systems der Maus im Vergleich zum Menschen gibt, lassen sich nicht alle Aspekte des menschlichen Asthma bronchiale im Mausmodell reproduzieren. So hat die Maus z. B. eine kaum sichtbare bronchiale Lamina propria und keine effektive Blutversorgung durch intrapulmonale Bronchialarterien und postkapilläre Venolen in der Bronchialwand (Pabst et al., 2002). In den Hauptbronchien der Maus befinden sich nur 1 % oder weniger Becherzellen im Gegensatz zu 26 % beim Menschen (Mariassy, 1992). Einige histopathologische Aspekte wie chronische Veränderungen des Gewebes sind bisher in Modellen mit Nagetieren nicht zu finden. Die meisten Mausmodelle sind relativ kurzzeitig über einige Wochen angelegt, so dass es zu keiner chronischen Entzündung mit längerfristigen Umbauvorgängen kommt. Mäuse zeigen nur eine vorübergehende MCh-induzierte Hyperreaktivität nach Allergenexposition im Gegensatz zu Patienten mit Hyperreaktivität auch im symptomfreien Intervall (Epstein, 2004). Nach (Gleich und Kita, 1997) ist der Grad der bronchialen Hyperreaktivität im Mausmodell weniger deutlich als am Patienten. Außerdem dehnt sich die allergische Entzündung im Gegensatz zum Menschen bei der Maus häufig auf das Lungenparenchym und bis in die viszerale Pleura aus. Nach (Temelkovski et al., 1998) kommt es in den meisten Mausmodellen zu einer begleitenden allergischen exogenen Alveolitis.

Kritisiert wurde auch ein Mangel an wichtigen pathophysiologischen Merkmalen des allergischen Asthma bronchiale wie Schleimhautentzündung, Eosinophilenansammlung in der Epithelschicht, Reparaturvorgänge an Epithelverletzungen, eine typische Eosinophilen-degranulation sowie ausgeprägte Plasmaexsudation (Persson, 1997). Eine Degranulation von Becherzellen lässt sich zwar nach Allergenchallenge bei sensibilierten Mäusen finden, wurde jedoch bei Asthmatikern nicht nachgewiesen (Hays et al., 2001). IgE, IgG1 und Mastzellen, die die allergische Früh- und Spätreaktion beim Menschen vermitteln, sind bei der Maus nicht notwendig zur Erzeugung von asthmatischen Symptomen (Mehlhop et al., 1997; Takeda et al., 1997; Korsgren et al., 1997). Allerdings gibt es bei Asthmatikern ebenso eine Subpopulation von Patienten ohne erhöhtes Serum-IgE (Epstein, 2004).

Im Gegensatz zum Menschen führt eine chronische Allergenexposition bei der Maus auf längere Sicht zu einer Unterdrückung der krankhaften Symptome (Russo et al., 2001 und 1998; Yiamouyiannis et al., 1999). Allerdings könnte dies auch ein Hinweis auf eine Hyposensibilisierung ähnlich der allergischen Immuntherapie sein (Epstein, 2004).

Chronisches Asthma wurde bisher im Mausmodell nur unzureichend dargestellt. Es ist schwierig, den langfristigen Allergenkontakt eines Menschen auf ein Tiermodell abzubilden, obwohl Versuche dazu durchaus existieren (Temelkovski et al., 1998;

Hogaboam et al., 2000). Außerdem gibt es Studien, die auf ein Th2-Zell-Gedächtnis und Krankheitsrezidive bis zu 3 Jahre nach akuter Reaktion im Mausmodell hinweisen (Epstein, 2004; Mojtabavi et al., 2002).

Die Übertragung der Ergebnisse auf den Menschen ist auch insofern schwierig, als es bereits bei verschiedenen Tierstämmen unterschiedliche Reaktionen auf die Allergen-exposition gibt (Shinagawa et al., 2003; Whitehead et al., 2003; Sadakane et al., 2002).

Durch unterschiedliche Körperlängen und Thoraxdurchmesser kann es zu einer unterschiedlichen Deposition im Tracheobronchialsystem kommen. Auch das Immunsystem differiert stark zwischen den einzelnen Stämmen. So gibt es z. B. bei A/J-Mäusen eine mangelhafte C5-Komplementkomponente (Jagannath et al., 2000). Der Stamm der BP2-Mäuse erhielt den Namen „Bon producteurs, sélection 2“ aufgrund seiner besonders guten IgE-Produktion (Biozzi et al., 1979). Andererseits verdeutlicht dies auch den Einfluss genetischer Faktoren und eine große klinische Variationsbreite wie beim Menschen.

Eine wichtige Rolle spielt auch das Alter der Tiere. Es hat sich gezeigt, dass zu junge (7 Wochen) oder zu alte Tiere (1 Jahr) weniger allergenspezifisches IgE und IgG1 produzieren und einen niedrigeren Histaminspiegel haben (Akiyama et al., 2001).

Außerdem sind bei jüngeren Tieren Lunge und Immunsystem noch nicht ausgereift. Nach Amy et al. ähnelt die Lungenstruktur von jungen Mäusen erst ab einem Lebensalter von ungefähr 3 Wochen den Lungen von erwachsenen Tieren. Danach wächst die Lunge noch etwa bis zur 6. Woche weiter (Amy et al., 1977). Selbst die Art der Tierhaltung, wie z. B die Lagerstreu, kann einen großen Einfluss auf die Atemwegsentzündung haben (Ewaldsson et al., 2002). Der Kontakt mit bestimmten Krankheitserregern, z. B. mit dem RSV-Virus, kann die Entstehung von Asthma begünstigen (Holt et al., 2002). Einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf Struktur und Funktion der Lunge hat selbst die Ernährung (Sahebjami, 1986). Daher wurde in unseren Studien das Gewicht der Tiere zu jedem Zeitpunkt des Allergenkontakts oder der Lungenfunktionsmessung überwacht und ausreichend Erholungszeit zur Nahrungsaufnahme zwischen belastenden Behandlungen gelassen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass man in den etablierten Tiermodellen nicht ohne

systemische, z. B. i.p. Sensibilisierung auskommt, die eine unnatürliche Weise des Allergenkontakts darstellt. Die Schleimhäute von Darm und Lunge sind strukturell und funktionell verschieden, obwohl man sich Gemeinsamkeiten der Schleimhautorgane auch beim Impfen zunutze macht. Allerdings gibt es keinen Beweis, dass die Grund-sensibilisierung beim Menschen durch Inhalation allein auftritt und nicht auch durch systemische Allergensensibilisierung (Epstein, 2004).

Nicht alle bei der Maus entdeckten Aspekte des allergischen Asthma bronchiale können in einem einzigen Modell abgebildet werden. Für die Entstehung und Aufrechterhaltung der Atemwegsentzündung ist zudem nicht nur die Lunge verantwortlich, sondern auch andere Organsysteme wie die drainierenden bronchialen Lymphknoten (Gajewska et al., 2001).

Trotz dieser Unterschiede gibt es wichtige Gemeinsamkeiten zwischen dem Asthma bronchiale beim Menschen und bei der Maus wie die eosinophile Entzündung der Lunge, die bronchiale Hyperreagibilität, der IgE-Anstieg, die gesteigerte Schleimsekretion sowie Umbauvorgänge im Bronchialgewebe (Holgate et al., 2003; Nagao et al., 2003; Trifilieff et al., 2000). Durch Mausmodelle wurden viele pathogenetische Mechanismen überhaupt erst aufgedeckt und neue Therapien entwickelt. Außerdem eröffnet der Einsatz von transgenen Mäusen ganz neue Chancen (Finotto et al., 2002).