N ITROBENZOL
4 D IE E RGEBNISSE DER OXIDATIVEN C ARBONYLIERUNG
4.2 Optimierung der Reaktionsparameter
4.2.1.2 Komplexe vom Salen‐Typ als Katalysatoren
4.2.2
Klärung der Reaktivität der 3d‐Metallkomplexe aus Abbildung 4.2 muss nach Unterschieden in der Reaktivität gegenüber dem Substrat bzw. Reaktanden gesucht werden.
Vermutlich liegt der Schlüssel zur Erklärung der wesentlich schlechteren Aktivität der 3d‐Metallkomplexe im Einzelfall in den gebildeten Sauerstoffaddukten oder in der Reaktivität gegenüber dem Substrat bzw. der Reaktanden.
Beispielsweise sind von dem [FeII(Salen)] vier verschiedene Produkte der Reaktion mit O2 bekannt. Neben terminalen Oxokomplexen[129] sind auch μ‐oxo‐verbrückte,[66]
μ‐peroxo‐verbrückte sowie Superoxokomplexe in der Literatur dokumentiert.[130] Gerade die
Stabilität von Komplexen der Einheit MIII‐O‐MIII könnte der Grund sein, das die Eisen‐, Mangan‐ und Cupferkomplexe im Gegensatz zu den Cobaltkatalysatoren inaktiv sind.
Verbindungen mit CoIII‐O‐CoIII‐Einheiten sind für Salensysteme nicht bekannt.
Variation der Katalysatorkonzentration
In der Literatur werden unterschiedliche Angaben zur Katalysatorkonzentration gemacht.
Benedini et al. verwendeten in ihren ersten Carbonylierungsversuchen teilweise 50 Mol% an [CoII(Salen)].[59] Maddinelli et al.[60] arbeiteten mit Mengen von 10 bis 20 Mol%. Die besseren Ergebnisse wurden aber mit der höheren Katalysatorkonzentration von 20 Mol% erhalten.
Aus ökonomischer Sicht sind kleinere Katalysatormengen vorzuziehen, wie sie in den Veröffentlichungen von Leung[50](1 mol%) oder Orejon[52](2 Mol%) zu finden sind. Beide Autoren verwenden in ihren Versuchen NaI als Promotor. Ein Ziel war es, die Ergebnisse (U = 100%, S = 99%) von Leung mit ähnlich geringen Katalysatorkonzentrationen (1 bis 2 Mol%) ohne Zusatz von NaI zu erreichen.
0,5 1 2 3 10 40
50 60 70 80 90
100 100
95
93
64
98 91
65
78
100 100
42
82
%
Katalysator Mol%
Selektivität Umsatz Ausbeute
Abbildung 4.3: Die Variation der Katalysatorkonzentration.[20] Umsatz, Selektivität und Ausbeute beziehen sich auf eingesetztes Anilin. Reaktionsbedingungen: T = 165 °C, p = 36 bar CO und 4 bar O2, t = 3 h, Katalysator = [CoII(Salophen)], nMeOH/nAN = 29:1.
Mit [CoII(Salophen)] können unter optimierten Reaktionsbedingungen (40 bar, 165 °C, 3 h) erst ab Konzentrationen von 2 Mol% gute Resultate erhalten werden. Bei geringeren Konzentrationen (0.5 Mol%) macht sich die im Hintergrund auch unkatalysiert ablaufende Autoxidation von Anilin in Form von schlechten Selektivitätswerten bemerkbar. Effektiven Schutz vor Substratverlust bieten daher höhere Konzentrationen des Cobaltkomplexes, weil das Anilin schneller in das experimentell nachgewiesene Intermediat N,N´‐Diphenylharnstoff oder das Produkt Methyl‐N‐phenylcarbamat überführt wird. Beide Substanzen unterliegen im Gegensatz zu Anilin nicht mehr Oxidationsprozessen. Ab einer Konzentration von 2 Mol%
werden vollständige Umsätze und Selektivitäten über 90 % beobachtet. Zusätzlicher Katalysator macht sich nur geringfügig bemerkbar, da der Selektivitätsunterschied zwischen Eintrag 3 und 5 nur sieben Prozent beträgt, obwohl fünf Mal mehr [CoII(Salophen)]
eingesetzt wurde. Anhand dieser Resultate ist aber auch ersichtlich, dass schon mit geringen Katalysatorkonzentrationen von 0.5 Mol% nur eine Selektivität von 65 %, wegen der im Hintergrund ablaufenden Anilin‐Autoxidation, erzielt werden kann.
Zwei Faktoren limitieren die Lebensdauer der Schiff‐Basenkomplexe. Zum einen können die Komplexe besonders in Gegenwart von Protonen und des Nebenproduktes Wasser der Hydrolyse unterliegen. Sie zerfallen in die jeweiligen Bausteine (siehe 3.3.2.4).[63] Die weitaus höhere Gefahr besteht in Gegenwart von Sauerstoff in der Oxidation des Liganden[131] oder der organischen Einzelkomponenten nach erfolgter Hydrolyse.[37] Der TON‐Wert ist ein Maß für die Lebensdauer eines Komplexes, der TOF‐Wert für die Reaktionsgeschwindigkeit des langsamsten Schrittes des Katalysezyklusses. Exemplarisch ist der TON‐ und TOF‐Wert für die zwei verwendeten Standardkatalysatoren (2.0 Mol%) in dieser Arbeit in Tabelle 4.1 veranschaulicht.
Tabelle 4.1: Errechnete TON‐ und TOF‐Werte in der oxidativen Carbonylierung von Anilin bei einer Katalysatorkonzentration von 2.0 Mol%.
Eintrag Katalysator TON TOF [h‐1]
1 [CoII(Salophen)] 42 14
2 [CoII(Salen)] 33 11
Reaktionsbedingungen: T = 165 °C, p = 36 bar CO und 4 bar O2, t = 3 h, nMeOH/nAN = 29:1. Die TOF‐Werte wurden nach 3 Stunden bestimmt.
Die Analyse der Tabelle 4.1 ergibt, dass die Cobaltkomplexe die Aktivität einiger Palladiumkatalysatoren übertreffen (s. Einleitung). Der TOF‐Wert (4540 h‐1) eines der aktivsten Katalysatoren, [Pd(Phen)2Cl2] ‐ BMImBF4,[132] wird allerdings nicht erreicht.
Dennoch sollte nicht vergessen werden, dass die Reaktion hochselektiv verläuft und dass auf die Anwendung von halogenidhaltigen Promotoren verzichtet werden kann.
4.2.3
Einfluss von Additiven und Promotoren auf die Aktivität der Cobaltkatalysatoren
Gelegentlich werden neben dem eigentlichen Katalysator noch Promotoren oder Cokatalysatoren benötigt, damit akzeptable Ergebnisse erzielt werden. Besonders bei Anwendung von Palladiumkatalysatoren sind zusätzliche Cokatalysatoren notwendig, die die katalytisch aktive Spezies regenerieren. Hier werden unter anderem CoCl2[133] aber auch FeCl3[133] oder CuCl2[134] eingesetzt. Bei letzterem bestehen Parallelen zu dem bekannten Wacker‐Prozess.[134] Aber auch halogenidhaltige Verbindungen werden des Öfteren wegen ihres positiven Einflusses auf die oxidative Carbonylierung von Anilinen genannt.[47, 135] Die mögliche Rolle der iodhaltigen Verbindungen wurde schon in Kapitel 3.3.4 dargelegt.
Obwohl das Kontrollexperiment mit [CoII(Salophen)] zeigt, dass die erhaltenen Umsätze und Selektivitäten kaum übertroffen werden können, sollen trotzdem gängige Additive auf ihren Einfluss hin untersucht werden.
Tabelle 4.2: Der Einfluss von Additiven auf die Aktivität von [CoII(Salophen)] in der oxidativen Carbonylierung von Anilin.[20]
Eintrag Additiv Umsatz [%] Selektivität MPC [%]
Ausbeute MPC [%]
1 ‐ 100 91 91
2 NaI[a] 100 90 90
3 p‐TsOH[b] 79 18 14
4 DMP[c] 100 85 85
5 PhNO2[d] 100 86 86
Reaktionsbedingungen: T = 165 °C, p = 36 bar CO und 4 bar O2, t = 3 h, Katalysator = [CoII(Salophen)],
nKat/nAN = 1.50, nMeOH/nAN = 29:1. Umsatz, Selektivität und Ausbeute beziehen sich auf
eingesetztes Anilin.
[a] = nKat/nNaI = 1:1. [b] = nKat/np‐TsOH = 1:1. [c] = nKat/nDMP = 1:50, DMP = 2,2´‐Dimethoxypropan. [d] = nNB/nAN = 1:5.
Bei Einsatz von 2 Mol% [CoII(Salophen)] kann kein positiver Effekt iodhaltiger Promotoren beobachtet werden (Eintrag 1 und 2). Es ist kein signifikanter Unterschied zu dem Kontrollexperiment festzustellen. Auch die anderen Additive haben keine positive Auswirkung auf die Carbonylierungsreaktion. Weder die wasserentziehende Eigenschaft des DMP noch die Anwesenheit eines zusätzlichen Oxidationsmittels (PhNO2) können die Selektivität der Reaktion steigern. Der Zusatz von Protonen (p‐TsOH) vermindert nicht nur den Anilinumsatz, sondern auch die Ausbeute an Carbamat.
In einer zweiten Versuchsreihe sollte der Einfluss von basischen, stickstoffhaltigen organischen Verbindungen wie N‐Methylimidazol (NMI) dokumentiert werden. Dieses bewirkt in der cupfervermittelten oxidativen Carbonylierung von Methanol eine deutliche Verbesserung der Aktivität.[136] Maddinelli et al.[60] berichteten von einem Experiment der oxidativen Carbonylierung mittels [CoII(Salen)], dem sogar Äquimolare Mengen an Pyridin, bezogen auf das Aminsubstrat, zugesetzt wurden. In dem entsprechenden Kontrollexperiment ohne Pyridinzusatz wurde doppelt so viel 1‐Adamantylamin in Methyl‐N‐adamantylcarbamat umgewandelt. Während erster Testläufe wurde der vermeintlich positive Effekt von NMI auch für die cobaltvermittelte Carbonylierung von Anilin vermutet.[20] Dieser konnte durch mehrmaliges Wiederholen der Experimente allerdings nicht bestätigt werden (Tabelle 4.3).
Tabelle 4.3: Der Einfluss von Basen auf die Aktivität von [CoII(Salophen)] in der oxidativen Carbonylierung von Anilin.
Eintrag Additiv Umsatz [%] Selektivität MPC [%]
Ausbeute MPC [%]
1 ‐ 100 91 91
2 NMI 95 82 78
3 Pyridin 100 72 72
4 Triethylamin 91 71 65
Reaktionsbedingungen: T = 165 °C, p = 36 bar CO und 4 bar O2, t = 3 h, Katalysator = [CoII(Salophen)],
nKat/nAN = 1:50, nKat/nBase = 1:5, nMeOH/nAN = 29:1. Umsatz, Selektivität und Ausbeute
beziehen sich auf eingesetztes Anilin.
4.2.4
Im Vergleich zu dem Kontrollexperiment wirkt sich jeglicher Zusatz einer organischen stickstoffhaltigen Base negativ auf das Ergebnis aus. Das jeweilige Ergebnis scheint nicht von der Koordinationsfähigkeit der zugesetzten Base abhängig zu sein.
Die Ergebnisse aus diesem Kapitel beweisen, dass keine weiteren Promotoren der oxidativen Carbonylierung von Anilin zu Methyl‐N‐phenylcarbamat zugesetzt werden müssen.
Einfluss von Wasser auf die Aktivität der Cobaltkatalysatoren
Anhand der Ergebnisse aus Kapitel 3.2.5 kann angenommen werden, dass das Carbamat (MPC) nicht sonderlich hydrolyseempfindlich ist. In den Publikationen von Benedini,[59]
Maddinelli[60] sowie Leung[50] wird auf den Einfluss von Wasser auf die cobaltvermittelte oxidative Carbonylierung von Aminen nicht näher eingegangen.
0 0,1 0,2 0,5 1 2
80 90 100
91
100 100 100 100 100
87
82
91 100
84
90
%
nAN / n
H2O
Selektivität Umsatz Ausbeute
Abbildung 4.4 Der Einfluss von Wasser auf die oxidative Carbonylierung von Anilin. Umsatz, Selektivität und Ausbeute beziehen sich auf eingesetztes Anilin. Reaktionsbedingungen: T = 165 °C, p = 36 bar CO und 4 bar O2, t = 3 h, Katalysator = [CoII(Salophen)], nKat/nAN = 1:50, nMeOH/nAN = 29:1.
4.2.5
Anstelle des wasserhaltigen Methanols wurde in den folgenden Experimenten absolutiertes Methanol benutzt. Die in Abbildung 4.4 angegebenen Wasseräquivalente wurden definiert dazu gegeben und beziehen sich auf die verwendete Katalysatormenge von 2 Mol%.
Die Abbildung 4.4 beweist, dass Wasser keinen inhibierenden Einfluss auf die oxidative Carbonylierung von Anilin ausübt. Es darf nicht vergessen werden, dass pro Mol Carbamat ein Mol Wasser gebildet wird. Wenn sich die Anwesenheit von Wasser im Reaktionsmedium negativ auswirken würde, dann hätten gerade bei einem Verhältnis von nAN/nH2O = 0 bessere Werte als bei nAN/nH2O = 2 beobachtet werden müssen. Spuren (nAN/nH2O = 0.5‐2) von Wasser scheinen bei Start der Carbonylierungsreaktion sogar förderlich zu sein. Aufgrund der Ergebnisse aus Abbildung 4.4 kann auf einen Wasserscavenger verzichtet werden.
Das Zeitverlauf der oxidativen Carbonylierung von Anilin
Die Effektivität eines Katalysators wird nicht nur durch lange Standzeiten, hohe Umsätze und Selektivitäten belegt, sondern auch durch hohe Umsatzraten beschrieben. Für [CoII(Salen)]
variieren die in der Literatur angegebenen Reaktionszeiten von 3[50] bis 72[59, 60] Stunden.
Der Zeitverlauf der oxidativen Carbonylierung wurde in dieser Arbeit mit einer Katalysatorkonzentration von 2 Mol% [CoII(Salophen)] aufgenommen. Bei einer Reaktionsdauer von nur einer halben Stunde werden scheinbar schlechte Selektivitätswerte festgestellt. Dagegen führen längere Reaktionszeiten zu besseren Selektivitäten. Insofern kann der Selektivitätsverlust nach Abbruch der Reaktion bei einer halben Stunde nicht auf die irreversible Bildung von Nebenprodukten zurückgeführt werden, da sonst ein anderer Verlauf beobachtet würde. Die Begründung für die mäßige Selektivität bei t = 0.5 h kann mit der Bildung von größeren Mengen DPU erklärt werden. Der Harnstoff kann durch Methanolyse und erneuter Carbonylierung des wiedergewonnen Anilins vollständig in MPC überführt werden.