• Keine Ergebnisse gefunden

2.2.1 Leucocyte adhesion protein deficiency Typ I (LAD I)

Bei dieser autosomal oder x-chromosomal rezessiv vererbten Erkrankung (GIGER et al. 1987; TROWALD-WIGH et al. 1993) kommt es zu einer verminderten oder sogar vollkommen ausbleibenden Exprimierung von Oberflächenantigenen der ß2 -Integrinfamilie, wie LFA-1 und MAC-1. Verursacht wird der genetische Defekt durch Punktmutation in der Codierungsregion ITGB2 von CD18, also der ß-Untereinheit der Integrine (ARNAOUT et al. 1990; KIJAS et al. 1999). Der Typ I dieser Erbkrankheit ist bisher bei Mensch (ARNAOUT et al. 1985; ARNAOUT et al. 1990; ARNAOUT 1990a), Rind (BLAD) (MULLER et al. 1994; GERARDI 1996; MEYLAN et al. 1997) und Hund (CLAD) (GIGER et al. 1987; WIGH et al. 1992; TROWALD-WIGH et al. 1993; KIJAS et al. 1999; TROWALD-TROWALD-WIGH et al. 2000) beschrieben. Die von CLAD vornehmlich betroffene Hunderasse ist der Irish Setter (STICKLE 1996;

KIJAS et al. 1999). Es wurden DNA-Tests entwickelt, um heterozygote Trägertiere dieser Rasse von der Zucht auszuschliessen. Die homozygot betroffenen Individuen zeigen wiederkehrende bakterielle Infektionen an Körperoberflächen wie Haut, Gingiva, oberer Respirationstrakt und den Schleimhäuten des Magen-Darmtraktes (TROWALD-WIGH et al. 1992; MULLER et al. 1994; MEYLAN et al. 1997;

TROWALD-WIGH et al. 2000), die nach wenigen Lebensmonaten letal enden können. Durch die Störung der Integrine sind alle adhäsionsabhängigen Funktionen der PMN wie die Adhärenz an den Gefässwänden, die Migration, die Chemotaxis und die Aggregation betroffen (GIGER et al. 1987; TROWALD-WIGH et al. 1993). Da MAC-1 zusätzlich als Rezeptor für C3bi fungiert, ist die komplementvermittelte Phagozytose eingedrungener Mikroorganismen ebenfalls stark eingeschränkt (GIGER et al. 1987; WIGH et al. 1993; STICKLE 1996). TROWALD-WIGH (1993) stellte fest, dass der Defekt der Integrinfunktion beim Hund vergesellschaftet ist mit einer verminderten Exprimierung des Fc-Rezeptors III (CD16) und somit auch zum Unvermögen einer IgG-vermittelten Phagozytose führen

kann. Die Fähigkeit zur Bildung reaktiver Sauerstoffspezies dagegen bleibt den PMN vollständig erhalten (GIGER et al. 1987; TROWALD-WIGH et al. 1992). Im Serum betroffener Tiere finden sich eine normale (GIGER et al. 1987) bis erhöhte (MULLER et al. 1994) Anzahl von Immunglobulinen und Komplementkomponenten. Typ II der Erkrankung beruht auf einer Störung der Selektinfunktion und ist in dieser Form bisher nur beim Menschen beschrieben (STICKLE 1996).

2.2.2 Chronische Granulomatose

Im Gegensatz zu LAD handelt es sich bei der Chronic granulomatous disease (CGD) um einen Defekt im extramitochondralen Sauerstoffmetabolismus der PMN. Die Phagozyten können eingedrungene Erreger zwar erreichen und aufnehmen (RYAN et al. 1990), sind aber nicht fähig diese dann nachfolgend abzutöten. Der Infektionsherd bleibt bestehen und zieht weitere Entzündungszellen an (STICKLE 1996). Es kommt zur Granulombildung. Das Verschleppen der Keime im Innern der Granulozyten führt zu chronischen, granulomatösen Infektionen in Lymphknoten, Leber, Knochen, Respirationstrakt und Haut (TILL u. THIELMANN 1989). Durch einen autosomal oder x-chromosomal rezessiv vererbten Defekt (CHOLLET-MARTIN u. GOUGEROT-POCIDALO 2000) an den Genen, die für die vier Untereinheiten gp91-phox, p22-phox, p47-phox und p67-phox des membranständigen Enzyms NADPH-Oxidase kodieren (CURNUTTE 1992; CROCKARD et al. 1997), kann die Reduktion von molekularem Sauerstoff zu dem reaktiven Superoxidanion nicht mehr erfolgen. Dabei sind genau dieses Superoxidanion und seine Derivate essentiell für die Abtötung des internalisierten Materials (GOSSET et al. 1983). Diese für den Menschen des öfteren beschriebene Erbkrankheit wurde für den Hund erstmals bei einem männlichen Irish Setter Welpen mit multipler Abszessbildung, Lymphadenopathie und Gingivitis bis hin zur Knochennekrose des Kiefers genannt (RENSHAW et al. 1975). Renshaw gab der Symptomatik den Namen Canine Granulocytopathy Syndrome. 1979 bezeichnete er es als geeignetes Modell für die CGD beim Menschen. 1987 wurde bei einem Dobermann mit Rhinitis und Pneumonie eine geschwächte Sauerstoffradikalbildung beschrieben

(BREITSCHWERDT et al. 1987). Auch dieser Fall wurde mit der CGD des Menschen in Verbindung gebracht. Spätere Autoren merkten jedoch an, dass bei den für Hunde bisher beschriebenen Fällen eine Rezeptorproblematik nicht eindeutig auszuschliessen sei (GIGER et al. 1987; STICKLE 1996).

2.2.3 Chediak-Higashi-Syndrom (CHS)

Beim autosomal rezessiv vererbten CHS kommt es neben Störungen der Melanozyten und Thrombozyten zur abnormen Bildung von sogenannten Riesenlysosomen in den PMN (ANONYM; WILLER 1997; CHOLLET-MARTIN u.

GOUGEROT-POCIDALO 2000). Die neutrophilen Granulozyten sind durch das Unvermögen zur Verschmelzung der Lysosomen mit den Phagosomen und zur Degranulation (TAICHMAN 1994) nicht mehr in der Lage, ihre Aufgaben im Rahmen der Infektionsabwehr wahrzunehmen. Neben einer hohen Anfälligkeit für Infektionen kommt es bei der Erkrankung zu partiellem Albinismus, Photophobie und vermehrter Blutungsneigung (CAROTHERS u. COUTO 1997; NELSON u. COUTO 1999). Der Verlauf des CHS ist letal. Beschrieben wurde die Erkrankung bisher bei Mensch, Maus, Nerz, Killerwal und bei der Katze (ANONYM; COLGAN et al. 1992; SCHMIDT 1997; NELSON u. COUTO 1999) und hier besonders bei der rauchfarbenen, gelbäugigen Perserkatze (ANONYM; CAROTHERS u. COUTO 1997; NELSON u.

COUTO 1999). Im Zusammenhang mit dem Hund wurde das CHS von CHAMMAS u.

HAGIWARA (1998) genannt.

2.2.4 Zyklische Neutropenie der silbergrauen Collies

Diese auch beim Menschen vorkommende Erkrankung wurde erstmals beim silbergrauen Collie beschrieben. Die in zeitlich etwa gleichen Abständen wiederkehrende Neutropenie führt zu einer geschwächten Immunabwehr und so zur verstärkten Anfälligkeit für bakterielle Infektionen, was meist in den ersten Lebensmonaten zum Tod führen kann (YANG 1987). Beim Menschen wurden

Knochenmarktransplantationen erfolgreich durchgeführt, was einen Knochenmarksdefekt vermuten lässt (YANG 1987; KELLER u. FREUDIGER 1993).

Eine Stammzellerkrankung ist wahrscheinlich, die neben neutrophilen Granulozyten auch andere Blutzellen wie z.B. Thrombozyten betrifft (YANG 1987). So ist auch die hohe Blutungsneigung der erkrankten Tiere zu erklären. Die Erkrankung wird autosomal rezessiv vererbt, wobei das geschädigte Gen eng verbunden ist mit dem Gen für die graue Haarfarbe (YANG 1987), was die Prädisposition der silbergrauen Collies erklärt. Metabolische und funktionelle Abnormitäten der PMN werden im Vergleich zu gesunden Collies gemessen. Bei erkrankten Hunden werden Störungen der Lysosomenbildung in den PMN gefunden (CHUSID et al. 1975). Ausserdem werden erniedrigte Werte der intrazellulären Myeloperoxidase festgestellt. Die Abwehrzellen sind zwar zur Phagozytose fähig, können jedoch die aufgenommenen Bakterien teilweise nicht abtöten. Die Abnormitäten der PMN werden ähnlich der beim Menschen vorkommenden hereditären Myeloperoxidasedefizienz beschrieben (CHUSID et al. 1975).

2.2.5 Pelger-Huet-Anomalie

Diese autosomal dominant vererbte Anomalie der Blutgranulozyten (LATIMER et al.

1985) wurde auch bei Hund (BOWLES et al. 1979; LATIMER u. PRASSE 1982;

LATIMER et al. 1987; LATIMER et al. 1989) und Katze (LATIMER et al. 1985) beschrieben. Die Granulozyten zeigen eine signifikante Kernhyposegmentierung, was zu eher runden, ovalen oder bohnenförmigen Kernformationen führt und die gewohnten segmentkernigen Granulozyten im Blutbild vermissen lässt (BOWLES et al. 1979). Da neben den PMN auch Monozyten und Megakaryozyten betroffen sind, liegt die Vermutung nahe, dass es sich um einen Defekt im Kernsegmentierungs- und Lobulierungsprozess der gemeinsamen Stammzellen handelt (LATIMER et al.

1987). Von LATIMER (1989) durchgeführte Leukozytenfunktionstests bei betroffenen Hunden haben jedoch keinerlei Einschränkung der Immunabwehr feststellen lassen.

2.2.6 Hypogammaglobulinämie und Komplementdefizienz

Meist ist eine Störung der Phagozytenfunktion Folge von Defekten im Zusammenspiel von Phagozyten, Mikroorganismen und Serumfaktoren (LEHMANN et al. 2000). Der Fehler muss aber nicht zwingend bei den PMN liegen. Eine niedrige Serumopsoninaktivität führt zu ernsten Infektionskrankheiten, da die Aktivierung der PMN und die Phagozytose eingedrungener Erreger nicht ausreichend erfolgen kann (HALSTENSEN et al. 1989; LEHMANN et al. 2000). Bei einem Weimaraner mit wiederkehrenden Infektionen wurden 1989 signifikant niedrige Immunglobulin G - (IgG) und Immunglobulin M (IgM) - Werte im Serum beschrieben (COUTO et al.

1989). 1995 wurde ein ähnlicher Fall über einen 5 1/2 Monate alten Weimaraner mit rezidivierenden bakteriellen Infektionen veröffentlicht (HANSEN et al. 1995). Auch dieser zeigte erniedrigte IgG-Werte und Neutrophilenfunktionsstörungen.

2.2.7 Erworbene Störungen der PMN-Funktion

Primäre, d.h. kongenitale Störungen der Granulozytenfunktion sind äusserst selten (STICKLE 1996). Häufiger kommt es durch systemische Erkrankungen des Organismus, wie z. B. bei der myeloischen Leukose durch tumoröse Entartung beim Hund oder unter dem Einfluss von Viren bei der Katze, zu sekundär bedingten Störungen der Granulozyten. Bei der myeloischen Leukämie des Menschen z.B.

zeigen die Tumorzellen einen verminderten Gehalt an NADPH-Oxidase (TAICHMAN 1994), dem wohl wichtigsten Enzym bei der Eliminierung von Krankheitserregern.

Eine verminderte Bildung von Sauerstoffradikalen zeigen ebenfalls die PMN von mit HIV infizierten Patienten (LAFRADO et al. 1989). Auch therapeutische Behandlung mit Glukokortikoiden oder längerbestehende, stressbedingte Ausschüttung von Cortisol kann zu einer gestörten Funktion der PMN führen. Einen hemmenden Einfluss haben Glukokortikoide auf die reaktiven Sauerstoffradikale (FUKUSHIMA et al. 1990; SALAK et al. 1993; HOEBEN et al. 1998) sowie auf die Bildung und

Ausschüttung der Interleukine 2 und 8 (WERTHEIM et al. 1993; VANCUROVA et al.

2001). Letzteres führt zu einer verminderten Bildung bzw. Chemotaxis der PMN (WERTHEIM et al. 1993). Desweiteren wird durch Dexamethason die L-Selektin-Expression auf den neutrophilen Granulozyten eingeschränkt (NAKAGAWA et al.

1999), was mit einer verminderten Adhäsionsfähigkeit der Zellen einhergeht. Neben den Glukokortikoiden zeigen vereinzelt Vertreter der Antibiotika, wie Ceftiofur oder Oxytetracyclin, über eine Interaktion mit dem Myeloperoxidase-Komplex einen hemmenden Einfluss auf die bakterizide Wirkung der reaktiven Sauerstoffspezies (HOEBEN et al. 1997a; HOEBEN et al. 1997b). Medikamente wie Zytostatika und physikalische Noxen wie Bestrahlungen führen durch Störungen der Zytopoese im Knochenmark unter anderem auch zu einer Verminderung der PMN-Zahl.