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Tag (1) – Arbeitsschwerpunkt: Selbstreflexion, Selbstverortung und kollegiale Beratung

Unterrichten in der Migrationsgesellschaft stellt Lehrer*innen vor zahlreiche Herausforderungen (OR 2017, 57). Dabei sind es nicht ausschließlich unterrichtspraktische Fragen, die es zu klären gilt. Etwa wie und ob eine erfolgreiche Integration geflüchteter Schüler*innen in den Regelunterricht gelingt oder auf welchem Weg der Spracherwerb gefördert und Leistungsmessung erfolgen kann. Nicht zuletzt geht es auch um die Herausforderungen, die sich an die Lehrkraft als Person, als Individuum mit ihren jeweils eigenen Einstellungen, Überzeugungen und Weltsichten stellen (Messerschmidt 2016).

Wenn von der sogenannten „Professionalität“ der Lehrer*innen gesprochen wird, entsteht der Eindruck, der/die „gute“

Lehrer*in müsse sich durch eine umfassende Souveränität in allen Bereichen ihres/seines Handelns ausweisen: Als Expert*in mit umfassenden sozialen, pädagogischen, fachwissenschaftlichen sowie –didaktischen Kenntnissen und Kompetenzen – Herr „einer unangreifbaren Berufsausstattung“ (Messerschmidt 2016). Diese Anforderungen werden von Lehrer*innen schon früh verinnerlicht. Ihr „pädagogische Blick“ fokussiert folglich überwiegend Schüler*innen und Eltern, Kolleg*innen, die Schulleitung – die „anderen“ eben. Der reflexive Umgang mit den eigenen, oft subtilen und unbewussten, Positionen, Überzeugungen und Einstellungen gerät dabei in den Hintergrund.

Insbesondere in der Auseinandersetzung mit gesellschaftlich polarisierenden Themen wie Migration und Populismus ist es jedoch relevant, sich seines „eigenen Inventars“, seiner überwiegend impliziten Einstellungen und Vorurteile reflexiv bewusst zu werden, denn diese übertragen sich gleichermaßen implizit wie explizit auf die pädagogische Praxis und beeinflussen den Umgang sowie die Kommunikation mit den Lernenden sowie etwa ihren Eltern. Als grundlegende Anforderung an die Lehrer*innenbildung im Bereich des Globalen Lernens, phasenübergreifend und somit auch hier mit Blick auf die dritte Phase gilt u.a. die „Bereitschaft, sich die elf Kernkompetenzen des Lernbereichs Globale Entwicklung zu eigen zu machen“ (OR 2017, 439), worunter nicht nur das „Erkennen von Vielfalt“ (Kompetenz 2) sondern auch

„Perspektivwechsel und Empathie“ (Kompetenz 5) zählen. Lehrende sollen befähigt werden, „kulturelle Diversität als prägendes Element weltgesellschaftlicher Strukturen“ (OR 2017, 439) wahr- und annehmen zu können.

Um diesen Reflexionsprozess anzustoßen und mit den Lehrkräften eine konkrete Methode einzuüben, wie sie diesen Prozess in ihrem Arbeitsalltag – im Austausch mit und der Unterstützung durch Kolleg*innen – selbst praktizieren können, gliedert sich Tag (1) der Fortbildung in zwei Blöcke:

Block (I): Selbstreflexion: Stereotype & Vorurteile im professionellen Lehrer*innenhandeln und der Institution Schule und deren Folgen (reflexiver Schwerpunkt)

Block (II): Kollegiale Fallberatung – Ereignisse thematisieren, eigenes Handeln reflektieren, sich mit Kolleg*innen beraten – Vorstellung und Erprobung der Methode mit den Teilnehmer*innen (methodischer Schwerpunkt) Durch diese Verknüpfung von reflexiven und methodisch-praktischen Arbeitsphasen wird ein Lernzuwachs der

Teilnehmer*innen auf unterschiedlichen Ebenen angeregt. Dies gilt mit Blick auf die Entwicklung und Veränderungen der jeweils individuellen Lehrer*innenüberzeugungen und-persönlichkeit sowie die Methodenkompetenz. (vgl. Lipowsky 2009).

Tag (2) – Arbeitsschwerpunkt: Migration und Populismus – Fachwissenschaftliche Erkenntnisse und methodisch-didaktischer Ansatz des Globalen Lernens

Am zweiten Tag steht die Auseinandersetzung mit den Themen Migration und Populismus im Politik- und Wirtschaftsunterricht vor dem Hintergrund des didaktischen Konzepts Globalen Lernens im Fokus (vgl.

Orientierungsrahmen 2017, Themenfelder 16, 17 und 18). Der Input an Tag (II) nimmt zuerst Migration und Populismus aus fachwissenschaftlicher (politikwissenschaftlicher) Perspektive in den Blick. So wird den Teilnehmer*innen der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Forschung zugänglich gemacht, den sie sich mit Blick auf ihre jeweils individuellen Ressourcen (Unterrichts- und Schulverpflichtung) u.U. nicht in diesem Umfang selbst erarbeiten können. Dieses Vorgehen entspricht dem Grundprinzip politischer Bildung, welche immer gesellschafts- und sozialwissenschaftlich fundiert ist, also in Beziehung zu ihren Bezugswissenschaften steht (Hedtke 2014). Darauf folgt die Erarbeitung des Didaktischen Ansatzes des Globalen Lernens, als eine konkrete Möglichkeit, um die oben skizzierten Themenkomplexe in Schule und Unterricht zu thematisieren. Neben der Erarbeitung zentraler Grundlagen des Globalen Lernens (etwa: Leitbild Nachhaltiger Entwicklung in seinen unterschiedlichen Dimensionen, Leitideen des Lernbereichs Globaler Entwicklung, Kompetenz- und

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Themenbereiche) steht dann die praktische Erprobung an z.B. einer Unterrichtsmethode oder eines Unterrichtsbeispiels im Fokus dieser Arbeitsphase. Auf diesem Weg wird ein Kompetenzzuwachs sowohl im Bereich der Fachwissenschaft wie auch -didaktik, als ein zentrales Ziel jeder Lehrer*innenfortbildung (Lipowsky/Rzejak 2012), erreicht. Die eigene kognitive Auseinandersetzung mit den Fortbildungsthemen (Einzelarbeit) sowie der Wechsel der Methoden und Sozialform (Plenum, Partner*innenarbeit) wirkt sich dabei positiv auf den Lernfortschritt aus (vgl. Lipowsky 2009).

Am Nachmittag erhalten die Teilnehmer*innen die Möglichkeit, an einem von mehreren Parallelangeboten teilzunehmen.

Sowohl in der Wirksamkeitsforschung mit Blick auf Fortbildungen (vgl. Lipowsky 2009), in der Politikdidaktik (vgl. Oberle 2013) als auch im Globalen Lernen (vgl. OR 2017) ist das Einbeziehen externer Fachexpert*innen und Bildungspraktiker*innen als vorteilhaft für Lernprozesse anerkannt.

Tag (3) – Arbeitsschwerpunkt: Kennenlernen und Analyse von Unterrichtsmaterial aus dem Bereich Globales Lernen/Migration/Populismus; Stereotype in Unterrichtsmaterialien erkennen; Reflexion

Anschließend an den reflexiven Schwerpunkt des Tages (I) und die fachwissenschaftliche und fachdidaktische Vertiefung an Tag (II), wird am dritten und letzten Tag der Fortbildung der Fokus auf die Arbeit an und mit konkreten Unterrichtsmaterialien gelegt. Der Tag soll den Raum bieten, unterschiedlichste Anbieter*innen von Unterrichtsmaterial – die bisher u.U. unbekannt waren – kennenzulernen und die Breite, des ohne Zweifel bereits vorhandenen (aktuellen), Materials zu verdeutlichen. Im Rahmen des kollegialen Austauschs untereinander sichten die Lehrer*innen dann konkrete Beispielmaterialien, überprüfen sie auf deren Tauglichkeit und Anwendbarkeit im Unterricht und diskutieren mit Fachkolleg*innen über die Stärken und Schwächen sowie über möglicherweise notwendige Anpassungen. Dabei wird, soweit möglich, binnendifferenziertes, aktuelles, diversitätssensibles sowie kompetenzorientiertes Material eingesetzt ebenso wie Material in einfacher Sprache sowie für Schüler*innen auf der ersten Stufe des Spracherwerbs. Als gute Bezugsquelle für solche Materialien wird das EWIK-Portal vorgestellt.

Die Arbeitsphasen konkret:

Kurzinput: „Perspektiven auf Unterrichtsmaterial im Bereich Migration und Populismus: Im Rahmen des Inputs werden an exemplarischen Beispielen Probleme bei der Nutzung von Bildungsmaterialien im Bereich Migration/Populismus skizziert. Der Fokus soll dabei auf der Gefahr der Reproduktion von Rassismen und Stereotypen liegen, die in zahlreichen Untersuchungen – u.a. bei großen Schulbuchverlagen wie Schroedel oder auch Westermann nachgewiesen wurden (vgl. Marmer 2013). Die Grundlage bieten bereits existierende Leitfäden und Arbeitshilfe aus dem Bereich der rassismuskritischen Bildung (u.a. Autor*innenkollektiv Rassismusikritischer Leitfaden; Bildung für nachhaltige Ungleichheit, glokal e.V.).

Gruppenarbeitsphase: Sichtung unterschiedlicher Materialien – Kollegialer Austausch und Diskussion in Kleingruppen: Ablauf und Inhalt s.o. Durch die freundliche Unterstützung des Projekts/der Fortbildung von medico international, Pro Asyl, dem Wochenschauverlag, der Hessischen Landeszentrale für Politische Bildung und dem BratungsNetzwerk gegen Rechtsextremismus Hessen wurde bereits eine Vielzahl kostenloser Materialien bereitgestellt, mit denen die Lehrer*innen vor Ort arbeiten und diese im Anschluss daran kostenfrei mitnehmen können. Parallel dazu werden neu erscheinende Materialien in ausreichender Stückzahl kontinuierlich angeschafft, um zum Zeitpunkt der Fortbildung einen Querschnitt aktueller Unterrichtsmaterialien anbieten zu können.

Vorstellungs- und Diskussionsrunde: Nachdem die Teilnehmer*innen in Gruppen mit jeweils unterschiedlichen Materialien gearbeitet haben, stellen sie sich in der Abschlussphase, kriteriengeleitet, gegenseitig besonders gute/problematische/zielgruppengerechte usw. Lernmaterialien vor und begründen Stärken und Schwäche.

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Im letzten Teil der Fortbildung steht die Reflexions- und Feedbackphase im Mittelpunkt des gemeinsamen Arbeitsprozesses:

a) Evaluation des Lernprozesses der Teilnehmer*innen: Die Fortbildung wird aus der Perspektive der Teilnehmer*innen inhaltsbezogen rekapituliert. Entlang der einzelnen Blöcke (Tage I-III) wird der Arbeits- und Lernprozess aus unterschiedlichen Perspektiven reflektiert (z.B. fachwissenschaftlich, fachdidaktisch, methodisch). Als Evaluationsmethode wird hier das „stumme Schreibgespräch“ gewählt. Dieses hat den Vorteil, dass es:

...direkt und vor Ort durchgeführt werden kann, sodass im Nachhinein keine klassischen Feedbackbögen zugeschickt, ausgefüllt und zurückgesandt werden müssen – was u.U. eine Hürde für die Teilnehmer*innen darstellt und sich in einer geringen und somit wenig aussagekräftigen Rücklaufquote äußert,

...sich um eine Methode des Feedback-Gebens handelt, die sich insbesondere für Großgruppen eignet und so auch von Lehrer*innen eins zu eins auf Feedbacksituationen in ihrem Unterricht übertragen werden kann, ... schriftlich erfolgt, sodass keine individuellen verbalen Äußerungen, z.B. in einer Blitzlicht- oder Feedbackrunde, unter Zeitdruck mitnotiert werden müssen,

...ohne verbalen Austausch der Feedbackgebenden durchgeführt wird. So können die Teilnehmenden in Ruhe über ihre Rückmeldungen nachdenken und sie anschließend verschriftlichen,

...dass die Rückmeldung auf diese Weise anonymisiert erfolgt und so die Teilnehmer*innen ehrlicher und offener feedbacken können. Es wird kein sozialer Druck ausgeübt.

Das Schreibgespräch wird durch verschiedene Impulse angeregt (z.B. Ich nehme mit...; Ich gebe mit....; Besonders hilfreich war für mich...; Für meine Arbeit hat mir die Fortbildung gezeigt...; Auf keinen Fall werde ich....; Nach wie vor ist mir unklar…). Die Teilnehmenden reagieren jeweils schriftlich auf die Impulse, nehmen Stellung, stellen Verbindungen zu den Positionen der Kolleg*innen her, stimmen zu, argumentieren usw.

b) Evaluation der Organisation und Durchführung der Fortbildung: Für die Weiterentwicklung und Optimierung des Fortbildungskonzepts ist das Feedback der Teilnehmenden, mit Blick auf die Organisation und Durchführung, unerlässlich.

Die Rückmeldungen werden mit einem kurzen Fragebogen ebenfalls vor Ort erhoben.

Mit einem herzlichen Dank für die dreitägige Mitarbeit werden die Teilnehmer*innen verabschiedet.

Literatur

Autor*innenkollektiv Rassismuskritischer Leitfaden (2015): Rassismuskritischer Leitfaden. Online unter:

https://www.elina-marmer.com/wp-content/uploads/2015/03/IMAFREDU-Rassismuskritischer-Leiftaden_Web_barrierefrei-NEU.pdf, zuletzt geprüft: 08.10.2019.

glokal e.V. (2013): Bildung für Nachhaltige Ungleichheit. Eine Postkoloniale Analyse von Materialien der Entwicklungspolitischen Bildungsarbeit in Deutschland. Online unter:

https://www.glokal.org/wp-content/uploads/2019/01/Glokal-e-V_Bildung-fuer-nachhaltige-Ungleichheit_Barrierefrei_Druckfassung.pdf, zuletzt geprüft 08.10.2019.

Hedtke, Reinhold (2014): Fachwissenschaftliche Grundlagen politischer Bildung – Positionen und Kontroversen. In:

Wolfgang Sander (Hrsg.): Handbuch politische Bildung. Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung, S.42-52.

Lipowsky, Frank (2009): Unterrichtsentwicklung durch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrpersonen. In:

Beiträge zur Lehrerbildung, 27 (3), S.346-360.

Lipowsky, Frank (2012): Lehrerinnen und Lehrer als Lerner – Wann gelingt der Rollentausch? Merkmal und Wirkungen wirksamer Lehrerfortbildungen. In: Schulpädagogik heute, 5 (3), S.1-17.

Kultusministerkonferenz/Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (2017):

Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung im Rahmen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung.

Berlin: Cornelsen.

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Masserschmidt, Astrid (2016): Involviert in Machtverhältnisse. Rassismuskritische Professionalisierung für die Pädagogik in der Migrationsgesellschaft. In: Aysun Dogmus/Yasemin Karaksoglu/Paul Mecheril (Hrsg.): Pädagogisches Können in der Migrationsgesellschaft. Wiesbaden: VS Verlag, S.59-71.

Oberle, Monika (2013): Chancen und Probleme projektorientierter politischer Bildung an Schulen. In: Ingo Juchler (Hrsg.):

Projekte in der schulischen und außerschulischen politischen Bildung. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, S.101-114.