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Kosmologische Konstante oder Quintessenz

Im Dokument Kapitel 1 - 6 (Seite 60-66)

= r sin cos

5. Einsteins kosmologische Konstante Λ, Unsinn oder eine neue Kraft ?

5.4. Kosmologische Konstante oder Quintessenz

Das Modell der kosmologischen Konstanten ist charakterisiert durch die Unabhängigkeit der Dichte ΩΛvom Skalenparametera(t). Da aber die Materiedichte ΩM sich wie a3(t)verhält, dominiert sie bei z > 1,5., während ΩΛ sich erst bei kleinen z bemerkbar macht. Jede Art von Vakuumenergie kann sich hinter ΩΛ verbergen. Das Einfachste ist die Annahme eines skalaren Felds, das im frühen Kosmos wirksam war und seit dem wesentlich abgeklungen ist.

Diesem hypothetischen Feld hat man den Namen Quintessenz gegeben. Obwohl eine solche Annahme durchaus willkürlich ist, erscheint sie von einem physikalischen Standpunkt aus besser begründet als eine kosmologische Konstante. Es gibt dazu viele Vorschläge. Die entsprechenden Felder sind alle zeitabhängig, ein Effekt der nur schwer zu beobachten ist.

Dass ΩΛ und ΩM zur Jetztzeit von gleicher Größenordnung sind, ist eine weitere Merkwürdigkeit. Wäre dem nicht so, gäbe es möglicher Weise kein Leben im Kosmos, da die Strukturbildung empfindlich von den beiden Größen ΩM und ΩΛ abhängt. Nach dem Stand der Beobachtungen dürfte die Zeitabhängigkeit nur sehr schwach sein. Außerdem kann Quintessenz kaum zur Strukturbildung beitragen haben.

5.5. Andere Hinweise auf Λ >0.

Das Fluktuationsspektrum der Hintergrundstrahlung (CMB) ist z. Zt. die wichtigste Quelle von Informationen, die komplementär zu den unter Kap. 5.3 angesprochenen sind. Der Bereich der Vertrauensgrenzen überlappt mit den SN Ia-Messungen am besten bei den Werten ΩM =0,3 und ΩΛ =0,7. Grenzen der Materiedichte sind sehr viel schwerer anzugeben. Aus der Nukleosynthese der leichten Elemente, die in den ersten Minuten der kosmischen Evolution ablief, ergibt sich mit der aktuellen Hubblekonstanten eine Baryonendichte von

Ω

B

≈ 0 , 04

. Der Anteil der baryonischen Materie scheint aber eher klein zu sein. Die leuchtende Materie in Sternen ist wieder nur ein Bruchteil der baryonischen Materie. Die Untersuchung der Bewegung der Galaxien in Haufen mit Hilfe des Virialsatzes (

E

pot

= − 2 E

kin) ergibt ein

Ω

M

≈ 0 , 2

. Der größte Teil von

Ω

M besteht demnach offensichtlich aus „dunkler Materie“, die sich nur durch Gravitation bemerkbar macht und deren mikroskopischer Aufbau bisher noch völlig unbekannt ist. Noch einmal zurück zum Fluktuationsspektrum der Hintergrundstrahlung. Um seine Struktur an die Theorie anzupassen, müssen kosmologische Parameter eingegeben werden. Man erhält auf diese Weise ΩM ≈0,26. Es ergibt sich damit nicht nur kein Widerspruch zu den SN Ia–Daten, sondern diese werden eher bestätigt. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass die Auswertung der CMB-Daten nicht eindeutig möglich ist. Eine weitere geeignete Methode, Grenzen für

Ω

M und H0 zu bestimmen, ist der Gravitationslinseneffekt. Die Massen großer Galaxien (

M ≈ 10

12

M

Sonne) wirken für dahinter liegende Punklichtquellen (Quasare) wie Gravitationslinsen. Der Ablenkungswinkel des Lichts beträgt dabei

r RS

=2

δα (5.26)

Hier bedeutet RS den Schwarzschildradius der Galaxienmasse M (für eine Sonnenmasse istRS =2,9979 km), r ist die Entfernung der Galaxie von uns (gerechnet als Lichtweg). Die Statistik solcher „lensing events“ hängt von den Werten von

Ω

M

und Ω

Λab. Daraus ergibt sich eine Obergrenze für

Ω

Λ

< 0 , 7

. Eine weitere Möglichkeit für eine unabhängige Evidenz der dunklen Energie bietet das Studium grossräumiger Strukturen, die bis zu 2 Giga-pc aufgelistet sind. Zu den entsprechenden Durchmusterungen gehören der Sloan Digital Sky Servey (SDSS) und « Wiggle Z Dark Energy Survey » mit Rotverschiebungen und Abständen von 240 000 Galaxien. Es treten in der Verteilung typischer Weise Hohlräume (voids) auf, die von akustischen Schwingungen des baryonischen Plasmas zur Zeit der Entkopplung von Strahlung und Materie stammen. Sie haben einen mittleren Durchmesser von150 Mpc, sind von Galaxien umgeben und können so ein kosmisches Längenmass für große Entfernungen abgeben.

Grossräumige Strukturen lassen sich inzwischen auch gut durch die Verteilung von Galaxienhaufen studieren. Im Raum zwischen den Galaxien befindet sich ein heisses Plasma (1 – 100 MeV) von sehr geringer Dichte. Elektronen wechselwirken mit den Photonen der Hintergrundstrahlung und bringen diese auf höhere Energien (inverser Compton-Effekt).

Dieser Effekt wurden von Sunyaev und Zeldowich 1980 vorausgesagt und nach den Autoren genannt (SZ-Effekt). Im Umfeld von Galaxienhaufen ist der SZ-Effekt inzwischen gut messbar und

5.7. Vertrauensgrenzen der Ergebnisse des Supernova-Cosmology-Projects aufgetragen in einer

Ω

M

− Ω

Λ-Fläche. (s. Knop et al. 2003, Spergel et al. 2003, Allen et al. 2002)

ermöglichte weitere noch unbekannte Haufen aufzufinden. Der SZ-Effekt ist unabhängig von der Rotverschiebung und hat eine typische spektrale Charakteristik.

Als letztes erwähnen wir noch den Sachs–Wolfe-Effekt, genauer « the late-time integrated Sachs–Wolfe effect ». Auf dem Weg zum irdischen Beobachter durchlaufen die Photonen Bereiche des Gravitationspotentials von verschiedener Tiefe (voids and cluster), was zu

warmen und kalten Flecken bei der Kartierung des Anisotropie-Spektrums führt. Die zusätzliche Beschleunigung sollte zu einer Abflachung der Potientialmulden führen.

5.5. Deutungen

Eine Deutung von Λ geht von dem „Vakuum“ aus, dem Grundzustand der Quantenfelder der Materie. Man kann sich diese als eine unendliche Zahl von Oszillatoren vorstellen, deren Nullpunktsenergie wie beim harmonischen Oszillator proportional ihrer Quantenergie ist (beim harmonischen Oszillator ist sie h

ω / 2

). Da diese Energie divergiert, benötigt man eine Abschneide-Energie. Das wäre z.B. die Planck-Energie (etwa EPl ~1018 GeV). Könnte man diese Energie in einem Beschleuniger erzeugen, würden schwarze Löcher entstehen. Die zugehörige Energiedichte (EPl /lPl3 ) beträgt ρPl ≈4.64⋅10113Joule/m3.Verglichen mit der Energiedichte der „Dunklen Energie“ ρΛ ≈1.28⋅1026 ist das ein Faktor von 10 . Man muss 139 deshalb annehmen, dass alle Beiträge der Nullpunktsenergie des Vakuums sich gegenseitig zu Null kompensieren. Wäre die Vakuumenergie tatsächlich so groß wie oben abgeschätzt, dann hätte unser Universum nur sehr kurze Zeit existiert. Aber selbst bei ienr um Größenordnung kleineren Abschneide-Energie wäre das Ergebnis immer noch katastrophal.

Ein anderer Ansatz geht davon aus, dass es zur Zeit der Inflation ein Materiefeld

ϕ

(z.B. ein skalares Feld) gegeben hat. Diese Möglichkeit wurde schon weiter oben diskutiert. Wir müssen abschließend feststellen, dass das

Λ

-Problem bis heute ungelöst geblieben ist, obwohl bekannte Physiker sowohl aus der Teilchenphysik wie auch aus der Gravitationsphysik sich intensiv um eine Lösung bemüht haben. Einige geben den frustrierenden Zustand der Diskussion zu. Andere geben zu bedenken, dass

Λ

gar keinen anderen Wert haben dürfe, sonst wäre die Strukturbildung weniger günstig verlaufen oder die Zeit für eine eventuelle Evolution von Leben zu kurz gewesen. Diese Argumentation führt auf das so genannte anthropische Prinzip in seiner schwachen Form: Wenn

Λ

nicht den gemessenen Wert hätte, gäbe es kein Leben, d.h. es gäbe uns auch als Beobachter nicht. Der spezielle Wert von

Λ

wäre demnach ein Auswahleffekt. Das bedeutet mit anderen Worten:

der Wert von

Λ

ist zufällig. Es hätte auch irgendein anderer sein können, und es ist kein Gesetz erkennbar, nach welchem

Λ

gerade den gemessenen Wert haben sollte. Aber dieser spezielle Wert lässt Leben, ja sogar intelligentes Leben zu Der Kosmos, in welchem wir leben, ist offensichtlich ein sehr spezieller mit besonderen Parametern und Kopplungsstärken.

Diese könnten vielleicht zu einem der 10500 Grundzustände (oder Vakua) der Stringtheorie gehören. Die Parameter treten in unseren phänomenologischen kosmologischen Modellen als Eingabegrößen auf, die nicht weiter erklärt werden können. Sie müssen nur so gewählt sein, dass Leben, ja sogar intelligentes Leben möglich ist.

5.6. Zusammenfassung

Zunächst wird gezeigt, wie Einstein (vergeblich) versuchte, durch Einführung einer kosmologischen Konstanten Λ das Modell eines statischen Universums zu entwickeln. Λ kann aber auch als Energiedichte interpretiert werden, welche als Antigravitation wirkt. Diese sonderbaren Eigenschaften werden diskutiert. Moderne Hubble-Diagramme mit SN Ia als Normallichtquellen lassen sich nur so interpretieren, dass eine zusätzliche Beschleunigung existiert. Das hat zu einer modernen Wiedergeburt von Λgeführt. Beobachtungen an SNe Ia unter Voraussetzung einer euklidischen Geometrie (aus der Mikrowellenstrahlung)lassen sich nur so interpretieren, dass die kritische Dichte sich aus zwei Anteilen zusammensetzt, nämlich

aus etwa 70 % dunkler Energie (Λ) und 30 % Materie, wovon nur wiederum höchstens 4 % baryonischer Materie entsprechen. Bisher gibt es keine plausible Erklärung für

Λ

. Falls wir annehmen müssen, dass der Wert von Λ zufällig ist, wirft das die Frage nach einem kontingenten Kosmos oder einem anthropischen Weltbild auf: Der Kosmos ist so, wie er ist, weil wir da sind!

5.7. Literatur

S.M. Carroll, The Cosmological Constant. Living Reviews in Relativity. 2001 http://relativity.livingreviews.org/Articles/lrr-2001-1/index.html

P.J.E. Peebles and B. Ratra, The Cosmological Constant and Dark Energy. http://xxx.uni-augsburg.de/abs/astro-ph/0207347

A.G. Riess, A.V. Filippenko et al.

http://xxx.uni-augsburg.de/abs/astro-ph/9805201 S. Perlmutter, G. Aldering et.al.

http://xxx.uni-augsburg.de/abs/astro-ph/9812133 J.L. Tonry et al. ApJ 594 (2003) 1

L. Perivolaropoulos: Accelerating Universe: Observational Status and Theoretical Implications. http://xxx.uni-augsburg.de/abs/astro-ph/0601014

Leonard Susskind: The Cosmic Landscape. String Theory and the Illusion of Intelligent Design. Little Brown and Company 2005.

Christian Wolf: Korrekturen an der Dunklen Energie? Sterne u. Weltraum 6/2011 S. 36 S. Perlmutter in Physics Today April 2003, p. 53

5.8. Aufgaben

5.8..1. Wir wollen Einsteins ursprüngliches Model eines statischen Universums von 1917 verifizieren. Dazu gehen wir von den Gl. (5.4) und (5.5) aus und setzen a&&=a& =0 . Außerdem soll der Druck p = 0 und R0 soll reell bleiben. Welche Geometrie hat das Modell, welche Raumkrümmung?

5.8.2. Würde man für die Dichte die kritische Dichte einsetztenεΛC, wie groß wäre dann der Weltradius R0?

5.8.3. In der Gegenwart ist der Dichtebeitrag der Materie (einschließlich dunkler Materie) etwa 30%, der Rest ist dunkle Energie. In der Vergangenheit überwog der Anteil der

Materiedichte gegenüber der dunklen Energie. Irgendwann war der Beitrag der dunklen Energie zur kritischen Dichte nur noch 10%. Bei welcher Rotverschiebung „z“ würde man das beobachten?

5.8.4. Ein Widergänger des statischen Kosmos ist die so genannte Steady-State-Cosmology, von britischen Kosmologen vorgeschlagen und bis in die letzten Jahrzehnte propagiert. Hier wird außer Homogenität und Isotropie des Raumes auch eine Homogenität der Zeit angenommen. Was bedeutet das? Wie könnte man in diesem Model die Hubble-Expansion verstehen?

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