Wesentlich komplizierter ist die Auswertung des Prädiktors Kreatinin-Clearance. Die vor
handenen Werte erfordern eine differenzierte Analyse. Die Niereninsuffizienz wird beurteilt anhand der Kreatinin-Clearance. Werte unter 50ml/min zählen zur Niereninsuffizienz, begin
nend mit Stadium 1. ln einer Übersicht wurden zunächst drei Gruppen gebildet und deren Lak
tatwerte einander gegenübergestellt: Gruppe 1:
Niereninsuffizienz ohne weitere Zusatzerkran
kungen (N = 8), Gruppe 2: Niereninsuffizienz bei Diabetes m. (N = 34) und Gruppe 3: Nieren
insuffizienz, Diabetes mellitus und Metformin
therapie (N = 23). Im Ergebnis wird deutlich.
1662
Therapiestudie: MetforminL-Mean L-Max
39,4 .
MetSOO MetSSO Met1700
Abbildung 3: Laktatwerte bei Niereninsuffizienz.
N: (MetSOO = 4), (MetSSO = 9), (MetlTOO = 6); T-Test:
(MetSOO-MetSSO) p = 0,03; T-Test: (Met500-Metl700) p = 0,01; T-Test: (Met850-Metl700) p = 0,18; Normwer
te: 9,6-17,lmg/dl
daß die Mittelwerte wie auch die Maximalwer
te des Laktats kontinuierlich ansteigen [Abb. 2).
Die Unterschiede im Wilcoxon-Test sind signi
fikant innerhalb des 5-Prozent-Niveaus. Met
formin führt also bei Niereninsuffizienz (Krea- tinin-Clearance unter 50ml/min) zu einem si
gnifikanten Anstieg des Laktats. Allerdings ist diese Betrachtungsweise noch zu ergänzen. Bei der Gegenüberstellung von Patienten mit Nie
reninsuffizienz, die mit 500mg (N = 4), mit 850mg (N = 9) und mit 1700mg (N = 6) Metfor
min therapiert wurden, fallen deutlich unter
schiedliche Mittelwerte und Maximalwerte auf {Abb. 3): Met500; xq= 15,7mg/dl; Met850:
xq = 27,36mg/dl; Metl700: xq = 39,4mg/dl.
Diese Unterschiede sind im T-Test signifikant:
Met500-Met850: p = 0,03; Met500-Metl700;
p = 0,01. Dieses Ergebnis bestätigt die Abhän
gigkeit des Laktatspiegels von der
Metformin-Lactat m
20,48 19,22
60-69 70-79 80-89
Abbildung 4: Laktat- und Kreatininwerte bei 16 Patien
ten mit Metformin 1000mg therapiert. Mittelwerte und SEM. Normwerte für Laktat bis 17,lmg/dl. Laktatakido- se erst ab 63mg/dl möglicb. Altersgruppe 60-69 (N = 6), Altersgruppe 70-79 (N = 6), Altersgruppe 80-89 (N = 4).
dosis, wie im vorigen Absatz beschrieben wurde. Zudem erweitert es die Aussagen der Dosisabhängigkeit insbesondere auf die Niereninsuffizienz. Bei diesem Gesetz gibt es allerdings eine entscheidende Ausnahme: Met
formin 500 läßt den Laktatspiegel bei Niere
ninsuffizienz nur gering ansteigen.
Laktatspiegel und Alter
Schließlich werden die Laktatspiegel bei unter
schiedlichen Altersgruppen untersucht. 16 mit 1000mg Metformin therapierte Typ-II-Diabeti- ker werden in Altersgruppen aufgeteilt und die Laktat Mittelwerte, SEM und Kreatinin be
stimmt: 60-69 Jahre: N = 6, Laktat 19,22mg/dl;
70-79 Jahre. N = 6, Laktat 20,48mg/dl und 80-79 Jahre: N = 4, Laktat 22,5mg/dL Bereits der Aspekt der graphischen Darstellung (A6ö. 4) zeigt, daß die Unterschiede nicht signifikant sind. Die Normwerte Laktat liegen bei 9,6-17,lmg/dl. Allerdings beziehen sich die günstigen Verläufe der Laktatwerte bei älteren Typ-II-Diabetikern nur auf die Therapie mit 500mg bzw. 1000mg Metformin, nicht auf 850mg bzw. 1700mg Metformin. Offensichtlich liegt es nicht nur an der Menge des Metformin, sonst würde sich der Laktatmittelwert von Met
formin 850mg zwischen Metformin 500mg und 1000mg einordnen lassen. Der Laktatmittel
wert bei 850mg Metformin ist sogar noch si
gnifikant höher als bei Metformin 1000mg. Das läßt darauf schließen, daß für die Entstehung und Höhe des Laktats auch die Konfektionie
rung des Metformin wichtig ist. Metformin 500 liegt in der unretardierten Form vor, Metfor
min 850 in der retardierten Form. Offensicht
lich kommt es durch die fehlende Retardierung zu einer rascheren renalen Eliminierung (4).
Diskussion
Der Unterschied zur Literatur in der Beurtei
lung der Prädiktoren für Laktaterhöhung be
darf zunächst einer Erklärung. Bei uns wurde lediglich die Kreatinin-Clearance und die Met- forminmenge als Prädiktor ermittelt. In der Li
teratur erscheinen zusätzlich das Kreatinin und das Alter, mitunter auch die Dauer der Metfor- mineinnahme, der Grad der Stoffwechselein
stellung und die begleitende Insulintherapie (7).
Der Unterschied liegt hauptsächlich darin be
gründet, daß wir die statistische Untersuchung der multiplen Analyse gewählt haben, während in der Literatur normalerweise die univariate Betrachtungsweise benutzt wird. Die multiple
Therapiestudie: Metformin
ZEA 1663
Analyse hat gegenüber einer univariaten Be
trachtung - beispielsweise zwischen Alter und Laktat oder Dauer der Metformintherapie und Laktat - den Vorteil, daß die Abhängigkeit der verschiedenen Variablen voneinander unter
sucht wird. Univariate Korrelationen können multiple Abhängigkeiten nicht berücksichtigen.
Deswegen taucht das Alter in der multiplen Analyse nicht als Prädiktor auf, weil es stati
stisch nur indirekt mit dem Laktatspiegel ver
bunden ist, beispielsweise dadurch, daß die Häufigkeit der Niereninsuffizienz mit dem Alter ansteigt. Das Kreatinin geht über die Formel von Cockgroft indirekt in die Clearance-Bestim- mung ein. Da das Kreatinin erst dann ansteigt, wenn die glomeruläre Filtration sich über 50%
verschlechtert hat, findet dieses pathophysio- logische Phänomen seinen sinnvollen Eingang in das Ergebnis der multiplen Analyse: Die Kreatinin-Clearance ist als Prädiktor für Lak
taterhöhung dem Kreatinin vorgeordnet.
Bei der Beurteilung der Laktatwerte von älte
ren Patienten ist es offensichtlich nicht nur ent
scheidend, wie groß die Metforminmenge ist, sondern auch, wie das Metformin konfektio
niert ist. Metformin 500mg und 1000mg schneiden signifikant besser ab als Metformin 850mg und 1700mg. Diese neue Er- Nicht nur die kenntnis wird in einzelnen Litera- Menge, auch die turstellen bestätigt (1). Das sich dar- Konfektionie- auf aufbauende Tberapiekonzept rung macht’s! beginnt sich unter der Bezeichnung
»Low-dose« Metformin in die Dia
betologie einzubürgern. Die vorliegenden Er
gebnisse geben einen Hinweis darauf, daß die antidiabetische Therapie mit »Low-dose« Met
formin (Metformin 500 unretardiert) signifi
kant weniger stoffwechselbelastend ist als die Therapie mit Metformin in der retardierten Form (Metformin 850mg ret.). Es sind nicht nur die um 41 Prozent geringere Substanzmen
ge, sondern auch die fehlende Retardierung, die für den Einsatz von »Low-dose« Metformin bei älteren Diabetikern spricht. »Low-dose«
Metformin eröffnet die Möglichkeit, mit Met
formin auch ältere Typ-Il-Diabetiker behandeln zu können. Diese Aussage gilt aber nur für 500 und 1000mg Metformin unretardiert und läßt sich in allen Altersklassen nachweisen.
Das Phänomen der Dosisabhängigkeit läßt sich auch bei niereninsuffizienten Typ-ll-Diabeti- kern feststellen. Die Laktatwerte bei Metfor- mintberapie mit 500mg liegen signifikant unter denen mit 850mg. Auf der anderen Seite kommt
es jedoch bei Diabetikern mit Niereninsuffi
zienz zu einem signifikanten Anstieg des Lak
tats, sobald sie mit Metformin therapiert wer
den. Wenn man beide Aussagen anband der Abbildungen (Abb. 4 und 5) miteinander ver
gleicht, dann drängt sich der Eindruck auf, daß der Laktatanstieg bei Niereninsuffizienz und Metformintherapie überwiegend zu Lasten des konventionellen Metformin geht (Metformin 850mg und 1700mg in der retardierten Form).
Welche Bedeutung haben diese Ergebnisse?
Zusammenfassend bringt die vorliegende Studie nach unserer Meinung Bewegung in die antidia
betische Therapie mit Metformin bei älteren und alten Typ-II-Diabetikern. »Low-dose«-Therapie mit 500mg Metformin unretardiert stellt einen wichtigen Schritt dar, um die Therapie mit Met
formin zu entschärfen. Metformin kann in der
»Low-dose«-Form auch bei älteren Patienten ein
gesetzt werden: Signifikant niedrigere Werte in den verschiedenen Altersklassen wie auch bei Nieren
insuffizienz machen die Metformintherapie mit
»Low-dose« bei älteren Typ-II-Diabetikern »hof
fähig«. Durch das »Low-dose«-Prinzip ist die Met
formintherapie bei älteren Typ-II-Diabetikern neu denkbar geworden, insbesondere bei denjenigen von uns Praktikern, die bisher der antidiabetischen Therapie mit Metformin vorsichtig bzw. kritisch gegenüberstanden.
Literatur
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4. Pentikäinen, PJ: Bioavailability of metformin. Com
parison of solution, rapidly dissolving tablets and three sustained release products. International Journal of Cli
nical Pharmacology, Therapy and Toxicology. 1986: Vol.
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5. Rett K, Wicklmayr M; Das metabolische Syndrom.
Dtsch med Wschr 1993; 118: 1407-1411.
5. Sachse G: Acarbose-Behandlung als neues Therapie
prinzip. Deutsches Ärzteblatt, Supplement zu Heft 7/1994.
6. Sachse, G.: Acarbose Behandlung als neues Thera
pieprinzip. Deutsches Ärzteblatt, Supplement zu Heft 7/1994.
Anschrift: Dr. med. Wolfgang Hasselkus, Arzt für All
gemeinmedizin, ln der Au 20, 96472 Rödental, Tel.
09563-1318, Fax 09563-30327.