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5.1 Allgemeine Feststellungen

Zur allgemeinen Kriminalitätsentwicklung in der Region können keine besonderen bzw. spezifi-schen Aussagen gemacht werden. Grosse Verän-derungen gegenüber der früheren Delinquenz sind nicht auszumachen. Entsprechende Statistiken dazu werden von der Staatsanwaltschaft nicht geführt.

Für verlässliche Tendenzen muss deshalb wiederum auf die entsprechenden Auswertungen der Kantons-polizei und des Bundes verwiesen werden. Die be-eindruckende, äusserst rasante Entwicklung im Be-reich der digitalen Kriminalität in den letzten Jahren wird im vorliegenden Tätigkeitsbericht verschie-dentlich besprochen. Der weiteren Entwicklung dieser kriminellen Erscheinung wird auch künftig grosse Aufmerksamkeit zuzuwenden sein.

Bei der Kriminalitätsform des Enkeltricks und des Betrugs durch falsche Polizisten, von der mehrere Kantone nach wie vor sehr stark betroffen sind, hat sich die Lage im Kanton Bern dank unserer zentra-lisiert-forcierten Vorgehensweise – zuständig ist die kantonale Staatsanwaltschaft für die Verfol-gung von Wirtschaftsdelikten – und der internatio-nalen Zusammenarbeit (Joint Investigation-Ver-träge mit Polen und deutschen Bundesländern) etwas beruhigt.

5.2 Teppich- und Pelzbetrügereien

Im Berichtsjahr hat ein «Teppich- und Pelzbetrugs»-Fall für Schlagzeilen gesorgt. Der Geschädigte hatte sich auf ein Zeitungsinserat im «Anzeiger der Stadt Bern» gemeldet, worin der Kauf diverser Waren wie Pelze, Schmuck, Gemälde, Teppiche etc. angepriesen wurde. Nach einer Terminverein-barung ist die unbekannte, unter falschen Namen handelnde Täterschaft bei ihm am Domizil vorbei-gekommen und hat sich die zum Verkauf stehen-den Waren angesehen. Deren Interesse hat sich aber sehr schnell auf die Frage nach allfällig vorhan-denem Goldschmuck konzentriert. Dem überrum-pelten Senior war der Wert seines Schmuckes nicht genau bekannt. Die unbekannte Täterschaft hat anschliessend dem Geschädigten für zwei Pelzmäntel CHF 7’800.00 geboten, eine Anzahlung

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von CHF 500.00 geleistet und den ihr präsentierten Schmuck (Ohrring, Brosche und Halskettchen) im Wert von mehreren tausend Franken mitgenom-men. Sie versprach den Restpreis (Pelz und Schmuck) zu bezahlen, wenn sie die Pelzmäntel in den nächsten Tagen abhole – was nie geschah.

Die weiteren Ermittlungen ergaben, dass bereits 63 gleichlautende Zeitungsinserate auf dieselben Namen aufgegeben worden waren. In der Folge wurden von der Staatsanwaltschaft diverse ver-deckte Überwachungsmassnahmen angeordnet.

Als Folge der Ermittlungen konnten sieben Perso-nen als der Tätergruppe zugehörig identifiziert werden.

Den beschuldigten Personen, welche allesamt deutsche Staatsangehörige und in Deutschland wohnhaft sind, wird vorgeworfen, Teil einer profes-sionellen, mittäterschaftlich agierenden Tätergrup-pierung zu sein, die in wechselnder Zusammenset-zung auftritt und seit August 2017 in diversen Kantonen in der Schweiz zahlreiche Zeitungsinse-rate aufgegeben hat, welche zunächst den Ankauf von Pelzen anpreisen und letztlich dazu dienen sol-len, potentielle, meist betagte Opfer anzulocken, um diese dann in deren Wohnungen mit hohen Scheinangeboten für deren zum Verkauf gebotene Wertgegenstände in betrügerischer Art dazu zu bringen, der Tätergruppe Goldschmuck deutlich unter Wert auszuhändigen, ohne dafür die verein-barte Gegenleistung zu erbringen. Mit diesem Vor-gehen ergaunerte die Tätergruppe in der Schweiz im Zeitraum von August 2017 bis Mai 2018 weit über einhunderttausend Franken zum Nachteil von über dreissig geschädigten Personen.

Im Mai 2018 konnten zwei Täter der Bande nach der Einreise in die Schweiz anlässlich eines weite-ren Betrugsversuchs festgenommen werden.

Da einer der beiden Täter noch nicht volljährig war (Jahrgang 2002), wurde das Verfahren nach geführter Untersuchung an die Jugendanwalt-schaft, Region Bern Mittelland, abgetreten und mit Strafbefehl vom 12. September 2018 rechtskräftig erledigt. Er wurde wegen gewerbsmässigen Be-trugs in 15 Fällen sowie qualifizierter Geldwäsche-rei zu 75 Tagen FGeldwäsche-reiheitsstrafe verurteilt. Der Straf-befehl erwuchs in Rechtskraft.

Der zweite Täter, geboren 1991, wurde mit Urteil des kantonalen Wirtschaftsstrafgerichts vom 11. Dezember 2018 des gewebsmässigen Betrugs in 34 Fällen sowie der qualifizierten Geldwäscherei schuldig erklärt und zu einer Freiheitsstrafe von 23 Monaten und 20 Tagen (davon sechs Monate unbedingt) sowie einer Geldstrafe verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig.

5.3 Falsche Polizisten

Im Jahr 2018 konnten zwei als falsche Polizisten agierende Tätergruppen (total fünf Personen) ver-haftet werden.

Die unbekannte Täterschaft (sogenannt Keiler) ruft bewusst auf den Festnetzanschluss von Per-sonen an, bei welchen sie aufgrund des Vorna-mens auf eine Person fortgeschrittenen Alters schliessen. Anders als beim «Enkeltrick» wird bei dieser Betrugsmasche den Senioren kein sich an-geblich in Geldnot befindlicher Verwandter vorge-gaukelt, sondern eine akzentfrei Hochdeutsch sprechende Person erklärt ihrem völlig überrasch-ten Gegenüber in sehr entschiedenem Ton, dass sie von der Polizei sei und es sich um einen Notfall handle. Um die angerufene Person von vornherein in den Glauben zu versetzen, dass sie tatsächlich von der Polizei angerufen werde, verwenden die Keiler sogenannte gespoofte Nummern. Das be-deutet, dass es den Tätern mittels einer Mani-pulation, dem Call-ID-Spoofing, technisch möglich ist, via verschiedene ausländische Telefonnetze schliesslich im Schweizer Telefonnetz und auf dem Display der Geschädigten zum Beispiel mit der Polizeinotrufnummer +41 117 oder einer anderen frei gewählten Nummer zu erscheinen.

Der betroffenen Seniorin wird vorgespielt, dass aufgrund von anstehenden Hackerangriffen auf de-ren Bankkonto ihr Geld bei der Bank nicht mehr si-cher sei und die Polizei zusätzlich Informationen über geplante Einbrüche in ihrem Quartier habe.

Sie solle deshalb nahezu ihr gesamtes Geld bei der Bank abheben und der Polizei zur sicheren Aufbe-wahrung übergeben. Hierzu würde einer ihrer Poli-zisten bei ihr zu Hause vorbeikommen und das Geld in Empfang nehmen. Sie würde dieses nach erfolgreicher Vereitelung der Taten anschliessend wieder zurückerhalten.

Stv. Generalstaatsanwalt

Christof Scheurer Stv. Generalstaatsanwalt

Markus Schmutz Generalstaatsanwalt

Michel-André Fels

Von der Geschädigten unbemerkt, steht der Keiler gleichzeitig mit den weiteren Tatbeteiligten in tele-fonischem Kontakt, welche letztlich das Delikt voll-enden, indem sie das Geld von der sich im Irrtum befindlichen Seniorin abholen und anschliessend unverzüglich über die Grenze, vornehmlich nach Deutschland, bringen. Die Täter wurden zu beding-ten, respektive unbedingten Freiheitsstrafen von 10 bis 14 Monaten verurteilt.

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