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Informationsbedürfnis von Patienten. So gibt es Patienten, die aktiv nach Informationen suchen und diese auch zur Bewältigung ihrer Erkrankung benötigen (Coping-Strategie), während andere Patienten jeglichen Kontakt mit Informationen vermeiden möchten, da diese nur als Belastung empfunden werden. Folglich sollte zunächst herausgefunden werden, ob Patienten ein generelles Informationsbedürfnis haben oder nicht271.

Alle Patientinnen dieser Studie wurden von Case Managerinnen der sektorenübergreifenden Begleit- und Orientierungsstelle mammaNetz betreut, wodurch sie umfassend zu Diagnose, Therapie und Nachsorge informiert wurden, was die hohen Nennungen dieser Informationsquelle erklären dürfte. Trotz des geringfügig höheren Alters wurde das Internet als modernes Medium häufiger von der Intensivbetreuungsgruppe genutzt, wohingegen Standardbetreuungsgruppenpatientinnen häufiger Bücher als wichtigste Informationsquelle nannten. Möglicherweise lässt sich dies mit dem geringfügig unterschiedlichen Bildungsstand erklären. Auch die verschiedenen Heilberufler wurden häufiger von der Intensivbetreuungsgruppe als Informationsquellen genannt, einzige Ausnahme war der Chirurg. Obwohl Patientinnen der Standardbetreuungsgruppe häufiger in einem familiären Umfeld lebten, gaben minimal mehr Intensivbetreuungsgruppenpatientinnen das Familienmitglied als wichtigste Informationsquelle an.

Faktoren zugesprochen275. Wie der Gesundheitsbegriff nach WHO ist auch die gesundheitsbezogene Lebensqualität ein mehrdimensionales Konstrukt, bestehend aus

„Physischer Funktionalität“, „Krankheits- oder therapiebedingten Symptomen“,

„Psychologischem Wohlbefinden“ und „Sozialer Funktionalität“276. Der EORTC QLQ-C30 als krankheitsspezifisches Befragungsinstrument ermittelt anhand von Funktionsskalen, Symptomskalen und Items zur Globalen Gesundheit die subjektive Befindlichkeit von Patienten, die durch diese selbständig eingeschätzt und durch ihre individuelle Situation unterschiedlich stark beeinträchtigt sein kann.

Betrachtet man die Werte zu den einzelnen Befragungszeitpunkten, so wies die Intensivbetreuungsgruppe im Vergleich zur Standardbetreuungsgruppe bessere Werte in den Funktionsskalen auf, in Einzelfällen auch identische Werte. Jedoch zeigte sich nur in der Emotionalen Funktionalität ein signifikanter Unterschied zum Zeitpunkt B1. Die häufigsten Gruppenunterschiede wies die dritte Befragung auf, die zugleich die besten Werte in den Funktionsskalen zeigte. Unter Betrachtung aller Befragungszeitpunkte fiel auf, dass beide Gruppen in den Skalen „Rollenfunktion“ und „Emotionale Funktionalität“ im Median geringere und damit schlechtere Werte aufwiesen als in den Skalen „Kognitive Funktionalität“ und „Physische Funktionalität“; für die „Soziale Funktionalität“ zeigten sich zunächst mittlere Werte, ab Zeitpunkt B2 dann hohe Werte.

Bei den Symptomskalen ergab sich ein ähnliches Bild. Auch hier zeigte die Intensivbetreuungsgruppe zum Teil bessere Werte als die Standardbetreuungsgruppe.

Verschlechterungen der Symptomatik traten im Studienverlauf in beiden Gruppen nicht auf.

Die niedrigsten Einschränkungen wurden mit der dritten Befragung ermittelt, was auf die bereits abgeschlossenen antineoplastischen Chemotherapien und radioonkologischen Behandlungen zurückgeführt werden kann. Über alle Befragungszeitpunkte hinweg wies die Standardbetreuungsgruppe die stärksten Einschränkungen in der Schlaflosigkeit-Skala, gefolgt von der Fatigue-Skala auf. Die Intensivbetreuungsgruppe wurde von Fatigue am meisten beeinträchtigt. Weitere größere Einschränkungen zeigten sich in der Schmerz-Skala beider Patientengruppen (Zeitpunkte B1 bis B3) und in den Skalen „Atembeschwerden“

(Zeitpunkt B1) und „Finanzielle Schwierigkeiten“ (Zeitpunkte B1, B2) der Standardbetreuungsgruppe. Nur geringe Einschränkungen wurden in beiden Gruppen zu Diarrhö, Obstipation sowie Nausea und Emesis ermittelt. Im Falle der Schlaflosigkeit-Skala waren die Unterschiede zu jedem Befragungszeitpunkt statistisch signifikant. Möglicherweise

275 World Health Organization (2), 2002; World Health Organization, 1985

276 Ganz, 1994; Deutschinoff et al., 2005

lässt sich dies mit einer pharmazeutischen Beratung und Information der Patientinnen zur Behandlung von Schlafstörungen erklären. Auch kann aus psychischer Sicht vermutet werden, dass Patienten, die sich umfassend über Erkrankung und Behandlung informiert fühlen, beruhigter und besser schlafen. Weiterhin zeigte die Appetitmangel-Skala zum Zeitpunkt B1 einen signifikanten Vorteil für die Intensivbetreuungsgruppe, die Skala

„Finanzielle Schwierigkeiten“ wies zu den Zeitpunkten B1 und B3 eine Tendenz zur Signifikanz auf. Finanzielle Schwierigkeiten liegen möglicherweise im Patientenkollektiv begründet, wenn man davon ausgeht, dass jüngere Patientinnen, die mit Familie und Kindern zusammenleben, finanziell schlechter gestellt sind als allein lebende, verwitwete oder pensionierte Patientinnen.

Auch hinsichtlich der Globalen Gesundheit wies der dritte Befragungszeitpunkt die deutlichsten, jedoch nicht signifikanten Unterschiede mit Vorteil für die Intensivbetreuungsgruppe auf. Obwohl den Items, die die Globale Gesundheit beschreiben, eine andere Polung als den Items der Funktionsskalen und Symptomskalen zugrunde liegt, kann aufgrund vergleichbarer Ergebnistendenzen der Skalen davon ausgegangen werden, dass keine Verzerrungen im Antwortverhalten entstanden sind.

Sowohl die Langzeitergebnisse der Funktionsskalen als auch die der Symptomskalen und der Globalen Gesundheit zeigten eine mehrheitliche Verbesserung des Gesundheitszustands der Patientinnen ein Jahr nach Entlassung aus der Klinik bzw. Beginn mit der intensivierten Pharmazeutischen Betreuung. Obwohl Unterschiede zwischen Standard- und Intensivbetreuungsgruppe ermittelt werden konnten, waren diese aufgrund der starken Streuung der Daten nur in einzelnen Skalen statistisch signifikant.

In einigen Bereichen spiegeln die ermittelten Ergebnisse die Studienergebnisse der Universität Bonn wider277. Hier konnten für die Funktionsskalen, die den objektiven Gesundheitszustand beschreiben, die besten Werte ermittelt werden, wohingegen die Skalen, die eine Interaktion mit Menschen betreffen, schlechtere Werte aufwiesen. Dies trifft mit Ausnahme der Sozialen Funktionalität auch für die Funktionsskalen dieser Studie zu.

Hinsichtlich der Symptomskalen zeigten sich in der Bonner Studie die stärksten Einschränkungen in der Fatigue-Skala sowie weitere Beeinträchtigungen in den Skalen

„Atembeschwerden“, „Schlaflosigkeit“ und „Appetitmangel“. Nur geringe Einschränkungen wurden zu Obstipation und Diarrhö ermittelt, die besten Werte für Nausea und Emesis. Auch diese Ergebnisse decken sich weitestgehend mit den Ergebnissen dieser Studie. Wie bereits

277 Westfeld, 2006

von Westfeld erläutert, gehen die Ergebnisse mit einer Verschiebung in der Patientenwahrnehmung einher, wobei Symptome wie Nausea und Emesis sowie Alopezie, die in den 80er Jahren noch als am belastendsten empfunden wurden278, mittlerweile durch psychosoziale Beeinträchtigungen der Patientinnen auf die hinteren Plätze verdrängt wurden279. Folglich seien eine psychoonkologische Betreuung und der Einsatz von Arzneimitteln gegen die Fatigue-Problematik genauso bedeutend wie die Prophylaxe bzw.

Therapie von Nausea und Emesis280. Da bei Patientinnen dieser Studie auch die Schlaflosigkeit ein signifikantes Problem darstellte, könnte eine diesbezügliche medikamentöse Behandlung eine individuell abzuwägende Unterstützung sein. Das gleiche gilt für eine adäquate Schmerztherapie der Patientinnen.

Die nichtparametrische Varianzanalyse nach Brunner zeigte für den Verlauf der Einzelwerte über die gesamte Zeit einen signifikanten Unterschied in der Emotionalen Funktionalität mit Vorteil für die Intensivbetreuungsgruppe. Möglicherweise lässt sich dies auf die umfassende patientenindividuelle Information und Unterstützung zurückführen, wodurch die Patientinnen weniger angespannt, sorgenvoll, reizbar und niedergeschlagen waren. Zudem zeigte sich für die Intensivbetreuungsgruppe ein signifikanter Vorteil in der Schlaflosigkeit-Skala. Mögliche Gründe dafür wurden bereits im oberen Textverlauf diskutiert.

Da die von der EORTC herausgegebenen Referenzwerte zur Lebensqualität von Patienten mit verschiedenen Krebsentitäten281 nicht mit der in dieser Studie eingesetzten Fragebogenversion 3.0 erstellt wurden und dadurch Abweichungen zur Vorgängerversion in einzelnen Skalen vorhanden sind, wurde ein Datenvergleich als schwierig interpretierbar und nicht sinnvoll erachtet, weshalb in diesem Kontext darauf verzichtet wurde.

Die Gesamtergebnisse legen den Schluss nahe, dass eine Abbildung von Effekten einer patientenindividuellen Pharmazeutischen Betreuung auf die krankheitsspezifische Lebensqualität mit dem EORTC QLQ-C30 möglich ist. Dabei kann die Verbesserung der Symptomatik anscheinend einen direkten Einfluss auf die Lebensqualität ausüben.

Jedoch ist das Konstrukt der Lebensqualität sehr komplex und wird von vielen Faktoren beeinflusst, die nicht in direktem Zusammenhang mit der Pharmazeutischen Betreuung stehen. So kann sich beispielsweise die patientenindividuelle Grundeinstellung auf die Lebensqualität auswirken. Dabei geht eine positive oder eher optimistische Einstellung mit

278 Coates et al., 1983

279 Carelle et al., 2002

280 Westfeld, 2006

281 Fayers, Weeden, Curran, 1998

einer besseren Lebensqualität einher als eine negative oder eher pessimistische Haltung282. Auch die Art und Weise, wie Patienten mit ihrer Erkrankung und deren Bewältigung umgehen (Coping), hat Auswirkungen auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität. So weisen Patienten, die einer Erkrankung kämpferisch begegnen eine höhere Lebensqualität auf als hoffnungslose Patienten283.

Des Weiteren können methodische Hintergründe die Befragungsergebnisse beeinflussen. So geht nicht selten eine höhere Patientenzahl mit einer besseren Sensitivität des gewählten Befragungsinstruments einher. Die Sensitivität ist die Fähigkeit eines Instruments, Unterschiede zwischen Patienten oder Gruppen von Patienten aufzudecken284. Möglicherweise trifft dies auch auf den EORTC QLQ-C30 zu.

Weiterhin stellt sich die Frage nach dem optimalen Zeitpunkt oder Zeitrahmen, in dem ein Befragungsinstrument zum Einsatz kommen soll285. So lassen sich beispielsweise in Zeiten, in denen Patienten antineoplastische Therapien erhalten, mehr symptomatische Beschwerden feststellen als in therapiefreien Intervallen. Nach Mykletun und Montazeri ist demzufolge eine höhere Anzahl unerwünschter Wirkungen mit einem erhöhten Risiko einer reduzierten Lebensqualität assoziiert286. Die Items des EORTC QLQ-C30 beziehen sich mehrheitlich auf die vergangene Woche der Patienten, weshalb die ermittelten Ergebnisse auch nur diesen Zeitrahmen, der von Patient zu Patient differiert, widerspiegeln.

Eine Abbildung von Effekten auf die Lebensqualität von Patienten wird nicht selten durch eine starke Streuung der Daten erschwert. Dennoch belegen bereits zitierte Studien aus Deutschland den positiven Einfluss einer patientenindividuellen Betreuung unterschiedlicher Dimensionalität auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität287.

Wie in Kap. 4.3 näher erläutert, wurde in dieser Studie keine Befragung zum Zeitpunkt t0

durchgeführt, die bereits zu Beginn mögliche Gruppenunterschiede in der krankheitsspezifischen Lebensqualität ermittelt hätte. Jedoch lässt sich aufgrund der in dieser Arbeit erhaltenen Langzeitergebnisse, die auf einen zum Teil deutlichen Vorteil für die Intensivbetreuungsgruppe hinweisen, und des recht homogenen Patientenkollektivs vermuten, dass auch in dieser Studie die intensivierte Pharmazeutische Betreuung einen positiven Einfluss auf die krankheitsspezifische Lebensqualität ausgeübt hat.

282 Gustavsson-Lilius, Julkunen, Hietanen, 2007; Carver, Lehman, Michael, 2003; Allison, Guichard, Gilain, 2000; Brenes et al., 2002

283 Schou, Ekeberg, Ruland, 2005

284 Fayers, Machin, 2000

285 Pater et al., 1998

286 Mykletun, 2005; Montazeri, 2008

287 beispielsweise die Untersuchungen von: Thorenz, 2007; Westfeld, 2006; Liekweg, 2004; Schmid-Sroka, 2004

5.4 Patientenzufriedenheit mit der Pharmazeutischen Betreuung und Umfang der