1.6.1
Liganden eingeführt werden, größere Stabilität herbeigeführt werden. Eine weitere Möglichkeit, warum die O2‐Aufnahmekapazität der Komplexe sinkt, ist die irreversible Oxidation des Metalls zu Co(III).[183]
Die Faktoren, welche die Aufnahme von Sauerstoff, Bildung der verschiedenen Addukte und die Reversibilität bestimmen, sind nicht einheitlich und somit nicht einfach darstellbar.
[CoII(Salen)] ist in der Lage, Sauerstoff sowohl im Feststoff als auch in Lösung zu chemiesorbieren. Zuerst soll die Adduktbildung im Feststoff betrachtet werden.
Abbildung 1.18: Kristallstrukturen von [CoII(Salen)]. Links inaktive Form;[184] rechts aktive Form.[185]
Entscheidend für die Absorption von Sauerstoff im Festkörper ist die Kristallmodifikation des [CoII(Salen)]. Beide polymorphe Formen können durch Erhitzen im Vakuum oder durch Zerkleinerungsprozesse ineinander überführt werden.[186] Calvin interpretierte die verschiedenen Absorptionsraten durch das Auftreten von unterschiedlichen Kristallgittern im Festkörper. Die Abstände zwischen den Atomlagen der aktiven Form sorgen dafür, dass Sauerstoff inkorporiert werden kann.[175] Kristallisation aus Chloroform liefert die Form des [CoII(Salen)] (Abbildung 1.18, rechts), welche fähig ist, aus der Luft Sauerstoff zu absorbieren.
Wie man erkennen kann, ist der Komplex im Wesentlichen planar und verfügt im Vergleich zu fünffach koordinierten Cobalt über leicht verkürzte Co‐O‐ und Co‐N‐Bindungslängen. Die Moleküle sind paarweise übereinander gestapelt, so dass die Cobaltatome zur Deckung kommen, wenn die z‐Achse der Blickrichtung entspricht. Aufgrund des großen Abstandes von 3.5 Å können Wechselwirkungen ausgeschlossen werden.[185] Dagegen besteht die inaktive Variante des [CoII(Salen)] aus zentrosymmetrischen Dimeren [CoII(Salen)]2, bei denen jeweils ein Sauerstoffatom des Liganden mit einem benachbarten Komplex geteilt wird. Es resultiert eine Pyramide mit tetragonaler Grundfläche, deren axiale Co‐O‐Bindung
2.25 Å beträgt. In Gegensatz zu den planaren Monomeren (Abbildung 1.18, rechts), ist der Ligand in der dimeren Form leicht verzerrt (22.2°).[184] Die interatomaren Abstände sind bei dieser Modifikation viel kleiner. Daher ist die Diffusion von Sauerstoff durch so genannte
„Löcher“ im Kristall und dessen Aufnahme nicht möglich. Des Weiteren ist Calvin der Ansicht, dass Aufgrund großer Abstände der einzelnen Moleküle im Festkörper der aktiven Form keine Reorganisation der Struktur nach O2‐Aufnahme nötig ist. Die Desorption kann durch Erhitzen der Komplexe oder Anlegen eines Vakuum erreicht werden.[175]
In Lösung gestaltet sich die Situation etwas anders. Zum einen ist die Langlebigkeit der Komplexe, bedingt durch oxidative Zerstörungsprozesse, erheblich erniedrigt. Andererseits nimmt vierfach planar koordiniertes d7‐Co2+ in Lösung im Gegensatz zum Festkörper keinen Sauerstoff auf. Es wird zusätzlich eine Lewis‐Base als fünfter Ligand benötigt, die an das Metall koordiniert und es für die Sauerstoffaufnahme aktiviert. Im Regelfall sind das aliphatische oder aromatische Amine.[183] Es können aber auch koordinierende Lösungsmittel wie DMF und DMSO oder die Anionen Acetat, Azid und Rhodanid als Aktivatoren fungieren.[187] Hierbei erzeugt die Koordination einer Lewis‐Base eine andere Aufspaltung der d‐Orbitale. Im quadratisch planaren Fall hält sich das freie Elektron im
dyz‐Orbital auf.[188] Da dieses Orbital von π‐Symmetrie und verantwortlich für
π‐Rückbindungsanteile in das π*‐Orbital des Sauerstoffs ist, kann mit diesem keine
σ‐Bindung zu O2 formiert werden.[189] Das ändert sich aber durch zusätzliche axiale Liganden.
Der wesentliche Unterschied liegt in einem abgesenkten dyz und einem energetisch hoch liegenden dz2‐Orbital, in welchen sich nun das ungepaarte Elektron des low‐spin d7‐Kations aufhält. Entlang der z‐Achse liegen die freien Koordinationsstellen im Komplex, so dass es jetzt möglich ist, mit Sauerstoff in Wechselwirkung zu treten.[181]
Die Sauerstoffabsorption wird durch eine negative Reaktionsenthalpie ermöglicht, welche die Folge der neu geknüpften Co‐O‐O‐Bindung und der mit einer Oxidation zu Co3+
verbundenen Verkürzung der übrigen Bindungen im Komplex ist. Zudem ist die Reaktionsentropie für den Prozess negativ. Die Abnahme resultiert aus den geringeren Freiheitsgraden der Translation des O2‐Moleküls, wenn es an Cobalt gebunden wird. Ein weiterer Faktor ist die erhöhte Rigidität des Schiff‐Basen‐Liganden. Dieser wird stärker an das Metall koordiniert, was sich wiederum im Verlust von Rotations‐ und
Vibrationsfreiheitsgraden widerspiegelt.[190] Die Bereitwilligkeit der Komplexe, mit Sauerstoff zu reagieren, hängt von deren Elektronendichte ab. Diese wird wiederum indirekt durch die Lewis‐Base gesteuert. Eine stärkere Donorfähigkeit, bedingt durch höhere Elektronendichte am Metall, lässt das Maß an π‐Rückbindungsanteilen in der Co‐O‐Bindung ansteigen, wodurch das Sauerstoffmolekül fester gebunden wird.[191] Chen et al. fanden einen direkten Zusammenhang zwischen der Donorfähigkeit verschiedener Pyridinderivate und der Absorption von Sauerstoff. Bessere Donoren lieferten höhere Sauerstoffaffinität.
Elektronenreiche Salen‐Liganden in Kombination mit elektronenreichen Aminen erzeugen allerdings nicht zwangsläufig einen Komplex mit einer hohen Oxygenierungsrate.[183, 190]
Sterische Faktoren können bei dem Prozess ebenfalls entscheidend sein. So führen stark gehinderte Basen zu einer geringeren Aktivität. In der Reihe t‐BuNH2 > s‐BuNH2 > n‐BuNH2 nimmt die Koordinationsfähigkeit und auch die Reaktivität des resultierenden Cobaltkomplexes gegenüber O2 zu.[189] Huber et al. unternahmen den Versuch, die durch Cyclovoltammetrie erhaltenen Halbzellenpotentiale E1/2 mit der Autoxidation der Komplexe zu korrelieren. Da aber E1/2 nur ein Maß für die Energie ist, die wiederum für die Abstraktion eines Elektrons von Co2+ benötigt wird, konnten die erhaltenen Daten nur unter Zuhilfenahme sterischer Faktoren interpretiert werden. Komplex E (siehe Abbildung 1.19), welcher das positivste Halbzellenpotential aufweist, ist in einer mit Luft gesättigten DMF‐Lösung wochenlang stabil, ohne dass eine Oxidation des Co2+‐Kerns auftreten würde.
Die sterisch anspruchsvollen Substituenten des Diaminspacers wie auch an der 3‐Position des Phenylringes (vgl. t‐Bu‐Gruppe des Komplexes E) verhindern das Andocken von Disauerstoff.
N N
O O
Co
N N
O O
Co
E F
Abbildung 1.19: Zwei Beispiele der von Huber et al. untersuchten Komplexe.[192]
Allerdings genügt schon die alleinige Substitution an der Diaminbrücke des Komplexes, um die Komplexe unempfindlicher gegenüber Oxidation zu machen. Komplex F ist recht unreaktiv in Bezug auf die O2‐Aufnahme. Im Vergleich mit den Komplexen E und F ist [CoII(Salen)] ein hoch reaktiver Komplex, da innerhalb von 3 h das chelatisierte Metall unter Bildung eines Peroxokomplexes aufoxidiert wird.[192] Ähnliche Beobachtungen wurden von Hirotsu,[193, 194] Bresciani[195] und Calligaris[196] gemacht. Unabhängig voneinander untersuchten die Gruppen Cobaltkomplexe mit symmetrisch substituierten Rückgraten.
Dabei fiel auf, dass die optisch inaktiven meso‐Verbindungen Sauerstoff 1000 Mal schneller in einer Pyridin‐Lösung aufnehmen als deren C2‐symmetrische Diastereomere. In der dreidimensionalen Darstellung der Komplexe wird ersichtlich, warum meso‐[CoII(Salbn)]
dieses Verhalten aufweist.
Abbildung 1.20: Die Anordnung der Methylgruppen in [CoII(Salbn)] im Kristall (XRD). Links meso‐Form; rechts optisch aktive Form.[196]
Beide Methylgruppen sind in der optisch aktiven Form pseudo‐axial angeordnet (Abbildung 1.20, rechts).[196] Aufgrund ihrer Orientierung ist die Koordination axialer Liganden stark behindert, so dass die Oxidation der Co(II)‐Komplexe extrem langsam abläuft. Nach erfolgter Oxidation kann eine Konformationsänderung des Liganden stattfinden, in der die sterische Wechselwirkung zwischen axial angeordneten Liganden und den Methylgruppen minimiert ist. Dabei werden die pseudo‐äquatorialen Positionen von letzteren eingenommen. Da aber Co2+ in Lösung eher fünf‐ als sechsfach koordinierte Spezies ausbildet, spielt die mögliche Konformationsänderung bei der Sauerstaufnahme eine untergeordnete Rolle, weil beide Konformere der meso‐Form bei oktaedrischer Koordination sterische Wechselwirkungen hervorrufen.[193] Bevor es zur Absorption von O2 kommen kann, muss ein fünfter Ligand in die Koordinationssphäre des Zentralatoms treten.[183] Diese ist bei meso‐[CoII(Salbn)] leichter zu realisieren, da die sterische Abstoßung geringer ist.[193] Abgesehen von sterischen
Faktoren ist eine generelle Tendenz beobachtbar, dass die Affinität gegenüber Sauerstoff mit dem Elektronenreichtum des Zentralatoms wächst.[182, 183, 190, 192]
Abbildung 1.21 beschreibt die zwei gängigen Sauerstoffaddukte des [CoII(Salen)]. Abhängig von den Reaktionsbedingungen, werden entweder mononukleare Superoxokomplexe oder peroxid‐verbrückte Dimere gebildet.[186, 197] Bei der Superoxospezies handelt es sich um eine paramagnetische Verbindung, in dem ein Elektronentransfer von dem Cobalt zum Sauerstoff stattgefunden hat.[186, 192, 197] Experimentell lässt sich dieser Umstand unter anderem mit der EPR‐Spektroskopie nachweisen. Würde sich das Elektron am Metall befinden, dann müsste entsprechend dem Kernspin von 7/2 (Co59) eine Hyperfeinaufspaltung beobachtbar sein. Da aber die Spindichte auf den Superoxoliganden delokalisiert ist, wird dementsprechend diese Aufspaltung nicht konstatiert.[198]
Abbildung 1.21: Gleichgewicht zwischen Superoxo‐ und µ‐peroxo‐Komplex.[198]
Die Lage des in Abbildung 1.21 gezeigten Gleichgewichts wird von verschiedenen Faktoren bestimmt. Erheblichen Einfluss auf die Adduktbildung hat das verwendete Lösungsmittel.
Wird der Komplex beispielsweise in einem Lösungsmittel suspendiert und anschließend molekularem Sauerstoff ausgesetzt, dann bildet sich vornehmlich das 2:1‐Addukt H. Dies gilt im Besonderen für apolare Solventien, in denen die Ausgangsverbindung gut löslich ist.
Augrund der schlechteren Löslichkeit der Peroxospezies, verglichen mit dem Superoxokomplex, kommt es zur Ausfällung des ersteren. Damit ist ebenfalls die Verschiebung des Gleichgewichtes zur rechten Seite hin verbunden.[187] Diemente et al.[199]
konnten durch Filtration aus einer Pyrdinlösung die beiden Sauerstoffkomplexe trennen.
Während das Dimer als Feststoff erhalten wurde, verblieb das 1:1‐Addukt in Lösung.[199] In diesem Umstand zeigt sich auch die Konzentrationsabhängigkeit der Sauerstoffaufnahme.
Die Bildung des Dimers H muss über die Zwischenstufe G verlaufen, welche mit einem
weiteren Reduktionsäquivalent [CoII(Salen)(L)] zum Peroxokomplex abreagiert. Gerade zu Anfang der Reaktion befinden sich große Überschüsse an nicht abreagierten [CoII(Salen)]
bzw. [CoII(Salen)(L)] in Lösung, die sofort mit G das 2:1‐Addukt H bilden. Bei niedrigen Oxygenierungsraten ist dieser Komplex vorherrschend. Erst bei höheren Raten (> 50 %) bildet sich das Superoxid ohne dass sofort die Reaktion zur peroxidischen Spezies eintritt.[198]
Bajdor et al. untersuchten eingehender die Lage des Gleichgewichts von oxygenierten [CoII(Salen)]‐Lösungen mittels Raman‐Spektroskopie. Dieses kann zum Beispiel durch Erhöhen des O2‐Partialdrucks oder durch Herabsetzung der Temperatur auf die Seite des Superoxokomplexes verschoben werden.[200, 201] Gewöhnlich liegen die Temperaturbereiche, in denen die reversible O2‐Absorption untersucht wird, in einem Fenster von ‐80 bis +20 °C.
Anhand verschiedener Acacen‐Derivate (vgl. Abbildung 1.7, Struktur B) verfolgten Nakamoto et al. die Verschiebung des Gleichgewichtes von der Superoxo‐ (‐80°C) hin zu der Peroxospezies (+20 °C).[202]
Tabelle 1.5: Stöchiometrie einiger Sauerstoffaddukte.[190]
Komplex Base t °C Stöchiometrie
[CoII(Salen)] 4‐Me‐py 0 2:1
25 2:1
[CoII(α‐Me‐Salen)] 4‐Me‐py 25 1:1
[CoII(Saltmen)] 4‐Me‐py 25 1:1
[CoII(3‐F‐Salen)] 4‐Me‐py 25 2:1
[CoII(3‐F‐Salophen)] 4‐Me‐py 25 2:1
[CoII(Salophen)] 4‐Me‐py 0 1:1
DMAP 25 2:1
Ähnliche Ergebnisse werden auch für [CoII(Salophen)] berichtet, das bei tieferen Temperaturen (0 °C) ein 1:1 und bei 25 °C ein 2:1‐Addukt bildet (Tabelle 1.5). Welches Sauerstoffaddukt in Lösung überwiegt, hängt von Konzentrations‐ und Löslichkeitsverhältnissen ab. Hinzu kommen Faktoren wie die irreversible Ligandoxidation.
Die Komplexe [CoII(α‐Me‐Salophen)] oder [CoII(5‐NaSO3‐Salophen)] absorbieren zwar bei 0°C
1.7.1
langsam Disauerstoff, erliegen aber irreversibeler Ligandoxidation.[190] Einen anderen Ansatz verfolgten Schäfer et al. Von den Eisen‐Porphyrinen ist die so genannte „picket fence“‐
Anordnung bekannt, die durch sterische Hinderung die Bildung von verbrückten Peroxokomplexen unterdrückt.[203] Diese sollte in den Salen‐Komplexen nachgebildet werden, indem das verwendete Diamin im Liganden einen hohen Grad an sterisch anspruchsvollen Substituenten trägt. Jedoch gelang es der Gruppe, ein 1:1‐Addukt zu kristallisieren, dass als Diaminbrücke das unverzweigte Ethylendiamin trägt.[204] Im Gegensatz zur Oxygenierung ist die Abgabe von Sauerstoff leichter zu realisieren. Erhitzen unter N2[198] oder im Vakuum ist ebenso erfolgreich wie die Verdünnung durch Zugabe von Benzol oder Chloroform.[187]